Profilbild von Darkangelsammy

Darkangelsammy

Lesejury Star
offline

Darkangelsammy ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Darkangelsammy über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.08.2021

Hatte etwas anderes erwartet!

Ultraviolett
0

Ich hatte erwartet, daß das Buch tiefgründig und aussagekräftig ist bezüglich der profundesten Emotionen der Protagonisten.

Allerdings plätschert das Buch nur so dahin, hat Längen und zieht sich. Held, ...

Ich hatte erwartet, daß das Buch tiefgründig und aussagekräftig ist bezüglich der profundesten Emotionen der Protagonisten.

Allerdings plätschert das Buch nur so dahin, hat Längen und zieht sich. Held, der Protagonist, konnte mich nicht abholen und berühren schon mal gar nicht. Er ist zwar auch nicht direkt unsympathisch. Aber einen sympathischen Eindruck macht er ebensowenig von Anbeginn an.

Er ist privilegiert als Sohn eines Literaturprofessors und Studenten, aber larmoyant und selbstmitleidig auf hohem Niveau. Er ist Hedonist in Reinkultur geworden, woran an und für sich nichts auszusetzen wäre, jedem das Seine. Jedoch läßt er sich treiben, absolut sinnentleert. Das kann ich nicht nachvollziehen.

Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Ich muß aber irgendeine Art Beziehung zu dem Buch aufbauen. Das ist hier mißlungen. Hier werden in der Hauptsache Belanglosigkeiten angehäuft und dafür hätte es keine 219 Seiten bedurft.

Wenn wenigstens noch die Sprache und Erzählstil auf integrative Weise poetisch gewesen wäre. So mutet es zu nüchtern und wie ein Bericht an.

Ich habe das Buch zwar zu Ende gelesen, weil ich nur sehr ungern abbreche. Und immerzu gibt es die Hoffnung, daß sich ein Buch noch steigert. Dies hier war jedoch vergeudete Zeit.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.07.2021

Kann man dem Tod jemals den Stachel nehmen?

Niemehrzeit
0

Das Titelbild zeigt die Eltern des Autoren, Ingrid und Hans Jürgen Dittloff. Beide waren als Teenager zusammen, trennten sich dann wieder, waren anderweitig verheiratet, blieben kinderlos und kamen erst ...

Das Titelbild zeigt die Eltern des Autoren, Ingrid und Hans Jürgen Dittloff. Beide waren als Teenager zusammen, trennten sich dann wieder, waren anderweitig verheiratet, blieben kinderlos und kamen erst als nach Mitte 35jährige wieder zusammen. 1983 war Christian ihr erstes und einziges Kind, das in der Stadt an der Alster geboren wurde.

2018 war ein traumatisches Jahr für den Autoren, denn mit einem Abstand von nicht einmal 3 ½ Monaten verlor er erst seinen Vater ( 1943 ) und dann seine Mutter ( 1946 ).

Er liebte beide und sie ihn auch, obwohl sie etwas hilflos waren, das offen auszudrücken. Dafür zeigte sich diese in vielen anderen Gesten. Als der Vater, der an COPD litt, offenbar an einer Lungenentzündung starb, im Hospital, war das ein harter Schlag für Frau wie Sohn.

All die Formalitäten, die immense Bürokratie, die damit verbunden ist. Der Vater hatte zwar eine Liste erstellt, aber das ändert nichts an den Pflichten, auch wenn man sich waidwund am liebsten verkriechen will.

Seine Mutter, schon schwächelnd und kränkelnd, ja, dann krank, verwindet den Verlust gar nicht. Sie wird immer mehr der Welt entrückt, kappt selbst alle Fäden, die sie noch verbinden, resigniert seelisch und stirbt, noch in Kurzzeitpflege in einem Hamburger Altenheim.

Für den Tod der Eltern gibt es keine Generalprobe. Dieses "Stück" hat zugleich Premiere und wird nur einmal aufgeführt. Wirklich vorbereiten kann man sich darauf nicht. Man wird urplötzlich ins eiskalte Wasser geworfen und kann von Glück sagen, wenn man nicht ertrinkt oder an Unterkühlung stirbt. Mehr Leute, als dem Autoren zu dieser Zeit bewußt sein konnte, hielten seinen Kopf über die Wasserlinie.

Seine Lebensgefährtin, C., ist in diesem seinem Falle eine große, geduldige, empathische, ihn äußerst liebende Hilfe, weil auch sie selbst in jenem Jahr einige Schicksalsschläge erlitt.

Sehr gut finde ich, daß der Autor die landläufigen Meinungen und Ansichten über Trauer, auch die Erkenntnisse der Wissenschaft hinterfragt. Es gibt kein allgemeingültiges Schema für Trauer, die Intensität, gar Dauer. Manche entsprechen den Schemata, manche trauern gar nicht, manche reagieren paradox und bei anderen hört sie nie auf. Ich empfinde es als übergriffige Frechheit, daß Trauer, "die zu lange dauert", als pathologisch bezeichnet wird. Mit welchem Recht? Warum reagieren Freunde genervt? Sind diese dann überhaupt Freunde?

Das Buch ist melancholisch und assoziativ im Erzählstil, weil immer wieder Reminiszenzen auftauchen. Autofiktional, so nennt er das Buch, weil er bezüglich des Lebens seiner Eltern Leerstellen hat, die er mit imaginativer Kraft auffüllt.

Es ist mutig von ihm, so offen darüber zu schreiben und auch einzugestehen, was er falsch gemacht hat. Ich glaube, es gibt fast keinen, der im Angesicht des Todes Heißgeliebter nicht irgendetwas bereut.

Seine Traurigkeit ist greifbar und er ruft eine tiefe Resonanz bei der Leserschaft hervor. Denn zwangsläufig werden durch seine Art zu erzählen, Erinnerungen mannigfaltigster Art bei den Leser / innen erweckt. Wie er selbst schreibt, partizipiert man ohnehin bei der Rezeption, wird ein Teil des Buches, das dadurch wächst.

Das Buch ist aufwühlend, aber nicht bleiern. Tiefgründig und ruft ein profundes Echo beim Lesen hervor, daß sich wiederum auf den Autor zurück überträgt, wenn er von den Reaktionen der Leser / innen erfährt. Und das wird er wohl.

Er beschreibt prägnant, was in ihm psychisch vorgeht, und sich das auch nach außen auswirkt. Ich kann das alles nachvollziehen. Die Wut, die Traurigkeit, das Überbordende des Weinens und die Unfähigkeit selbiges zu tun, das Verkriechen, die Abwehr, die Kaskade der Erinnerungen ...

Er liest außerdem diverse Literatur, die Trauer und Tod tangieren, um zu entdecken, ob er sich reflektiert sieht und es ist eine großartige Hilfe für ihn. Nebenbei bekommt man dadurch sogar noch Literaturtipps! Klasse!

Allerdings stieß mir etwas auf, falls dies der Realität entsprechen sollte: Daß der Bestatter in einer Luxuskarosse vorfuhr — einem schwarzen Jaguar. Das ist pietätlos, weil Bestatter sowieso bei vielen im Ruf stehen, Abzocker zu sein. (2 Euro für ein Totenhemd im Einkauf, bis zu fünfzig Euro bei der Abrechnung für die Hinterbliebenen? Das stand in einem Enthüllungsbuch. Ich jedenfalls machte mit diesen Genossen keine gute Erfahrungen gemacht. Ich nehme mal an, es gibt Anständige, aber diese werden durch die anderen in Verruf gebracht! ) Wenn er mit solch einer Karre ankommt, "schreit" er geradezu: "Seht her, was ich mir mit den überteuert abgerechneten und unnötig aufgeschwatzten Leistungen mir anschaffen konnte!" Privat kann er fahren, was er will, aber beruflich?

Das ist im Buch nur ein Satz, also eigentlich eine Marginalie, ohne, daß der Autor dies bewertet. Nun wird sich der eine oder die andere fragen, warum ich solch einen Aufstand mache. Weil es mich nun einmal gewaltig stört, daß die Trauer Angehöriger ausgenutzt wird, um Geld zu machen. Wozu muß ein Sarg ausgekleidet sein, der Tote ein Kissen, Decke und Totenhemd benötigen? Ich habe dies alles hier erwähnt, weil das mal gesagt werden mußte.

Christian Dittloff jedenfalls hat hier ein Buch geschaffen, das ihm gewiß ebenso von therapeutischem Nutzen war, gleichzeitig ist es eine berührende Liebeserklärung, Elegie und Hymnus an seine verlorenen Eltern. Du kannst noch so alt sein als "Kind", wenn deine Eltern beide tot sind, ist die Kindheit endgültig Geschichte und du fühlst dich als Vollwaise. Ein eminentes Buch! Danke, Christian Dittloff!!! Danke, Berlin Verlag ( Piper )!!!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.07.2021

Wohlweislich überlegen, bevor du eine irreversible ( ? ) Entscheidung triffst .....

Der Lethe-Code
0

Willst du aus dem Trott ausbrechen? Tabula Rasa? Ein komplett neues Leben?

Dann nimm ein brandneues Medikament und deine Erinnerungen werden samt und sonders total gelöscht. Aber bedenke: hier gibt es ...

Willst du aus dem Trott ausbrechen? Tabula Rasa? Ein komplett neues Leben?

Dann nimm ein brandneues Medikament und deine Erinnerungen werden samt und sonders total gelöscht. Aber bedenke: hier gibt es kein Total Recall!

Ein eingespielter Film ist deine Rückversicherung, daß du diese komplette Reinigung der Tafel deines Gedächtnisses wolltest.

Aber dann in Thailand zu sein und keinerlei Reminiszenzen zu haben - ist das beängstigend für dich, Edgar, oder befreiend? ( Hauptsache, du haust dir deinen Poe nicht an! 😀 ).

Worin besteht deine Konnektion mit Paula im fernen München? Wer ist T.? Und Sebastian? Und solltest du überhaupt Fragen stellen?

Die abwechselnde Erzählperspektive aus Sicht von Edgar und Paula bringt Starkstrom in den Plot.

Edgars Erlebnisse werden in der zweiten Person erzählt, der Du - Perspektive, Paulas in der ersten Person.

Die Du - Perspektive ist außergewöhnlich und paßt. Diese ist relativ selten in Belletristik, aber einige berühmte Autoren verwendeten sie nichtsdestotrotz. Erich Maria Remarque in "Der Weg zurück", Leo Tolstoi in "Sewastopol im Dezember" und Vendela Vida in "Des Tauchers leere Kleider" und garantiert noch andere.

Durch die Metalepse will der Autor die vierte Wand zum Leser aufbrechen und das gelingt ihm insoweit, daß das Buch sauspannend und äußerst spannend sowie hypnotisch ist. Nebencharaktere sind ebenso gut skizziert.

Wendungen, wie fiese kleine spitze Metallklammern, die sich unbarmherzig in deine Füße bohren, zünden Verve in der Handlung.

Es gibt Sexszenen, wie Pfeffer im Gumbo und ebenso hat das Buch ein sehr befriedigendes Ende, daß sämtliche Klarheiten, äh, kleiner Scherz, Unklarheiten beseitigt.

Ich empfinde die filmisch reife Beschreibung von Bangkok ebenfalls gelungen, sodaß ich sie direkt riechen und sehen konnte.

Ich mag Edgar und Paula. Durch die ihr eigene Art sind ihre jeweiligen Verhaltensweisen erklärbar und entsprechen durchaus ihrem Wesen.

Eine authentische Handlung mit viel Atmosphäre, manchmal beklemmend, die aufzeigt, was im Namen des wissenschaftlichen Fortschritts alles passieren kann. Wenn Wissenschaft Weh wirkt! Danke, Markus Ridder!!!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.07.2021

Auf der Suche nach dem verlorenen Ich!

Der Ratschlag. Eine Mystifikation
0

Dieses Buch von Marcus Hladek ist anspruchsvoll und intellektuell stimulierend. Der Autor wurde 1962 auf die Welt geschleudert. Er studierte in Gießen angewandte Theaterwissenschaft und ist freier Theater- ...

Dieses Buch von Marcus Hladek ist anspruchsvoll und intellektuell stimulierend. Der Autor wurde 1962 auf die Welt geschleudert. Er studierte in Gießen angewandte Theaterwissenschaft und ist freier Theater- und Tanzkritiker. Er lebt bei Frankfurt. Dies hier ist sein Debüt. Er publizierte unter anderem in der FAZ, der Frankfurter Neuen Presse, Theater der Zeit, nachtkritik, TANZ, der Neuen Zürcher Zeitung, der Deutschen Bühne usw. 

Hat Marcus Hladek mit dem Protagonisten Markus ( Markus mit K! ) Nicolic seinen eigenen Alter Ego erschaffen? 

Jedenfalls war der Autor ebenfalls in Irland, so wie Markus im Buch zu Beginn des Plots sich dort aufhält. 

Mit einem mysteriösen Ereignis in Rom, der ein regelrechtes Fieber in der italienischen Hauptstadt auslösen wird, beginnt die Geschichte. 

In Erinn erfährt Markus vom Tod seines Vaters Ivo ( er hat kroatische Wurzeln). Er reist nach Frankfurt Hoechst zurück, zu seinen fünf Geschwistern. ( Die Mutter ist bereits verstorben ). Er ist Theaterkritiker. Er ist ledig und kinderlos. Seine Beziehung zur Schauspielerin Bernarda droht in die Brüche zu gehen. 

Auf der Beerdigung lernt er die ältere Niederländerin Jo kennen, der offenbar etwas auf dem Herzen liegt, aber ihn in Rotterdam treffen will. 

Offenbar gibt es ein Enigma in Ivos Vergangenheit, das ihn dazu brachte, via consilium abeundi, die Ausbildung zum Priester abzubrechen, ja, abbrechen zu müssen - in Rom. Was war der Grund dafür? Ohne diesen Anlass gäbe es Markus und seine Geschwister nicht. 

Ivo hat seine Erlebnisse mit seinen Kameraden nach seinem Rauswurf in einem Manuskript niedergeschrieben. Nun wollen seine Kinder unbedingt herausfinden, was es mit einigen Dingen auf sich hat. 

Als er in Rotterdam ankommt, muß Markus feststellen, daß Jo verstorben ist, aber dementsprechende Vorkehrungen getroffen hat. Weitere Spuren in die entrückte Vergangenheit? 

Währenddessen macht sich Markus' Familie Sorgen um ihn, wegen seines Manuskripts über Suizide im kulturliterarischen Kontext.

Das römische Fieber kocht über, als Markus auf Spurensuche nach Barcelona reist und einiges Erhellendes erfährt. Jedoch hat sein Besuch dort auch negative Folgen. 

In Rom angekommen, passieren einige verrückte Dinge mit ihm, die fast schon halluzinatorisch auf seiner kräftezehrenden Tour de force wirkt. Als er letztendlich bei seinem Onkel Urban im Kloster unterkommt, lernt er einen gewißen Geistlichen namens Ettore kennen, der die Parallelen zwischen Quantenphysik und Theologie bzw. Spiritualität aufzeigt. 

Währenddessen wird ein neuer Mann Papst und weist wieder auf Ivos Vergangenheit zurück. Wird Markus das verschachtelte Familiengeheimnis lösen können? 

Sogar die Marshall Inseln und eine Schildkröte spielen eine essentielle Rolle. Das Buch ist vieles, unter anderem ein Psychogramm des getriebenen Markus. Unzufrieden in seinem Job und von großer innerer Leere geprägt, begibt er sich zunächst widerwillig auf diese komplizierte Schnitzeljagd. 

Dabei tritt das Phänomen des Doppelgängers auf und eine endlose Reflektion in einem Kabinett zerschlagener Spiegel. Ivo ist zwar sein Vater, aber im Grunde genommen sucht Markus überall, wo er sich befindet, sich selbst, auch und eben in Ivo.. 

Sollte er mehr über Ivo erfahren, dann mag wohl der Zweck seiner Reisen erfüllt sein, aber solch ein Wissen kann bezüglich eines Toten und noch lebender, aber nicht greifbarer Personen nur marginal sein. 

Die Bedeutung der Suche nach seinem verlorenen Ich wächst exponentiell und er wird tiefere und erschreckendere Einsichten in sich selbst gewinnen, als ihm lieb sein kann. Er findet Fragmente seines Ichs, aber nur überall in Scherben. 

Es ist das Psychogramm eines Individuums, der vielgestaltig mit sich hadert, aber ebenso ein kollektives Psychogramm des Verhaltens der Masse nach jenem Ereignis in Rom und ebenso eines der katholischen Kirche in einem begrenzten Ausschnitt des 20. bzw. 21. Jahrhunderts. 

Durchs ganze Werk ziehen sich ebenso kulturellhistorische und literarische Diskurse, sei es über Suizid oder Quantenphysik in Konvektion mit höheren Ebenen. 

Mysteriös, mit ironischen Querverweisen auf durchaus moderne Erscheinungen, lyrisch gefärbte Passagen und ebensolche Metaphern, nachdenklich und durchaus mental anregend. Sogar mit Metaebenen arbeitend. Atmosphärisch hervorragend geschildert, mit herrlichen Settings. 

Durchaus intellektuell fordernd, mit Fremdwörtern, die vielleicht nicht jedem vertraut sind. Viele Zitate sind enthalten, die einen noch Novitäten unter den Autor / innen entdecken lassen. 

Ein eigenwilliger Sog zieht einen tief hinein, auch emotional ansprechend, durch die Art wie die Gefühlsregungen beschrieben sind. Spöttisch und humorvoll umkreist der Autor seine Thematiken, aber deswegen ist angemessener Ernst nicht fern. Jedenfalls analysiert er scharfsinnig Befindlichkeiten des Inviduums und der Gesellschaft. Der Jahrmarkt der Eitelkeiten spiegelt sich ebenfalls gut, egal, ob in den Feuilletons, in der Familie oder im Vatikan. Überraschendes "Ende"! 

Das Buch ist vielschichtig und operiert auf mehreren Ebenen, als Wiedergabe des höheren Guts, dem Wissen und als starker Widerhall des Einzelnen. 

Danke für dieses superb komponierte Buch, Marcus Hladek und Ruhland Verlag!!!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.07.2021

Die sieben Todsünden sollten auch ganz säkular gelten!

Das Werden des Menschen und Coronas Beitrag
0

Der Österreicher Gernot Bernhofer hat hier ein launiges, aber auch sehr informatives Buch geschrieben, das zum Reflektieren anregt. Dieses Werk ist ein Hardcover ( ohne Schutzumschlag ) und edel aufgemacht ...

Der Österreicher Gernot Bernhofer hat hier ein launiges, aber auch sehr informatives Buch geschrieben, das zum Reflektieren anregt. Dieses Werk ist ein Hardcover ( ohne Schutzumschlag ) und edel aufgemacht mit Lesebändchen.

Um was geht es? Infolge des Lockdowns dank der tyrannischen Königin Corona, welcher ebenso in Austria streng gehandhabt worden war, kam und kommt man intensiv ins Grübeln. Ohnehin, wenn man schon immer ein kritisch nachdenklicher Mensch war und ist.

Der Autor, 1964 geboren, ist offenbar genau solch einer. Er arbeitet seit über 20 Jahren als Berater und Gesprächsmentor. Er hat also Kontakt der vielfältigsten Weisen.

Alles hängt mit allem zusammen. Die Pandemie kam nicht aus dem Nichts. Die Macht des Geldes und schrankenloser Konsum haben nun einmal sehr destruktive Seiten und ebenso schwerwiegende Folgen, sei es Abholzung von Regenwald für Soja, Rindfleisch und Palmöl - Plantagen oder die massive Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll.

Der Autor zeigt auf, wie sehr Angst destruierend sein kann, wenn diese entgleist. Einer seiner Lösungsansätze um die Macht des Geldes zu brechen, indem das bedingungslose Grundeinkommen eingeführt wird. Aber ebenso für Millionäre? Und dann sollen zeitgleich alle sozialen Sicherungssysteme abgeschafft werden, inklusive daß der jeweils Betreffende sich privat krankenversichern soll? Ich weiß nicht, wie das funktionieren soll. Es gibt Menschen, die noch weit vom Rentenalter entfernt sind und nachweislich aus verschiedenen Grunden nicht arbeiten können. Freie Entfaltung hin oder her.

Er lernt überhaupt ausgeprägte Sozialsysteme ab und fördert mehr Eigenverantwortung des Einzelnen. Ob deswegen die Macht des Geldes gebrochen wird, nur weil jeder mehr davon hat, bezweifle ich eher.

In Form eines Essays, einer Erörterung, eines Zwiegesprächs mit dem Leser/in, äußert er sich ebenso zum Sinn des Ganzen, warum Menschen soziale Wesen sind, über "Gutmenschen" und den freien Willen, sowie überhaupt Freiheit.

Wieviele Menschen fühlten sich durch den Lockdown ihrer Freiheit beraubt oder zumindest eingeschränkt? Lamentieren auf höchstem Niveau, wenn man an andere Teile der Welt denkt, in denen tatsächlich Unfreiheit herrscht, bis hin zu Mord und Totschlag. Tschetschenien, Iran, Aserbaidschan, nur um einige Beispiele zu nennen.

Der Autor rückt vieles auf kluge Art wieder in den Fokus, was abseits geraten ist oder entgleiste. Glauben versus Wissen, Identität und Unabhängigkeit, was mit uns in einer Krise geschieht, über den Wandel von Anstand, Sitte und Moral, krankmachende Faktoren, übers Konsumieren, was ein gutes Leben sein kann, über die Liebe und einiges andere.

Er versteht es, mit wenigen Sätzen pointiert Aussagen zu treffen, natürlich auch eher umstrittene, aber dafür ist ja das Buch da, um sich ebenso daran zu reiben. Betroffenheit löst es wahrscheinlich beim Autoren aus, wenn einen sein Werk kalt und gleichgültig ließe; dem ist jedoch nicht so.

Selbstredend gibt es in verschiedenen Punkten Konsens zwischen mir und ihm, wenn woanders eher der Dissens dominiert. Grenzenloser Konsum und ebensolcher Wachstum ist nicht möglich, ohne daß das sich negativ auswirkt. Eine relativ überschaubare Gruppe von Menschen werden superreich. Kein einzelner Mensch braucht 100 Milliarden Euro.

Gernot Bernhofer preist auf angemessene Weise die immateriellen Werte, die man nicht kaufen kann. Er wird aber nicht belehrend oder moralisierend, sondern schreibt differenziert über seine Schlußfolgerungen und potentiellen Lösungen dieser dringenden Probleme. Wenn sich nicht grundlegend etwas ändert, haben wir bald die nächste Pandemie. Und diese ist dann womöglich wesentlich letaler als die jetzige.

Ich fürchte jedoch, daß nach dieser Pandemie alles sich wieder nach einer gewissen Übergangszeit ins Davor einpendeln wird und sich fundamental gar nichts ändert. Eine Minderheit wird durch die Pandemie dauerhaft umdenken und dementsprechend handeln. All die anderen Engagierten waren auch schon vor der Pandemie so handelnd.

Ein weiterer Pluspunkt dieses Buches besteht darin, daß auf angenehme Art und Weise unaufdringlich Humor eingespeist ist, die einen schmunzeln und lachen läßt. Auf jeden Fall ist dieses Werk ein konzentrierter Input fürs Cerebrum, auf daß wir nie das reflektierende Denken verlernen. Danke, Gernot Bernhofer.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere