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Veröffentlicht am 14.04.2024

„Ich bin Vermeer!“

Der falsche Vermeer
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In diesem Beitrag möchte ich wärmstens den hinreißenden Roman »Der falsche Vermeer« von Patrick van Odijk empfehlen. Es ist ein ganz feinsinniger Kriminalroman, der die Sinne um ein Lebensgefühl vergangener ...

In diesem Beitrag möchte ich wärmstens den hinreißenden Roman »Der falsche Vermeer« von Patrick van Odijk empfehlen. Es ist ein ganz feinsinniger Kriminalroman, der die Sinne um ein Lebensgefühl vergangener Zeiten kitzelt und mit vielen Spannungsmomenten aufwartet.

Zunächst jedoch ein paar Worte, worum es in diesem Kriminalroman geht. Basierend auf einer wahren Begebenheit wird einer der größten Kunstskandale der Nachkriegszeit in ein fiktiven Roman umgewandelt. Die Handlung spielt 1945 nach der Befreiung der Niederlande von den Nazis.

Protagonistin und quasi Ermittlerin ist eine junge Reporterin Margriet (Meg) van Hetteram, deren Geschichte in Rückblenden erzählt wird. Sie hatte bereits im Widerstand als Reporterin gearbeitet und macht es auch in der aktuellen Situation. Sie ist sich nicht zu schade, undercover zu arbeiten und hat damit bereits in der Vergangenheit viel Mut bewiesen.

Ihre Wege kreuzen sich bereits mit dem Maler Jan van Aelst, dem jetzt vorgeworfen wird, niederländische Kunst an Nazis verkauft zu haben. Hierauf ist Meg bei ihren Recherchen gestoßen. Ihre Vergangenheit mit Jan van Aelst lässt sie an diesem Thema dranbleiben und sie wird die Top-Journalistin, die die Machenschaften in der Kunstszene aufdeckt.

Der Roman ist sinnvollerweise in zwei Teile untergliedert. Im ersten Teil wird ein Strang gelöst. Als Leser könntet ihr euch damit zufrieden geben. Bis dahin ist alles plausibel und löst sich hervorragend auf. Doch im zweiten Teil dann scheint alles wieder von vorne zu beginnen. Es kommen neue Informationen an die Öffentlichkeit, die alles bis dahin festzustehen scheinende auf den Kopf stellen.

Patrick van Odijk hat hier die Stränge nicht ineinander verwoben, sondern sie eher aneinandergereiht. Man schreitet also trotz einiger Rückblenden chronologisch voran in der Geschichte.

Großes Thema ist die Kollaboration der Niederländer mit den deutschen Nazis und auch das Wirken der niederländischen Nazis. Hierdurch habe ich ein kleines Update in Sachen Allgemeinwissen erhalten. Zwar war mir die Kollaboration hier wie auch in Frankreich und anderen Ländern bekannt, aber durch diesen Roman wurde dies mit Beispielen und konkreten Handlungen untermauert, was mir gut gefallen hat.

Nicht zu kurz kommt eine spielerisch anmutende Dreiecksbeziehung zwischen der Reporterin, dem Polizisten und Juden Rosendahl und dem kanadischen Soldaten Sergeant Bill O’Connor.

An vielen Stellen ist das Lebensgefühl der gerade befreiten Niederländer zu erkennen. Lust auf tanzen, viel rauchen und trinken spielen dabei ebenso eine Rolle wie die naive Hartnäckigkeit und keine Scheu vor Autoritäten, zumindest auf der Seite der jungen Journalistin.

Neben den Ausblicken in die Welt der Malerei und der Kunstfälscherei spielen die Figuren, das heißt die Menschen in dieser Geschichte, einen feinsinnigen Anker für die Leser.

Dieser Roman ist ein besonderer Kriminalroman. Das liegt einerseits an dem Thema Kollaboration als auch am Thema Kunstszene. Andererseits natürlich an dem außergewöhnlichen Plot, wie alle Fäden zusammengehalten werden. Es ist ein Kriminalroman, dem eine höchste Empfehlung gebührt.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2024

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Veröffentlicht am 09.04.2024

Figuren mit klaren Grenzen zwischen gut und böse

Operation Seewespe
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Clive Cussler war ein Meister darin, mit anderen Autoren zusammenzuarbeiten. Für die Juan-Cabrillo-Abenteuer, wie „Operation Seewespe“, hatte er Boyd Morrison ins Boot geholt. Echt praktisch diese Teamarbeit, ...

Clive Cussler war ein Meister darin, mit anderen Autoren zusammenzuarbeiten. Für die Juan-Cabrillo-Abenteuer, wie „Operation Seewespe“, hatte er Boyd Morrison ins Boot geholt. Echt praktisch diese Teamarbeit, vor allem weil nach Cusslers Tod am 24. Februar 2020 seine Geschichten weiterleben. Das Buch „Marauder“ zum Beispiel – so der der Originaltitel dieses Romans -, kam raus, ohne dass er es noch erleben konnte.

In einem Meer der Dunkelheit und Gefahr sendet ein verzweifeltes Schiff einen Notruf in die Stille des Ozeans. Im Herzen seiner Mission, stets Leben zu retten, nimmt das geheime Einsatzschiff Oregon den Ruf an. Als es allerdings am Ort des Geschehens eintrifft, hat sich das drohende Unheil bereits entfaltet. Eine Tragödie wurde zwar verhindert, doch die Crew des überfallenen Schiffes ist in einem grausamen Zustand gefangen: Ein mysteriöses Gift lässt sie regungslos und stumm zurück – ein Schicksal, das tiefes Mitgefühl weckt.

Der Kapitän der Oregon, Juan Cabrillo, sieht sich einer kaum vorstellbaren Aufgabe gegenüber. Er muss sich durch ein Labyrinth aus Hinweisen kämpfen, das ihn bis in die tiefen Untiefen der Geschichte führt, zurück bis zu den Tagen des mächtigen Römischen Reiches. Cabrillo und seine Crew stehen vor einer emotional und intellektuell herausfordernden Probe: Sie müssen das Puzzle lösen, das das Leben zahlreicher Unschuldiger und vielleicht sogar die zarte Ordnung unserer Welt bewahrt.

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, getrieben von der Hoffnung, dass Menschlichkeit und Entschlossenheit ausreichen werden. Kann Juan Cabrillo das Geheimnis entwirren, bevor skrupellose Seelen die Fragilität unserer zivilisatorischen Grundmauern zum Einsturz bringen?

Adventure-Romane gibt es in Deutschland ja eher selten, was das Lesen so eines Schmökers gleich nochmal spannender macht. Mal ganz was anderes als die üblichen Krimis, Polizeigeschichten oder Schnulzen, auch wenn natürlich von allem ein bisschen was drinsteckt. Interessenten sollten sich einfach eine modernere Version von Indiana Jones vorstellen, mit all dem High-Tech-Zeug und Storys, die voll im Hier und Jetzt spielen. Und wenn’s in dem Buch um die Verteidigung der westlichen Welt geht, dann ist das nicht nur ausgedacht – da steckt auch ein Körnchen Wahrheit drin.

Spannung und Action sind das pulsierende Herz dieses Abenteuerromans, das mit Nachdruck beweist, dass es sich um nichts Geringeres als einen ungemein spannenden Unterhaltungsroman handelt. Die Bühne des Geschehens bildet der exotische südostasiatische Seeraum, ein Terrain, das zwischen Asien und Australien liegt. Das Abenteuer entfaltet sich auf dem Land, schneidet durch das Meer und taucht ab in die Tiefen unterhalb der Oberfläche. Eine unerschütterliche Mission steht im Zentrum: die westliche Welt vor der bevorstehenden Invasion Chinas zu schützen.

Mit einer liebevollen Genauigkeit wird jede Szene lebendig und eindrucksvoll inszeniert. Sei es die atemraubende Verfolgungsjagd, die intensiven Schießereien oder die herzhaften Prügeleien – die Szenen entfalten sich im Kopf des Zuschauers wie ein packender Film. Man erlebt, wie die Kugel in Zeitlupe ihren Weg zum Ziel findet. Man fühlt die Aufregung und die Spannung, als würde man selbst in den scharfen Kurven einer rasanten Autofahrt beinahe vom Sitz gerissen.

Der Roman bietet ein wahrhaft einzigartiges Leseerlebnis und hebt sich wohltuend von den herkömmlichen Thrillern ab. Man kann sich kaum losreißen, getrieben von der durchgehenden Spannung, die einen förmlich durch die Seiten trägt. Dazu kommt eine beeindruckende Fülle an technischen Details, was kaum verwundert, wenn man bedenkt, dass die beiden Autoren eine echte Leidenschaft für Technologie mitbringen. Ganz egal, ob es um Autos oder Schiffe oder das Zahnmikrofon oder sonstige technische Spielereien geht – ihre Begeisterung ist spürbar und steckt an. Für mich war es eine wahre Freude zu lesen und hat sogar das eine oder andere Aha-Erlebnis in Sachen Technik-Wissen gebracht.

In »Operation Seewespe«, das 15. Abenteuer von Juan Cabrillo, entführt die spannende Geschichte auf eine abenteuerliche Reise voller Action und futuristischer Technik. Die sympathische Crew der Oregon stellt sich mutig der Herausforderung, das Ende der westlichen Zivilisation zu verhindern. Mit ihrer cleveren Taktik und unerschütterlichen Teamgeist zeigen sie, dass sie die Einzigen sind, die dazu in der Lage sind. Dieses Buch ist ein absoluter Pageturner und wird sowohl Abenteuer- als auch Technikliebhaber begeistern. Also holt euch ein Exemplar und taucht in diese fesselnde Welt voller Spannung und Nervenkitzel ein!


© Detlef Knut, Düsseldorf 2024

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Sie töten, wen er liebt

Blaulicht Frankfurt
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In diesem rasanten Thriller von Gerd Fischer geht es rund um rechtsextremistische Gewalt gegen Journalisten in Frankfurt und tragischen Mordfällen um den Journalisten Benjamin Brick. Er muss brisante Situationen ...

In diesem rasanten Thriller von Gerd Fischer geht es rund um rechtsextremistische Gewalt gegen Journalisten in Frankfurt und tragischen Mordfällen um den Journalisten Benjamin Brick. Er muss brisante Situationen überstehen und die Hintergründe dieser beunruhigenden Vorfälle aufdecken.

Benjamin Brick, der furchtlose Journalist aus Frankfurt, hat zusammen mit seiner schlagfertigen Kollegin Katharina Neubert das Undenkbare geschafft! Sie haben ein schattenhaftes Escort-Sex-Netzwerk aufgedeckt, das bis in die höchsten Kreise der Frankfurter Polit- und Wirtschaftselite reichte. Ihre aufsehenerregende Reportage hat nicht nur für Aufruhr gesorgt, sondern auch zahlreiche Strippenzieher hinter Gitter gebracht. Nach diesem meisterhaften Coup möchte sich Brick nun zurückziehen und ein ruhiges Leben führen. Ein wahrer Heldengang!

Aber dann wird Kati tot aufgefunden. Das haut Brick um. Alte Geschichten kommen hoch. Etwas Unsichtbares treibt ihn an. Er will unbedingt den Killer von Kati finden, die Hintergründe ans Licht bringen und den Fall öffentlich machen. Doch er hat nicht bedacht, dass es Leute gibt, die seine Schritte genau verfolgen. Er kommt zwar hinter ihre Machenschaften, aber damit setzt er eine Lawine in Gang, die ihn zu überrollen droht. Blaulicht Frankfurt, rechtsextreme Gruppen, Journalisten, Mord in Frankfurt – das alles spielt eine Rolle in diesem Fall.

Der Erzählstil, den Gerd Fischer – dies ist mein erster Roman von ihm, den ich gelesen habe – gewählt hat, ist erfrischend und authentisch. Faktenreich und mit vielen Details sind das Umfeld der Figuren und der Frankfurter Region ausgestattet. Als reinen Regionalkrimi würde ich ihn dennoch nicht bezeichnen, dafür hat er zu viel kriminalistisches Flair. Die Wahl eines Journalisten als Hauptfigur hat mir sehr gut gefallen. Sein Counterpart von der Frankfurter Kripo sorgt dafür, dass Regeln und Gesetze eingehalten werden – meistens.

Die Dialoge klingen authentisch, den Menschen „aufs Maul geschaut“ – schnoddrig, humorvoll, sinnvoll, der jeweiligen Figur bestens angepasst.

Die Spannung lässt kaum Wünsche offen. Die Guten und die Bösen sind zunächst gut versteckt, bis sie sich immer klarer im Verlauf des Lesens herauspellen. Einen großen Knalleffekt gibt es dafür am Ende nicht, denn es geht von Wendung zu Wendung immer weiter voran. Wohl aber bangt man bis zum Schluss, wie die Sache für Brick und seine Angehörigen und Freunde, die einem mit dem Lesen ans Herz wachsen, ausgehen wird.

Fans von Benjamin Brick, dem Journalisten aus dem packenden Thriller »Rotlicht Frankfurt« (LONGLIST Crime Cologne Award 2020), haben gespannt auf die Fortsetzung gewartet. Nun ist es endlich soweit: Blaulicht Frankfurt bringt erneut eiskalte Spannung in die Main-Metropole!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2024

Veröffentlicht am 21.03.2024

unterhaltsames, faktenreiches und nachdenklich machendes Zeitgeschehen

Schillerwiese - Longlist des Crime Cologne Awards
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Mit diesem Roman gelingt Lotte Kinskofer ein fesselnder Krimi, der in die „goldenen“ zwanziger Jahre entführt. Doch von dem „goldenen“ bleibt nicht viel, denn er spiegelt die angespannte politische Lage ...

Mit diesem Roman gelingt Lotte Kinskofer ein fesselnder Krimi, der in die „goldenen“ zwanziger Jahre entführt. Doch von dem „goldenen“ bleibt nicht viel, denn er spiegelt die angespannte politische Lage der 1920er Jahre und den aufkommenden Nationalsozialismus im Milieu der einfachen Bürger wider. Mit viel Geschick strickt sie aus den historischen Hintergründe eine spannende Geschichte.

Im Mai 1925 wurde die junge Vroni Haberl tot aufgefunden – erhängt an einem Baum auf der Schillerwiese an der Donau in Regensburg. Die Umstände ihres Todes geben jedoch Rätsel auf. Trotz des ersten Anscheins eines Selbstmordes werfen bestimmte Details Fragen auf. Nicht zu vergessen ist, dass die Schillerwiese historisch als alte Hinrichtungsstätte der Stadt bekannt ist.

Für den Münchner Oberkommissär Benedikt Wurzer sollte diese Angelegenheit von keiner Bedeutung sein. Zusammen mit seiner Frau stattet er seiner verheirateten Tochter Anna in Regensburg einen Besuch ab, bevor sie ihre geplante Sommerfrische, die sie vorverlegt haben, antreten wollen.

Anna nimmt den Tod ihrer Nachbarin ernst, zu ernst vielleicht, da es mehr als nur eine nachbarschaftliche Verbindung gibt. Die Umstände erscheinen ihr mehr als fragwürdig. Wie könnte Vroni, eine Mutter, ihren zwölfjährigen Sohn Karl schutzlos in der Welt zurücklassen? Kommissar Wurzer wird erst aufmerksam, als Anna unter mysteriösen Begebenheiten spurlos verschwindet und die Gleichgültigkeit seiner Regensburger Kollegen ebenso bedrückend ist, wie der angebliche Suizid der jungen Frau.

Lotte Kinskofer präsentiert die Handlung ihrer Geschichte mit einer klaren und lebhaften Chronologie, wobei sie in jedem Kapitel das Datum und die Tageszeit angibt. Dies verleiht dem Leser einen angenehmen Überblick und erleichtert das Eintauchen in die Erzählwelt. Die Kapitel sind bewusst kurz gehalten – in der Regel umfassen sie nur eine bis drei Seiten –, was das Lesetempo beschleunigt und für eine erfrischend dynamische Leseerfahrung sorgt.

Die historischen Ereignisse werden mit einer beeindruckenden Detailtreue und Faktenreichtum lebendig gemacht. Lotte Kinskofer gelingt es meisterhaft, das Regensburg von einst in den Vorstellungen der Leserschaft zu rekonstruieren. Die Autorin wählt bewusst eine zurückhaltende Verwendung der direkten Rede und konzentriert sich stattdessen auf eine fesselnde Erzählweise, welche die ersten Kapitel dominiert. Der regionale Dialekt verstärkt das immersive Erlebnis, obwohl dessen Einsatz sinnvollerweise auf die Dialoge hätte beschränkt bleiben können. Von einem Erzähler erwartet man eine klare, dialektfreie Sprache, um die Historie präzise und verständlich zu vermitteln.

In einer Zeit, in der die Schatten der Vergangenheit gelegentlich aufzukeimen scheinen, dient dieser Roman als kraftvolle Erinnerung an die Wichtigkeit von Wachsamkeit und Zuversicht. Er ermutigt uns dazu, aus der Geschichte zu lernen und gemeinsam eine Zukunft zu gestalten, in der solch dunkle Kapitel unwiderruflich der Vergangenheit angehören.

»Schillerwiese« – ein Kriminalroman, der in leidenschaftlicher Hingabe an die Wahrheit und die zutiefst bewegte politische Landschaft der 1920er Jahre in Regensburg geschmiedet wurde. Mit jeder Seite, die man umblättert, spürt man die intensive Recherche und die feurige Verbindung zur historischen Realität, die diesem Kriminalroman seine fesselnde Authentizität verleiht.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2024

Veröffentlicht am 17.03.2024

»Der Galgenvogel« – ein historischer Ganovenroman

Der Galgenvogel
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»Der Galgenvogel« als Kriminalroman zu bezeichnen, wäre nicht das richtige Wort. Er ist eher ein Ganovenroman. Denn im Mittelpunkt steht Tom Hawkins, ein Mann, der in den Tag hineinlebt, nichts Richtiges ...

»Der Galgenvogel« als Kriminalroman zu bezeichnen, wäre nicht das richtige Wort. Er ist eher ein Ganovenroman. Denn im Mittelpunkt steht Tom Hawkins, ein Mann, der in den Tag hineinlebt, nichts Richtiges mit sich anzufangen weiß und das Geld seiner Freundin verprasst. Denn Kitty machte eine große Erbschaft und ist Inhaberin einer kleinen, verruchten Buchhandlung, die unterm Ladentisch pornographische Bücher vertreibt. Regelmäßig kontrollieren sie Sittenwächter.

Es ist das Jahr 1728 im London des Lebemanns und Spielers Tom Hawkins. Der Dreck und Gestank in den Gassen, die Straßenräuber und Beutelschneider, sowie der Umgang der Menschen untereinander erinnern an die Szenerie in den Romanen von Charles Dickens und Daniel Defoe. Die Autorin hat ihren Roman in zwei Stränge strukturiert.

In der Gegenwart wird von einem Erzähler der Weg Tom Hawkins zu dessen Hinrichtung in Tyburn geschildert. Dieser Strang ist für den Leser zusätzlich durch Kursivschrift abgegrenzt. Der zweite, und bei weitem längere, Strang wird vom Protagonisten selbst erzählt und ist eine Rückblende. Er geht der Frage nach, wie es dazu kommen konnte.

Eine Figur mit Ähnlichkeit zu dem französischen Ganoven Cyrano de Bergerac
Damit ist ein gehöriges Stück Spannung geschaffen, die vom ersten bis zum letzten Kapitel reicht. Wie auch bei dem französischen Ganoven Cyrano de Bergerac taucht der Leser in eine Welt ein, die voller Schmutz, Gestank, Vulgärsprache und Verbrechen zu sein scheint. Dabei ist an den Verhaltensweisen der einzelnen Figuren immer wieder erkennbar, dass sie auch liebevoll miteinander umgehen können und ihre Grobheit lediglich nach außen zur Schau getragen wird. Das ist die Strategie zum Überleben, zum Existieren in der Gesellschaft.


Antonia Hodgons entwickelte die Figur des Protagonisten Tom Hawkins bereits im ersten Roman „Das Teufelsloch“, wodurch Hawkins in diesem Roman bereits auf Erfahrungen zurückgreifen kann. Das vorhergehende Buch zu lesen, ist aber nicht zwingend notwendig für das Verständnis. Sein Weg zum Galgen wird von einem Mord verursacht. Schließlich wird der Roman doch zu einem Ermittlungsroman, weil der Protagonist die Aufklärung dieses Mordes selbst anstrebt. Der Leser wird im Verlauf ständig auf neue Verdächtige geführt, auf neue Fährten gelenkt. Hodgson schafft ein fantastisches Verwirrspiel mit detailtreuer Milieustudie. Über die Handlung hinaus klärt die Autorin in einem kurzen Abriss am Ende des Buches über die historischen Hintergründe auf. Eine nette Beigabe, welche gelegentlich zu einem „Aha“ führen kann.

Dieser Roman ist ein empfehlenswerter Weihnachtsschinken!

So, wie ich an den Festtagen sehr gerne historische Filme sehe, lese ich auch gerne solche Romane, so dass mir „Der Galgenvogel“ auch schon wenige Wochen vor Weihnachten ein Gefühl von Weihnachten vermittelte.