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Veröffentlicht am 15.05.2017

Einblick in das Arbeitsleben in der Gastronomie

Sweetbitter
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Achtung: Der Klappentext der Deutschen Ausgabe führt etwas in die Irre und kann zu Enttäuschungen führen. Es geht nämlich viel weniger um Genuss und Kulinarisches als dort angedeutet - sondern mehr um ...

Achtung: Der Klappentext der Deutschen Ausgabe führt etwas in die Irre und kann zu Enttäuschungen führen. Es geht nämlich viel weniger um Genuss und Kulinarisches als dort angedeutet - sondern mehr um einen Einblick in das tägliche (Nacht) Leben der Mitarbeiter in der Gastronomie.


Also: Kein kulinarischer Roman. Aber: Ein New York Roman (wird doch immer gern gelesen). Und ein Coming-of-Age-Roman (ebenfalls beliebt). Wenn man das weiß, kann man als Leser sicherlich mehr mit dem Roman anfangen. Allerdings bleibt es für viele sicherlich trotzdem unverständlich, warum der Roman in den USA so gehypt wird. Vielleicht ist es für Amerikaner schon kulinarisch, wenn kurz über Austern und Wein geschrieben wird?


Egal. Zum Buch:
Eine junge Frau, Anfang zwanzig, kommt aus der Provinz nach New York. Hier soll endlich ihr Leben beginnen. Sie mietet ein Zimmer zur Untermiete in Brooklyn und findet mehr durch Zufall eine Stelle als Hilfskellnerin in einem der besten Restaurants New Yorks.


Sie lernt, Austern nach ihrer Herkunft zu unterscheiden. Und die verschiedenen Weine der Welt voneinander zu unterscheiden. Und sie lernt vieles an Gemüse und Salat kennen. Und die Geschmacksrichtungen. Der Name ist Programm: Vieles ist Bitter, manches ist Sweet.


Vor allem aber sucht die Protagonistin nach ihrem Platz im Leben. Nach Freunden und einer Familie. Und nach der Liebe.
Da in der Gastronomie hart und vor allem meist abends gearbeitet wird, unternimmt sie viel mit ihren Kollegen. Und natürlich verliebt sie sich in einen Kollegen. Während sich ein anderer Kollege in sie zu verlieben scheint. Aber welche Chance hat die Liebe in solch einer Situation...


Die Nächte werden lang, der Alkohol fließt in Strömen und Drogen werden auch gerne konsumiert. So taumelt die junge Frau mit ständigem Schlafmangel, ständigen Kopfschmerzen vom Rausch der letzten Nacht und vielen Aufputschmitteln durch den Tag. Und nachts geht das Ganze wieder von vorne los.


Dieses ausufernde Feiern, kombiniert mit viel Arbeit hat mich persönlich in diesem Roman angesprochen. Hat es mich doch an meine eigene Zeit Anfang zwanzig erinnert, als ich als Reiseleiterin gearbeitet habe. Und viel mit Gastro-Leuten gefeiert habe.
Wer also einmal wissen möchte, wie es hinter den Kulissen der Gastronomie aussieht - der wird hier viel erfahren.


Ansonsten sehe ich das Buch als klassischen Coming-of-Age-Roman. Die Protagonistin macht viele (auch ernüchternde) Erfahrungen




Das Buch lässt sich gut und flüssig lesen, obwohl Sprache und Stil manchmal seltsame Blüten treiben. Für mich ergaben die Gedichtform und die anderen Sprachexperimente zwischendurch wenig Sinn.
Ich weiß auch immer noch nicht, ob das Buch noch mehr zu sagen hat. Man könnte viel hineininterpretieren. Vieles wirkte so, als sollte es mit Macht zum Interpretieren anregen - statt mehr zu erzählen. Für mich war manchmal zu vieles nur angerissen. Und wurde nicht wieder aufgenommen.


Ich habe das Buch in einer Leserunde gelesen und dort ging es sehr lebhaft zu. Von kompletter Ablehnung aufgrund von zu viel Drogen, zu viel Alkohol und zu viel Sex bis hin zum großen Lob für die poetische Sprache war alles dabei.
Alleine wegen der Leserunde und der Diskussion dort hat es sich gelohnt, das Buch zu lesen,

Veröffentlicht am 17.04.2017

Subtile psychologische Spannung

Wenn das Eis bricht
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Am Anfang ist es blutig und grausam. Eine Frau wird ermordet aufgefunden, geköpft. Und der Kopf zeigt in Richtung Eingang.
Zunächst tappt das Ermittlerteam im Dunkeln, bis die Psychologin Hanne hinzugezogen ...

Am Anfang ist es blutig und grausam. Eine Frau wird ermordet aufgefunden, geköpft. Und der Kopf zeigt in Richtung Eingang.
Zunächst tappt das Ermittlerteam im Dunkeln, bis die Psychologin Hanne hinzugezogen wird. Sie hat vor 10 Jahren die Kriminalpolizei in einem ähnlichen Fall beraten.

Die Geschichte wird aus drei Perspektiven erzählt: Da ist Hanne, die Psychologin, die nur beratend bei der Kriminalpolizei eingesetzt wird. Sie leidet im Anfangsstadium unter Demenz und hat Angst, wie diese Krankheit ihr Leben bestimmen wird. Aber zunächst analysiert sie ihr Leben und trifft weitreichende Entscheidungen. Dazu gehört auch die Analyse ihrer früheren Beziehung zu Peter, einem der Ermittler, er bildet die zweite Perspektive. Peter ist ein schwieriger Mensch, recht unsympathisch. Er kümmert sich kaum um seinen Sohn und hat bisher alle Beziehungen mit Frauen in den Sand gesetzt. Die dritte Perspektive stammt von Emma, einer jungen Frau, die in einem Geschäft arbeitet, das zu der Modehauskette gehört, die von dem Besitzer des Hauses geleitet wurde, in dem das Mordopfer aufgefunden wurde. Ist Emma die ermordete Frau? Oder jemand anders?

Sehr subtil und ruhig schreitet die Handlung voran. Es gibt kein weiteres Blutvergiessen, keine Gewalt - nur Rückblicke in die Vergangenheit und Einblicke ins Gefühlsleben der drei Personen, die erzählen. Und erst zum Schluss kommt es zum spannenden Finale.

Zugegebenermaßen hatte ich etwas Angst, als ich das Buch sah: Fast 600 Seiten - und ein Psychothriller. Ich hatte Angst vor viel Blutvergießen. Aber die Spannung ist wirklich rein psychologisch. Und wird durch den Perspektivenwechsel gesteigert. Die einzelnen Abschnitte sind lang genug, um sich in die einzelnen Personen einfühlen zu können. Und die Wechsel sind gut gemacht, so dass man als Leser nicht den Überblick verliert.

Ich habe das Buch in knapp zwei Tagen ausgelesen, weil mich die Geschichte und der Spannungsaufbau gefesselt haben. Für alle Fans von skandinavischen Krimis sehr zu empfehlen.

Veröffentlicht am 27.03.2017

Ungewöhnlich, spannend, überraschend und ziemlich unkorrekt

Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte
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Der Titel ist ziemlich lang und ziemlich ungewöhnlich und enthält einige Wörter, die im normalen Sprachgebrauch eher selten benutzt werden: Huren und Taubensuppe.

Und so ungewöhnlich wie der Titel ist ...

Der Titel ist ziemlich lang und ziemlich ungewöhnlich und enthält einige Wörter, die im normalen Sprachgebrauch eher selten benutzt werden: Huren und Taubensuppe.

Und so ungewöhnlich wie der Titel ist auch das Buch.
Es geht um eine Familie und deren Freunde, die im Ruhrpott leben und eng mit dem sogenannten "halbseidenen Milieu" verbandelt sind.

Omma ist inzwischen zwar alt - aber noch recht fit im Kopf. Und sie führt mit einer Freundin eine Pension. Aber früher, da war Omma ein "heißer Feger", 5 Kinder von 3 Männern, und das alles unter 30. Und "Wirtschafterin" in einem Hotel - das aber ein Bordell war. Natürlich innerhalb der Sperrzone. Und die Mitzi, die war eine der Huren. Und die Mitzi konnte nie so richtig aufhören mit den Freiern - es gibt einfach zu viel Geld zu verdienen mit diesem Beruf.

Mit diesem Statement fängt es schon an, das politisch unkorrekte. Hier werden nur Huren beschrieben, die ihren Beruf freiwillig ausüben. So etwas gibt es doch eigentlich nicht, meint jedenfalls die Mitbewohnerin von Bianca. Und schon entspinnt sich ein großer Streit zwischen Bianca und ihrer Mitbewohnerin. Und die Mitbewohnerin zieht aus.
Und Bianca muss nun sehen, wie sie den zweiten Mietanteil hereinbekommt. Aber Bianca ist ja begabt. Glaubt sie jedenfalls. Sie hat ziemlich lustlos Germanistik studiert, wollte dann als Schauspielerin arbeiten, das hat nicht geklappt. Jetzt nennt sie sich "Designerin" und näht Seidenunterwäsche. Allerdings ist der Erfolg bisher bescheiden. Aber Bianca liebt Seide. Dabei ist sie doch eher mit Blick auf halbseidene Verhältnisse aufgewachsen. Bianca ist nämlich die Enkelin der Omma. Und die Mitzi, das war immer ihre "Wahl-Oma".

Aber nun zieht die Omma zu Bianca nach Kreuzberg, weg aus ihrem geliebten Ruhrpott. Das mit dem Mietanteil ist jetzt schon einmal geregelt. Und Biancas Vater zieht gleich hinterher.. Warum das alles? Und was passiert noch?
Das alles lässt sich sehr vergnüglich in diesem Buch nachlesen. Es wird übrigens auch spannend. Und Liebe gibt es auch. Echte - und die der Huren. Und es ist alles nicht nur leicht und witzig, sondern zwischendurch auch nachdenklich und traurig. Denn natürlich gibt es auch Gewalt. Auch bei Huren, die den Beruf freiwillig ausüben.


Habe mich selten so amüsiert, über die "Omma" (ja, natürlich mit zwei M), den Ruhrpottslang, die unsentimentale Schilderung des Huren-Alltags (Prostituierte scheint eher eine Schimpfwort zu sein als Hure...?). die tollen Milieuschilderungen (sowohl die über das Bordell als auch die über das auch so coole Kreuzberg). Und die nachdenklichen Zwischentöne, die schönen Bilder (so von wegen Seide und Glanz und das alles mit einer Omma im Versandhaus-Shirt mit Leopardendruck) haben das Lese-Vergnügen abgerundet.

Und nachher weiß man auch, was das schöne bunte Cover für eine Bedeutung hat.

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Veröffentlicht am 30.11.2016

Spannende und gut erzählte Familiengeschichte

Das Erbe der Wintersteins
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Das Erbe der Familie Winterstein ist eine alte Villa an der Ostsee, in der Celine Winterstein die schönste Zeit ihrer Kindheit verbracht hat. Ihre Urgroßmutter hatte die Villa einst als Familienstammsitz ...

Das Erbe der Familie Winterstein ist eine alte Villa an der Ostsee, in der Celine Winterstein die schönste Zeit ihrer Kindheit verbracht hat. Ihre Urgroßmutter hatte die Villa einst als Familienstammsitz bestimmt und diese hatte auch den Grundstein für die Porzellanfabrikation gelegt, die zum Wohlstand der Familie führte.

Nun ist die Firma in finanziellen Schwierigkeiten und die Villa soll verkauft werden. Schweren Herzens fährt Celine an die Ostsee, um den Verkauf vorzubereiten. Und sie setzt sich noch einmal intensiv mit der Geschichte ihrer Urgroßmutter auseinander, als sie in der Villa ein altes Tagebuch findet. Und es zeigt sich, dass das "Erbe" der Wintersteins noch viel mehr umfasst und bedeutet als eine alte Villa.

Die Geschichte wird in zwei abwechselnden Zeitebenen erzählt. Einmal in der Zeit von Claire, die als Findelkind heranwächst und sich mühsam den Weg in ein selbstbestimmtes Leben bahnen muss. Und einmal in der heutigen Zeit, als Claires Urenkelin Celine herausfinden muss. wie sie ihr Leben gestalten soll. Und feststellen muss, dass das Erbe ihrer Großmutter ihr Leben bedrohen könnte....

Das alles wird gefühlvoll und spannend erzählt. Die Autorin hat den Roman sehr gut konzipiert. Trotz vieler Handlungsstränge und Handlungsorte ist alles logisch aufgebaut und alles verständlich. Als Leser kann man sich einfach in die Geschichte fallen lassen und mitfiebern.

Das Buch behandelt außerdem ernsthafte Themen, die sehr interessant waren. Es wird von den sogenannten "Sideshows" erzählt, dies waren in früheren Zeiten Shows, die auf Jahrmärkten gezeigt wurden und in denen "außergewöhnliche" Menschen vorgeführt wurden. Meist waren es Menschen mit körperlichen Besonderheiten (komplett behaart, unfassbar dick, Siamesische Zwillinge, Zwergenwuchs usw.) die in dieser Jahrmarkt-Welt ihr Leben fristen mussten. Der Einblick in diese Welt ist der Autorin sehr gut gelungen - so ein kleines Sahnhäubchen obendrauf - auf einen sehr gelungenen Unterhaltungsroman, den man gut in der Vorweihnachtszeit lesen kann. denn de Handlung im Heute spielt in der Vorweihnachtszeit.

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