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Veröffentlicht am 05.10.2021

Die Vielschichtigkeit einer Gemeinschaft

Der Sucher
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Obwohl die Bücher von Tana French vor allem in den Kreisen der Bücher-Plattformen immer wieder besprochen und gelobt worden sind, war „Der Sucher“ für mich das erste Buch der Autorin.

Das Buch wartet ...

Obwohl die Bücher von Tana French vor allem in den Kreisen der Bücher-Plattformen immer wieder besprochen und gelobt worden sind, war „Der Sucher“ für mich das erste Buch der Autorin.

Das Buch wartet nicht auf mit einer spannenden Handlung voller hektischer Action, sondern besticht eher durch absolute Schlichtheit. Nie wird die Handlung langweilig, als Leser möchte man ähnlich wie Cal einfach irgendwann wissen, was vorgefallen ist, bleibt deshalb am Ball. Und wegen der wunderbaren Beschreibungen der irischen Landschaft.
Um ehrlich zu sein ist auf den fast 500 Seiten sehr wenig passiert – und gleichzeitig doch auch wieder so viel. Die Handlung, würde sie auf die wichtigsten Punkte gekürzt werden, würde zugegebener Weise sehr kurz und dürftig ausfallen.
Doch was in diesem Roman als Verflechtungen innerhalb der Gemeinschaft zutage tritt, gefiel mir sehr gut. Es erinnerte mich in Zügen sehr an „Ein plötzlicher Todesfall“ von Joanne K. Rowling, da auch dieses Buch den Fokus vor allem auf die Personen des Ortes und ihre Beziehungen zueinander legte.
Ähnlich war es auch in „Der Sucher“. Cal, der als Außenstehender und Fremder in die Gemeinschaft eintritt, deckt mit dem Leser gemeinsam die Verflechtungen des Ortes auf, erkennt Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bewohnern und versteht nach und nach die Beziehungen.
Ich finde es von daher gut, dass hier die Genrebezeichnung „Roman“ gewählt wurde, da die Handlung für einen Krimi oder Thriller einfach nicht passend genug ist.

Der Schreibstil hat es mir absolut angetan. Die Beschreibungen der irischen Landschaft haben mir unheimlich gut gefallen. Dabei waren diese Beschreibungen nicht nur ab und an zu finden, sondern waren sehr unterschwellig platziert, so dass ich während des Lesens immer die Landschaft und Orte vor meinem geistigen Auge hatte. Wirklich toll gemacht!
Ansonsten war der Schreibstil teilweise so, wie auch Cal als Protagonist; sehr ehrlich, ohne viele Schnörkel, fast schon nüchtern, aber niemals langweilig.
Die im Hintergrund immer mitschwingenden Frage, was vorgefallen sein könnte, erschuf eine fast schon düstere Atmosphäre, die jedoch immer wieder durch Handlungen mit anderen Nebencharakteren aufgebrochen oder noch weiter verstärkt wurde.

Zwar hat mich das Buch nicht komplett umgehauen, dass ich restlos begeistert wäre, aber ich mochte es. Sehr sogar. Die Charaktere waren wirklich gut ausgearbeitet und sehr interessant, der Schreibstil hat mir ausnehmend gut gefallen, nur ein kleines Bisschen mehr Spannung wäre gut gewesen. Zwar habe ich das Ende so nicht vorrausahnen können, doch wurden mir Zusammenhänge ein paar Mal etwas zu schnell aufgeklärt und hingenommen. Das ist Meckern auf sehr hohem Niveau, machte für mich aber letztendlich den Unterschied zu einer 5-Sterne-Bewertung. Dennoch würde ich dem Buch sehr gute 4 Sterne mit Tendenz zu 4.5 geben.

Ich mochte den Stil der Autorin sehr und werde mir beizeiten auch die anderen Bücher von ihr vornehmen.
Wer sich für vielschichtige Bücher interessiert, die vor allem mit ihren Charakteren bestechen, dem kann ich das Buch empfehlen. Wer jedoch einen Krimi sucht, der wird meiner Meinung nach bei diesem Buch nur in Teilen zufriedengestellt werden.

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Veröffentlicht am 14.09.2021

Empfehlenswerter Bericht über Migration und Polizeiarbeit

Nachtschicht in Neukölln
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Lana Atakisieva hat es geschafft, auf sehr gelungene Art und Weise einen spannenden Bericht über ihr Leben mit ihren Erfahrungen als Polizistin in Berlin zu verbinden und dadurch eine großartige Erzählung ...

Lana Atakisieva hat es geschafft, auf sehr gelungene Art und Weise einen spannenden Bericht über ihr Leben mit ihren Erfahrungen als Polizistin in Berlin zu verbinden und dadurch eine großartige Erzählung zu kreieren.

Das Buch ist in sich abwechselnde Kapitel unterteilt, in den Lana Atakisieva über ihre Jugend und Einwanderung nach Deutschland erzählt und über Fälle der Berliner Polizei, bei der sie als Polizistin im gehobenen Dienst im Bezirk Neukölln arbeitet, berichtet.
Lana Atakisievas Jugend war nicht einfach. Mit gerade einmal 15 Jahren wandert sie mit ihrer Schwester und Mutter nach Deutschland aus, der Vater bleibt in Aserbaidschan zurück, um dort weiter Geld für die Familie zu verdienen. Deutschland, das bedeutete für die Familie Hoffnung. Denn Lanas Mutter ist Diabetikerin und sie hoffen auf eine gute Behandlung der Krankheit in Deutschland. Doch Schikane und Mobbing werden Themen, mit denen Lana sich in Deutschland auseinandersetzen muss, zusätzlich zu Geldsorgen und dem Bangen um die Gesundheit der Mutter. Nach der Schule übernehmen die beiden Schwestern den Haushalt, helfen bei Bekannten aus und erledigen dann noch ihre Hausaufgaben.
Doch der ungebrochene Ehrgeiz und Fleiß Lanas zahlen sich aus: sie absolviert ihr Abitur und bewirbt sich für ein Studium bei der Polizei.
Die Einsätze, die die Autorin schildert, sind sehr facettenreich. Etliche sehr traurig, ein paar brutal und grausam, einige wenige skurril und alle auf ihre Art und Weise sehr ergreifend.

Ich persönlich hätte mir ein paar Seiten mehr gewünscht, um die einzelnen Fälle im möglichen Rahmen etwas präziser zu beschreiben, denn passagenweise verhaspelte sich die Autorin etwas, da vereinzelt Fälle während ihrer Beschreibung durch Erzählungen anderer Einsätze unterbrochen wurden.

Alles in allem ist es ein sehr persönlicher Bericht über das eigene Leben mit Abstechern in den Alltag einer Polizistin, der sehr abwechslungsreich ist.
Während des Lesens wuchs meine Achtung vor dieser starken, jungen Frau sehr und ich hoffe, irgendwann noch einmal etwas von ihr lesen zu können.

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Veröffentlicht am 07.10.2019

Gut durchdachter Plot mit unheimlich interessanter Ausgangssituation

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
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Bevor ich mit meiner Rezension richtig beginne, möchte ich an dieser Stelle eine Empfehlung aussprechen: Ich habe das Buch ohne viel Wissen gelesen, bis auf ganz grundlegende Empfehlungen anderer, die ...

Bevor ich mit meiner Rezension richtig beginne, möchte ich an dieser Stelle eine Empfehlung aussprechen: Ich habe das Buch ohne viel Wissen gelesen, bis auf ganz grundlegende Empfehlungen anderer, die wenig in die Tiefe gingen, habe ich vom Inhalt und der Storyline kaum etwas erfahren. Ich kann von daher nur jedem interessierten Leser empfehlen, das Buch einfach in die Hand zu nehmen und sich den Spaß der Entdeckungen nicht durch Hinweise in Rezensionen nehmen zu lassen.
Je weniger Ahnung man von der Geschichte hat, desto mehr wird man von dem sog der Geschichte mitgenommen werden!

Die Familie Hardcastle lädt zu einem Maskenball auf dem Anwesen Blackheath ein. Doch der Abend endet in einer Tragödie, wird doch die Tochter der Hardcastles – Evelyn – ermordet. Doch dies ist nicht der erste Mord, der auf Blackheath begangen wurde. Aber wer ist der Täter?
Mit dieser Frage sieht sich auch Aiden konfrontiert, dem eine Aufgabe von einem maskierten Mann übertragen wird. Kann er den Mord als Erster aufklären, darf er Blackheath verlassen, gelingt ihm dies nicht, ist er weiterhin gefangen in der Geschichte. Denn Aiden erwacht jeden Tag in dem Körper eines anderen Gastes und erlebt den selben Tag immer und immer wieder.

Da ich schon viele positive Äußerungen über das Debüt von Stuart Turton gehört hatte, war meine Neugier geweckt worden. Zugegeben, „Täglich grüßt das Murmeltier“ gehört nicht zu meinen liebsten Filmen und Bücher mit ähnlichen Ausgangssituationen wie zum Beispiel das Jugendbuch „Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie“, konnten mich bisher nicht ganz vom Hocker hauen.
Doch „Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle“ zog mich so sehr in seinen Bann, dass ich das Buch regelrecht verschlungen habe.

Aiden, der den Mord an Evelyn aufklären soll, um Blackheath zu entkommen, erwacht jeden Morgen in einem neuen Körper eines Wirtes. Dabei stehen all die Wirte in irgendeiner Verbindung zu Evelyn und sind geladene Gäste der Hardcastles.
Eine detailreiche Charakterbeschreibung würde bei diesem Buch wirklich den Rahmen einer Rezension sprengen, erwacht Aiden doch in verschiedenen Wirten im Laufe der Geschichte. Doch ganz klar herausstellen kann ich an dieser Stelle, dass jeder der Wirte auf seine ganz eigene Art und Weise porträtiert wurde und sich die Charaktere wirklich grundlegend voneinander unterschieden.
Während der eine Wirt eher weichlich war, suchte der andere regelrecht die Konfrontation. So kann in diesem speziellen Fall nicht von einem Protagonisten geredet werden, sondern vielmehr von verschiedenen Hauptcharakteren.

Der Plot war unglaublich gut durchdacht, dicht verwoben und am Ende doch gut verknüpft. Während sich beim Lesen ab und an mein Kopf drehte, um die einzelnen Stränge in logische Verbindung zu setzen, behielt Turton mit einer Lässigkeit die Zügel in der Hand und gab erst zum Ende der Geschichten hin alles preis.
Die Irrungen und Wirrungen von Aiden übertrugen sich beim Lesen auch auf mich als Leser. Wem kann man trauen? Welche Geheimnisse lauern auf den nächsten seiten? Und wer ist Freund, wer Feind und auf wen sollte man sich weniger konzentrieren?
Das Ende konnte mich tatsächlich noch einmal sehr überraschen und lieferte sehr schlüssige Erklärungen für die Lücken, die mir im Laufe der Geschichte vermeintlich aufgefallen waren.

Ich werde den Autor auf jeden Fall im Augen behalten. Wenn mich schon ein Debüt so sehr mitreißen konnte, bin ich unglaublich gespannt auf die weitere Entwicklung von Stuart Turton!

Veröffentlicht am 19.09.2019

Endlich wieder ein Jugendbuch, das mich begeistern konnte!

One True Queen, Band 1: Von Sternen gekrönt (Epische Romantasy von SPIEGEL-Bestsellerautorin Jennifer Benkau)
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Für Mailin ist nur eines wichtig: Immer für ihre Schwester da zu sein. Denn Vicky fiel vor sieben Jahren in ein Wachkoma und ist noch immer nicht aus diesem erwacht.
Doch dann passiert Mailin etwas Unglaubliches. ...

Für Mailin ist nur eines wichtig: Immer für ihre Schwester da zu sein. Denn Vicky fiel vor sieben Jahren in ein Wachkoma und ist noch immer nicht aus diesem erwacht.
Doch dann passiert Mailin etwas Unglaubliches. Stand sie gerade noch in der Umkleide ihrer Kampfschule in Irland, findet sie sich plötzlich in einem ihr vollkommen fremden Wald wieder. Während sie in diesem Wald in eine Notsituation gerät, trifft sie auf einen jungen Mann, der ihr eröffnet, sie würde sich fern ab ihrer Heimat in einem Land namens Lyaskye befinden. Gemeinsam mit dem jungen Mann macht Mailin sich auf den Weg in die Hauptstadt von Lyaskye, um dort jemanden zu finden, der sie zurück nach Irland und zu Vicky bringen kann. Doch Mailin ahnt nicht um die Gefahren, in denen sie schwebt. Denn in Lyaskye ist niemand jemals wirklich sicher.

Mit „One True Queen“ ist etwas geschehen, dass ich nicht mehr für möglich gehalten habe: Ein Fantasy Jugendbuch, bei dem sich nicht aller Klischees bedient wurde und ich nicht ein Mal entnervt mit den Augen rollen musste!

Ich hatte keine hohen Erwartungen an das Buch, da in den Glauben in den Bereich des Buchmarktes wirklich mit der Zeit verloren habe. Doch die Leseprobe fand ich ganz gut, weshalb ich - neugierig auf den Rest – das Buch doch gerne lesen wollte. Hatte ich geplant, das Buch als Lückenfüller und Zeitvertreib in der Bahn zu lesen, musste ich sehr schnell feststellen, dass ich ganz fix von meinem hohen Ross namens „Jugendbuchfantasy wird sowieso nur nach Schema X abgekupfert“ hinuntersteigen und mir selber eingestehen musste, dass ich das Buch grundlegend unterschätzt habe.
Ich fand alles, was ich suchte, in diesem Buch. Eine tolle Protagonistin, einen spannenden Plot, innovative und fantastische Gestalten und immer wieder Plottwists, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Von dem zart-verspielten Cover sollte man sich nicht ablenken lassen, diese Geschichte hat es wirklich in sich gehabt.

Mailin gefiel mir als Protagonistin wirklich gut. Besonnen, aber doch nicht auf den Mund gefallen, war sie ein angenehmer Charakter, dem ich gerne durch die Geschichte folgte. Auch die vielen Nebencharaktere gefielen mir gut. Einigen von ihnen fehlte es leider etwas an Tiefe, sodass diese für mich blass und farblos blieben. Es wurde sich mehr auf die Charakterentwicklung von zwei Charakteren fokussiert, sodass der Raum für die Entwicklung der Nebencharakter nicht immer gegeben war. Auch wenn ich es nicht weiter dramatisch finde, so ist es doch etwas schade. Denn die Autorin hätte definitiv das Können dafür gehabt!

Das Setting und World Building haben mir für ein Jugendbuch wirklich sehr gut gefallen. Lyaskye war toll ausgearbeitet und die Autorin konnte mich mit ihrer Fantasie begeistern. Die Lebewesen, die Lyaskye bevölkern, fand ich grandios und hätte mir noch mehr Szenen und noch mehr Lebewesen gewünscht. Auch wenn es ein sehr gieriger Wunsch ist, wurden doch genug Geschöpfe vorgestellt. Aber ich bin so angetan von der Fantasie der Autorin, dass ich ein ganzes Buch voller Beschreibungen der Welt und der sie bevölkernden Wesen lesen würde.

Der Plot war super gut ausgearbeitet und konnte mich immer wieder durch nicht ganz vorhersehbare Wendungen überraschen. Ich wollte das Buch nicht aus der Hand legen und las die letzten 200 Seiten wie im Rausch abends im Bett – auch wenn ich vorgehabt hatte, früh schlafen zu gehen. An Schlaf war wahrlich nicht zu denken gewesen, ich musste einfach immer weiter lesen. Ein Gefühl, dass ich inzwischen leider viel zu selten habe. Umso glücklicher bin ich über die Situationen, wenn sie dann mal kommen und schätze sie viel mehr wert als früher. One True Queen ist für mich eine Geschichte gewesen, die mich in ihrem Sog gefangen nahm und bis zum Ende hin nicht mehr losließ.

Der Schreibstil ist angenehm zu lesen und passt durch Verwendung der Umgangssprache gut zu dem Genre. Mir gefiel der Witz und Humor gut, der auch in den schlimmsten Situationen zu Tage trat und das Geschehen etwas auflockerte.

Ich erwarte jetzt ganz gespannt das Erscheinen des zweiten Bandes!

Veröffentlicht am 19.08.2019

Bewegender Briefroman über die Edelweißpiraten in Köln

Wo die Freiheit wächst
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Köln, 1942. Die sechzehnjährige Lene Meister versucht in ihrer Heimatstadt Köln trotz der fast wöchentlichen Bombenangriffe, ein so normales Leben zu führen, wie es ihr gerade so noch möglich ist. Doch ...

Köln, 1942. Die sechzehnjährige Lene Meister versucht in ihrer Heimatstadt Köln trotz der fast wöchentlichen Bombenangriffe, ein so normales Leben zu führen, wie es ihr gerade so noch möglich ist. Doch ohne ihre beste Freundin Rosi, die aufs Land gegangen ist und ihren großen Bruder Franz, der im Osten kämpft, fühlt sie sich alleine. Als sie jedoch Erich kennenlernt, ändert sich dies. Erich und seine Freunde sind anders als die vielen Menschen um sie herum. Doch das Anderssein ist der Gestapo ein Dorn im Auge und Lene begreift mehr und mehr, dass viele Dinge um sie herum nicht richtig sind.

Im Geschichtsunterricht beschäftigten wir uns in der Oberstufe ausgiebig mit dem zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit. In Berlin lassen sich immer wieder Spuren, Erinnerungen und Mahnungen an diese Zeit finden. Und trotzdem hatte ich von den Edelweißpiraten bisher immer nur den Namen gehört, wusste also fast gar nichts über diese Gruppierung von Jugendlichen. Ich erhoffte mir von dem Buch, diese Wissenslücke zu füllen.
Wie bereits erwartet, waren Grauen, Abscheu und Unglauben meine stetigen Begleiter bei diesem Roman. Doch der Autor schaffte es, auch immer wieder Hoffnung und Freude in mir zu wecken.
Durch die Authentizität, die durch Schreibstil und Stilform geschaffen wurde, hatte ich das Gefühl, wirklich mitten drin im Geschehen zu sein und Lene zu begleiten. Doch geschaffen wurde diese Authentizität auch durch die Atmosphäre des Buches. Auch wenn unglaublich schreckliche Dinge passieren, so gibt Lene selbst die Hoffnung niemals auf und erlebt durchaus auch schöne Stunden mit Freunden, in denen sie den Krieg zwar nicht vergessen kann, die es ihr aber ein stückweit ermöglichen, eine „normale“ Jugendzeit zu verbringen. Der Balanceakt zwischen Ernsthaftigkeit und dem gewünschten Leben einer sechzehnjährigen ist wirklich gut gelungen.
Lene ist eine tolle Protagonistin, die sich im Laufe der Geschichte deutlich wandelt und eine enorme Charakterentwicklung durchmacht. Sie übernimmt nicht nur die Leitung der Familie zu Hause in Köln, sondern versorgt durch ihren Job auch noch die Familie, versucht nebenher eine schöne Zeit mit Freunden zu verbringen und merkt mehr und mehr, dass in der Gesellschaft etwas vollkommen falsch läuft. Sie beginnt, sich selber mit „unangenehmen Themen“ zu beschäftigen und bildet sich eine eigene Meinung fernab von der, die die Gesellschaft ihr aufzwingen möchte.
Die bereits angesprochene Stilform ist in diesem Buch wirklich ganz besonders, handelt es sich doch nicht um einen herkömmlichen Roman, sondern um einen Briefroman. Die Handlung wird ausschließlich in Form von Briefwechseln mit Lenes Brüder Franz und Kalli, als auch mit ihrer besten Freundin Rosi geführt.
Anfangs war ich skeptisch, ob diese Form der Erzählung auch die notwendige Tiefe und Ernsthaftigkeit der Thematik vermitteln würde, doch der Autor konnte meine Bedenken innerhalb kürzester Zeit zerschlagen. Denn die persönliche Form der Briefe ermöglichte eine sehr tiefgreifende Bindung zu den Charakteren. Es schien fast, als wäre ich Teil der Briefe und würde mich an dem Briefwechsel beteiligen.
Auch der Schreibstil ist toll, hat der Autor sich doch sehr der damaligen Zeit sprachlich angepasst.
Das Nachwort von Dr. Martin Rüther, einem wissenschaftlichem Mitarbeiter des NS-Dokumentationszentrum in Köln über „Unangepasste Jugendliche im Dritten Reich“ berührte mich sehr. Es lieferte wirklich gute Einblicke in das Thema und fasste wichtige Informationen gebündelt zusammen.
Dem Nachwort folgend, ist eine Zeittafel abgebildet, die die wichtigsten Daten ab 1933 bis 1945 widergibt.
Die Geschichte ging mir ans Herz und an die Nieren, rief mir in Erinnerung, wie wichtig es ist, Dinge zu hinterfragen und führte mir erneut ein dunkles Kapitel unserer Gesellschaft vor Augen.
Ich kann das Buch uneingeschränkt weiterempfehlen!