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Veröffentlicht am 08.05.2020

Wiener Schmäh vom Feinsten

Rückwärtswalzer
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Als deutscher Tourist in Wien kriegt man wenig vom viel gelobten Schmäh mit, dazu sind die Wiener zu höflich. Man kriegt es höchstens mal in einem Café mit, wenn man sich im Kurzen, Langen, Braunen oder ...

Als deutscher Tourist in Wien kriegt man wenig vom viel gelobten Schmäh mit, dazu sind die Wiener zu höflich. Man kriegt es höchstens mal in einem Café mit, wenn man sich im Kurzen, Langen, Braunen oder Schwarzen verheddert, dann wird allerhöchstens ganz dezent eine Augenbraue sanft in die Höhe gezogen. Das war’s aber auch schon. Aber wenn man diesen Schmäh genießen will, weshalb soweit verreisen? Ein Spaziergang in die Buchhandlung deines Vertrauens und Vea Kaiser liefert uns den allerfeinsten allerbesten, allerschönsten und allercharmantesten Wiener Schmäh. Die Leseprobe hat mich verzaubert, ich bin auf das Buch gespannt. Das Titelbild ist bewusst verhalten, sozusagen ein Understatement. Aber eine Vea Kaiser braucht keine reißerischen Coverbilder. Ihr Name ist Programm.
Eine Wiener Familie gebildet aus drei Schwestern, ein Ehemann, ein Neffe. Die Töchter der drei Schwestern haben nur kurze Auftritte, ebenso der eine Bruder und der andere Schwager. Sie illustrieren nur, wie sehr die drei Schwestern, die ständig im Streit miteinander liegen, eigentlich zusammenhalten, sich auch wortlos verstehen und im Grunde immer einer Meinung sind. Und dann der Neffe Lorenz Prischinger. Versinkt in Selbstmitleid, kaufsüchtig bis der Gerichtsvollzieher kommt, Schauspieler ohne Engagement, die Serie bei der er hoffte mitzuspielen, wird ohne ihn fortgeführt. Seine Freundin hat ihn verlassen, ist aus Wien fortgezogen, nach Heidelberg, hat einen anderen. Ein Bild des Jammers. Doch als er gebraucht wird, ist er zur Stelle, kutschiert von Wien bis Montenegro die drei Tanten und den Schockgefrorenen Onkel Willi. Denn Onkel Willi ist unerwartet an einem Herzinfarkt gestorben und die drei Schwestern wollen ihm seinen größten Wunsch erfüllen, in Montenegro beerdigt zu werden. Es beginnt eine aberwitzige Reise quer durch mehrere Länder auf dem Balkan, bis nach Montenegro. Der Trip findet mit einem kleinen Fiat Panda statt. Und bitte lasst jetzt das Kopfkino an: Vorne sitzen Lorenz, als Chauffeur, als Beifahrer der blasse und steife Onkel Willi, im Fond zusammengepfercht die drei Tanten, wohlverpackt in Pelzmäntel. Denn natürlich ist die Klimaanlage auf kalt gestellt, denn es ist Hochsommer und Onkel Willi kann in seinem Zustand keine Wärme vertragen.
Wien ist ja das Herz Österreichs. In diesem Roman aber wird deutlich, Wien ist viel mehr als nur die Hauptstadt der kleinen Alpenrepublik. Es war ja auch das Zentrum der K.u.K. Monarchie, und etwas von den vielen Ländern, die Habsburg ausgemacht haben, lebt in Wien und in seinen Bewohnern fort. Pragmatismus, Liebe, Weltoffenheit, Verständnis für die Nöte und Sorgen anderer, Akzeptanz und Schicksalsergebenheit mit der man widrige Umstände hinnimmt und meistert, all dies kombiniert mit einer fantastischen Eleganz, das macht die Wiener aus. Und Vea Kaiser lässt diese Wiener Mentalität vor unseren Augen entstehen. Die drei Schwestern hatten es nicht leicht im Leben. Früh verloren sie einen Bruder, der andere blieb in der Provinz, während Mirl, Hedi und Wetti nach und nach in Wien eintreffen und auch bleiben. Hedi und ihr Mann Willi werden zum Mittelpunkt der Großfamilie, man kommt täglich zusammen. Der Werdegang der drei Schwestern ist nicht einfach, jede von ihnen hat mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Mirl hat zwar gut geheiratet, ist aber in ihrer ehe unzufrieden. Wetti ist autistisch veranlagt, aber für die Menschen, die sie liebt, ist sie bereit bis aufs Blut zu kämpfen. Hedi stellt ihre Küche den Schwestern, Nichten und Neffen zur Verfügung, sie und Willi sind der ruhende Pol in diesem Familienstrudel.

Eine Magierin der Sprache, vermag es Vea Kaiser uns zu bezaubern. Zum vom Sofa lachen ist die Szene in der Lorenz mit den drei Tanten und der dementen Frau Sterbeitz zum Großmarkt fährt, um Rabatte auf Großpackungen zu bekommen. Und am Ende kriegt man Appetit auf Käsekreiner Würste. (Oder schwört ihnen auf ewig ab)

Das Buch ist auf mehreren Ebenen aufgebaut. Erstens, die Haupthandlung sozusagen, die Fahrt von Wien nach Montenegro. Dazwischen dann Erinnerungen und Episoden aus der Kindheit und Jugend der Prischinger Frauen, manche humorvoll, gewitzt, andere ernst bis schmerzvoll. Und irgendwann merkt man, auch wenn unterschiedliche Erzählungsstränge da miteinander verwoben werden, es ist ein einziger großartiger Roman, den man nur ungern aus der Hand legt, wenn der Schlusssatz fällt: „Das Leben ging weiter. Und auch diejenigen, die nicht mehr waren, blieben dabei. Solange man auf sie hörte.“

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Veröffentlicht am 29.04.2020

Ein Buch das zu Herzen geht

Pandatage
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Danny Malooley und sein Sohn Will müssen sich nach dem Unfalltod der Mutter alleine durchschlagen. Und das gelingt mehr schlecht als recht. Will flüchtet sich in die Sprachlosigkeit, weil er nicht weiß ...

Danny Malooley und sein Sohn Will müssen sich nach dem Unfalltod der Mutter alleine durchschlagen. Und das gelingt mehr schlecht als recht. Will flüchtet sich in die Sprachlosigkeit, weil er nicht weiß wie mit dem Schmerz umgehen und treibt dadurch seinen Vater zur Verzweiflung. Danny muss neben den Sorgen um seinen Sohn auch noch mit einem raffgierigen Vermieter fertig werden und um einen schlecht bezahlten Job auf dem Bau bangen, den er auch prompt verliert. Dabei beobachtet er im Park, wie andere Straßenkünstler mit ihren Künsten ihren Lebensunterhalt verdienen. Mit dem Mut der Verzweiflung kauft er sich ein Panda Kostüm und beginnt unbeholfen im Park zu tanzen. Natürlich bleibt das große Geld aus, das kleine Geld wird ihm auch noch gestohlen. Aber ihm gelingt etwas ganz und gar Unerwartetes, das ihn darin bestärkt, weiterzumachen. ER nimmt sogar Tanzunterricht bei einer Poletänzerin.
Der Roman lebt von den Charakteren im Buh: Da wären einmal Danny, der sich und seinen Sohn nicht aufgibt, für ihn weiterkämpft um ihre Existenz zu sichern. Oder Krystal, die Poletänzerin, die wie eine Barsängerin in einem alten Western, außen rau und schön, innen aber einen sehr weichen Kern hat. Oder Igor, der Hühne der Dannys Freund ist, oder der junge Will, der in der Schule von anderen Schülern gemobbt und geschlagen wird und der aber auch einen treuen Freund zur Seite hat, Mo, der zu ihm hält. Von den Straßenkünstlern gefiel mir Tim mit seinem Kater, der Danny zu einem Wettbewerb anmeldet. Und dann sind da auch noch die bösen, die so eindeutig böse sind, dass man am liebsten ins Romangeschehen eingreifen würde um sie buchstäblich aus den Seiten zu reißen: Reg, der fiese betrügerische Vermieter und sein Handlanger, Mr Dent oder der untalentierte und neidische Zauberer El Magnifico der mittels Gedankenkraft andere anzünden will, es aber nie schafft.
Die Sprache des Buches ist sanft, angenehm, gewinnt nur an Schärfe, wenn der hinkende Reg auftaucht und Danny bedroht.
Und zum Schluss wird alles gut, wenn auch nicht so, wie wir es ursprünglich gedacht haben. Denn ein Pandabär steht für das Gute und Schöne.
Dies ist ein Wohlfühlbuch, ohne ins Kitschige zu verfallen. Ich möchte es in die Kategorie „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ einreihen.

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Veröffentlicht am 29.04.2020

Spannend wie ein skandinavischer Krimi sein muss

Das Dorf der toten Seelen
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Camilla Sten, ein neuer Stern am skandinavischen Krimihimmel und genetisch vorprogrammiert auf Krimis – ich sage nur Viveca Sten – hat sich in ihrem Debütroman keine leichte Kost vorgenommen. Auf zwei ...

Camilla Sten, ein neuer Stern am skandinavischen Krimihimmel und genetisch vorprogrammiert auf Krimis – ich sage nur Viveca Sten – hat sich in ihrem Debütroman keine leichte Kost vorgenommen. Auf zwei Zeitebenen gebaut, damals, 1959 und in der Gegenwart. Ort der Handlung ist in beiden Zeitebenen das Dorf Silvertjän. 1959 verschwinden plötzlich spurlos alle Bewohner von Silvertjän, bis auf einen Säugling und eine grausam zugerichtete Frauenleiche. In der Gegenwartmacht sich eine junge Filmcrew auf den Weg, das Geheimnis von Silvertjän zu erforschen. Die zwei Zeitebenen alternieren, könnten jede für sich einen Roman bilden, beide steuern auf ihren eigenen Höhepunkt zu. Und doch sind sie unmittelbar und auf geheimnisvolle Weise miteinander verbunden. Unwillkürlich drängt sich einem der Gedanke an die Sage des Kinderfängers von Hameln auf. Aber in Hameln waren es nur die Kinder, die verschwanden während die Erwachsenen nichts dagegen tun konnten, während in Silvertjän alle Erwachsenen und Kinder, bis auf den einen Säugling, verschwunden sind. Das Geheimnis der entschwundenen Einwohner aber auch der Morde in der Gegenwart wird eigentlich nur zum Schluss gelüftet und die unheilvolle Verknüpfung der beiden Zeitebenen offensichtlich.
Die Atmosphäre im Buch verdichtet sich zunehmend, die Bedrohung damals wie heute wird immer greifbarer, die Gefahr immer akuter.
Packend zu lesen, kann man das Buch ab einem bestimmten Punkt kaum noch aus der Hand legen.
Als Bettlektüre nur für Hartgesottene zu empfehlen, für uns andere, lieber im Garten und bei Sonnenschein.

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Veröffentlicht am 26.04.2020

Wiener Charme und Schmäh, kombiniert in einen spannenden Krimi. Herz, was willst du mehr?

Verkauft
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Constanze Dennig legt uns hier einen spannenden Krimi vor, mit sehr aktuellen Bezügen zur europäischen Wirklichkeit: Es geht um moderne Genforschung und Flüchtlinge. Gewissenlose Geschäftetreiber machen ...

Constanze Dennig legt uns hier einen spannenden Krimi vor, mit sehr aktuellen Bezügen zur europäischen Wirklichkeit: Es geht um moderne Genforschung und Flüchtlinge. Gewissenlose Geschäftetreiber machen sich die schwierige Situation der Asylbewerber zunutze und schlagen riesige Gewinne daraus. Alma Liebekind, ihres Zeichens Psychologin und gut befreundet mit Erika Sacherl, Polizeiinspektor, kann nicht widerstehen, wenn sie irgendwo irgendwie von einem interessanten Fall mit psychologischen Gründen hört. Umso hellhöriger wird sie, wenn sie von einem Ehrenmord an einer schwangeren Syrerin hört, der in einem Asylbewerberheim verübt wird und ganz zufällig ist ein Chirurg, eine Koryphäe auf seinem Gebiet dabei und nimmt einen Notkaiserschnitt vor, um das Neugeborene zu retten. Da wittert Alma Liebekind sofort dass mehr dahinter steckt und beginnt auf eigene Spur zu ermitteln. Dabei wird sie tatkräftig unterstützt von ihrer Mutter, Martha Liebekind-Spanneck. Überhaupt, ist das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter ein besonders inniges, die Mutter, weit in den Achtzigern, mischt sich ständig ein, lässt sie keinen Augenblick aus den Augen, will und muss immer informiert sein über jede Einzelheit aus Almas Leben. Man bekommt fast das Gefühl, dass Martha, die Mutter, es noch nicht geschafft hat, sich von ihrer Tochter abzunabeln. Uns die Leser braucht es nicht zu grämen, sind doch die verbalen Schlagabtausche zwischen Mutter und Tochter charmant, ironisch, spritzig und lassen die tiefe Verbindung zwischen den beiden Frauen sichtbar werden.
Alma ermittelt auf eigene Faust, begibt sich dabei in Lebensgefahr, wird in buchstäblich letzter Minute gerettet und der Fall wird restlos aufgeklärt. Eine Frage bleibt noch offen: Wird es Alma gelingen, sich gegen die Pläne ihrer Mutter zu wehren, sie wie einen Hund zu chipen, damit Martha immer weiß, wo ihre Tochter steckt.
Und das bringt mich zu meiner ursprünglichen Frage: Herz, was willst du mehr? Noch einen Krimi mit Alma Liebekind!

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Veröffentlicht am 20.04.2020

Mädels, aufgepasst, dies ist was für uns

Love factually (Knitting in the City 1)
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Lassen wir Stil und Niveau beiseite, manchmal muss es einfach klarer Schund sein, ins Märchenhafte verzerrt. Und außerdem, wo hört Kunst auf? Wo beginnt Kitsch? Die Debatte ist so alt wie die Literatur ...

Lassen wir Stil und Niveau beiseite, manchmal muss es einfach klarer Schund sein, ins Märchenhafte verzerrt. Und außerdem, wo hört Kunst auf? Wo beginnt Kitsch? Die Debatte ist so alt wie die Literatur selbst. In urbanen Märchen reitet der Prinz nicht mehr durch den Wald sondern leitet ein Wirtschaftsimperium und ist trotzdem jeden Abend pünktlich daheim zum Suppe fassen und Dienstreisen werden mindestens eine Woche vorher angekündigt. OK, der Hauptheld glitzert zwar nicht in der Sonne, noch kann er einen Helikopter steuern, aber ansonsten steht er den modernen Märchenprinzen in nichts nach. Und sie? Die Hauptheldin ist eine etwas schrullige, schräge, aber sehr liebenswerte hoch intelligente junge Frau, mit dem Zeug zur echten Prinzessin: Am gleichen Tag Freund weg, Job weg, Wohnung weg und ihre Lieblingsbluse befleckt. Sie ist also praktisch am Boden. Und sie? Was macht sie? Rappelt sich vom Boden auf, rückt ihr Krönchen zurecht und wartet auf ihr Einhorn. Ja, nicht wirklich, aber so in etwa. Mädels, ihr könnt dieses Buch getrost lesen, wenn Ihr mal Ablenkung braucht, wenn Ihr mal der Tristesse entkommen wollt, wenn Ihr noch an Einhörner und wahre Liebe glaubt!

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