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Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannendes Thrillerdebüt

Leons Erbe
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Inhalt:
Für Katja Helmke ist der wohl schlimmste Alptraum jeder Mutter Realität geworden, als ihr sechzehnjähriger Sohn Leon nachts auf einer Landstraße von einem Auto erfasst wird und stirbt. Der Unfallfahrer ...

Inhalt:


Für Katja Helmke ist der wohl schlimmste Alptraum jeder Mutter Realität geworden, als ihr sechzehnjähriger Sohn Leon nachts auf einer Landstraße von einem Auto erfasst wird und stirbt. Der Unfallfahrer ließ Leon einfach auf der Straße liegen, beging Fahrerflucht und konnte bislang nicht ermittelt werden. Katja droht an ihrem Schmerz fast zu zerbrechen, zumal sie den letzten Schicksalsschlag noch nicht verwunden hat, denn sechs Monate vor dem Tod ihres Kindes verschwand ihre Schwester Nicci plötzlich spurlos, und die quälende Ungewissheit, ob Nicci überhaupt noch am Leben ist, nagt noch immer an Katja und ihrer Familie.
Am Tag nach Leons Trauerfeier erhält sie einen Anruf von einem Notar, der ihr Leben vollends aus der Bahn wirft. Sie erfährt, dass ihr Sohn Leon vor seinem Tod etwas für sie hinterlegt hat, das ihr ausgehändigt werden soll, falls ihm etwas zustößt. Katja ist verwirrt, denn warum sollte ein Sechzehnjähriger einen Notar aufsuchen? Als ihr der Notar eine kleine Holzkiste überreicht und sie darin das Armband ihrer Schwester findet, ist Katja schockiert. Wie kam Leon an das Armband ihrer vermissten Schwester? Was will ihr verstorbener Sohn ihr mit dieser Botschaft mitteilen? Lebt ihre Schwester Nicci noch? War Leons Tod womöglich gar kein Unfall? Auf der Suche nach Antworten auf all ihre Fragen kommt Katja allmählich einem Geheimnis auf die Spur, das erschütternder ist, als alles, was sie sich jemals vorgestellt hatte. Dabei ist sie vollkommen auf sich allein gestellt, denn sie spürt, dass sie niemandem mehr vertrauen kann – weder ihrem Mann noch ihren Eltern.

Meine persönliche Meinung:


Ich habe mich sehr gefreut, als mich Michael Theißen anschrieb und anfragte, ob ich seinen Debütroman Leons Erbe lesen möchte, denn der Klappentext klang überaus spannend und ich entdecke gerne neue Thrillerautoren.
Schon auf den ersten Seiten war ich von der Geschichte gefangen, denn dem Autor gelingt es ausgezeichnet, sofort Spannung aufzubauen und sie auch kontinuierlich zu halten. Die flüssige Schreibweise und kurze Kapitel, die mit einem Cliffhanger enden, sorgen dafür, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann, weil man einfach wissen muss, wie es auf der nächsten Seite weitergeht.
Die Hauptprotagonistin Katja, aus deren Perspektive der Leser die Geschehnisse miterlebt, ist sehr fein gezeichnet. Ihr Schmerz um den Verlust ihres Kindes und die Sorgen und Ängste, die sie seit dem Verschwinden ihrer Schwester durchleidet, sind sehr eindrücklich geschildert und waren für mich auch nachvollziehbar – nur ihre Handlungen waren es leider nicht immer. Vollkommen schleierhaft war für mich zum Beispiel, warum sie nie in Erwägung zieht, die Polizei zu informieren. Sie lässt sich nie etwas zu Schulden kommen, und wenn mein Kind bei einem Unfall auf so rätselhafte Weise ums Leben kommt, wäre das Wort, das ich einem äußerst dubiosen Notar gegeben hätte, so ziemlich das Letzte, woran ich mich halten würde. Sie bricht ihr Versprechen, mit niemandem über diese kleine Holzkiste zu reden, die Leon für sie hinterlegt hat, nicht einmal, als der Notar ermordet wird. Dass sie unter den gegebenen Umständen häufig verwirrt ist und nicht mehr weiß, wem sie noch Glauben schenken und vertrauen kann, ist zwar durchaus nachvollziehbar dargestellt, aber warum sie ausgerechnet die naheliegendsten Möglichkeiten, endlich Licht ins Dunkel zu bringen und sich Hilfe zu holen, vollkommen außer Acht lässt, war mir ein Rätsel. Allerdings trägt Katjas mitunter verwirrtes Handeln enorm zum Spannungsaufbau bei, denn es führt dazu, dass der Leser an ihrer Seite ständig auf die falsche Fährte gelockt wird. Im Verlauf der Handlung tauchen immer wieder neue Verdächtige auf, und selbst Menschen, die Katja nahestehen, verhalten sich äußerst rätselhaft. Auch diese Nebencharaktere sind sehr interessant und vielschichtig gestaltet. Sobald ich dachte, dem Geheimnis nun auf die Spur gekommen zu sein, ergaben sich wieder neue Wendungen, die mich überraschten. Das Ende war jedenfalls vollkommen unvorhersehbar, aber leider auch viel zu konstruiert. Wenn eine Protagonistin in einer für mich nicht nachvollziehbaren Weise agiert, aber ansonsten sehr überzeugend und gut ausgearbeitet ist, ist dies für mich kein Kriterium, ein Buch schlechter zu bewerten. Auch der Plot dieses Thrillers, der kontinuierliche Spannungsverlauf, die überraschenden Wendungen und der flüssige Schreibstil des Autors haben mir sehr gut gefallen und sind für einen Debütroman dieses Genres recht außergewöhnlich. Wäre dieses völlig überkonstruierte Ende nicht gewesen, hätte er mich jedenfalls vollkommen überzeugt.

So war Leons Erbe für mich ein wirklich guter, solider und fesselnder Thriller, der mich gut unterhalten und mir spannende Lesestunden bereitet hat. Ich hoffe, dass man von diesem Autor noch mehr lesen wird.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein sehr ruhiger, aber atmosphärisch dichter und beklemmender Kriminalroman

Das Küstengrab
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Inhalt:
Lea Mahler und ihre Schwester Sabina sind gemeinsam auf der beschaulichen Ostseeinsel Poel aufgewachsen. Nach dem tragischen Tod ihrer Eltern und der Trennung von ihrer Jugendliebe Julian, der ...

Inhalt:


Lea Mahler und ihre Schwester Sabina sind gemeinsam auf der beschaulichen Ostseeinsel Poel aufgewachsen. Nach dem tragischen Tod ihrer Eltern und der Trennung von ihrer Jugendliebe Julian, der kurz nach der Wende ohne ein Wort des Abschieds einfach verschwand, hielt Lea jedoch nichts mehr in ihrer Heimat. Außer ihrer Schwester, mit der sie sich allerdings noch nie gut verstand, war ihr nichts mehr geblieben, und so verließ sie Poel Hals über Kopf, wanderte nach Argentinien aus, heiratete dort und verwirklichte ihren Jugendtraum, Fotografin zu werden.
Dreiundzwanzig Jahre später kehrt Lea nach Poel zurück. Doch kurz nach ihrer Ankunft kommt es zu einem tragischen Unfall, bei dem ihre Schwester Sabina ums Leben kommt und den Lea nur schwer verletzt überlebt. Seitdem leidet sie unter Amnesie, kann sich weder an den Unfall noch an die Tage davor erinnern und weiß auch nicht mehr, warum sie überhaupt nach Poel gekommen war. Auch ein viermonatiger Klinikaufenthalt bringt ihre Erinnerung an die Ereignisse nicht zurück.
Obwohl ihre Ärztin ihr ausdrücklich davon abrät, beschließt Lea nach ihrer Entlassung aus der Klinik, sofort wieder nach Poel zurückzukehren. Sie möchte unbedingt herausfinden, was sie vor vier Monaten überhaupt veranlasst hatte, auf die Insel zu fahren, warum sie sich dort mit ihrer Schwester treffen wollte, obwohl sie sich doch inzwischen vollkommen von ihr entfremdet hatte, und wie es zu diesem schrecklichen Unfall kommen konnte. Die einzigen, die ihr helfen könnten, diese Fragen zu beantworten und ein Licht ins Dunkel ihrer Erinnerungen zu bringen, sind ihre Freunde aus Jugendtagen. Außer Julian, dessen Verschwinden nach wie vor ein Rätsel ist, leben alle Mitglieder ihrer ehemaligen Clique noch auf Poel. Allerdings haben sie sich im Lauf von mehr als zwanzig Jahren sehr verändert, begegnen Lea teilweise mit unverhohlener Ablehnung, hüllen sich in Schweigen oder verwickeln sich in Widersprüche. Jeder tischt ihr eine andere Version der Ereignisse auf, sodass sie nicht mehr weiß, wem sie noch glauben und vertrauen kann. Offenbar haben ihre ehemals besten Freunde etwas zu verbergen und hüten ein Geheimnis, das auf keinen Fall an die Oberfläche gelangen darf. Auf der Suche nach ihrer Erinnerung gelangt Lea immer mehr zu der Erkenntnis, dass die Antworten auf all ihre Fragen in der Vergangenheit und den gemeinsam verbrachten Jugendjahren zu liegen scheinen.

Meine persönliche Meinung:


Wenn in einem Klappentext das Wörtchen „Amnesie“ auftaucht, ist mein Interesse sofort geweckt. Auch wenn ich das ein oder andere traurige und belastende Erlebnis gerne vergessen würde, stelle ich es mir schrecklich vor, überhaupt keine Erinnerungen mehr zu haben, denn jede Erfahrung, die wir machen, prägt uns und macht uns zu dem, was wir sind. Unser Gedächtnis hilft uns, diese Erfahrungen zu sortieren, und wir brauchen diese Informationen aus unserer Vergangenheit, ums uns in unserem eigenen Leben zurechtzufinden, ansonsten käme uns nicht nur die Orientierung, sondern auch ein Teil unserer Identität abhanden. Und genau das ist Lea, der Hauptprotagonistin in Eric Bergs Kriminalroman Das Küstengrab passiert, weshalb sie alles daransetzt, ihre Erinnerungen zurückzugewinnen. Sie möchte nicht nur wissen, wie es zu dem Unfall kam, bei dem Sabina starb und bei dem sie weitaus mehr als nur ihre Schwester verloren hat, sondern ist vor allem auf der Suche nach sich selbst, denn sie hat keine Erklärung dafür, warum sie vier Monate zuvor überhaupt in ihre alte Heimat Poel, der sie für immer den Rücken kehren wollte, zurückgekehrt ist und sich mit ihrer eigentlich verhassten Schwester treffen wollte.
In diesem Roman werden verschiedene Zeitebenen sehr geschickt miteinander verwoben, denn die Kapitel wechseln ständig zwischen Leas gegenwärtigen Nachforschungen im September 2013, die überwiegend aus der Ich-Perspektive geschildert werden, und den Ereignissen, die vier Monate zurückliegen und die Eric Berg dem Leser aus einer neutralen Erzählperspektive präsentiert. Außerdem wird der Blick auch immer wieder in das Jahr 1990 zurückgeworfen, in die Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung, als sich den Jugendlichen auf der abgeschiedenen Insel Poel plötzlich völlig neue Perspektiven zu eröffnen schienen. Jeder in Leas Clique hatte damals seine Träume, doch offenbar ist es nicht allen gelungen, diese zu verwirklichen.
Ich war äußerst beeindruckt, wie präzise der Autor die Protagonisten seines Romans ausgearbeitet und ihre Lebenswege nachgezeichnet hat. Durch die gewählte Ich-Perspektive kommt der Leser vor allem Lea sehr nahe. Dennoch ist sie aufgrund ihrer Erinnerungslücken natürlich die unzuverlässigste Protagonistin, deren Einschätzungen man nicht trauen kann. An ihrer Seite versucht man nun, Licht ins Dunkel zu bringen. Dabei geht es jedoch nicht nur darum, den Unfall und den Tod ihrer Schwester aufzuklären, sondern auch darum, herauszufinden, was aus Leas Jugendliebe Julian geworden ist. Je weiter die Handlung voranschreitet, umso deutlicher wird nämlich, dass die Ursachen für die jüngsten Ereignisse in der Vergangenheit zu suchen sind und in Zusammenhang mit Julians Verschwinden im Jahre 1990 stehen.
Im Mittelteil seines Kriminalromans widmet sich der Autor sehr intensiv der psychologischen Ausarbeitung der verschiedenen Charaktere, denen Lea im Verlauf ihrer Nachforschungen begegnet. Obwohl die Handlung dadurch ins Stocken gerät, fand ich aber gerade diese Passagen besonders faszinierend und spannend. Fast euphorisch und voller jugendlicher Leichtherzigkeit hatten die Cliquenmitglieder im Sommer 1990 ihrer Zukunft entgegengefiebert, freuten sich, dass die Wende nun jedem von ihnen ungeahnte Möglichkeiten bot, die Welt kennenzulernen, spannende Erfahrungen zu machen, erfolgreich zu sein und Neues auszuprobieren. Nun, dreiundzwanzig Jahre später, fällt das Resümee ihres Lebens allerdings ernüchternd aus. Keiner von Leas ehemaligen Freunden scheint sein Glück gefunden zu haben, und auch der wirtschaftliche Erfolg, den der Mauerfall manchen von ihnen durchaus beschieden hatte, ging nicht automatisch mit einem zufriedenen Leben einher. Während alle auf eine glückliche Kindheit auf Poel zurückblicken können, scheint mit der Wende eher das Unglück über diese beschauliche Ostsee-Insel gekommen zu sein.
Eric Berg ist es sehr gut gelungen, die Ruhe, Stille und die landschaftliche Idylle dieses Ortes einzufangen, aber auch zu zeigen, welche Abgründe sich hinter der friedlichen Fassade auftun. In dieser vermeintlich heilen Welt gären enorme Spannungen und regiert mitunter blinder Hass, Neid und Rivalität. Diese unterschwelligen Feindseligkeiten drohen zu eskalieren, als Lea wieder auf die Insel kommt und unangenehme Fragen stellt. Bis zum Ende weiß man nicht, wer letztendlich ihr Freund oder Feind ist, wem sie trauen kann und wer etwas zu verbergen hat. Durch den ständigen Perspektivenwechsel kommt man der Wahrheit aber allmählich näher. Stück für Stück können Leas Gedächtnislücken geschlossen werden, bis zuletzt ein verstörendes Geheimnis zutage tritt, mit dem ich niemals gerechnet hätte. Auch wenn ich bereits ahnte, welches Schicksal Julian ereilt hatte, war ich von der Auflösung des Rätsels sehr überrascht. Die verschiedenen Erzählstränge nähern sich im Verlauf der Handlung immer weiter an und verschmelzen am Ende zu einem stimmigen Ganzen.
Wer einen nervenzerreißenden und actiongeladenen Kriminalroman erwartet, wird bei Eric Bergs Das Küstengrab vermutlich enttäuscht sein. Das Buch zeichnet sich vielmehr durch einen sehr ruhigen Erzählfluss aus und konnte mich vor allem aufgrund seiner psychologischen Tiefe überzeugen. Obwohl die Spannung mitunter ein wenig zu kurz kommt, ist dieser Krimi dennoch nie langweilig, sondern atmosphärisch dicht, düster, beklemmend und stimmte mich häufig auch sehr nachdenklich.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein wunderbares und sehr berührendes Buch!

Fast ganz die Deine
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Bei dem 1934 erstmals erschienenen autobiographischen Briefroman handelt es sich um einen zwischen dem 7. November und 24. Dezember 1930 verfassten Abschiedsbrief Marcelle Sauvageots an ihren ehemaligen ...

Bei dem 1934 erstmals erschienenen autobiographischen Briefroman handelt es sich um einen zwischen dem 7. November und 24. Dezember 1930 verfassten Abschiedsbrief Marcelle Sauvageots an ihren ehemaligen Verlobten, der sie verlassen hatte, um eine andere zu heiraten. Die an Tuberkulose erkrankte Autorin schreibt diesen Brief während eines Sanatoriumaufenthalts in Hauteville, wird ihn jedoch nie an den eigentlichen Adressaten abschicken. So kursiert er zunächst nur als Privatdruck unter ihren Freunden, die sie zu überreden versuchen, ihn zu veröffentlichen. Erst als der Text zufällig dem Literaturkritiker Charles du Bon in die Hände fällt, wird er 1934 erstmals unter dem Titel Commentaire publiziert. Kurz vor der Veröffentlichung ihres Buchmanuskripts verstirbt Marcelle Sauvageot im Alter von nur 33 Jahren in einem Sanatorium in Davos.

Der mehr als 70 Jahre alte Text, der 2005 in einer neuen deutschen Übersetzung unter dem Titel Fast ganz die Deine erneut herausgegeben wurde, ist die schonungslose und zugleich traurige Abrechnung einer verlassenen und verschmähten Frau mit dem Mann, den sie liebte. Der ehemalige Verlobte, den sie abwechselnd mit Sie und Du anspricht, hatte ihr in einem Brief mitgeteilt „Ich heirate… Unsere Freundschaft bleibt“.

"Man sieht all die leidvollen Phasen voraus, durch die man wird gehen müssen, und weiß, danach kommt die Leere […]
Man hat nichts mehr zu erwarten und bleibt doch noch endlos so stehen, wohl wissend, daß nichts mehr kommen wird."


Das Angebot seiner Freundschaft lehnt sie entschieden ab.
In ihrem Brief versucht sie, sich ihren Kummer von der Seele zu schreiben, erinnert sich an gemeinsame Stunden vollkommenen Glücks, aber auch an die Fehler und Schwächen des einst geliebten Mannes, von dem sie sich nun zu befreien und zu distanzieren versucht.

Meine persönliche Meinung:


Wann immer ich das schmale Bändchen zur Hand nehme, bin ich zu Tränen gerührt und fasziniert von der Klarheit und Offenheit, mit der Marcelle Sauvageot ihre Gefühle und ihre Verletzlichkeit skizziert und gegen ihren Schmerz aufbegehrt. Jeder, der schon selbst solche schmerzvollen Momente und Trennungen durchlebt und durchlitten hat, würde gerne die richtigen Worte finden, um dem Schmerz Ausdruck zu verleihen und ihn sich von der Seele zu schreiben – Marcelle Sauvageot findet sie. In einer wunderbar klaren und poetischen Sprache reflektiert sie über Liebe, Freundschaft, Trennung und Erinnerung. Auch wenn die Trauer und der Schmerz um den Verlust des Geliebten in der jeder Zeile spürbar sind, ist der Text nie klagend, sondern kämpferisch. Dieser Abschiedsbrief ist Zeugnis der Befreiung einer zutiefst verletzten Frau, die jedoch nie in Selbstmitleid zerfließt, sondern sich stets ihren Stolz und ihre Würde bewahrt. Fast ganz die deine ist ein wundervolles Buch, das traurig, nachdenklich, aber auch Mut macht, denn am Ende ihres Briefes, scheint es, als sei die Distanzierung und Befreiung gelungen:

" Ich bin wieder kampflustig, bereit, dem Leben ohne Sie tapfer ins Auge zu sehen; vielleicht ist es schöner ohne Sie – es ist neu…"

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannung pur!

Der Meister
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Vor einigen Wochen haben ich bereits -Die Chirurgin, den ersten Band der Jane-Rizzoli-&-Maura-Isles-Reihe von Tess Gerritsen gelesen und fand ihn so unglaublich spannend, dass ich mir vorgenommen habe, ...

Vor einigen Wochen haben ich bereits -Die Chirurgin, den ersten Band der Jane-Rizzoli-&-Maura-Isles-Reihe von Tess Gerritsen gelesen und fand ihn so unglaublich spannend, dass ich mir vorgenommen habe, nach und nach alle Bücher dieser Reihe zu lesen. Der Meister ist nun der zweite Band und knüpft inhaltlich an Die Chirurgin an. Auch wenn Der Meister ebenfalls ein eigenständiger und in sich abgeschlossener Thriller ist, halte ich es für sinnvoll, im Vorfeld Die Chirurgin zu lesen, da es sich dabei im Grunde um die Vorgeschichte handelt, auf die auch häufig Bezug genommen wird.
In Die Chirurgin kam es zum ersten Aufeinandertreffen von Detective Jane Rizzoli und dem psychopathischen Serienmörder Warren Hoyt, der aufgrund seiner medizinischen und anatomischen Kenntnisse nur der Chirurg genannt wurde. Doch nun wird Rizzoli erneut mit Hoyt konfrontiert, denn obwohl dieser inzwischen im Gefängnis sitzt, weist eine neue Mordserie erschreckende Ähnlichkeiten mit seinen Morden auf. Als Hoyt dann sogar aus dem Gefängnis entkommen kann und Jane Rizzoli unmissverständlich zu verstehen gibt, dass er sie nicht vergessen hat, spitzt sich die Lage dramatisch zu.
Zweifellos ist es Tess Gerritsen wieder gelungen einen spannenden und wirklich nervenzerreißenden Thriller zu schreiben, der mich in jeder Hinsicht überzeugen konnte und mir sogar noch ein wenig besser gefiel, als der vorhergehende Band. Ich fand es nur ein bisschen schade, dass Detective Thomas Moore von der Bildfläche verschwunden ist, da ich ihn sehr gerne mochte, aber dafür wurde der ehemalige Rechtmediziner Dr. Tierney in den Ruhestand geschickt und nun durch Dr. Maura Isles, die „Königin der Toten“ ersetzt. Mit Maura Isles hat die Autorin nun eine Hauptfigur geschaffen, die wirklich Potential hat und auf die ich mich in den folgenden Bänden schon sehr freue. Jane Rizzoli dagegen will mir leider immer noch nicht so recht ans Herz wachsen, obwohl sie mir in Der Meister nun schon deutlich sympathischer war, als im ersten Band der Reihe. Auch wenn es eine Frau in einer Männerdomäne sicher nicht immer leicht hat und Jane schon häufig zur Zielscheibe von Sticheleien wurde, ist ihre ruppige, unnahbare Art, mit der sie ihre Ängste, Verletzungen und Schwächen zu verbergen versucht, hin und wieder wirklich unnötig und auch anstrengend, denn so schlimm sind ihre männlichen Kollegen gar nicht. Wenigstens ein paar der Herren verfügen durchaus über die nötige Empathie, um ihre Situation zu verstehen und nutzen ihre Schwächen auch nicht aus, sodass sie manchmal vielleicht ganz gut daran täte, Hilfe und Unterstützung anzunehmen, statt jeden männlichen Kollegen unentwegt vor den Kopf zu stoßen und hinter jedem einen potentiellen Feind zu vermuten, der ihre Autorität untergraben will. Sieht man davon ab, ist sie aber zweifellos eine sehr interessante und facettenreiche, wenn auch nicht unbedingt besonders liebenswerte Protagonistin.
Erneut konnte mich Tess Gerritsen jedoch mit ihrem profunden medizinischen Fachwissen überzeugen, das bei den detailliert beschriebenen Autopsien zum Tragen kommt. Manch einem empfindlichen Magen mag das vielleicht ein wenig zu viel sein, aber ich kann das, zumindest dann, wenn ich es nur lese und nicht persönlich anwesend sein muss, recht gut aushalten. Auch die Einblicke in die Perspektive des Täters, der in einem inneren Monolog immer wieder in Erscheinung tritt und seine perversen Phantasien und Gedanken äußert, verlangen dem Leser einiges ab und ziehen ihn in die tiefsten Abgründe menschlicher Grausamkeit. Dass die Autorin auch mit Blut nicht gerade sparsam umgeht, ist hinreichend bekannt, sodass ich zarten Gemütern von der Lektüre ihrer Bücher eher abraten würde.
Alle anderen erwartet aber auch mit Der Meister wieder ein äußerst packender Thriller mit einem gut konstruierten Plot und einem durchgehenden Spannungsbogen. Lediglich das Ende schien mir ein wenig zu abrupt und nicht besonders originell. Ansonsten hat mir dieser Thriller jedoch wieder ausgezeichnet gefallen und mich auch sehr gut unterhalten. Ich freue mich jedenfalls schon jetzt auf Todsünde, den dritten Teil der Jane-Rizzoli-&-Maura-Isles-Reihe.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Temporeicher Thriller mit einer interessanten Thematik, aber einigen Schwächen

Das Mona-Lisa-Virus
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Ich war sehr gespannt auf Das Mona-Lisa-Virus, denn der Klappentext klang äußerst vielversprechend und außerdem liebe ich Verschwörungsthriller. Tibor Rodes Bücher werden häufig mit den Werken von Dan ...

Ich war sehr gespannt auf Das Mona-Lisa-Virus, denn der Klappentext klang äußerst vielversprechend und außerdem liebe ich Verschwörungsthriller. Tibor Rodes Bücher werden häufig mit den Werken von Dan Brown verglichen. Ob man dem Autor einen Gefallen tut, wenn man die Messlatte derartig hoch ansetzt, wage ich zu bezweifeln und möchte deshalb auf solche Vergleiche verzichten. Meiner Meinung nach hat Tibor Rode mit Das Mona-Lisa-Virus zwar einen soliden Thriller mit einer interessanten Thematik vorgelegt, aber herausragend fand ich ihn leider nicht, weil er doch einige Schwächen aufweist.
Die ersten Kapitel des Buches muten noch etwas verworren an, da recht viele Handlungsstränge eröffnet werden und die verschiedenen Schauplätze und Protagonisten, die zunächst in keinem erkennbaren Zusammenhang zu stehen scheinen, etwas verwirrend sind. Auszüge aus einem Tagebuch aus der Zeit um 1500 waren mir zu Beginn dieses Thrillers jedenfalls vollkommen schleierhaft. Da ich zunächst keine Zusammenhänge mit den anderen Handlungssträngen erkennen konnte, haben diese Passagen den Spannungsbogen anfangs leider unterbrochen, weil mir ihre Bedeutung für den Gesamtkontext völlig belanglos zu sein schien. Erst im weiteren Verlauf des Buches wurde mir allmählich klar, wie diese Tagebucheinträge einzuordnen sind. Diese Kapitel faszinierten mich dann so sehr, dass ich es bedauerlich fand, dass sie nur so kurz waren. Beim Autor dieses Tagebuchs handelt es sich nämlich um den Mathematiker Luca Pacioli, der ein Zeitgenosse und Freund Leonardo da Vincis war. Er verfasste 1509 das Buch De divina proportione , eine umfassende Abhandlung zum „Goldenen Schnitt“, einem Phänomen, mit dem er und sein Freund da Vinci sich seit Jahren intensiv beschäftigt hatten.
Beim Goldenen Schnitt, der auch als „göttliche Proportion“ bezeichnet wird, handelt es sich um ein bestimmtes Teilungsverhältnis, das als vollkommen gilt und seit jeher eine große Anziehungskraft auf Menschen ausübt. Dieses besondere proportionale Größenverhältnis, das vollkommene Schönheit und Harmonie vermittelt, findet sich nicht nur in der Kunst, Architektur und Musik, sondern auch in der Natur wieder – zum Beispiel bei den Bienen. Leonardo da Vincis Mona Lisa gilt vor allem deshalb als Sinnbild für Schönheit, weil es dieses spezifische Größenverhältnis aufweist.
In Das Mona-Lisa-Virus wird recht schnell deutlich, dass hinter all den rätselhaften Ereignissen, die sich weltweit zutragen, nur jemand stecken kann, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Schönheit aus der Welt zu schaffen, also alles, was den Goldenen Schnitt aufweist, zu zerstören. Leider weiß man auch schon nach den ersten 100 Seiten, wer hinter diesen Vorfällen steckt und warum dieser Person so sehr daran gelegen ist, alles Schöne auf der Welt für immer zu vernichten. Nun ist es der Spannung eines Thrillers nicht gerade zuträglich, wenn Täter und Motiv bereits im ersten Viertel des Buches bekannt sind. Spannend ist eigentlich nur noch, ob es dem Täter gelingt, seinen Plan bis zum bitteren Ende durchzuführen, welche Rolle Helen Morgan dabei spielt und ob sie ihre Tochter jemals lebend wiedersieht.
Da Helen Morgan Neuroästhetikerin ist, sich also beruflich mit der Wirkung von Schönheit und den neurologischen Prozessen bei ästhetischen Wahrnehmungen beschäftigt und gerade Forschungen zur Mona Lisa betreibt, fiel die Wahl des Entführers wohl nicht zufällig auf ihre Tochter. Recht eigenartig fand ich jedoch, dass die amerikanische Polizei offenbar keinen Handlungsbedarf sieht, wenn ein minderjähriges Mädchen aus einer psychiatrischen Anstalt verschwindet, denn als Helen mit der Polizei Kontakt aufnimmt, scheint diese ihr Anliegen nicht allzu ernst zu nehmen, sodass sie sich selbst auf die Suche nach ihrer Tochter begeben muss und sich damit zum Werkzeug des Täters macht. Logisch fand ich das nicht gerade, denn dass die Polizei im Vermisstenfall einer Minderjährigen nicht ermittelt und auch der Klinikleiter der Psychiatrie das Verschwinden des Mädchens nicht weiter beunruhigend findet, scheint mir doch etwas unrealistisch zu sein. Außer der Mutter interessiert sich jedenfalls niemand für Madelaines rätselhaftes Verschwinden.
Leider blieb Helen Morgan aber recht farblos und ihr Handeln war mitunter auch ziemlich fragwürdig und nicht ganz nachvollziehbar, sodass es mir schwer fiel, an ihrer Seite mitzufiebern. Dabei war sie durchaus interessant angelegt, denn sie war früher Model und beschäftigt sich nun als Neuroästhetikerin wissenschaftlich mit dem Phänomen Schönheit. Abgesehen von ihrer außergewöhnlichen beruflichen Karriere und einer übersinnlichen Fähigkeit, die jedoch auch nicht unbedingt dazu beitrug, dass man sich in diese Figur hineinversetzen konnte, blieb sie mir jedoch recht fremd. Patryk Weisz, der Sohn des ebenfalls verschwundenen polnischen Milliardärs, ist zwar ein äußerst dubioser und ambivalenter Charakter, aber leider ebenso konturlos wie FBI-Agent Greg Millner.
Besonders interessant und spannend fand ich hingegen die Thematik dieses Thrillers. Sehr geschickt vermischt Tibor Rode historische Fakten mit einer fiktionalen Handlung, hat offensichtlich auch sehr präzise recherchiert, sodass ich es eigentlich recht schade fand, dass die kunsthistorischen und auch naturwissenschaftlichen Aspekte nur recht banal und oberflächlich abgehandelt wurden. Als ich das Geheimnis dieser Tagebucheinträge aus dem 16. Jahrhundert gelüftet hatte, fand ich es bedauerlich, dass diese nicht noch umfangreicher waren, denn sie haben mir ausgesprochen gut gefallen.
Die kritische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Schönheit ist dem Autor ebenfalls gut gelungen. Einerseits ist Schönheit ein Begriff, der überwiegend positiv konnotiert ist, da alles Schöne uns Menschen erfreut und all unsere Sinne anspricht; andererseits hat Schönheit aber auch ihre Schattenseiten und beinhaltet häufig eine subjektive Selektierung in Gut und Böse, nach rein äußerlichen Aspekten. Diese Aspekte hat der Autor sehr gut herausgearbeitet und gezeigt, dass der schöne Schein oft trügt und die Macht der Schönheit nicht unterschätzt, wohl aber hinterfragt werden sollte. Sein Schreibstil ist dabei recht einfach gehalten und die Kapitel sind angenehm kurz, sodass sich das Buch sehr flüssig lesen lässt.
Was leider ein wenig auf der Strecke blieb, waren Spannung und Logik. Auch wenn die vielen verschiedenen Handlungsstränge plausibel zusammenliefen und der Plot durchaus raffiniert angelegt war, litt die Glaubwürdigkeit doch sehr unter den übersinnlichen Fähigkeiten der Hauptprotagonistin und vor allem an einem an den Haaren herbeigezogenen Zufall, der letztendlich die einzige Wendung des Romans herbeiführte. Das Ende dieses Thrillers war jedenfalls zu konstruiert, um noch glaubwürdig und nachvollziehbar zu sein. Trotz einiger Schwächen war Das Mona-Lisa-Virus ein solider, action- und temporeicher Thriller, der sich mit einer sehr interessanten Thematik auseinandersetzt und sehr faszinierende Einblicke in Leonardo da Vincis Schaffen liefert.