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Veröffentlicht am 20.07.2018

Düster, bedrohlich und sehr spannend

Ins Dunkel
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Aaron Falk ist bei der Federal Police in Melbourne in Australien, zuständig für Steuerfahndung.
Das hört sich zunächst nicht so spannend an - ist es aber. Denn, wie heißt es so oft bei der Tätersuche: ...

Aaron Falk ist bei der Federal Police in Melbourne in Australien, zuständig für Steuerfahndung.
Das hört sich zunächst nicht so spannend an - ist es aber. Denn, wie heißt es so oft bei der Tätersuche: "Folge dem Geld". Und so gerät Falk immer wieder in Ermittlungen der örtlichen Kriminalpolizei.

Hat die Autorin Jane Harper in ihrem Debüt "The Dry" (erscheint jetzt unter "Hitze" als Taschenbuch) Aaron Falk noch in seinen Heimatort im trockenen, dürren, staubigen Outback Australiens geschickt, so ist diesmal ein dicht bewaldeter Gebirgszug der Ort der Handlung. Es ist feucht, kalt, dunkel und bedrohlich. Der Wald verschluckt alles - auch das Mobilfunknetz.

Und wenn man bei der Lektüre von "The Dry" die Hitze und den Staub quasi spüren konnte, so fröstelt und bangt man diesmal in den dunklen, undurchdringlichen Wäldern.

In diesen Wäldern findet eine Teambuilding-Maßnahme statt. Eine Männer- und eine Frauengruppe - beide aus der gleichen Firma - sollen sich (ausgerüstet nur mit Kompass und Karte) 3 Tage durch die Wildnis schlagen. Am 4. Tag sollen alle wieder wohlbehalten zurück sein. Doch von der Frauengruppe kommen nur 4 statt 5 Frauen zurück. Und die fünfte Frau ist ausgerechnet die Kontaktperson von Falk. Sie sollte ihm Informationen über Geldwäscheaktivitäten liefern, die in dieser Firma vorkommen. Und bewiesen werden müssen.

Wurde die Frau bedroht? Oder beseitigt? Wusste jemand, dass sie Informationen weitergab? Oder hat ein Serienmörder aus früheren Zeiten, der in dieser Gegend aktiv war, einen Nachfolger gefunden?
Wo ist die Hütte, in der die Frauen zwischendurch Schutz gesucht hatten, als sie vom Weg abgekommen waren? Diese Hütte scheint keiner der Park-Ranger zu kennen. Was ist passiert?

Die Geschichte wird abwechselnd in zwei Ebenen erzählt. Einmal die Ebene der Ermittlungen, die am 4. Tag beginnen. Und einmal beim Trecking. Wobei jede der Frauen und ihr Verhältnis zueinander beschrieben werden. Die Charakterzeichnungen sind prägnant und vielschichtig und realistisch. Und zeigen nebenher viel vom gesellschaftlichen Leben in Australien. Die Kapitel sind recht kurz - und werden gefühlt zum Ende hin immer kürzer. Das erhöht die Spannung.

Und spannend ist das Buch. Obwohl ich es eher als Krimi einordnen würde und nicht als Thriller. Es gibt keine Massen an Todesfällen - aber man steht gefühlt immer kurz davor. Die Spannung baut sich vor allem psychologisch auf. Als Leser fiebert und leidet man mit. Und wird sich danach wahrscheinlich so schnell nicht wieder in einen dunklen, undurchdringlichen Wald wagen.

Ich bin jetzt schon gespannt auf die weiteren Fälle von Aaron Falk. Und auf seinen weiteren persönlichen Werdegang. Denn auch das gehört für mich zu einem gelungenen Krimi: Die Entwicklung der Ermittler und ihres Umfeldes. Und nebenher erfährt man in diesem Buch ein wenig über die Personen aus dem ersten Band - ohne, dass zu viel verraten wird.

Also: Lesen! Am besten beide Bände hintereinander. Aber Vorsicht: Die Nächte könnten schlaflos werden.

Veröffentlicht am 31.12.2017

Kein amerikanisches Idyll

Lied der Weite
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Eine Kleinstadt in den Weiten der amerikanischen Prärie in Colorado. Das Leben geht seinen alltäglichen Gang. Meist ist das Leben eintönig und anstrengend. Man lebt eher nebeneinander her. Aber man achtet ...

Eine Kleinstadt in den Weiten der amerikanischen Prärie in Colorado. Das Leben geht seinen alltäglichen Gang. Meist ist das Leben eintönig und anstrengend. Man lebt eher nebeneinander her. Aber man achtet auch aufeinander, jeder kann jeden beobachten. Kleinstadt eben. Einige Einwohner werden abwechselnd näher beschrieben. Da sind die 17 jährige Viktoria, die ungeplant schwanger wird und deswegen von ihrer Mutter aus dem Haus geworfen wird. Da ist ihre Lehrerin, die sich um sie kümmert, sie aber nicht bei sich behalten kann, weil sie ihren dementen Vater betreuen muss. Da ist der Lehrerkollege Guthrie, dessen Frau depressiv ist und der sich alleine um seine zwei kleinen Söhne kümmern muss. Und zusätzlich Ärger mit einem faulen und gewalttätigen Schüler hat. Und da sind die beiden alten Brüder auf ihrer abseits gelegenen Farm, die die schwangere Viktoria aufnehmen und mit ihrer eine Art Wahlfamilie aufbauen.

Eigentlich passiert in diesem Buch nicht besonders viel. Nur das Leben eigentlich. Und das ist für die meisten Protagonisten eher nicht so schön und wenig spannend. Besonders der Umgang mit den Kindern hat mich persönlich eher schockiert. Anscheinend ist es ganz normal, das 9-10 jährige Jungs jeden Morgen vor der Schule in der ganzen Stadt Zeitungen austragen. Und, dass eine 17 jährige jeden Tag nach der Schule stundenlang in einem Cafe in der Spülküche arbeitet und erst nach 19 Uhr nach Hause geht. Die Selbstverständlichkeit, mit der dies und anderes erzählt wird, lässt einen als Leser öfters schlucken. Warum man trotzdem weiter liest? Dies liegt sicherlich an der schönen, beschreibenden und gleichzeitig lakonischen Sprache, die eine Atmosphäre von Melancholie und gleichzeitig Härte vermittelt (einige sehr realistische Beschreibungen von Szenen mit einem Tierarzt inbegriffen). All dies wäre fast unerträglich traurig - wenn es nicht zwischendurch diese warmherzigen Momente mit viel Menschlichkeit geben würde. Denn es gibt schöne und positive Momente im Buch, gegenseitige Hilfe, vorsichtige Anfänge von Liebe und liebevolle Unterstützung.

Dies alles ist so einzigartig gut beschrieben und ausbalanciert, dass das Lesen zu einem schönen Erlebnis wird und man das Buch mit einem warmen und gleichzeitig melancholischem Gefühl im Bauch am Ende schließt.

Kent Haruf hat wohl alle seine Romane in der fiktiven Stadt Holt in Colorado angesiedelt. Bekannt geworden ist er in Deutschland mit seinem letzten Roman "Unsere Seelen bei Nacht", der jetzt mit Robert Redford verfilmt wurde. "Das Lied der Weite" ist ein älterer Roman, der jetzt in Deutschland neu aufgelegt wird. Im Original heißt er "Plainsongs", was noch deutlicher die Weite und die Ödnis und die Melancholie der amerikanischen Plains = Prärie wiederspiegelt.

Die Sprache von Kent Haruf hat mich verzaubert - und jetzt muss ich noch die anderen Bücher von diesem Schriftsteller lesen.

Veröffentlicht am 07.10.2017

Die Berge als Metapher für die im Leben zu bewältigenden Aufgaben

Acht Berge
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„Es war eine düstere, raue Schönheit, die Kraft statt Frieden spendete“ (S. 118).

Dieses Zitat aus dem Roman „Acht Berge“ von Paolo Cognetti fasst das Wesen der Bergwelt sehr gut zusammen. Denn in diesem ...

„Es war eine düstere, raue Schönheit, die Kraft statt Frieden spendete“ (S. 118).

Dieses Zitat aus dem Roman „Acht Berge“ von Paolo Cognetti fasst das Wesen der Bergwelt sehr gut zusammen. Denn in diesem Buch geht es um die Berge. Und darum, wie sie die Bergbewohner und die Besucher prägen.
Pietro wächst in Mailand auf – aber seine Eltern stammen aus den Bergen. Und dorthin zieht es sie immer in den Ferien. Allerdings fahren sie nicht in die Berge der Kindheit, sondern in die Gegend des Aosta-Tals. Denn es ist so, „dass es mitunter (…) unmöglich ist, zu den Bergen zurück zu kehren, die im Mittelpunkt aller anderen und am Anfang der eigenen Lebensgeschichte stehen“ (S. 245). Und auch Pietro wird später erkennen, dass die Berge seiner Kindheit irgendwann für ihn verloren sind. Und er wird viele andere Berge erklimmen und es wird ihn bis in den Himalaya ziehen. Aber er wird nie die Sommer seiner Kindheit in den Bergen vergessen. Die Erkundungen mit seinem besten Freund, der aus einer armen Bergbauernfamilie stammt. Die Wanderungen mit seinem Vater, die immer über die Baumgrenze hinaus auf die Gipfel führten. Die Geborgenheit in der einfachen Ferienhütte, die seine Mutter liebevoll ausstattet. Pietro wird mit der Zeit alte Familiengeheimnisse seiner Eltern enthüllen, die Rastlosigkeit seines Vaters und das liebevolle Wesen seiner Mutter besser verstehen. Und er wird versuchen, selbst eine Heimat in den Bergen zu finden.
Aber manchmal ist es so, (..) dass einem nichts anderes übrig bleibt, als in den 8 Bergen herumzustreifen, wenn man (…) auf dem ersten und höchsten einen Freund verloren hat“ (S. 245).
Dieser Satz geht auf eine Weisheit aus dem Himalaya zurück, in der erzählt wird, dass es einen hohen Berg im Mittelpunkt der Welt gibt, den Sumeru. Dieser ist von Acht Bergen umgeben. Und es wird die Frage gestellt, wer mehr gelernt hat: Derjenige, der den Sumeru bestiegen hat oder derjenige, der alle Acht Berge gesehen hat? Eine philosophische Frage, die die zweite Ebene dieses Buches (neben den realistischen Schilderungen der Bergwelt und der Mühsal des Lebens dort) beleuchtet.
Denn in diesem Buch geht es um die Suche nach Wurzeln und Heimat. Um das Gefühl, angekommen zu sein. Und um das Scheitern bei dieser Suche. Und von der Kraft, die es kostet, das Leben zu bewältigen, das Gebirge des eigenen Lebens zu erklimmen.
Dies alles wird in einer kraftvollen, poetischen (aber nie ins kitschige abdriftenden) Sprache erzählt. Dies ist ein sehr besonderes Buch. Kraftvoll und tragisch und schön zugleich. Und sehr schwer zu beschreiben. Man muss sich die Zeit nehmen, das Buch zu lesen. Es lohnt sich.

Veröffentlicht am 22.07.2024

Sprachlich gelungen, tragisch und stimmungsvoll zugleich

Cascadia
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Ehrlich gesagt hätte ich das Buch nie begonnen nur aufgrund der Leseprobe. Zu düster die Ausgangssituation. Eine Tragödie über verpasstes Leben, Armut und Chancenlosigkeit.
Da ich jedoch "Das Verschwinden ...

Ehrlich gesagt hätte ich das Buch nie begonnen nur aufgrund der Leseprobe. Zu düster die Ausgangssituation. Eine Tragödie über verpasstes Leben, Armut und Chancenlosigkeit.
Da ich jedoch "Das Verschwinden der Erde" der Autorin gelesen hatte und das damals überaus beeindruckend fand, habe ich dann doch zugegriffen. Zunächst ist die Lektüre tatsächlich alles andere als leicht. Zwei Schwestern leben auf den idyllischen San-Juan-Inseln vor Seattle. Eigentlich eine begehrte Inselgruppe, hier haben die Reichen ihre Ferienvillen oder Wohnsitze inmitten einer großartigen Natur. Aber es gibt auch die Einheimischen, die für den Komfort der Reichen arbeiten müssen. So wie Elena, die im Service im örtliche Golfclub ihr Geld verdient und Sam, die andere Schwester, die auf den Fähren Kaffee & Snacks verkauft. Beide verdienen nicht genug, um die Arztrechnungen und alle weiteren Kosten für ihre todkranke Mutter zu begleichen. Beide Schwestern träumen davon, die Inseln zu verlassen und endlich ein neues, besseres Leben zu beginnen. Aber dazu müssten Sie das Haus verkaufen und das geht nicht, wegen der Mutter. Wie sich herausstellt, gibt es für die Schwestern eigentlich wenig Grund, die Mutter zu beschützen. Aber wie das so ist, Kinder lieben ihre Mutter, egal was war.... und so leben die Schwestern mit Ende zwanzig immer noch nicht ihr Leben, sondern sind erstarrt und hängen fest. Als ein Bär auf der Insel und sogar vor dem Haus auftaucht, gerät alles in Bewegung, vor allem das Verhältnis der Schwestern zueinander .....
Der Bär ist sicherlich eine interessante Metapher, auch literarturwissenschaftlich zu interpretieren. Das will ich hier nicht anfangen. Jedoch anmerken, dass ein wichtiges Anliegen der Autorin anscheinend das Gefangen sein in bestimmten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist. Die meisten Menschen können sich nicht frei entscheiden, nicht frei agieren, jedenfalls wird dies hier eindrücklich so dargestellt. Die Möglichkeiten sind begrenzt durch die sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Dabei bedient die Autorin bewusst kein West-Ost-Klischee. Denn der erste Roman spielte auf der abgelegenen russischen Halbinsel Kamtschatka, auf der das Leben nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion alles andere als leicht war. Auch dort konnten die Protagonisten kaum aus ihrer Haut und vieles nicht tun, wie zum Beispiel auf ihre Kinder aufpassen, während sie doch arbeiten mussten (die Kinder wurden dann entführt). Hier ist es wieder eine abgelegene Gegend und wieder sind die Menschen nicht nur aufgrund der Abgelegenheit der Region gefangen, sondern auch aufgrund der sozialen Rahmenbedingungen. Ein Ausbruch aus dieser Tristesse scheint nur theoretisch möglich. Mit der großen Selbstverwirklichung ist hier nicht. Auch nicht in diesem Roman. Jedenfalls nicht so, wie man es vielleicht gerne lesen würde.
Mich hat das Buch sehr beeindruckt, auch wenn ich vieles schwer zu ertragen fand und die Schwestern am liebsten spontan mal durchgeschüttelt hätte. Ich mag den Schreibstil der Autorin und werde wahrscheinlich jedes ihrer Bücher lesen, daran verzweifeln und dann doch weiterlesen.

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Veröffentlicht am 07.06.2024

Bildhaft, unterhaltsam und doch nicht seicht

Mühlensommer
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Maria hat es als einzige aus ihrer Familie geschafft, Abitur zu machen und in die Stadt zu ziehen. Sie leitet eine Werbeagentur, hat zwei Teenagertöchter und eigentlich ist alles etwas stressig ...

Maria hat es als einzige aus ihrer Familie geschafft, Abitur zu machen und in die Stadt zu ziehen. Sie leitet eine Werbeagentur, hat zwei Teenagertöchter und eigentlich ist alles etwas stressig - aber gut. Als sie gerade zu einem verlängerten Wochenende in den Bergen unterwegs ist, bekommt sie einen Anruf von Zuhause: Der Vater ist im Krankenhaus und die Mutter schafft es alleine nicht mit Kühen, Schweinen und der dementen Großmutter. Also muss Maria ran. Und während sie die nächsten Tage auf dem Bauernhof arbeitet, kommen viele Erinnerungen hoch an ihre Kindheit, an die schwere Arbeit, an das recht karge Leben, das Nie-in-den-Urlaub-fahren, die Vorurteile gegenüber Bauernkinder aber auch an sonnige Tage am Mühlenbach und an den familiären Zusammenhalt. Alte Konflikte kommen ans Licht und Maria fühlt sich hin- und hergerissen.
Die Autorin beschreibt hier warmherzig und humorvoll und ohne Kitsch in Form von Anekdoten sehr realistische Szenen aus dem Landleben, weitab von aller Biomarkt-Romantik aus den Städten. Es wird deutlich, wie sehr Maria kämpfen und sich durchsetzen musste, um ihren eigenen Weg zu gehen. Dabei hat ihre Familie sie zwar teilweise unterstützt, andererseits konnten auch sie nicht aus ihrer Haut und sehen und sahen in Maria diejenige, die sich "aus dem Staub" machte und "etwas Besseres sein" will.

Ich habe den Roman sehr gerne gelesen. Die Schilderungen des Lebens im Jetzt und Früher, der Wunsch von Maria nach mehr Bildung, ihre Enttäuschungen, wenn sie nie mithalten konnte und ihren Wunsch danach, einmal in Urlaub zu fahren, konnte ich sehr gut nachvollziehen.
Allerdings fehlte mir zum Schluss etwas, vielleicht eine konkrete Entscheidung, vielleicht eine Aussicht, wie es weitergeht (auch mit diesem sehr attraktiven Mann...). Und im Endeffekt fehlte mir auch ein wenig mehr an Information über Maria, über die Beziehung zum Vater ihrer Kinder, über ihre Herausforderungen als Alleinerziehende.... aber insgesamt eine sehr empfehlenswerte, atmosphärische Lektüre. Und obwohl ich nicht von einem Bauernhof komme, sondern nur aus einem kleinen Dorf, wurde mir persönlich wieder bewusst, wie gut ich doch in die Stadt passe. So idyllisch es auch zwischendurch auf dem Land ist. Irgendwann ist es gut und ich muss wieder in die Stadt.

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