Profilbild von Clara

Clara

Lesejury Star
offline

Clara ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Clara über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.07.2021

Eine junge Mutter im Nachkriegsdeutschland

Wenn die Hoffnung erwacht
0

„Wenn die Hoffnung erwacht“ war mein vierter Roman von Lilli Beck und auch diese Geschichte hat mich komplett abgeholt und in den Bann gezogen. Inzwischen sind die Bücher der Autorin eine Garantie für ...

„Wenn die Hoffnung erwacht“ war mein vierter Roman von Lilli Beck und auch diese Geschichte hat mich komplett abgeholt und in den Bann gezogen. Inzwischen sind die Bücher der Autorin eine Garantie für mich, dass ich für einige Stunden gut unterhalten werde und völlig vom Alltag abschalten kann.
Der Titel ist hier Programm, denn nach den düsteren Kriegsjahren wird das Leben für die junge Nora endlich wieder aufregender und glücklicher. Sie verliebt sich in den charmanten Soldaten William und sieht die gemeinsame Zukunft bereits in allen Farben vor sich. Doch als William plötzlich spurlos verschwindet bleibt Nora allein und schwanger zurück – zur damaligen Zeit ein Skandal! Um ihrem strengen Vater zu entkommen flieht Nora nach München, wo sich aufgrund eines Missverständnisses großartige Chancen für sie ergeben.
Nora konnte ich von Anfang an sehr gut leiden und habe mit Spannung verfolgt, wie sich ihr Leben entwickelt. Mehr als einmal habe ich innegehalten und darüber nachgedacht, ob ich ihre verhängnisvolle Entscheidung verwerflich oder nachvollziehbar finde. Aus heutiger Sicht ist es schwer, sich so eine Situation vorzustellen aber der Roman erklärt anschaulich die gesellschaftlichen Normen Ende der 40er Jahre. Dass eine alleinerziehende Mutter eine Wohnung erhält, wäre undenkbar gewesen. Wahrscheinlich wäre ihr noch nicht einmal das Sorgerecht zugesprochen worden. Unter diesem Aspekt kann ich Noras Zwickmühle und ihren Entschluss, ihr Leben auf einer Notlüge aufzubauen verstehen.
Neben Nora spielt insbesondere die Familie Wagner eine bedeutende Rolle. Helene Wagner findet nur sehr schwer ins Leben zurück, nachdem ihr der Krieg ihre Kinder genommen hat. Da hilft auch das große Haus und das Vermögen der Familie wenig. Ihr Mann Wolf träumt davon, eine Illustrierte zu gründen. Wolf war einer meiner Lieblingscharaktere in dieser Geschichte. Ich empfand ihn als ausgesprochen sympathisch, großzügig und verständnisvoll. Außerdem hat es mir großen Spass bereitet, die Entstehung der Zeitschrift – damals noch in schwarz/weiß – zu verfolgen und darüber zu lesen, welche Themen Anfang der 50er Jahre beliebt waren.
Auch die Aufmachung des Romans gefällt mir gut. Die Covergestaltung passt sich optisch sehr gut an die anderen historischen Romane von Lilli Beck an und die vier ergeben zusammen ein stimmiges Bild. Zudem finde ich es sehr positiv, dass der Klappentext nicht zu viel verrät. Ich hatte zwar vermutet, dass ich ziemlich genau wüsste, wohin die Handlung geht, tatsächlich brachte die Geschichte einige Überraschungen mit sich und entwickelte sich anders, als zunächst angenommen.
„Wenn die Hoffnung erwacht“ habe ich sehr gerne gelesen. Die Protagonistin durchläuft eine interessante Charakterentwicklung vom jungen Mädchen zu einer erfolgreichen, berufstätigen Frau und setzt sich dabei über die Konventionen ihrer Zeit hinweg.
Hier vergebe ich gerne fünf Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.07.2021

Krimi mal anders

Das Verstummen der Krähe
0

„Das Verstummen der Krähe“ ist der erste Teil einer bisher dreibändigen Reihe um die Nachlassverwalterin Kristina Mahlo. Mir hat der Auftakt sehr gefallen und ich werde die Serie auf jeden Fall weiterlesen. ...

„Das Verstummen der Krähe“ ist der erste Teil einer bisher dreibändigen Reihe um die Nachlassverwalterin Kristina Mahlo. Mir hat der Auftakt sehr gefallen und ich werde die Serie auf jeden Fall weiterlesen.
Im Meer der Kriminalromane sticht dieser heraus, denn es geht nicht um Polizeiermittlungen. Tatsächlich kommen hier keine Polizisten vor. Die Handlung dreht sich komplett um Kristina Mahlo. Um den Beruf eines Nachlassverwalters hatte ich mir bisher noch keine Gedanken gemacht. Kristina Mahlos Tätigkeiten wurden so interessant beschrieben, dass ich mir diesen Job fast selbst vorstellen könnte.
Neben ihren normalen Fällen, in denen es hauptsächlich darum geht, Erben zu finden und Häuser zu entrümpeln, wird Kris mit einer besonders außergewöhnlichen Nachlasssache betraut. Sie soll herausfinden, ob sich unter einer Gruppe von Freunden ein Mörder befindet oder nicht. Zunächst hat Kristina wenig Ambitionen sich dieser verworrenen Angelegenheit anzunehmen, doch dann erhält sie einen Hinweis, dass ihr vor Jahren verschwundener Bruder in die Sache verstrickt sein könnte.
Die Geschichte wird ausschließlich aus der Sicht von Kristina erzählt. Ich konnte mich sehr leicht in sie hineinversetzen und ihre Sorgen und ihre Zerrissenheit gut nachvollziehen. Sie ist eine sympathische Einzelgängerin, die gutes Essen und Tiere liebt – ein Mensch, mit dem ich mich gerne anfreunden würde.
„Das Verstummen der Krähe“ ist nicht so spannend, wie man es vom einem Krimi erwarten würde, aber gleichzeitig niemals langweilig. Die Handlung bleibt immer interessant, obwohl Kristina sehr lange im Dunkeln tappt. Wie soll es ihr gelingen, mehr als die Polizei herauszufinden, insbesondere, da sie von den potenziellen Erben immer wieder angelogen wird. Doch je tiefer sie gräbt, desto öfter lassen ihre Gesprächspartner die Maske fallen und auch über ihren Bruder erfährt sie Dinge, die sie ihm nie zugetraut hätte.
Mir haben der Erzählstil und der Aufbau dieses Buches sehr zugesagt. Nicht nur Kris, sondern auch ihr komplettes Umfeld (ihre Eltern, ihre beste Freundin und ihr Lebensgefährte) sind Charaktere, die man einfach ins Herz schließen muss. Dieser Krimi war für mich ein voller Erfolg und ich bin gespannt, was im zweiten Band auf die Protagonisten zukommt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.07.2021

Sehr spannend mit eigenwilligem Schreibstil

DUNKELKAMMER
0

„Dunkelkammer“ war mein erster Thriller von Bernhard Aichner. Der Schreibstil des Autors ist sehr eigenwillig und anders, als alles andere, was ich bisher gelesen habe. Kurze Sätze reihen sich aneinander ...

„Dunkelkammer“ war mein erster Thriller von Bernhard Aichner. Der Schreibstil des Autors ist sehr eigenwillig und anders, als alles andere, was ich bisher gelesen habe. Kurze Sätze reihen sich aneinander und statt Anführungszeichen verwendet er Spiegelstriche. Die Dialoge selbst lesen sich eher wie ein Drehbuch und die Gespräche wirken häufig seltsam unnatürlich und emotionslos. Normalerweise wären all diese Kriterien Gründe für mich, ein Buch nicht zu lesen. Im Falle von „Dunkelkammer“ ist es allerdings so, dass der sonderbare Schreibstil dazu beitrug, dass ich den Thriller als großartig empfunden habe. Gleichzeitig ist er nämlich wahnsinnig spannend und temporeich geschrieben. Der Autor gönnt dem Leser nie auch nur einen Moment Verschnaufpause, die Ereignisse überschlagen sich von der ersten bis zu letzten Seite.
Es handelt sich hier um den Auftakt einer neuen Serie. Im Mittelpunkt steht der Pressefotograf David Bronski, der eine ziemlich morbide Einstellung zur Totenfotografie hat. Als er Kenntnis von einem besonders schockierenden Tatort erhält, denkt er zunächst nur ans Geld. Doch als er im Geldbeutel des Mordopfers ein Foto seiner vor 20 Jahren verschwundenen Tochter findet, stellt er nach und nach fest, dass er eine Schachfigur in einem ausgeklügelten Spiel ist.
David Bronski ist ein Mensch, den das Leben hart gemacht hat, doch er trägt das Herz auf dem rechten Fleck und seine Familie bedeutet ihm alles.
Der Plot von „Dunkelkammer“ ist sehr spannend und mit jedem Kapitel kommen neue unfassbare Enthüllungen ans Licht. Auch Bronskis Schwester und seine neue Kollegin sind Charaktere, die man gerne mag. Dies war ein überaus gelungener Reihenauftakt und ich freue mich auf Bronskis nächsten Fall.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.06.2021

Kurze Geschichte, die berührt

Sieben Tage voller Wunder
0

Eigentlich bin ich kein Freund von dünnen Büchern. „Sieben Tage voller Wunder“ ist allerdings das vorletzte Buch von Dani Atkins, welches ich noch nicht kenne. Da ich die Romane der Autorin sehr liebe ...

Eigentlich bin ich kein Freund von dünnen Büchern. „Sieben Tage voller Wunder“ ist allerdings das vorletzte Buch von Dani Atkins, welches ich noch nicht kenne. Da ich die Romane der Autorin sehr liebe beschloss ich, eine Ausnahme zu machen und diese gerade einmal 240 Seiten kurze Geschichte zu lesen. Ab der ersten Zeile war ich wieder völlig vom Schreibstil der Autorin begeistert. Alles ist so bildhaft beschrieben, dass ich mir immer wieder vorstellte, selbst die Protagonistin Hannah zu sein und mir überlegte, wie ich mich in dieser Situation verhalten würde.
Nach einem Flugzeugabsturz befindet sich Hannah mitten in der kanadischen Wildnis. Das Flugzeug ist in zwei Teile gebrochen und Hannah sowie der sympathische Passagier Logan sind auf sich allein gestellt. Eine Zeit voller Angst, Hunger und Kälte beginnt, immer mit der Hoffnung, bald gefunden zu werden. Dani Atkins wäre nicht Dani Atkins wenn sie nicht an irgendeinem Punkt einen Twist einbauen würde. Im Fall von „Sieben Tage voller Wunder“ ist dieser ziemlich vorhersehbar. Die Covergestaltung ist hier leider kontraproduktiv, denn die Abbildung spoilert ein wenig, in welche Richtung die Geschichte gehen wird. Ich hatte also schon von Anfang an eine Ahnung und auch die Charakterbeschreibung bestärkte mich in meiner Vermutung. Obwohl das Buch ohne große Überraschungen für mich abgelaufen ist, habe ich dennoch jede Zeile mitgefiebert und war am Ende zu Tränen berührt.
Was für eine wunderschöne Geschichte über Mut, Hoffnung und die Vorstellung, dass man alles schaffen und über sich selbst hinaus wachsen kann!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.05.2021

Großartiges Leseerlebnis

Stay away from Gretchen
0

Ich habe bereits sehr viele Roman gelesen, die während des zweiten Weltkriegs spielen. „Stay away from Gretchen“ geht mit Details unter die Haut, von denen ich teilweise noch nichts gehört hatte. Bei Kriegsausbruch ...

Ich habe bereits sehr viele Roman gelesen, die während des zweiten Weltkriegs spielen. „Stay away from Gretchen“ geht mit Details unter die Haut, von denen ich teilweise noch nichts gehört hatte. Bei Kriegsausbruch ist Greta gerade einmal 8 Jahre alt. Was mich auf den ersten Seiten besonders schockiert ist, zu welchem Fanatismus Lehrer ihre Schüler erzogen haben. Greta und ihre ältere Schwester sind glühende Verehrerinnen von Adolf Hitler. Nach dem ich bereits dachte Schmucktassen und Weihnachtskugeln mit seinem Konterfei sind kaum zu überbieten, las ich schockiert, dass sogar eine Art Gebet, adressiert an Hitler, existierte.
Wir begleiten Grete durch die späten Kriegsjahre, während der Vertreibung aus Ostpreußen und durch die Nachkriegszeit, als sie sich zum ersten Mal verliebt – in einen schwarzen GI, zur damaligen Zeit ein absoluter Skandal.
Die Autorin behält sich die eingangs beschriebene Liebe für weniger bekannte Details aus der deutschen Geschichte bei und ich konnte aus diesem Roman sehr viele Informationen mitnehmen. Zum Beispiel hörte ich zum ersten Mal davon, dass Frauen, die sich mit schwarzen Amerikanern eingelassen haben, teilweise von Deutschen gelyncht wurden. Schwer zu verkraften war auch dieser offen gezeigte Rassismus, der damals an der Tagesordnung war. Das Schicksal der sogenannten brown Babies hat mich sehr erschüttert. Diese Thematik war auch komplett neu für mich und es macht mich fassungslos, mit welcher Selbstverständlichkeit Politiker bestimmt haben, dass es für die Kinder am Besten sei, wenn man sie in einem fremden Land quasi aussetzt.
Trotz all der harten Kost schreibt Susanne Abel ungemein fesselnd und mitreißend. Die Kapitel sind sehr lang, teilweise 50 bis 80 Seiten, so dass man nur schlecht einen Punkt findet um das Lesen zu pausieren. Eigentlich möchte man den Roman aber auch gar nicht aus der Hand legen.
Der zweite Erzählstrang spielt in den Jahren 2015 und 2016. Greta ist mittlerweile 85 Jahre alt. Erste Zeichen von Altersdemenz machen sich bemerkbar. Dennoch wirkt sie die meiste Zeit sehr rüstig für ihr betagtes Alter und ist nie um einen schlagfertigen Kommentar verlegen. Ihr Sohn Tom ist ein bekannter Nachrichtensprecher und so ist die Brücke geschlagen um immer wieder politische Details aus der Gegenwart einfließen zu lassen. Hier gibt es auch Parallelen zwischen der aktuellen Flüchtlingssituation und zu Gretas Erlebnissen von einst.
Der Untertitel „Eine unmöglich Liebe“ assoziiert ein wenig, dass dies vor allem ein Liebesroman ist. Ich hoffe, dass sich dadurch niemand davon abhalten lässt, dieses Buch zu lesen, denn es ist bei weitem kein Schnulzenroman. Ja, es gibt eine Liebesgeschichte, aber im Hauptfokus steht das Leben nach Kriegsende, der schwierige Weg in eine neue Normalität und die gesellschaftlichen Normen, die sich noch immer an den alten Idealen orientierten.
Dieser Roman war für mich ein großartiges Leseerlebnis und ich bin sehr gespannt, auf die weiteren Geschichten, die Susanne Abel hoffentlich noch schreiben wird.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere