Profilbild von DetlefKnut

DetlefKnut

Lesejury Star
offline

DetlefKnut ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit DetlefKnut über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.03.2019

Thriller, der mehrere Monate auf den Bestsellerlisten Israels stand

Unit 8200
0

Bei Rowohlt/ Polaris ist ein Agententhriller erschienen, der es in sich hat. Die Handlung dieses Thrillers, der das Debüt eines israelischen Journalisten ist, spielt in Paris und in Israel in der heutigen ...

Bei Rowohlt/ Polaris ist ein Agententhriller erschienen, der es in sich hat. Die Handlung dieses Thrillers, der das Debüt eines israelischen Journalisten ist, spielt in Paris und in Israel in der heutigen Zeit. Unit 8200 ist die geheimste und technisch am besten ausgestattetste Organisation der Welt. Nur die amerikanische NSA ist ihr personell überlegen. Alfon war eine Zeitlang Teil dieser Einheit.

Abadi hatte die Einheit wegen Unstimmigkeiten mit seinem Vorgesetzten verlassen. Doch nun wurde er zu Ihrem Kommandeur berufen und er ist auf dem Weg von den USA zurück, mit Zwischenstopp bei seiner Mutter in Paris. Keine 24 Stunden ist es her, da wurde die junge Leutnant Oriana Talmor bis zur Ankunft von Abadi als Leiterin der Einheit eingesetzt. Davon war nicht nur sie selbst, sondern auch andere Militärs und Chefs diverser israelischer Geheimdienste überraschte. Doch dann wird ein israelischer Bürger auf dem Flughafen in Paris entführt. Abadi beginnt ohne Auftrag zu ermitteln. Und dann wird es extrem kompliziert und vor allem spannend.

Es ist echt kompliziert, der Vielschichtigkeit der Handlungsstränge zu folgen. Denn es gibt einerseits Intrigen im Management der Geheimdienste und des Militärs bis hin zum israelischen Premierminister. Andererseits wird die französische Polizeiarbeit bei der Ermittlung der Täter (Denn es gibt letztendlich eine Anzahl Opfer im zweistelligen Bereich.) gezeigt. Drittens erfolgt eine Jagd nach trotteligen Killern der chinesischen Mafia. In den kurzen Kapiteln von einer bis fünf Seiten erfolgt ein schneller Schnitt für den Leser. Aber keine Angst: Alfon bringt immer wieder Zusammenfassungen hinein, an denen der Leser das bisher Geschehene an den einzelnen Schauplätzen Revue passieren lassen kann.

Über lange Strecken des Thrillers treibt den Leser die Frage: Wer ist eigentlich der Vogel, wer ist die Katze? Sind die Jäger vielleicht die Gejagten? Den Überblick zu bekommen, fällt schwer, aber auf eine extrem spannende, nicht verwirrende Art. Man hat dank der Zusammenfassung stets das Gefühl, allem folgen zu können und zu verstehen. Trotzdem weiß man nicht, wer auf welcher Seite steht. Wer gehört zu den "Guten" und wer zu den "Bösen"?

Ich gebe für diesen Thriller, der mehrere Monate auf den Bestsellerlisten Israels stand, eine ganz klare Leseempfehlung. Immerhin warte ich auf den Folgeroman, denn dieser wurde in einem Hintergrundstrang mit einem Cliffhanger versehen, der mich neugierig macht. Ich wünsche allen Lesern dieses Romans einen vergnüglichen Genuss.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2019

Veröffentlicht am 24.02.2019

Rätselkrimi entlang von Tanz und Tanzunterricht

Der Tanz des Mörders
0

Die aus Osnabrück stammende Autorin Miriam Rademacher hat sich mit einer Konstellation um den ehemaligen Tanzlehrer Colin Duffot in die Herzen der Leser geschrieben. Die Reihe mit den Cozy-Crime-Geschichten ...

Die aus Osnabrück stammende Autorin Miriam Rademacher hat sich mit einer Konstellation um den ehemaligen Tanzlehrer Colin Duffot in die Herzen der Leser geschrieben. Die Reihe mit den Cozy-Crime-Geschichten spielt in England und folgt den Regeln derer von Miss Marple und Pater Brown. Colin Duffot möchte seinen Vorruhestand genießen und ist gerade in das kleine, beschauliche Dorf gezogen. Beim Dartspielen im Pub mit Pater Jaspers erfährt er, dass noch nie jemand gegen den gewonnen hat. So auch Colin, weshalb er dazu verdonnert wird, eine ältere Dame mit seiner Gesellschaft zu betreuen. Doch dann trifft er die Dame Tod an. Am selben Tag wird in der Nähe ein junges Mädchen tot aufgefunden. Die Krankenschwester der alten Dame, mit Namen Norma, überredet ihn und den Pfarrer, in beiden Fällen zu ermitteln. Und schon ist ein Detektivteam aus dem Boden gestampft, obwohl nicht alle so euphorisch dabei sind wie Norma. Denn sowohl Colin als auch Jasper zweifeln an ihren eigenen Ermittlerfähigkeiten.

Entlang von Tanz und Tanzunterricht hat die Autorin einen Rätselkrimi entwickelt, bei dem es an Humor und Spannung nicht mangelt. Skurrile Figuren mit ungewöhnlichen Eigenschaften gibt es für die Leser zu entdecken. Nicht nur Norma wirkt schräg und umso liebenswürdiger. Nahezu jeder der Dorfbewohner scheint außergewöhnlich zu sein. Sie könnten glattweg aus Midsummer stammen.

Einen Glückwunsch an den Verlag und Umschlaggestalter für den Mut zu solch ungewöhnlichen Covern, die aber umso besser zu dem Inhalt dieses und die weiteren Krimis dieser Reihe passen.

Einen kleinen Kritikpunkt möchte ich jedoch nicht verschweigen. An einer Stelle wird ein Vergleich zu dem deutschen Prominenten Sky du Mont gezogen. Ich bin zwar kein Fachmann habe aber das Gefühl, dass diese Person einem englischen Dorfbewohner nicht unbedingt bekannt sein muss. Zumindest so, wie die Figuren darüber sprechen. Dennoch tut dieser Lapsus dem Spaß und Vergnügen beim Lesen des Krimis keinen Abbruch und ich kann ihn bestens empfehlen.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2019

Veröffentlicht am 24.02.2019

Passende Fortführung der großen Romane »Drop City« und »Dr. Sex«

Das Licht
0

»War es ein Gift? War es verboten? Ein unverantwortliches Risiko? Sie wusste es nicht, doch sie war den ganzen Tag nervös und angespannt, obwohl sie sich sagte, das sei töricht: Wenn irgendjemand in diesem ...

»War es ein Gift? War es verboten? Ein unverantwortliches Risiko? Sie wusste es nicht, doch sie war den ganzen Tag nervös und angespannt, obwohl sie sich sagte, das sei töricht: Wenn irgendjemand in diesem ganzen Gebäude wusste, was er tat, dann ihr Chef.« Der Chef ist der Pharmakologe Alfred Hofmann von Sandoz, der im Jahre 1943 gerade LSD entwickelt und es an sich selbst ausprobieren will.

Mit einem Prolog, in welchem die Entstehung der künstlichen Droge LSD geschildert wird, beginnt der neue Roman des amerikanischen Schriftstellers T.C. Boyle, der just in den vergangenen Tagen seine Lesereise in Deutschland hinter sich hat. In diesem Roman geht es um Drogen, ein Thema, welches Boyle nicht gerade zum ersten Mal aufgreift. In den 1960er Jahren machte er selbst seine Erfahrungen damit und konnte sich erst mit der Schriftstellerei aus diesem Sumpf befreien. Die Haupthandlung des Romans spielt allerdings nicht wie der Prolog 1943, sondern zwanzig Jahre später in der amerikanischen Gesellschaft. An der Harvard Universität beginnt Professor Timothy Leary ein Forschungsprojekt mit der synthetischen Droge. Er möchte in einem groß angelegten Experiment zusammen mit anderen Dozenten und seinen Studenten positive Bewusstseinserweiterung nachweisen. Der Roman zeigt den Werdegang des Forschungsprojektes anhand dreier Protagonisten: Fitz, seiner Frau Joanie und seines Sohnes Corey. Diese drei sind die Hauptfiguren, die die Handlung vorantreiben und aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Anhand ihres Schicksals und ihrer Entwicklung begleitet der Leser Learys Projekt. Fitz möchte sich ganz und gar der Forschung zuwenden, sein erstrebenswerteste Ziel ist, zum inneren Kreis und Professor Leary, Tim, zu gehören.

All dies wird natürlich extrem spannend von Boyle komponiert. Er zeigt den schleichenden, nach außen scheinbar harmlosen Prozess, wie jemand, der eigentlich nur seinen Abschluss, seinen Doktor, seine Karriere machen will, langsam, aber stetig in eine Sekte hineingezogen wird. Dabei handelt es sich möglicherweise um gar keine Sekte, sondern lediglich um eine Clique dekadenter Pseudowissenschaftler, die der Meinung sind, sich mit ihren Gelüsten hinter der Wissenschaft verstecken zu können. Die Handlung verläuft über einige Jahre, Zeit genug, um die Hauptfiguren eine Entwicklung durchmachen zu lassen. Sowohl Fitz als auch seine Frau sind am Ende andere, vertreten andere Ansichten als zu Beginn des Buches. Man muss sich als Leser im Hintergrund rumorende Spannung einlassen. Eine rigorosere Entwicklung ist bei ihrem Sohn Corey zu beobachten, der angefangen im Alter von zehn Jahren die Pubertät durchläuft und als junger Erwachsener am Ende dasteht. Über dessen Entwicklung stellt sein Vater plötzlich fest: »Coreys Stimme war tiefer geworden, das Kieksen fast ganz verschwunden, und in letzter Zeit war Fitz, wenn er ihn sprechen hörte, für einen Augenblick verblüfft: Es war, als hätte ein Fremder die Gestalt seines Sohns angenommen.« Gekonnt, aber typisch und erwartbar für Boyle, werden Vergleiche und Metaphern eingesetzt, um auch jede noch so kleine Plausibilität in Bildern zu belegen. Am Ende dieses tiefgreifenden Romans über die menschliche Gesellschaft und wie sie sich in der Umwelt und Natur einrichtet, steht nicht nur für die agierenden Figuren die Frage: »Wohin führt das alles? Ist irgendein Ende in Sicht? Können wir uns überhaupt noch als Wissenschaftler bezeichnen? Was sind wir eigentlich? Mystiker? Partyveranstalter? Orgienfeierer?«

»Das Licht« ist eine empfehlenswerte Fortführung der großen Romane »Drop City« und »Dr. Sex« desselben Autors.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2019

Veröffentlicht am 08.02.2019

Familie Ising

Eine Familie in Deutschland
0

Der Schriftsteller Peter Prange beobachtet, recherchiert und hört aufmerksam zu. Und er beschäftigt sich mit einem Thema, bevor sich dieses schließlich in einem fulminanten Roman seine Bahn bricht. So ...

Der Schriftsteller Peter Prange beobachtet, recherchiert und hört aufmerksam zu. Und er beschäftigt sich mit einem Thema, bevor sich dieses schließlich in einem fulminanten Roman seine Bahn bricht. So auch in seinem neuesten Werk "Eine Familie in Deutschland", wovon momentan der erste von zwei Teilen vorliegt.

Wie auch schon in einigen seiner anderen Romane geht es in diesem um die nationalsozialistische Vergangenheit und was diese Auswüchse mit den Menschen machen. Nun hat ihn die Frage beschäftigt, was er gemacht hätte, wenn er in der damaligen Zeit gelebt hätte. Dafür hat er ein Figurenensemble geschaffen, welches fast alle Charaktereigenschaften der menschlichen Gesellschaft beinhaltet. Komprimiert wurde dies auf eine Familie sowie deren Freundes-, Bekannten- und Verwandtenkreis. Die Handlung des Romans beginnt 1933 zur Zeit der Machtergreifung Adolf Hitlers. Oberhaupt ist Hermann Ising, Zuckerfabrikant im Wolfsburger Land. Er ist Ortsgruppenleiter in dem Ort Fallersleben, aus welchem der Dichter des Deutschlandliedes stammt. Ising ist zwar Mitglied der Partei des Führers, doch eigentlich sind die Ansichten der Partei nicht gerade seine. Aber als angesehener Zuckerbaron, der er bleiben möchte, unterwirft er sich den gesellschaftlichen Zwängen. Zur Familie gehören aber ein jüdischer Freund einer seiner Töchter, so wie ein kommunistischer Freund der anderen Tochter. Ein Sohn hat mit Politik gar nichts am Hut, er ist Ingenieur und entwirft mit seinem jüdischen Freund den Prototypen eines Volkswagens. Der zweite Sohn lebt ausschließlich für die NSDAP. Er sieht seine Rolle ausschließlich in den Reihen der Partei. Da beißt sich also schon eine ganze Menge innerhalb der Mitglieder der Familie. Hinzu kommen Konflikte, die von außen in die Familie getragen werden.

Prange versteht es auf das Feinste, die historischen Gegebenheiten dramaturgisch in die fiktive Handlung um die Isings einzubauen. Jede Situation wirkt authentisch, plausibel, nachvollziehbar, wenn man sie wie der Autor aus der jeweiligen Perspektive der Figuren sieht. Dabei verschwimmen die Übergänge von Fiktion und Realität dermaßen, dass man mehr als einmal geneigt ist zu sagen: Ja, so war das.

Mit dem Buch vergehen die über 600 Seiten und der Zeitraum von 1933 bis 1939 wie im Fluge. Man freut sich mit den Figuren, man ärgert sich mit ihnen, manchmal packt einen die Wut. Wut über die Naivität, Wut über die Dummheit, aber auch Wut über die Arroganz. Und man bewundert manchmal den Mut, mit dem so manche Figur agiert.

Außerdem erfährt der Leser einiges über die Macht der Manipulation durch Propaganda, über das manipulative Wirken großer Konzerne, die am Rockzipfel der Partei- und Politikinteressen hängen, über den Machtmissbrauch, der aus einem Beziehungsgeflecht entsteht. Vieles von dem, was der Autor beispielsweise an der Geschichte der Familie Ising aufzeigt, wirkt auch heute noch in gleicher Weise. Die Menschheit ist leider nicht davor geschützt und zeigt gerade in jüngster Vergangenheit, dass sie nicht aus dem Damals gelernt hat. Prange hat einen großen Familienroman geschaffen, der weit mehr ist. Wer ernsthaft an deutscher Geschichte interessiert ist, sollte sich das Lesevergnügen keinesfalls entgehen lassen. Denn trotz des Themas ist er extrem spannend und unterhaltsam, mit einer Leichtigkeit geschrieben, die nichts davon ahnen lässt, dass die Arbeiten dazu zehn Jahre benötigten.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2019

Veröffentlicht am 08.02.2019

amerikanische Gegenwart mit Western und Krimielementen

Longmire: Bittere Wahrheiten
0

Auf diesen Roman war ich neugierig, als ich ihn im Buchhandel entdeckte. Schließlich habe ich alle Folgen der Fernsehserie gesehen und bereits drei Romane in englischer Sprache gelesen. Nun hatte ich Gelegenheit, ...

Auf diesen Roman war ich neugierig, als ich ihn im Buchhandel entdeckte. Schließlich habe ich alle Folgen der Fernsehserie gesehen und bereits drei Romane in englischer Sprache gelesen. Nun hatte ich Gelegenheit, die erste ins Deutsche übertragene Fassung eines Romans dieser Reihe zu lesen soll ich sagen?

Die Handlung ist natürlich eine typische Longmire-Handlung, bei der die Ermittlungen nicht unbedingt im Vordergrund stehen. Selbstverständlich gibt es Tote, selbstverständlich gibt es Verbrechen, selbstverständlich ermittelt der Sheriff nicht nur in seinem Revier, sondern auch im nahegelegenen Reservat, selbstverständlich sind auch amerikanische Ureinwohner, wie man die Indianer seit neuesten nennen solle, hier im Spiel. Aber was der Western der Gegenwart vor allem herrüberbringt und wofür er lesenswert ist, ist die Atmosphäre. Als Kenner des Settings und der Figuren ließ ich mich hineinversetzen in die Welt von Walter Longmire und sein Absaroka County. Lesern, die total auf Krimi fixiert sind, mag die Einführung in diese Welt etwas langatmig wirken. Doch wenn man sich auf den Humor des Autors einmal eingelassen hat, erfüllt einen höchstes Lesevergnügen. Zwar sind die Dialoge im Zuge der Ermittlungen immer ernst und echt, aber stets mit schwarzem Humor gespickt, wenn es um die zwischenmenschlichen Beziehungen geht. Es macht Spaß, dem Gelaber der Leute zu lauschen: Vic, die freche Deputy, Ruby, die alles überblickende Sekretärin, Longmire, der immer schwarz sehende Sheriff, Little Wolf mit seinen Indianerweisheiten. Mhm, ja, das ist so.

Kurz zum Fall. Die Opfer haben offenbar vor wenigen Jahre ein kleines Mädchen missbraucht. Das Urteil aber war wohlwollend für die Täter. Doch wer hatte jetzt die Möglichkeit, die damaligen Täter zu töten? Wer hatte ein so starkes Motiv?

Die Übersetzung war der Vorgabe des Autors angemessen. Die stillen Töne wurden genauso aufgegriffen wie die Actionszenen. Empfehlenswert für alle, die amerikanische Gegenwart mit Western und Krimielementen nicht nicht abgeneigt sind.