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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.08.2019

höchst lesbarer Geheimtipp

Tod im Fichtelgebirge
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Die Autorin ist für ihre ausgefeilten Plots mit immensen Wendungen in der Handlung bekannt. Mit dem vorliegenden Roman hat sie ein neues Ermittlerteam geschaffen, welches rund um ihre Heimatstadt wirkt. ...

Die Autorin ist für ihre ausgefeilten Plots mit immensen Wendungen in der Handlung bekannt. Mit dem vorliegenden Roman hat sie ein neues Ermittlerteam geschaffen, welches rund um ihre Heimatstadt wirkt. Unter Pseudonym hat sie bereits bewiesen, dass sie ebensolche Spannung mit Handlung in Irland erzeugen kann .

Worum geht es in diesem Kriminalroman? Der Apotheker Robert Sander ist auf einer Fortbildung. Ein Anruf von seiner Frau. Sie erzählt ihm, dass die beiden Kinder verschwunden sind. Kommissarin Kristina Herbich hat ebenfalls einen Vermisstenfall auf dem Tisch. Ein neunzehnjähriger Flüchtling aus Afghanistan ist verschwunden. Dann bekommt sie den Fall der vermissten Sander-Mädchen zugewiesen und fährt zum Gespräch zu deren Mutter. In einem weiteren Strang muss sich eine Frau mit der Tatsache abfinden dass sie ihr junger Liebhaber, ebenfalls ein jugendlicher Flüchtling, verlassen hat. Doch auch sie geht von einem Verbrechen aus und informiert den Pfarrer. Schließlich verirrt sich im Wald eine junge Frau.

Diese winzige Zusammenfassung des Beginns von dieses Krimis zeigt bereits, dass es zunächst sehr viele Vermisste gibt. Alles kann miteinander zusammenhängen, muss aber nicht. Lochmueller ist sehr souverän darin, nichts davon frühzeitig preiszugeben. Und dennoch wird alles mitgeteilt. Wenn man die Auflösung zum Ende des Romans liest, war ja im Nachhinein alles ganz logisch und Hinweise gab es genug. Als Leser hat man lediglich in die falsche Richtung gedacht .

Schön hat mir auch das Zusammenwachsen der beiden Protagonisten gefallen. Eigentlich ist Herbich eine Einzelgängerin und hält gar nichts davon, bei den Ermittlungen jemanden am Rockzipfel hängen zu haben. Als der Chef ihr einen Partner zur Seite stellt. Die Gelassenheit dieses Mannes und Herbichs Widerstand, mit ihm zusammenzuarbeiten, schafft zusätzliche Spannung.

Das Cover passt gut und spiegelt das Geschehen rund um eine psychiatrische Klinik wieder, die in den Tiefen des Waldes vor sich hin verfällt. Das Licht weist auf Aktivitäten hin, die dort dennoch stattfinden .

Spannung pur, flüssige Handlung, angenehme Figuren machen „Tod im Fichtelgebirge" zu einem höchst lesbaren Geheimtipp. Einfach erste Klasse!


© Detlef Knut, Düsseldorf 2019

Veröffentlicht am 29.07.2019

Ein grandioser Roman, der den Leser ins australische Outback treibt

Zu Staub
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Dieser Thriller hat wieder einmal einen Wow-Effekt bei mir hervorgerufen. Ganz ohne Ermittlungen bzw. ohne eine Ermittlerfigur wird der plötzliche Tod eines Menschen aufgedeckt, so dass es einem ab und ...

Dieser Thriller hat wieder einmal einen Wow-Effekt bei mir hervorgerufen. Ganz ohne Ermittlungen bzw. ohne eine Ermittlerfigur wird der plötzliche Tod eines Menschen aufgedeckt, so dass es einem ab und zu Gänsehaut beschert .

Der Roman führt den Leser in die abgelegenste Ecke in Australien, ins Outback. An der Grundstücksgrenze zweier Rinderfarmen treffen sich zwei Brüder. Der dritte Bruder, vom Alter her der mittlere, liegt tot zu ihren Füßen. Er ist in der sengenden Hitze zu Tode gekommen und die beiden bringen ihn zurück auf seine Ranch. Nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Doch die Vorfreude wird nun nicht nur von Trauer überschattet, sondern auch von Misstrauen. Was ist, wenn der Tote nicht eines natürlichen Todes gestorben ist? Wenn ihm jemand geholfen hat, den Tod zu finden? Hatte er Feinde? Hatte er Streit? Viele Fragen müssen beantwortet werden und so manches Geheimnis wird aufgedeckt.

Harper erzählt die große Geschichte einer Familie. Dabei geht sie der Frage nach, was mit Menschen passiert, die allesamt in einer großen Abgeschiedenheit und Einsamkeit leben. Hervorgerufen wird diese Einsamkeit in diesem Landstrich Australiens durch die immensen Entfernungen zwischen den Orten. So sind z.b. die Wohnsitze der Brüder auf ihren Ranchen vier Autostunden voneinander entfernt. Jemanden vom Flughafen abholen bedeutet, eine Hin- und eine Rückfahrt von jeweils 900 km zu absolvieren. Nicht nur einmal werden die Figuren im Roman mit der Frage konfrontiert, ob hier in der Einsamkeit das Böse entsteht. Denn das Misstrauen greift in der Familie um sich und hat vielleicht seine Berechtigung.

Protagonist ist der älteste Bruder Nathan. Aus seiner Sicht wird die Geschichte erzählt, aber nicht von ihm selbst. Doch neben der aktuellen Handlung werden uns als Leser seine Gedanken, Rückblicke und Empfindungen mitgeteilt. Und da kommt ein weiterer Stil der Autorin zum Tragen. Rückblenden entstehen aus den Gedanken von Nathan heraus und werden nicht im Schriftbild kenntlich gemacht. In vielen Romanen werden andere Schriften oder Absatzlücken für Rückblenden genutzt. Bei Jane Harper wird nahtlos zwischen Gegenwart und Rückblende gewechselt. Doch als Leser gewöhnt man sich sehr schnell daran und weiß, in welcher Zeit man sich befindet .

Ein grandioser Roman, der den Leser ins australische Outback treibt und ihn neugierig darauf macht, welche Geheimnisse in der Familie existieren und wie und warum der mittlere Bruder zu Tode gekommen ist.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2019

Veröffentlicht am 24.07.2019

Unter der Brücke Pont Neuf im Zentrum Paris'

Lacroix und die Toten vom Pont Neuf
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Einerseits wurden mit diesem Roman meine Erwartungen voll erfüllt, andererseits wurde ich sogar überrascht, weil sie weit übertroffen wurden. Als ich Kenntnis von diesem Buch erhielt und den Klappentext ...

Einerseits wurden mit diesem Roman meine Erwartungen voll erfüllt, andererseits wurde ich sogar überrascht, weil sie weit übertroffen wurden. Als ich Kenntnis von diesem Buch erhielt und den Klappentext gelesen hatte, hatte ich einen in Paris spielenden Kriminalroman erwartet und gehofft, dass ich neben der Spannung von einigen Straßenzügen lesen würde, die schon von meinen Füßen getreten wurden. Dass es weit mehr wurde, ist dem Kampa Verlag zu verdanken.

Unter der Brücke Pont Neuf im Zentrum Paris' wird ein Obdachloser tot aufgefunden. Arg zugerichtet war ihm die Kehle durchgeschnitten worden. Sofort werden Kommissar Lacroix und sein Team an einen Fall von vor 30 Jahren erinnert. Damals waren drei Obdachlose an drei Tagen hintereinander mit durchschnittener Kehle aufgefunden worden. Der Täter wurde nie gefasst. Doch beim ersten gegenwärtigen Opfer wird noch an einen Zusammenhang gezweifelt. Vierundzwanzig Stunden später sieht das schon ganz anders aus. Und am dritten Tag ist das Team fast überzeugt von einem Zusammenhang mit dem alten Fall.

Was macht diesen Roman nun so besonders? Zunächst ist er eine Hommage an die Romanfigur Maigret von Georges Simenon. Wie dieser trägt auch Lacroix Mantel, Hut und Pfeife. Er wird von seinen Kollegen als Maigret auf den Arm genommen - was ihn ärgert. Und er geht in dieselben Bistros wie Maigret - auch wenn sie heute anders heißen.

Schreibstil ist ruhig und bedächtig, es wird ermittelt und nicht actionreich durch die Straßen gejagt. Spannend bleibt der Krimi bis zum Schluss da man als Leser gedanklich jeder falschen Spur folgt wie Commissaire Lacroix. Sein Team besteht aus einer Polizistin und einem Polizisten. Er mag beide, trotz deren Ansichten, weil er auf ihre Loyalität, Zuverlässigkeit und Professionalität zählen kann. Ob der Roman von einem Mann oder einer Frau geschrieben wurde, ist schlecht zu beurteilen, denn der Name "Alex" gibt beides her. Ansonsten ist nichts bekannt. Höchstens, dass er oder sie ein ausgesprochener Kenner von Paris ist. Denkbar wäre natürlich, dass der Roman aus dem Verlag selbst kommt, denn dort sitzen die besten Maigret-Kenner. Und wer einen echten Maigret lesen möchte, sollte mal ins Programm des Verlages schauen.

Ich habe mich im Roman sehr heimisch gefühlt, das Lesen kam einem Besuch in Paris gleich. Deshalb ist er für Paris- und/oder Krimiliebhaber einfach ein Muss.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2019

Veröffentlicht am 17.07.2019

Brutales Washington D.C.

Prisoners
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Pelecanos ist ein Amerikaner mit griechischen Wurzeln. Geboren und aufgewachsen ist er in Washington D.C., wo auch seine Romane spielen Er ist ein Mann der Straße, könnte man annehmen. Denn in seinen Romanen ...

Pelecanos ist ein Amerikaner mit griechischen Wurzeln. Geboren und aufgewachsen ist er in Washington D.C., wo auch seine Romane spielen Er ist ein Mann der Straße, könnte man annehmen. Denn in seinen Romanen werden all die kleinen und großen Geschichten erzählt, die mehrmals täglich passieren und kaum von den Menschen wahrgenommen ausgenommen. Ins Blickfeld geraten höchstens die ganz große Ereignisse von Verbrechen, die den Menschen dann sagen, dass sie4 hier nicht herkommen sollten, hier sitzt das Böse, hier lebt das Verbrechen. Als Journalist, Kriminalschriftsteller und Drehbuchautor verfügt Pelecanos über die Gabe, seine Beobachtungen in adäquate Worte zu fassen, so dass es dem Leser erscheint, als würde er mitten im Geschehen sein.

Michael Hudson, der Protagonist in diesem Roman, ist noch keine 30 Jahre alt und sitzt wegen bewaffneten Raubüberfalls im Gefängnis. Hier nutzt er die Vorzüge der kleinen Gefängnisbibliothek. Er hat das Lesen für sich entdeckt. Seine ganze Jugend über hat er sich nicht dafür interessiert, doch nun hat er festgestellt, dass er mit einem Buch dem tristen, grauen Alltag des Gefängnisses entgehen kann. In der Zelle kann er in die Welt hinaus reisen. Dann wird er plötzlich aus der Haft entlassen und er möchte er ein neues Leben anfangen. Er sucht sich einen Job, knüpft neue Freundschaften und denkt nicht besonders darüber nach, warum er aus dem Gefängnis entlassen wurde. Bis schließlich der Privatdetektiv Phil Ornazian auftaucht. Ornazian steht nicht immer auf der richtigen Seite des Gesetzes und hat einen ganz besonderen Job für Hudson.

Pelecanos Sprache und Erzählstil ist hart und brutal. Ohne Zweifel kennt er sich in dem Milieu aus, von dem er schreibt. Präzise beschreibt er Örtlichkeiten und Schauplätze, weil er sie schon hundertmal besucht hat. In beiden Strängen ist man als Leser gespannt auf den Ausgang. In den Straßen der Viertel ist Krieg und nahezu jede Figur sorgt für sich und seine Familie mit illegalen Geschäften und Verbrechen. Es ist erschreckend, mit welcher Selbstverständlichkeit dies geschieht. Und doch zeigt Pelecanos auch einen kleinen Streifen Licht am Horizont.

Warum etwas vom harten Amerikana lesen möchte, ist mit dieser Roman bestens bedient. Wer sich darüber hinaus für die Bücher dieses Schriftstellers interessiert, kann gerne meine Besprechung zu seinem Roman „Hard Revolution" lesen.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2019

Veröffentlicht am 14.07.2019

Drei Schwestern mit Omas Ofenfleisch und weichen Karamellbonbons

Drei Schwestern am Meer
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Ihr fahrt demnächst in den Urlaub? Ihr habt Stress im Job und braucht Ausgleich? Vielleicht einen Mini-Urlaub daheim im Sessel? Dann haltet ihr mit „Drei Schwestern am Meer" den richtigen Roman in der ...

Ihr fahrt demnächst in den Urlaub? Ihr habt Stress im Job und braucht Ausgleich? Vielleicht einen Mini-Urlaub daheim im Sessel? Dann haltet ihr mit „Drei Schwestern am Meer" den richtigen Roman in der Hand. Leicht, locker und humorvolle Spannung.

In dem Roman möchte die in Berlin lebende Fachärztin Rina nach langer Zeit mal wieder ihre Oma auf Rügen besuchen. Viel zu selten hat sie das in letzter Zeit gemacht. Sie und ihre Schwestern Pia und Jana sind bei Oma aufgewachsen, nachdem ihre Eltern durch einen Unfall ums Leben gekommen waren. Rina freut sich auf eine entspannte Zeit mit viel Sonne, Strand und dem wunderbaren Karamellbonbons, die Oma immer macht.

Die Spannung zieht die Autorin in verschiedenen Strängen auf. Da ist zunächst die Oma, die kurz nach Rinas Eintreffen ins Krankenhaus eingeliefert werden muss. Die Mädchen sind in heller Aufruhr. Außerdem hat Rina in Berlin mitbekommen, dass ihr Freund sich von ihr trennen will. Der Arzt hatte sich einer blutjungen Assistenzschwester zugewandt. Schließlich lern Rina den erst kürzlich in den Ort gezogenen Hausarzt ihrer Großmutter kennen. Diese Konstellationen ergeben eine Gemengelagen, deren Auflösung man sich nicht entgehen lassen will. Zumal eine der Schwestern demnächst ins Ausland gehen will und sie nicht wieder so schnell zusammenkommen werden. Das Ganze wird in einem lockeren Stil präsentiert, der die Seiten nur so durch die Finger rauschen lässt.

In kleinen Zwischenkapiteln wird aus der Sicht einer anderen Figur eine ganz andere Geschichte erzählt. In dieser Figur streift deren Begegnung mit ihrer großen Liebe vorbei. Als Leser erfährt man ganz langsam von einem Geheimnis in der Familie .

Neben der vielen Sonne und der frischen Brise streicht dem Leser der Duft von Gekochtem und Gebackenen durch die Nase. Wer beim Lesen der entsprechenden Szenen Heißhunger bekommt, hat die Gelegenheit, die am Ende aufgeführten Rezepte auszuprobieren. Omas Ofenfleisch ist genauso dabei wie die weichen Karamellbonbons.

Ich wünsche guten Appetit und beste Unterhaltung. An letzterem wird es garantiert nicht fehlen.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2019