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Veröffentlicht am 14.03.2021

Ein Buch, das mir das Herz wärmen konnte.

Zwischen uns tausend Bilder
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Der Verlust eines geliebten Menschen hinterlässt eine klaffende Lücke in unser aller Leben. Der Umgang mit Trauer, Depressionen und Tod ist zentraler Aspekt von „Zwischen uns tausend Bilder“ – eine Rezension ...

Der Verlust eines geliebten Menschen hinterlässt eine klaffende Lücke in unser aller Leben. Der Umgang mit Trauer, Depressionen und Tod ist zentraler Aspekt von „Zwischen uns tausend Bilder“ – eine Rezension von Johannes Streb.

Die 14-jährige Sanna verlor vor einigen Jahren ihre Mutter – und seitdem ist in ihrer Familie nichts mehr so, wie es war. Ihr ging nicht nur ihre Mama als Ansprechpartnerin verloren, sondern sämtliche Stabilität im Leben: Ihr Vater hat seitdem mit Depressionen zu kämpfen, den Haushalt muss sie eigenständig schmeißen, emotionalen Zusammenhalt bekommt sie nur selten zu spüren.

Ich wünschte, man könnte es fotografieren, das Gefühl, der letzte Mensch auf Erden zu sein.
Sanna trägt Handlung von „Zwischen uns tausend Bilder“ authentisch auf den Schultern

Sie entpuppt sich über die zweihundert Seiten Buchlänge als jederzeit nachvollziehbare und sympathische Protagonistin. Ihre beherrschte, oft selbstlose Handlungsweise empfand ich oft als inspirierend und bewundernswert – ich möchte ja weiß Gott nicht in ihrer Haut stecken.

Denn ihre persönliche Situation spitzt sich zunehmend zu; ihr Willen, die Situation trotz all der Bausteine, die ihr in den Weg gelegt werden, eigenständig zu meistern, ist unermesslich. Das Buch lässt trotz der bedrückenden Umstände noch genügend Platz für Hoffnung und jugendliche Fantasien: Die schwedische Band „Kent“ beispielsweise ist ein berührender Auffangplatz für sie, der sie mit ihrem Vater verbindet und ihr Kraft schenkt.

Fotografie als authentische Leidenschaft

Die Fotografie ist ihr persönlicher Fluchtweg aus der Alltagswelt hinein in eine analoge Welt, in der sie ihrer Fantasie freien Lauf und ihre Sorgen loslassen kann. Die Leidenschaft für das Auge hinter dem Sucher kaufe ich ihr als Leser jederzeit ab.

Die Idee, mit einer Einwegkamera abwechselnd zu fotografieren und somit eine intime Atmosphäre zu schaffen, stellt einen spannenden Dreh- und Angelpunkt für die gesamte Handlung dar.







Blogtour-Beitrag mit Lisa @thebookcam
Mehr Hintergrundinformationen wären wünschenswert

Die Nebenfiguren in „Zwischen uns tausend Bilder“ sind größtenteils gut ausgearbeitet. Die Leserinnen erhalten einen glaubwürdigen Einblick in ihre innere Handlung. Jedoch fielen mir vor allem bei Sannas Schulkolleginnen einige plumpe, fast karikative Charakterdarstellungen auf. Die Selbstreflexion ihrer Freundinnen, die sie oftmals vernachlässigten und im Stich ließen, geriet für meinen Geschmack etwas zu kurz.

Ebenfalls fehlten mir einige Informationen zu dem familiären Hintergrund: Ursachen und Auswirkungen des Tods der Mutter, Verlauf über das emotionale Loch, in das der Vater fällt, und Auskunft über seine Lyrik, um nur einige Beispiele zu nennen. Zudem bleibt die Frage offen, ob sich die Familie von den Vorkommnissen erholen und wie sie sich weiterhin entwickeln wird. Etwas mehr Ecken und Kanten hätte ich mir hier gewünscht.

„Zwischen uns tausend Bilder“ hätte sich etwas mehr Zeit lassen können

Natürlich ist die kurze Buchlänge von gerade einmal zweihundert Seiten angenehm zum „Zwischendurch-Lesen“. Neda Alaeis Schreibstil reißt von Beginn an mit – er ist einfach zu lesen, einfühlsam und stellenweise poetisch. Das Erzähltempo reißt nie ab und weist keine spannungstechnischen Lücken auf.

Wenn sich die Lektüre aber etwas mehr Zeit gelassen hätte, hätte sie eine deutlich tiefer greifende Wirkung erzielen können. Dennoch bietet „Zwischen uns tausend Bilder“ durchgehend gute Unterhaltung und führt die jugendliche Zielgruppe gut an die düsteren Thematiken heran. Daher möchte ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen.

Fazit

„Zwischen uns tausend Bilder“ ist ein Buch, das mir das Herz wärmen konnte. Es führt jugendliche Leser
innen feinfühlig an ernste Thematiken heran.

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Veröffentlicht am 09.03.2021

Das Buch ermutigt uns, das zu tun, wonach wir uns sehnen

Seesucht
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Die Sehnsucht ist ein schmerzhaftes Ziehen, ein Signal vom Kopf an den Körper, das etwas nicht stimmt. Etwas, jemand fehlt. Die Erinnerungen an das Vermisste gehen tief, schneiden eine klaffende Wunde ...

Die Sehnsucht ist ein schmerzhaftes Ziehen, ein Signal vom Kopf an den Körper, das etwas nicht stimmt. Etwas, jemand fehlt. Die Erinnerungen an das Vermisste gehen tief, schneiden eine klaffende Wunde in unsere Seele, was uns ausmacht. Wir möchten etwas spüren, was wir nicht spüren können; etwas sehen, was weit entfernt ist; mit jemandem lachen, der sich verabschiedet hat.
Von diesem Gefühl kommen wir nicht los; es steckt ja schon im Wort, es ist wie eine Sucht. Keine andere Emotion ist so ehrlich wie die Sehnsucht. Sie zeigt unmissverständlich, was der Mensch in diesem Moment und für alle Zeit ist: unvollständig – ein zentraler Aspekt in »Seesucht«.


Sehnsucht als zentraler Aspekt
Der niederländische Kurzfilm »Jonas und das Meer« erzählt eine solche Sehnsuchtsgeschichte. Im zarten Alter von zwei Jahren sieht er zum ersten Mal das Meer: seine friedlichen Wellen, der salzige Wind an der Nase, die freundliche Unterwasserwelt mit den Scharen von farbenfrohen Tieren. Ab diesem Moment möchte er nichts anderes als: Eins werden mit dem Wasser.
Dieser Wunsch ist ein starker Ausgangspunkt für ein Kinderbuch. Jedes Kind hat etwas, das ihn fasziniert, magisch anzieht und individuell macht. Schon früh ist Jonas klar, welches Ziel ihn sein Leben verfolgen wird, welches Anliegen er unter keinen Umständen aufgeben wird; komme, was wolle.
Diese »Seesucht«, wie der Titel es so treffend beschreibt, ist stellvertretend für kindliche Naivität, Neugierde und den Drang, Neues zu entdecken. Für die jungen Leser:innen kann Jonas wie eine Projektion der eigenen Leidenschaften wirken.

"Seesucht" ermutigt uns, das zu tun, wonach wir uns sehnen
Dieses unschuldige und aufrichtige Anliegen steht im starken Kontrast zu der restlichen Welt: Fischern, die ihn als Träumer abstempeln, auslachen und nicht an seinen Erfolg glauben; das Wasser, das von Jahr zu Jahr immer höher steigt und die Zivilisation, die dafür verantwortlich ist, unter sich begräbt.
Das Bilderbuch »Seesucht» ermutigt sein Publikum, an das zu glauben, was dich als Menschen ausmacht – unabhängig davon, was das Umfeld davon denkt. Es ist unser gutes Recht und ein Stück weit unsere Pflicht, uns im eigenen Tun selbst zu verwirklichen.

Bilder erzählen die Geschichte in "Seesucht"
Das vorliegende Buch erzählt die Geschichte anhand der farbprächtigsten Bilder des zwölfminütigen Kurzfilms »Jonas und das Meer» aus dem Jahr 2015. Dieser wurde von der niederländischen Illustratorin Marlies van der Wel animiert und bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Aufgrund des hochwertigen Farbdrucks kann das Lesepublikum in den vollen Genuss der liebevoll gestalteten Bilder kommen – denn sie erzählen, nicht die Worte.

Einzelne Motive tragen die Geschichte wunderbar
Die Faszination für das Meer; der Eifer, das Ziel zu erreichen; der fehlende Glaube in seine Fähigkeiten – all das sind Motive, die durch die Geschichte wunderbar getragen werden und eine große Identifikationsfläche bieten. Man merkt förmlich, wie viel Liebe und Arbeit hinter diesem Projekt stecken. Und das macht es zu einem wirklich spannenden Abenteuer für alle Sinne.
Allen Leser*innen empfehle ich an dieser Stelle, beide Ausgaben der Geschichte auf sich wirken zu lassen. Der vollständige Animationsfilm ist im Internet verfügbar. Die Musik unterstreicht die emotionale Ebene des Protagonisten ziemlich gut. Insgesamt bietet er eine etwas umfassendere Handlung und eine unterschiedliche Erzählstruktur, als es im Bildband der Fall ist.


Fazit
Das Buch »Seesucht« erzählt eine bewegende und abenteuerliche Reise eines Sehnsüchtigen – erzählt in pompösen und farbenreichen Bildern.

4,5 Sterne

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Veröffentlicht am 08.03.2021

Extrem spannend!

Influence – Fehler im System
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Wir sind digital, vernetzt, jederzeit online. Suchmaschinen und soziale Netzwerke legen sich wie eine zweite Ebene, eine Art Parallelwelt über unsere Realität. Ich bin es gewohnt, ständig erreichbar zu ...

Wir sind digital, vernetzt, jederzeit online. Suchmaschinen und soziale Netzwerke legen sich wie eine zweite Ebene, eine Art Parallelwelt über unsere Realität. Ich bin es gewohnt, ständig erreichbar zu sein, jederm jederzeit zur Verfügung zu stehen. Doch was ist, wenn das gesamte Internet durch einen Hacker-Angriff zusammenbricht? Was bedeutet das für unsere Gesellschaft? Christian Linker wagt in seinem Thriller „Influence – Fehler im System“ das Gedankenexperiment.

Dass Christian Linker seine jugendlichen Leser
innen in klugen Handlungsbogen an brisante Thematiken heranführen kann, bewies er zuletzt in seinem Near-Future-Roman „Toxische Macht“. Dieses Buch konnte mich so sehr fesseln, dass ich sofort zu seinem Thriller „Influence“ griff, um mich erneut von seinem schreibtechnischen Können zu überzeugen und einige spannende Lesestunden zu verbringen.

Hochspannendes Szenario reißt von erster Seite an mit
Hinter dem Zusammenbruch des Internets verbirgt sich ein extrem spannendes Szenario, das mich sofort packen konnte und zum Nachdenken und Selbstreflektieren anregt.

Dieser gedankliche Exkurs in „Was wäre, wenn…?“-Manier fördert eine erschreckende Zukunftsvision zutage, da diese internationale Katastrophe schon bald erschreckende Ausmaße ausnimmt. Die leider, wenn man die Geschichte „sacken“ lässt, auf mich ziemlich realistisch wirken.

Spannende Protagonisten mit unterschiedlichem Bezug zur digitalen Welt
„Influence“ bietet ein sympathisches und anregendes Protagonisten-Duo: Beide Figuren treffen aus völlig unterschiedlichen Motiven aufeinander und entwickeln unter dem Druck der Umstände eine spannende Dynamik. Ihr Bezug zur digitalen Realität ist mehrfach Reibepunkt für interessante Diskussionen, in die ich mich mehrfach gerne eingeklinkt hätte.

Fesselnde Handlung mit thematischer Tiefe
Das technische Handwerk stimmt im vorliegenden Werk völlig – der gut zu lesende Schreibstil ermöglicht einen flüssigen Einstieg in die Handlung, die mich sofort packen und erst 300 Seiten später wieder loslassen sollte. In „Influence“ gibt es keine einzige Spannungslücke; die Geschichte entwickelt sich tempo- und wendungsreich.

Was für mich an diesem Exkurs am meisten fesselte, war die thematische Tiefe. Inwiefern ist das Internet ein Machtinstrument oder, mehr noch, eine eigene Realitätsebene? Würde uns ein Zusammenbruch der Server in den Ruin stürzen oder kann unsere Gesellschaft auch non-digital existieren und sich koordinieren? Gleichzeitig finden aber auch kritische Stimmen an digitalen und ausbeuterischen Strukturen Platz in diesem Buch.

Ständige Aufmerksamkeit – ein Druckfaktor?
Inwiefern lassen wir uns von dieser ständigen Erreichbarkeit, des ständig auf uns gerichteten Scheinwerfers aus der Bahn werfen? Unter Druck setzen? Spüren wir nicht selbst oft genug Ermüdungserscheinungen und Pausendrang aufgrund des Algorithmus auf Instagram und den ganzen WhatsApp-Nachrichten, die uns minütlich erreichen?

Ist hier auch eine erholsame „Neue Langsamkeit“ denkbar, die uns innehalten und uns auf die verbindenden Elemente sozialer Netzwerke konzentrieren lassen – unabhängig von Konkurrenzdenken und der Suche nach Anerkennung.

Ende gerät etwas platt und plakativ
Dieses alltägliche Thema bringt der Thriller genau auf den Punkt. Er ist knapp gefasst, spannend, brisant. Mein einziger wirklicher Kritikpunkt: das zu gewollte und abstruse Ende. Auch wenn wir bei Christian Linker immer mit einem offenen Ende rechnen müssen, wirkt dieser Abschluss konstruiert zugespitzt und unangenehm plakativ. Ich wünschte mir, der Autor hätte hier zu einer filigraneren und weniger rustikalen Wendung gefunden.

Dennoch möchte ich hier eine uneingeschränkte Leseempfehlung für „Influence“ aussprechen.

Fazit:
In „Influence – Fehler im System“ zeigt Christian Linker einmal mehr sein Talent, brisanten Diskussionsstoff in eine von der ersten Seite an packende Handlung einzubetten. Extrem spannendes Buch!

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Veröffentlicht am 04.03.2021

Bietet gute Unterhaltung und eine spannende Vision für das Leben nach dem Tod!

Cassardim 1: Jenseits der Goldenen Brücke
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Gibt es ein Leben nach dem Tod? Die spirituelle Frage, ob der Mensch nach dem Ableben weiterhin existiert und wenn ja, in welcher Form, beschäftigt uns bereits seit Jahrhunderten und förderte diverse Ansätze ...

Gibt es ein Leben nach dem Tod? Die spirituelle Frage, ob der Mensch nach dem Ableben weiterhin existiert und wenn ja, in welcher Form, beschäftigt uns bereits seit Jahrhunderten und förderte diverse Ansätze zutage: Sei es die strikte Ablehnung dieses Gedankenkonstrukts, sei es die religiöse Vorstellung eines entfernten Ortes, dessen Pforten durch den Tod als Hemmschwelle geöffnet werden, oder sei es die Inkarnation, das Weiterleben in einem anderen Körper. Willkommen in Cassardim…

Klappentext verrät Details des handlungstechnischen Ideenreichtums
In ihrem Jugendroman „Cassardim – Jenseits der goldenen Brücke“ entwirft Julia Dippel eine eigene Vision für die Welt, in die menschliche Seelen nach ihrem Sterben gelangen. Dort herrschen seit Generationen diktatorische Zustände, die aufgebrochen werden müssen. Und ein Herz, das dabei eventuell erobert werden kann. Denn wenn man dem Klappentext diese Informationen entnimmt, werden bereits Großteile der Handlung vorweggenommen. Der Roman erscheint trotz seines Ideenreichtums etwas überraschungskarg und konstruiert.

Der bildmalende, detailverliebte Schreibstil ermöglicht den Leserinnen ein Ganzkörperversinken in das magische Szenario. Dieses besticht durch viele kluge Ideen und auf visueller Ebene. Der Ort für verstorbene Seelen, die vor dem Chaos gerettet werden müssen, ist ein überzeugendes Gedankenexperiment. Außerdem verwickelt die Autorin ernste Thematiken in eine fantastische und verträumte Geschichte.

„World-building“ von Cassardim braucht erschreckend lange
Um dem Lesepublikum klarzumachen, welchen Bogen die Geschichte schlägt und welche Aspekte im Fokus stehen, braucht die Autorin erschreckend lange. Das erste Viertel möchte nicht ganz in das Handlungsgefüge passen und sticht durch ewiges Herumdrucksen und spannungstechnisch klaffende Lücken negativ hervor. Worum geht es in diesem Buch, welchen Herausforderungen müssen sich die Figuren stellen, nach welchen Regeln funktioniert die Welt? Es brauchte Zeit, diese Fragen beantwortet zu sehen und mich in dem Szenario zurechtzufinden.

Nach Startschwierigkeiten gelingt es dem Buch in seiner zweiten Hälfte aber erzähltechnsich umso besser, seine Leser
innen zu fesseln und am Ball zu behalten. Gerade weil sich die Handlung die Zeit und Atem nimmt, um sich zu etablieren, geht gegen Ende hin eine gewisse Vertrautheit mit den Orten und Figuren einher. Einige offene Stränge wecken in mir definitiv Lust auf den Folgeband.

Überzeugende emanzipierte Protagonistin
Amaia ist eine überzeugende Bad-Ass-Protagonistin, die mit ihrer sturen, aber emanzipierten und klaren Denk- und Handlungsweile die Geschichte gut auf den Schultern trägt. Ich war aber doch etwas irritiert, wie schnell sie sich widerstandslos in die neuen Umstände einfügt und nur selten hinterfragt. Auch die Liebesgeschichte gerät über weite Teile stereotyp und vorhersehbar, stört den Lesefluss aber nicht weiter. Insgesamt liegt hier ein unterhaltsamer und überzeugender Einstieg in eine fantasievolle Reihe vor, den ich gerne weiterempfehle.

Fazit:
„Cassardim – Jenseits der goldenen Brücke“ hält, was es verspricht, und bietet fantastische Unterhaltung und eine überzeugende Vision für das Leben nach dem Tod.

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Veröffentlicht am 26.02.2021

Authentischer Exkurs in die Vergangenheit von Starrs Vater.

Concrete Rose
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Maverick ist 17. Er ist es gewohnt, dass sein Vater nicht für ihn da ist – denn der steckt wegen des Drogengeschäfts im Gangleben hinter Gittern. Mit seiner Mutter muss Mav den Haushalt alleine stemmen. ...

Maverick ist 17. Er ist es gewohnt, dass sein Vater nicht für ihn da ist – denn der steckt wegen des Drogengeschäfts im Gangleben hinter Gittern. Mit seiner Mutter muss Mav den Haushalt alleine stemmen. Bis er eines Tages erfährt, dass er selbst Vater ist – und er droht in dieselben Muster der Rücksichtslosigkeit abzudriften... Das alles in Angie Thomas' drittem Roman »Concrete Rose«.

Exkurs in die Vergangenheit von Starrs Vater
Mit "The Hate U Give" landete die US-amerikanische Schriftstellerin einen Weltbestseller und legte mit ihrer klugen Beobachtungsgabe den richtigen Roman zur richtigen Zeit vor. Starr fungierte als Bindeglied zwischen dem weißen, privilegierten Bürgertum und dem verarmten Viertel, in dem sie mit ihrer Familie lebt. Thomas führte mir glaubwürdig meine Machtposition vor die Augen, der ich mir zuvor nicht so bewusst war.

Im vorliegenden Werk »Concrete Rose« begeben wir uns einige Jahre in die Vergangenheit, begleiten Starrs Vater Maverick durch das Ende seiner Jugend und die damit verbundenen Probleme. Schnell wurde ich warm mit dem Protagonisten – die Autorin hat ein Gespür dafür, ihr Publikum schnell in das Szenario zu involvieren.

»Concrete Rose« bietet vielschichtige Charaktere
Maverick ist eine sehr glaubwürdige und komplexe Figur. In seine Ängste, Sorgen und Hoffnungen erhalten wir als Leserinnen einen tiefgründigen und glaubwürdigen Einblick. Auch die restlichen Figuren sind gut ausgearbeitet und es bereitet große Freude, sie auf den etwa 400 Seiten Buchlänge zu begleiten.

Meine Lieblingsfigur: Mr. Wyatt, der Mav mit seinen aberklugen und weisen Räten zur Seite steht und der ihm bald als eine der wenigen Stützen in Leben noch bleibt.

Thomas stellt erneut authentischen Schreibstil unter Beweis
Angie Thomas hat einen angenehmen und flüssigen Schreibstil, der den Einstieg in die Handlung sehr einfach macht. Sie schreibt authentisch, trifft den Nerv der heutigen Jugend, ohne gekünstelt zu wirken. Man möchte das Buch schnell nicht mehr aus der Hand legen.

Zügig spitzen sich die Konflikte in »Concrete Rose« merklich zu. Die stetig wachsende Überforderung des Protagonisten überträgt sich wie die Nervosität vor einem großen Auftritt auf die Leser
innen. Sie schließt sich gnadenlos, langsam um mich wie eine Schraubzwinge. Diese innere Unruhe und der nie enden wollende Stress sind "zwischen den Zeilen" sehr gut spürbar – auch wenn deren Triebkräfte teils stark überzogen sind.

Strukturelle Probleme nur unterschwellig thematisiert
Insgesamt kommt »Concrete Rose« um einiges leichtfüßiger und naiver daher als seine Vorgänger ("The Hate U Give", "On The Come Up"). An einigen Stellen fehlt es ihm an dem Sprengkraft und Zündstoff, die Angie Thomas' erste Romane so brisant machten.

Rassismus als strukturelles Problem kommt in diesem Werk eher unterschwellig zur Sprache. Der brodelnde Konflikt zwischen verschiedenen sozialen Schichten eskaliert weniger. Die größte Stärke dieses Buches ist vielmehr die authentische Darstellung der slumartigen Umgebung, in der Mav aufwächst.

Er durchgeht in »Concrete Rose« eine immense innere Entwicklung und muss sich zwangsweise mit den Themen "Schuld" und "Verlust" auseinandersetzen. Dabei hat sich in seinem Umfeld ein Wertesystem etabliert, das seiner eigenen Logik folgt – zu meinen eigenen Überzeugungen ist es aber überwiegend gegensätzlich.

Verantwortung als zentraler Aspekt in »Concrete Rose«
Was bedeutet Verantwortung? Inwiefern muss ich für meine Mitmenschen und für mich selbst Verantwortung übernehmen? Inwiefern bin ich für meine eigenen Fehler zuständig? Darf ich die Schuld auf das Umfeld schieben, in dem ich aufgewachsen bin? Das Stichwort der Verantwortung taucht immer wieder als zentraler Aspekt im vorliegenden Werk auf.

Insgesamt fällt mir durch die fehlende Schlagkraft und einige absurde handlungstechnische Schlenker ein kleiner qualitativer Abstrich gegenüber "The Hate U Give" auf. Nichtsdestotrotz möchte ich euch an dieser Stelle »Concrete Rose« uneingeschränkt ans Herz legen – schon lange habe ich ein Buch nicht mehr so gebannt und gerne gelesen wie dieses.


»Concrete Rose« zeichnet ein authentisches Bild aus der Vergangenheit von Starrs Vater. Das Buch zeigt, wie wichtig Verantwortung im Umgang miteinander ist.

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