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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.01.2018

Mehr Tiefgang als erwartet

Ella
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Ella führt ein Bilderbuch-Leben: Zwei gut geratene Kinder, erfolgreicher Ehemann, schönes Haus. Und nebenher arbeitet sie ein wenig als freiberufliche Grafikerin und als Kunstlehrerin.


Und dann lernt ...

Ella führt ein Bilderbuch-Leben: Zwei gut geratene Kinder, erfolgreicher Ehemann, schönes Haus. Und nebenher arbeitet sie ein wenig als freiberufliche Grafikerin und als Kunstlehrerin.


Und dann lernt sie den Lehrerkollegen Martin kennen. Etliche Jahre jünger als sie. Und trotzdem verlieben sich die beiden ineinander. Und versuchen beide, dagegen anzukämpfen. Ella mehr als Martin, denn sie hat viel zu verlieren: Ihre intakte Familie, ihr Haus - einfach alles, was bisher ihr Leben ausmachte.


Es folgt ein schwieriger Entscheidungsprozess. Wie wird sich Ella entscheiden?


Eigentlich ist die Ausgangssituation recht klassisch - die Verlockungen einer neuen Liebe werden oft in Literatur oder Film behandelt.
Überrascht hat mich bei diesem Buch, mit welchem psychologischen Hintergrund und Tiefgang die Situation dargestellt wird. Nichts ist einfach nur schwarz oder weiß. Und eigentlich steckt hinter allen Beziehungskrisen auch eine persönliche Krise oder Entwicklung.


Manchmal war Ella etwas schwer zu ertragen in ihrer Unentschlossenheit und in ihren Zweifeln. Aber es war immer authentisch und nachvollziehbar.
Und es wurde gut dargestellt, wie Gefühle mit Macht über den Menschen kommen können - und man mit Vernunft dagegen wenig ausrichten kann.


Das Buch ist viel weniger ein seichter Unterhaltungsroman, als es vielleicht Cover und Inhaltsangabe vermitteln. Und die Entwicklung der Personen hat mich beim Lesen doch immer wieder überrascht.

Veröffentlicht am 09.01.2018

Spannender Thriller in Agatha-Christie-Stil

Woman in Cabin 10
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Ein abgeschlossener Ort (in diesem Fall eine Yacht), eine überschaubare Zahl von Anwesenden (in diesem Fall Gäste und Crew) und das rätselhafte Verschwinden einer Person (die es angeblich nie gegeben ...

Ein abgeschlossener Ort (in diesem Fall eine Yacht), eine überschaubare Zahl von Anwesenden (in diesem Fall Gäste und Crew) und das rätselhafte Verschwinden einer Person (die es angeblich nie gegeben hat) - fertig ist das Rezept für einen Thriller in Agatha-Christie-Manier.


Leider gibt es keine Miss Marple.
Sondern als "Ermittlerin" lediglich eine junge Frau, Anfang 30, bisher eher wenig erfolgreiche Journalistin und so unsicher und mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, dass sie sich zwar redlich bemüht - meist aber eher von einer Katastrophe in die nächste schlittert


Ansonsten sind Setting, Geschichte und Spannung jedoch gut konzipiert. Man kann mit diesem Buch durchaus ein spannendes Lese-Wochenende verbringen. Und zwischendurch fällt es sicher schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Denn durch geschickte Wendungen in der Geschichte, Vorgriffe auf die nahe Zukunft in Form von Emails und Social-Media-News bleibt die Geschichte stets spannend und überraschend.


Lediglich die Protagonistin ist gewöhnungsbedürftig. Mir persönlich war sie zu unsicher, verpeilt und kopflos. Es ist zwar normalerweise sympathisch, wenn Ermittler auch Schwächen haben - aber in diesem Fall war es mir wirklich too much - die Protagonistin stolpert von einem Fettnäpfchen ins Nächste. Und zwischendurch denkt man als Leser oft "oh nein". Das stört etwas das Lese-Vergnügen. Aber die spannende Geschichte und die geschickte Konstruktion machen dies weitgehend wieder wett. Daher eine klare Leseempfehlung.


Ach ja, das Ganze spielt auf einer Yacht, die eine Kreuzfahrt nach Norwegen macht. Aber wer jetzt Landschaftsbeschreibungen erwartet - der wird enttäuscht sein. Die meiste Zeit ist das Boot nur auf der stürmischen Nordsee - Fjorde gibt es erst ganz zum Schluss. Und nur recht kurz.

Veröffentlicht am 31.12.2017

Kein amerikanisches Idyll

Lied der Weite
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Eine Kleinstadt in den Weiten der amerikanischen Prärie in Colorado. Das Leben geht seinen alltäglichen Gang. Meist ist das Leben eintönig und anstrengend. Man lebt eher nebeneinander her. Aber man achtet ...

Eine Kleinstadt in den Weiten der amerikanischen Prärie in Colorado. Das Leben geht seinen alltäglichen Gang. Meist ist das Leben eintönig und anstrengend. Man lebt eher nebeneinander her. Aber man achtet auch aufeinander, jeder kann jeden beobachten. Kleinstadt eben. Einige Einwohner werden abwechselnd näher beschrieben. Da sind die 17 jährige Viktoria, die ungeplant schwanger wird und deswegen von ihrer Mutter aus dem Haus geworfen wird. Da ist ihre Lehrerin, die sich um sie kümmert, sie aber nicht bei sich behalten kann, weil sie ihren dementen Vater betreuen muss. Da ist der Lehrerkollege Guthrie, dessen Frau depressiv ist und der sich alleine um seine zwei kleinen Söhne kümmern muss. Und zusätzlich Ärger mit einem faulen und gewalttätigen Schüler hat. Und da sind die beiden alten Brüder auf ihrer abseits gelegenen Farm, die die schwangere Viktoria aufnehmen und mit ihrer eine Art Wahlfamilie aufbauen.

Eigentlich passiert in diesem Buch nicht besonders viel. Nur das Leben eigentlich. Und das ist für die meisten Protagonisten eher nicht so schön und wenig spannend. Besonders der Umgang mit den Kindern hat mich persönlich eher schockiert. Anscheinend ist es ganz normal, das 9-10 jährige Jungs jeden Morgen vor der Schule in der ganzen Stadt Zeitungen austragen. Und, dass eine 17 jährige jeden Tag nach der Schule stundenlang in einem Cafe in der Spülküche arbeitet und erst nach 19 Uhr nach Hause geht. Die Selbstverständlichkeit, mit der dies und anderes erzählt wird, lässt einen als Leser öfters schlucken. Warum man trotzdem weiter liest? Dies liegt sicherlich an der schönen, beschreibenden und gleichzeitig lakonischen Sprache, die eine Atmosphäre von Melancholie und gleichzeitig Härte vermittelt (einige sehr realistische Beschreibungen von Szenen mit einem Tierarzt inbegriffen). All dies wäre fast unerträglich traurig - wenn es nicht zwischendurch diese warmherzigen Momente mit viel Menschlichkeit geben würde. Denn es gibt schöne und positive Momente im Buch, gegenseitige Hilfe, vorsichtige Anfänge von Liebe und liebevolle Unterstützung.

Dies alles ist so einzigartig gut beschrieben und ausbalanciert, dass das Lesen zu einem schönen Erlebnis wird und man das Buch mit einem warmen und gleichzeitig melancholischem Gefühl im Bauch am Ende schließt.

Kent Haruf hat wohl alle seine Romane in der fiktiven Stadt Holt in Colorado angesiedelt. Bekannt geworden ist er in Deutschland mit seinem letzten Roman "Unsere Seelen bei Nacht", der jetzt mit Robert Redford verfilmt wurde. "Das Lied der Weite" ist ein älterer Roman, der jetzt in Deutschland neu aufgelegt wird. Im Original heißt er "Plainsongs", was noch deutlicher die Weite und die Ödnis und die Melancholie der amerikanischen Plains = Prärie wiederspiegelt.

Die Sprache von Kent Haruf hat mich verzaubert - und jetzt muss ich noch die anderen Bücher von diesem Schriftsteller lesen.

Veröffentlicht am 15.12.2017

Die Gefahren der Jugend

Der gefährlichste Ort der Welt
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Mill Valley ist ein hübscher Ort im Speckgürtel von San Francisco. Hier ist die Landschaft schön, der Strand nicht weit entfernt, die Häuser teuer - hier wohnen also nur die Gutverdienenden oder die Reichen.


Die ...

Mill Valley ist ein hübscher Ort im Speckgürtel von San Francisco. Hier ist die Landschaft schön, der Strand nicht weit entfernt, die Häuser teuer - hier wohnen also nur die Gutverdienenden oder die Reichen.


Die Kinder, die hier aufwachsen, haben eigentlich optimale Bedingungen. Aber was machen sie daraus? Sind Kindheit und Jugend hier besser als anderswo?


Diese Frage beleuchtet die Autorin in ihrem Debütroman aus verschiedenen Blickwinkeln.


Da ist Tristan. Intelligent - aber leider vom Aussehen her komplett "uncool". Ohne richtige Freunde. Das kann auch seine bemühte und liebevolle alleinerziehende Mutter nicht ausgleichen. Und als er einem Mädchen einen Liebesbrief schreibt (weil er glaubt, endlich eine Gleichgesinnte gefunden zu haben), wird dieser auf Facebook veröffentlicht und belacht. Tristan kann dieses Mobbing nicht aushalten - und stürzt sich von der Golden Gate Bridge.


Dieser Selbstmord führt zu Hausarresten und Strafen für alle, die sich am Shitstorm beteiligt haben - aber was bewirkt er in den Köpfen dieser jungen Menschen im Laufe der nächsten Jahre?


Dies wird am Beispiel von Tristans Schulkameraden gezeigt. Da gibt es den attraktiven Schönling, in den alle Mädchen verliebt sind. Seinen Freund, der viel weniger attraktiv ist und seinen Frust in Gewalt auslebt. Einen eher ruhigen Jungen, der die hohen Erwartungen seiner Eltern an seine Schulkarriere und seine Noten sicher nicht erfüllen kann - und darüber fast verzweifelt. Den intelligenten Jungen, der gegen Geld Tests für die anderen schreibt - aber für sich selbst noch nicht den richtigen Weg gefunden hat.
Das wunderschöne Mädchen, das alle beneiden - aber im Grunde ist sie sehr einsam. Das nicht-hübsche, reiche Mädchen, das von den Eltern kaum beachtet wird und sich in eine Affäre mit einem Lehrer flüchtet. Ein nur auf eine Laufbahn als Tänzerin hin lebendes Mädchen - das sich aber privat weit weniger im Griff hat als in der Tanzschule. Sie alle denken manchmal über Tristan nach - aber sind ansonsten viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um richtige Konsequenzen aus dem Geschehen zu ziehen.


Und dann gibt es Calista, diejenige, die den Liebesbrief bekommen hat. Sie ist die Einzige, die richtig über den Selbstmord von Tristan nachdenkt, reflektiert und ihren Freundeskreis ändert. Mit ihr beginnt und endet die Geschichte.


Alle Jugendlichen sind auf eine gewisse Weise Stereotypen. Das ist das, was man dem Buch vorwerfen kann. Und es gibt eine Menge von stereotypen Katastrophen, die die Jugendlichen erleben (zu viel Alkohol, Verkehrsunfälle, Drogen, Scheidung der Eltern, Partys-die-im-Chaos-enden). So viel auf einmal ist sicherlich (oder hoffentlich?) dann doch nicht die Realität. Oder?


Jedenfalls bewahrt auch eine auf den ersten Blick behütete Jugend in einer wohlhabenden Gegend die Jugendlichen nicht vor Fehlentscheidungen und Problemen. Denn nicht der Ort, in dem man aufwächst, ist das Problem. Sondern das Alter - die Jugend. Und deshalb ist die MIttelschule "Der gefährlichste Ort der Welt".


In diesem Buch wird die vermeintlich schöne Fassade einer hübschen, wohlhabenden Stadt demaskiert. Zurück bleiben Jugendliche, die sich all zu schnell verlieren im Spannungsfeld zwischen Eltern, Cool-sein und Drogen. Und alles verstärkt dadurch, dass jede Verfehlung auf Social Media dokumentiert wird. Und dadurch um so mehr manifestiert wird.


Und die Eltern? Die stehen diesen Mechanismen weitgehend machtlos gegenüber. Sie versuchen zwar (teilweise) den Kontakt zu ihren Kindern zu halten - erwarten aber oft sehr viel von den Kindern. Denn die Eltern haben etwas erreicht. Gute Jobs, ein Haus in einem wohlhabenden Viertel - und die Kinder sollen möglichst noch mehr erreichen.


Dieses Buch wäre eine geeignete Schullektüre für die Klassen 5-7, da sowohl die negativen Wirkungen von Social Media als auch die Unsicherheiten von Jugendlichen sehr gut dargestellt werden. Ohne, dass der Zeigefinger erhoben wird. Es wird nur geschildert und beschrieben, die Interpretation kann jeder für sich finden.

Veröffentlicht am 20.11.2017

Das Leben ist nicht perfekt - aber lebenswert

Das Glück an Regentagen
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Auch Regentage kann man nutzen - dies hat die junge Virginia sehr früh erkannt und eine Liste von Dingen aufgeschrieben, die man an Regentagen machen kann. Und diese Liste zieht sich durch die Kapitel ...

Auch Regentage kann man nutzen - dies hat die junge Virginia sehr früh erkannt und eine Liste von Dingen aufgeschrieben, die man an Regentagen machen kann. Und diese Liste zieht sich durch die Kapitel des Buches. Und spielt eine wichtige Rolle in der Geschichte. Die Liste hängt im kleinen Hotel von Virginias Familie am St. Lorenz Strom, im Bereich der "Thousand Islands", an der Grenze zwischen den USA und Kanada.

Viriginia wird früh sterben. Und ihre Tochter Mae in der Obhut der Großeltern zurücklassen, die das kleine Familienhotel in Alexandria Bay führen. Später werden die Großeltern auch Gabe aufnehmen, der nicht mehr bei seinem alkoholkranken Vater bleiben kann. Und später werden sich Mae und Gabe ineinander verlieben. Aber dann geht Gabe - und Mae wird leiden - und später ein neues Leben in New York beginnen. Bis sie wieder verlassen wird. Und wieder nach Hause kommt. Und dort wieder auf Gabe trifft.

Hat ihre Liebe eine neue Chance? Und warum kriselt es plötzlich in der Ehe ihrer Großeltern? Und wie kam es dazu, dass das kleine Hotel in Familienbesitz gekommen ist? Und wie hat Mae ihre Eltern verloren? Und warum ist Gabe damals gegangen?

All diese Geheimnisse werden nach und nach aufgedeckt. Dies wird spannend und warmherzig erzählt. So ein richtig schöner Familienroman. Über eine Familie, in der sicher nicht alles optimal und nach Plan verläuft. Aber in der die Liebe doch immer wieder überwiegt.