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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.08.2018

Ein guter Thriller, der noch mehr Potenzial hätte

Am Anfang die Schuld
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In diesem soliden Schottland-Thriller beginnt es fast harmlos. Den Mitgliedern der Sexual Crime Unit (SCU, deutsch umgangssprachlich Sitte) wurde ein Tipp zu einem Bordell gegeben. Sie machen eine Razzia. ...

In diesem soliden Schottland-Thriller beginnt es fast harmlos. Den Mitgliedern der Sexual Crime Unit (SCU, deutsch umgangssprachlich Sitte) wurde ein Tipp zu einem Bordell gegeben. Sie machen eine Razzia. Doch was müssen sie feststellen? Es ist kein Bordell, sie stören eine private Party. Das ist mehr als peinlich. Tony McLean möchte herausfinden, wer den Tipp gegeben hatte und warum seine Einheit in eine Falle gelockt wurde. Doch seine Chefs wollen, dass er die Sache so schnell wie möglich abschließt und alles zu den Akten legt. Ihnen kann das Unter-den-Teppich-kehren gar nicht schnell genug gehen.

Die Story dieses Romans ist gut gebaut. Neben der Haupthandlung um die Ermittlungen der Polizei gibt es in kurzen Kapiteln den Blick auf zwei Täter, die aus nicht erkennbarer Ursache auf einer Mordsreise sind. Daneben nimmt das Privatleben des Protagonisten einen nicht gerade kleinen Teil ein und auch in diesem Part kann sich der Leser auf eine Überraschung freuen. Wie auch in vielen anderen Krimis und Thrillern wird die Arbeit der Ermittler von den unfähigen Kollegen und Vorgesetzten bombardiert. Hier ergibt sich stets die Frage, wann dem Protagonisten endlich der Kragen platzt. Es bleibt spannend. Und schließlich gibt es offenbar einen Zusammenhang der aktuellen Morde mit welchen aus der Vergangenheit. Obwohl eine neu gegründete cold cases Einheit wohl eher dafür geschaffen wurde, um die alten Fälle weiterhin ruhen zu lassen, scheint keiner mit der Verquickung in der Gegenwart gerechnet zu haben.

Ein Roman, der Überraschungen bereithält und bis zum Schluss spannend bleibt. Und doch hat er Passagen, die nicht glaubwürdig sind. Das hat mich am ehesten gestört. Um nicht zu spoilern, werde ich an dieser Stelle nicht zu viel erzählen. Aber das jemand, der ein Messer in der Brust hat, dieses herauszieht und den Spieß umdreht, erscheint abwegig. Ebenso die Methode, wie gemordet wird und das eine Zeugin den Protagonisten beinahe vergewaltigt.

Sehr angenehm hingegen sind dann wieder die privaten Passagen mit Tonys Katze namens Mrs McCatcheons Katze. Ich spüre sie heute noch um meine Beine schnurren.

Ein guter Thriller, der noch mehr Potenzial hätte, wenn die oben genannten Passagen glaubwürdiger wären. Gut unterhalten hat er mich alle mal.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 08.08.2018

ein großartiger Gesellschaftsroman

Licht und Glut
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Der vorliegende Roman ist ein großartiger Gesellschaftsroman, der in den ländlichen Gegenden der USA, genauer gesagt in Pennsylvania spielt.

Haigh hat sich eines Themas angenommen, das ich ansonsten nur ...

Der vorliegende Roman ist ein großartiger Gesellschaftsroman, der in den ländlichen Gegenden der USA, genauer gesagt in Pennsylvania spielt.

Haigh hat sich eines Themas angenommen, das ich ansonsten nur von T. C. Boyle erwarte. Sie beschäftigt sich mit aktuellen gesellschaftlichen Prozessen. Dabei bedient sie sich der Problematik der Gas-Energiegewinnung mittels Fracking.
Die Kleinstadt Bakerton hatte schon bessere Zeiten erlebt, es gab mal sehr viel Bergbau. Der Bergbau hatte die Menschen dieser Gegend ernährt und für Wohlstand gesorgt. Doch dann wurde er eingestellt und es ging bergab. Die hier lebenden Menschen wurden ärmer und ärmer. Da taucht plötzlich ein texanischer Energiegigant auf und verspricht den Landbesitzern eine riesige Menge Geld. Sie müssten ihr Land nicht einmal verkaufen, sondern lediglich die Bohrrechte übertragen und kassieren daraufhin an den geförderten Gasmengen auf ihrem Land. Für viele hört sich das sehr lukrativ an, außerdem würden auch wieder Arbeitsplätze geschaffen. Doch viele Nachbarn zweifeln auch daran, dass so schnell Geld gemacht werden kann. Als dann die Bohrtrupps anmarschieren, wird die Naivität und Gier eines großen Teils der Bevölkerung sichtbar. Das Grundwasser wird kontaminiert, die Arbeiten werden von texanischen "Gastarbeitern" durchgeführt.

Haigh erzählt die Geschichte anhand ihrer Figuren. Langsam und bedächtig präsentiert sie dem Leser eine Figur nach der anderen. Dabei stehen die einzelnen Familien für die einzelnen Stränge in der Handlung. In der gegenwärtigen Handlung bekommt man die Probleme des Fracking aus verschiedenen Perspektiven (Gegner, Befürworter und Neutrale) geschildert. Damit man versteht, warum jemand gegen oder für das Fracking ist, welche Gründe dazu führten, werden immer wieder Rückblenden auf das Geschehen in diesen Familien geboten. Man lernt so viele verschiedene Menschen kennen, und man erfährt als Leser, dass es schwer wird, sich auf eine Seite zu stellen.

Der Roman fesselt durch die Schilderung eines Themas, welches beispielhaft für so viele Probleme in der heutigen Gesellschaft steht.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 01.08.2018

Roman mit einem knalligen Ende

Missing - Niemand sagt die ganze Wahrheit
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Bei diesem Psychothriller, der an Englands Küste spielt, stellt man sich ständig die Frage: Wer treibt hier mit wem sein perfides Spiel?

Vor etwa 17 Jahren ist Sophie spurlos verschwunden. Sie und ihre ...

Bei diesem Psychothriller, der an Englands Küste spielt, stellt man sich ständig die Frage: Wer treibt hier mit wem sein perfides Spiel?

Vor etwa 17 Jahren ist Sophie spurlos verschwunden. Sie und ihre Freunde hatten gerade mal das Teenagealter hinter sich gelassen, waren mit ihren Jobs in die Welt hinaus und hatten ihren kleinen Küstenort verlassen. Nun wurde die Leiche von Sophie an die Küste gespült. Francesca, ihre beste Freundin damals, erhält einen Anruf von Sophies Bruder Daniel. Er bittet sie, in den Heimatort zu kommen und mit ihm zusammen die Umstände aufzuklären, warum Sophie damals verschwunden und offenbar ums Leben gekommen war. Franks, wie die Freundin auch genannt wird, will erst nicht, gibt dann aber nach. Ihre Hotels in London lässt sie von einem engen Mitarbeiter betreuen. Für vier bis fünf Tage sollte es schon gehen. Doch sie ahnt nicht, was die Reise in ihre Heimatstadt, und damit in die Vergangenheit, für Gefahren mit sich bringt, welche Fakten plötzlich an die Oberfläche gespült werden.

Immer wieder wird man als Leser in die Irre geführt und erfährt plötzlich Wendungen, die man so nicht erwartet hatte. Erzählt wird die Geschichte aus zwei Perspektiven. Da ist zunächst die Sichtweise von Franks, die in der Gegenwart handelt und das Geschehen nach dem Fund der Leiche beleuchtet. Die zweite Sichtweise ist eine Rückblende etwa 17 Jahre zuvor. Dort erzählt Sophie in ihrem Tagebuch, was einige Wochen vor ihrem Verschwinden geschah. Auch Sophies Perspektive wird wegen des Tagebuchs grammatikalisch im Präsens geschildert. Beide Freundinnen tragen zu dem Zeitpunkt ein dunkles Geheimnis in sich. Und aus Franks heutiger Sicht hat das dunkle Geheimnis vielleicht auch etwas mit Sophies Tod zu tun. Obwohl davon eigentlich kein anderer wissen konnte. Die beiden Perspektiven sind abwechselnd angeordnet, so dass der Leser immer wieder dem Geschehen etwas voraus ist in seinen Vermutungen.

Eine gut gestrickte Story, die aber etwas langatmig erzählt wurde. Viele Details sind ausschweifend und verzögern das Umblättern der Seiten. Nichtsdestotrotz überrascht der Roman im mit einem knalligen Ende und einer wiederkehrenden Spannung.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 25.07.2018

USA in all seinen dreckigen Facetten.

Im Morgengrauen
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Beim Ars vivendi Verlag ist dieser Tage ein Roman aus amerikanischer Lizenz erschienen, den es sich lohnt, zu lesen.

In dem kleinen Örtchen Wild Thyme in Pennsylvania ist eigentlich nicht Mal so viel ...

Beim Ars vivendi Verlag ist dieser Tage ein Roman aus amerikanischer Lizenz erschienen, den es sich lohnt, zu lesen.

In dem kleinen Örtchen Wild Thyme in Pennsylvania ist eigentlich nicht Mal so viel los, dass es für einen Polizisten reicht. Doch Officer Henry Farrell wollte zurück in seine Heimatstadt und hatte Glück, als dort der Posten eines Ordnungshüters geschaffen wurde. Wenn man aber denkt, im amerikanischen Hinterland könne nichts passieren, der hat sich getäuscht. Die junge Mutter Penny Pellings ist verschwunden. Gemeldet hat das ihr Freund, beide sind Junkies, haben nicht gerade reine Westen und ihnen wurde vom Jugendamt bereits das Kind entzogen.

Damit begibt sich der Leser zusammen mit Farrell in den Sumpf der amerikanischen Gesellschaft. Wie bei den Romanen von Smith Henderson (Montana) oder die von James Lee Burke wird nichts beschönigt. Da geht es nicht um Schickimicki-Ermittlungen. Hauptrolle im vorliegenden Roman sind die Menschen in der untersten Schicht, die in Dreck und Armut leben, und versuchen mit Verbrechen herauszukommen. Man erlebt den Ermittler, der nebenbei jobbt und Häuser baut, seine privaten Probleme zu klären versucht, von der Unschuld einzelner Verdächtiger, die bereits mit einem Bein im Knast sind, überzeugt ist, und der dennoch nie seinen Fall von der vermissten Penny zu lösen vergisst.

Erzählt wird die ganze Geschichte in einem sehr nüchternen, fast emotionslosen Schreibstil wie die Reportage eines Journalisten. Dabei wird nicht mit Details gespart, es gibt Gerüche, Geräusche und alles, was dazugehört. Trotzdem schafft es der Ich-Erzähler Farrell nicht, mir seine Gefühlswelt zu vermitteln. Nun gut, jeder Schriftsteller hat seinen eigenen Stil, es ist lediglich ein Umstand, der mir aufgefallen war.

Bevor Tom Bouman selbst zu schreiben begann, arbeitete er als Lektor. Für seinen Debütroman "Auf der Jagd" (deutsche Übersetzung ebenfalls bei ars vivendi erschienen) erhielt er 2015 den anerkannten Edgar Award für Debüts.

Ein ruhiger Kriminalroman über das Hinterland der USA, in all seinen dreckigen Facetten.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 17.07.2018

frisch, spaßig, interessant, spannend

Post für den Mörder
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Dem Autor, langjähriger Cornwall-Fan- und -Kenner und lange Zeit im ZDF für die Rosamunde-Pilcher-Filme verantwortlich, ist in seinem Debütroman seine Liebe zum südenglischen Landstrich anzumerken. Die ...

Dem Autor, langjähriger Cornwall-Fan- und -Kenner und lange Zeit im ZDF für die Rosamunde-Pilcher-Filme verantwortlich, ist in seinem Debütroman seine Liebe zum südenglischen Landstrich anzumerken. Die Kriminalhandlung dieses Romans kommt dabei trotzdem nicht zu kurz.

In dem kleinen Küstenort Fowey zwischen Plymouth und St. Austell kennt jeder jeden. Es geht beschaulich zu. Daphne radelt mit ihrem Fahrrad durch den Ort und trägt die Post aus. Als es ihr in dem Haus einer Künstlerin etwas merkwürdig wird, findet etwa zur gleichen Zeit Daphnes Mann Francis den ortsansässigen Reeder Hammett tot im Hafenbecken. Als dann schließlich die verschwundene Künstlerin und ihr Bruder, der Pfarrer der Gemeinde, ebenfalls tot aufgefunden werden, wird es höchste Zeit für den Auftritt des Chief Inspectors. Er wurde aus London in den Westen versetzt und war in seinen jüngeren Jahren extrem kurze Zeit zusammen mit Daphne ein Paar. Das kann eigentlich nur Ärger bedeuten.

Liebevoll und mit viel Details hat sich Chatwin einen humorvollen Krimi ausgedacht. Das Lokalkolorit ist umwerfend detailliert und zeugt von den Kenntnissen des Autors. Die Beschreibungen sind bildreich und geben auch dem Nicht-Cornwall-Leser das Gefühl, diesen wunderschönen Landstrich beim Lesen zu erleben. Das bezieht auch die Einwohner Cornwalls ein. Ihre spröde, zurückhaltende, aber doch liebenswerte Art wird sehr gut herrübergebracht.

Die Figurenkonstellation ist auf Kommödie ausgelegt. Schnell wird klar, dass Daphne, die ihren Namen von der Schriftstellerin Daphne de Murier, welche ebenfalls in diesem Ort lebte, hat, die auflösende Hobbyermittlerin ist. Miss Marple von Agatha Christie und Miss Mable von Rebecca Michéle lassen grüßen. An ihrer Seite allerdings mit ebenso hoher Aufklärungsquote ihr Mann Francis. Gegenpol dieser beiden ist der ursprünglich von hier stammende, nun zurückversetzte DCI James Vincent. Arrogant und selbstherrlich, natürlich stets auf der falschen Spur und abgelenkt vom Besuch des Prince of Wales.

Frischer, spaßmachender und interessanter Krimi für alle cornwallaffinen Leser und solche, die es werden wollen.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2018