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Veröffentlicht am 04.12.2022

Zu viel Vertrauen ist häufig eine Dummheit, zu viel Misstrauen immer ein Unglück. (Johann Nestroy)

Die Kunstschätzerin
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1866. Kunstkuratorin Eleanor Sheffield übernimmt nach dem Tod ihres Vaters das Familienunternehmen „Sheffield Brothers“, denn auch ihr Onkel ist gesundheitlich nicht auf der Höhe. Der Auftrag, als Verwalterin ...

1866. Kunstkuratorin Eleanor Sheffield übernimmt nach dem Tod ihres Vaters das Familienunternehmen „Sheffield Brothers“, denn auch ihr Onkel ist gesundheitlich nicht auf der Höhe. Der Auftrag, als Verwalterin für eine Kunstsammlung tätig zu werden, behagt Eleanor gar nicht, denn es handelt sich hierbei um das Erbe von Harry Lydney, in den sie einmal unglücklich verliebt war und vielleicht sogar geheiratet hätte. Harrys Vater hat mit dem Auftrag die Auflage verfügt, dass Eleanor entscheiden soll, ob sein Sohn die Sammlung erhalten soll, oder diese doch besser im South Kensington Museum aufgehoben wäre, da der verstorbene Lord befürchtet, Harry könnte einige Kunstwerke schnell zu Geld gemacht zu haben. Eleanor ist gar nicht wohl bei dem Gedanken, ihrer ehemaligen Liebe wieder gegenüber zu stehen, um den Auftrag auszuführen und ihn auf seine Ehrlichkeit hin zu überprüfen, nagen die Verletzungen und der Vertrauensbruch der Vergangenheit doch immer noch schwer an ihr…
Sandra Byrd hat mit „Die Kunstschätzerin“ einen historischen Roman vor der Kulisse des viktorianischen Englands vorgelegt, der den Leser nicht nur in die Bedeutung alter Kunstschätze sowie die Echtheitsprüfung zur damaligen Zeit unterweist, sondern auch mit einer komplizierten Liebesgeschichte unterhält, in der es um das Finden der Wahrheit und um die Zurückgewinnung von Vertrauen geht. Der flüssige und bildhafte Erzählstil lässt den Leser gedanklich ins 19. Jahrhundert nach England reisen, wo er an Eleanors Seite die Ereignisse hautnah miterleben darf. Eleanor ist kunstbegeistert und hat sich viel von ihrem Vater abgeschaut. Das Führen eines Geschäfts war zur damaligen Zeit für eine ledige Frau eher ausgeschlossen, da ihre geschäftlichen Möglichkeiten sehr beschränkt waren und ihr die Gesellschaft praktisch Fesseln anlegte. Obwohl die Arbeit an der Kunstsammlung des verstorbenen Lords eine Bereicherung für ihr Geschäft wäre, sind die damit verknüpften Auflagen ein großes Problem für Eleanor, da sie ihrer großen Liebe Harry auf den Zahn fühlen soll, der sie doch so schmählich im Stich gelassen hat, um dann mit einer anderen aufzutauchen. Eleanor muss klug und gewitzt handeln, ihre eigene Enttäuschung hinten anstellen und vor allem pragmatisch vorgehen, aber die eigenen Gefühle spielen ihr immer wieder einen Streich und erschweren ihr die Aufgabe. Die Autorin hat gut recherchiert und den historischen sowie gesellschaftlichen Hintergrund gekonnt mit ihrer Geschichte verwoben. Der christliche Aspekt wurde unaufdringlich hineingearbeitet und umfängt die Themen Vertrauen in Gott und das Finden der Wahrheit.
Die Charaktere sind gut ausgestaltet und mit realistischen menschlichen Ecken und Kanten versehen, die es dem Leser erlauben, ihnen auf leisen Sohlen zu folgen. Eleanor ist eine zurückhaltende Frau, die zwar einige Schicksalsschläge durchstehen muss, sich aber gerade in der damaligen Zeit mutig behauptet, sich nicht unterkriegen lässt und ihre innere Unsicherheit nicht an die Oberfläche geraten lässt. Harry ist ein charmantes Schlitzohr, dem sein Fehler aus der Vergangenheit wohl bewusst ist und der nichts unversucht lässt, diesen wieder gut zu machen.
„Die Kunstschätzerin“ ist ein unterhaltsamer historischer Roman, der vor der Kulisse des viktorianischen Englands neben einer komplizierten Liebesgeschichte vor allem die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten sowie die Rolle der Frau zur damaligen Zeit thematisiert. Verdiente Leseempfehlung für kurzweilige Lesestunden und eine ausgesprochen gute Recherchearbeit!

Veröffentlicht am 04.12.2022

Wer nichts waget, der darf nichts hoffen. (Friedrich Schiller)

Die Wiege der Hoffnung
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1935 Berlin. Die 17-jährige Luise Rosenbaum soll eines Tages die familieneigene Apotheke übernehmen und dafür Pharmazie studieren. Doch als Jüdin bleibt Luise aufgrund der herrschenden Politik der Nationalsozialisten ...

1935 Berlin. Die 17-jährige Luise Rosenbaum soll eines Tages die familieneigene Apotheke übernehmen und dafür Pharmazie studieren. Doch als Jüdin bleibt Luise aufgrund der herrschenden Politik der Nationalsozialisten der Zugang zur Universität verschlossen. Insgeheim liebt Luise neben ihrem Schulfreund, dem Italiener Emilio, die Malerei und träumt von einem Kunststudium, was gegen den Willen der Eltern wäre. Als die Nazis nicht nur immer schlimmer gegen die Juden vorgehen, sondern auch von ihnen als entartet bezeichnete Kunstwerke zerstören wollen, entscheidet sich Luise dafür, mit dem Feind zu kollaborieren, um so die Möglichkeit zu haben, sowohl jüdische Landsleute als auch Kunstwerke in Sicherheit zu bringen. Dann gerät sie selbst ins Visier der Nazis und flieht Hals über Kopf gemeinsam mit Emilio aus Deutschland in dessen Heimat Apulien…
Tara Haigh hat mit „Die Wiege der Hoffnung“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der den Leser in die dunkelste Zeit deutscher Geschichte zurückführt, wo er das Schicksal von Luise und ihrer Familie kennenlernen darf. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil nimmt den Leser mit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit, wo er sich schnell an der Seite von Luise wiederfindet, deren Gedanken- und Gefühlswelt sich ihm im Verlauf der Handlung immer mehr offenbart. Deutschland befindet sich im eisigen Griff der Nationalsozialisten, die mit ihrem braunen Gedankengut wahren Schrecken verbreiten. Als Juden hat auch Luises Familie darunter immer mehr zu leiden, obwohl Luises Vater sehr lange die Augen davor verschließt und nicht wahrhaben will, was um ihn herum passiert. Luise selbst lässt sich durch ihre Kollaboration mit den Nazis auf ein gefährliches Spiel ein, dass ihr gefühlsmäßig alles abverlangt. Das Umfeld spukt ihr verachtend ins Gesicht, gleichzeitig versucht sie heimlich, die Grausamkeiten zu ertragen, um andere Verfolgte zu retten. Die Autorin spiegelt nicht nur die damalige Zeit sowie das Verhalten der Bevölkerung sehr gut wieder, auch ihre Beschreibungen der gefährlichen und unsicheren Flucht nach Apulien werden sehr fesselnd geschildert, so dass dem Leser ein stimmiges Bild der Strapazen und Gefahren vermittelt wird. Besonders gut gelungen sind vor allem die zwischenmenschlichen Beziehungen sowie Luises Zerrissenheit, unterstützt ausgerechnet sie doch die Nazis, um andere zu retten, wobei sie und ihre Familie die nächsten sein könnten, die von den Nazis deportiert werden. Der Spannungslevel ist durchweg straff gehalten, wodurch die Nerven des Lesers konstant angespannt sind ob der nervenaufreibenden Handlung.
Die Charaktere wurden liebevoll ausgestaltet und in Szene gesetzt. Ihnen fehlt es nicht an glaubwürdigen menschlichen Ecken und Kanten, was es dem Leser leicht macht, sich an ihre Fersen zu heften und mitzufiebern. Luise muss aufgrund der für Juden schwierigen Lage schnell erwachsen werden. Sie ist mutig, strahlt Stärke aus und besitzt das Herz am rechten Fleck. Innerlich hadert sie mit sich selbst, ob ihr Handeln und Tun richtig ist, gleichzeitig hat sie mit der ihr entgegenschlagenden Verachtung zu kämpfen. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen und ist sich der Gefahr, die sie eingegangen ist, jederzeit bewusst. Emilio unterstützt Luisa in allen Lebenslagen und zeigt ihr dadurch immer wieder, wie viel sie ihm bedeutet. Luisas Vater ist einer dieser Menschen, der die Wahrheit nicht sehen will, weil er es einfach nicht glauben mag. Luisas Bruder Hans dagegen wandelt sich vom Getriebenen zum Jäger, findet darin das Ventil für seinen Zorn.
„Die Wiege der Hoffnung“ ist ein Roman vor historischem Hintergrund, der mit einer spannenden Handlung und einem fesselnden Erzählstil den Leser gut zu unterhalten weiß. Interessante Lektüre mit verdienter Empfehlung!

Veröffentlicht am 04.12.2022

Abschiede sind Tore in neue Welten. (Albert Einstein)

Labyrinth der Freiheit
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1922 Berlin. Während die Stadt unter unruhigen Zeiten leidet, die Inflation sowie Armut für die Menschen immer schlimmer wird und die gegenseitigen politischen Lager sich gnadenlos bekämpfen, halten Anwältin ...

1922 Berlin. Während die Stadt unter unruhigen Zeiten leidet, die Inflation sowie Armut für die Menschen immer schlimmer wird und die gegenseitigen politischen Lager sich gnadenlos bekämpfen, halten Anwältin Isi, Kameramann Carl und der umtriebige Arthur als alte Freunde und Dreigestirn eng zusammen. Als auf Isi in ihrem eigenen Zuhause ein Anschlag verübt wird, kann sie sich in letzter Minute retten, indem sie aus dem Fenster springt und als Folge davon ihr Baby verliert. Carl und Arthur eilen ihrer alten Freundin sofort zur Hilfe, und gemeinsam machen sie sich daran, die Strippenzieher des Anschlags aufzuspüren, wobei sie sich immer wieder Gefahren aussetzen und so manchen Schicksalsschlag überstehen müssen…
Mit „Labyrinth der Freiheit“ hat Andreas Izquierdo nun den finalen Band seiner „Wege der Zeit“-Trilogie vorgelegt, der den beiden Vorgängerbänden in punkto historische Fakten sowie durchgängige Spannung und liebenswerten Charakteren in nichts nachsteht. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil lässt den Leser gedanklich eine Reise in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts antreten, wo er sich unsichtbar unter das Freundeskleeblatt mischt und ihre Abenteuer hautnah aus der Sicht von Carl mitverfolgt. Isi als Kämpferin der Armen und Unterdrückten ist mit ihrem streitbaren Wesen einigen ein Dorn im Auge, und an ihr soll ein Exempel statuiert werden. Doch Isi ist nicht allein, denn ihre alten Freunde stehen verlässlich an ihrer Seite, obwohl sie sonst alle ihr eigenes Leben führen. Carl arbeitet inzwischen bei der UFA unter Regisseur Fritz Lang und ist bei der Entstehung des ersten Sprechfilmes dabei. Währenddessen fühlt sich Artur in der zwielichtigen Unterwelt wohl, wo er die Strippen zieht und mit seiner Gesichtsmaske einiges an Aufsehen erregt und so manchen das Fürchten lehrt. Gemeinsam müssen sie sich gegen mächtige Gegner behaupten, die ihre Spitzel und Helfershelfer anscheinend in allen wichtigen Instanzen der Stadt und der Politik sitzen haben. Izquierdo nutzt die Geschichte seiner drei Protagonisten dazu, die historischen Begebenheiten der damaligen Zeit als Hintergrundkulisse wunderbar miteinzuflechten. Der Leser darf nicht nur die Entwicklungen auf dem Filmset miterleben, sondern kann sich auch ein Bild der gesellschaftlichen und politischen Lage im damaligen Berlin machen. Die eingebettete Geschichte um das Dreigestirn sorgt für einen Spannungsbogen, der den Leser durchgängig atemlos hält und mitfiebern lässt.
Die Charaktere sind lebendig in Szene gesetzt und überzeugen mit menschlichen Eigenheiten, die sie dem Leser schnell ans Herz wachsen lassen. Unsichtbar folgt dieser ihnen, um alles aus erster Hand mitzuerleben. Isi ist eine energische, intelligente, mutige und kämpferische Frau, die sich den Mund nicht verbieten lässt und sich für andere einsetzt. Arthur genießt seine Rolle als entstellter Gauner, ihm fehlt es nicht an Selbstbewusstsein und der nötigen Cleverness, um sich durchzusetzen. Dabei versteckt er in sich ein gutes Herz. Carl ist der liebenswerte Ruhepol in dem Dreigestirn, der seinen Traum beim Film wahr gemacht hat, jedoch auch gerade dort oftmals verzweifelt. Aber für seine Freunde ist er immer da, auch wenn sich die drei nicht mehr so oft sehen wie früher.
„Labyrinth der Freiheit“ ist ein spannender historischer Roman um drei Freunde, die wie Pech und Schwefel zusammenhalten und füreinander einstehen. Ein gelungener Abschluss, der die Trilogie einmal mehr mit wunderbaren Charakteren und geschichtlichem Hintergrund krönt. Ein toller Pageturner, der dem Leser ein Wahnsinnskopfkino beschert und in alte Zeiten abtauchen lässt. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 20.11.2022

Die einzig sichere Freiheit liegt im Aufbruch. (Robert Frost)

Kinder des Aufbruchs
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1967 Berlin. Sechs Jahre nach ihrer dramatischen Flucht und dem Mauerbau und leben die Zwillingsschwestern Emma Laakmann und Alice Weiß mit ihren Familien nun in Westberlin. Während Emma als Dolmetscherin ...

1967 Berlin. Sechs Jahre nach ihrer dramatischen Flucht und dem Mauerbau und leben die Zwillingsschwestern Emma Laakmann und Alice Weiß mit ihren Familien nun in Westberlin. Während Emma als Dolmetscherin tätig ist, arbeitet Alice als Journalistin für eine Tageszeitung. Bei einem Übersetzungsauftrag in einem Kinderheim findet Emma einen kleinen Jungen in ihrem Auto, der sich als italienisches Waisenkind entpuppt und nicht das erste Mal aus dem Heim ausgebüchst ist. Emma, die gerade an einer Fehlgeburt zu knabbern hat und mit deren Ehe es momentan auch nicht zum Besten steht, nimmt sich des kleinen Luca an. Währenddessen steckt Schwester Alice mitten in der Berichterstattung über die Studentenunruhen anlässlich des Besuchs des Schah von Persien. Als die Sängerin Irma Assmann, eine ehemalige Bekannte aus Alice‘ Heimvergangenheit in der DDR mit Emma Kontakt aufnimmt und Alice davon erfährt, läuten bei ihr alle Alarmglocken, befürchtet sie doch, dass Irma sie oder ihre Schwester als Spionin für den KGB observieren soll. Der Hilferuf eines alten Bekannten aus dem Osten bringt die Zwillingsschwester nebst ihren Familien in größte Gefahr. Sie geraten zwischen die Aktivitäten der Geheimdienste von Ost und West…
Claire Winter hat mit „Kinder des Aufbruchs“ eine brillante Fortsetzung ihres Romans „Kinder ihrer Zeit“ vorgelegt, der das Schicksal der Zwillingsschwestern Emma und Alice sowie deren Familien weitererzählt und mit einem exzellent recherchierten historischen Hintergrund eng verknüpft ist. Der flüssige, bildgewaltige und atmosphärisch-dichte Erzählstil nimmt den Leser von der ersten Zeile an als Geisel, lässt ihn in die Zeit des Kalten Krieges reisen, wo er über Perspektivwechsel die Sichtweise sowie die Gedanken- und Gefühlswelt der einzelnen Protagonisten studieren darf. Emma und Alice haben sich mit ihren Ehemännern Max und Julius in Westberlin eingelebt, doch ihre Vergangenheit sowie ihre Gesinnung können sie nicht wie einen Handschuh abstreifen. Sie folgt ihnen wie ein unsichtbarer Schatten, um ihnen an der nächsten dunklen Ecke frech ein Bein zu stellen. Winter lässt nicht nur den Zeitgeist der damaligen Jahre wiederaufleben, sondern den Leser die Zerrissenheit, Angst, Schuldgefühle und das Misstrauen ihrer Protagonisten wunderbar spüren, die unterschwellig die Spannung immer mehr in die Höhe treiben, während auch in Berlin die Unruhen und die Spionage der unterschiedlichsten Geheimdienste einem Pulverfass gleichen, das jeden Moment explodieren kann. Viele historisch belegte Begebenheiten pflastern die Handlung, machen sie dadurch noch authentischer und lassen die Grenzen zwischen Fiktion und Wahrheit völlig verschwimmen. Als Leser hat man während der Lektüre nicht nur ein Wahnsinnskopfkino, sondern das Gefühl, selbst Teil der Geschichte zu sein.
Die Charaktere sind facettenreich und lebendig in Szene gesetzt, sie können den Leser mit ihren glaubwürdigen Eigenheiten sofort für sich einnehmen, der ihnen keine Sekunde von der Seite weicht. Emma ist eine freundliche und mitfühlende Frau, die sich für die Schwachen stark macht. Sie knabbert an einem Schicksalsschlag, doch lässt sie sich nicht unterkriegen. Alice kämpft mutig gegen die Schatten ihrer Vergangenheit, indem sie als Journalistin Missstände aufdeckt. Doch insgeheim ist Furcht ihr ständiger Begleiter. Aber auch Max und Julius können sich von den vergangenen Ereignissen noch nicht befreien, was ihnen den Blick in eine glückliche Zukunft verwehrt.
„Kinder des Aufbruchs“ lebt nicht nur von hervorragend inszenierten Protagonisten, sondern vor allem im Zusammenspiel mit dem brillant recherchierten historischen Hintergrund, der diesen Roman zu einer fantastischen Thrillerlektüre macht. Lebendige Schicksale und dramatische Handlungsabläufe lassen den Leser Geschichte leibhaftig erleben. Absolute Leseempfehlung für einen leuchtenden Stern am Bücherhimmel! Chapeau!!!

Veröffentlicht am 20.11.2022

In der New Yorker Luft liegt etwas, das den Schlaf unbrauchbar macht. (Simone de Beauvoir)

Die Frauen von New York – Kleider der Liebe
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1918 Paris. Vianne Mercier stammt aus einer gutsituierten Familie, die ein Antiquitätengeschäft betreibt. Ihre älteren Geschwister, die Zwillinge Anais und Jacques, sind beide an der Kriegsfront, während ...

1918 Paris. Vianne Mercier stammt aus einer gutsituierten Familie, die ein Antiquitätengeschäft betreibt. Ihre älteren Geschwister, die Zwillinge Anais und Jacques, sind beide an der Kriegsfront, während Vianne mit ihrer Mutter Strickwaren herstellen. Als ihre Geschwister zu Ostern endlich Heimurlaub haben und man sich auf gemeinsame Feiertage freut, wird ausgerechnet ein Kirchenbesuch für die Familie zu einem Alptraum. Viannes Mutter und Schwester sterben durch eine auf die Kirche gerichtete Bombe, während Vianne sich gerade auf dem Heimweg befindet. Ihr Vater verkraftet den Verlust seiner geliebten Frau nicht und stirbt kurz danach, während Jacques Vianne unbarmherzig vor die Tür setzt, um fortan mit seiner neuen Ehefrau in der Familienwohnung zu leben. Vianne, die schon immer davon geträumt hat, sich als Designerin einen Namen zu machen, lässt Paris hinter sich und reist mit dem Schiff nach New York. Schon auf dem Schiff macht sie eine Begegnung, die die Weichen für ihre Zukunft stellt…
Ella Carey hat mit „Kleider der Liebe“ den dritten Band ihrer historischen Reihe „Frauen von New York“ vorgelegt, in dem auch diesmal eine junge Auswanderin ihr Glück in der amerikanischen Metropole sucht. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Schreibstil lässt den Leser schnell an Viannes Seite sinken, um diese bei ihrem Abenteuer zu begleiten und dabei gleichzeitig ihre Gedanken- und Gefühlswelt aufzusaugen. Die Geschichte spannt sich über einen Zeitraum von 1918 bis 1925 und wird hauptsächlich aus der Sicht von Vianne erzählt, aber es gibt mit einigen Kapiteln von Anais auch eine interessante Wendung, die für einige Überraschungen sorgt. Als Vianne nach New York kommt, hat sie durch ihre Hilfsbereitschaft auf dem Überseeschiff schon eine Empfehlung und eine Adresse an der Hand, wo sie alsbald als Designerin und Mädchen für alles ihren Traum leben kann. Sie arbeitet hart und unermüdlich an ihren Entwürfen, setzt diese mit viel Liebe zum Detail in die Tat um und erhält schon bald die ersehnte Anerkennung, um ihre Karriere auszubauen. Als berufstätige Frau entspricht sie nicht dem üblichen Rollenklischee der amerikanischen Gesellschaft, sobald sie heiraten würde, könnte sie ihrer geliebten Tätigkeit nicht mehr nachgehen. Die Begegnung mit dem Restaurantbesitzer Giorgio, mit dem sie schnell viel verbindet, würde ihrer Karriere im Wege stehen. So ist Vianne stets in einem Zwiespalt, wie sie sich entscheiden soll. Die im letzten Drittel sich überschlagenden Ereignisse treiben die Spannung gut in die Höhe und bieten einiges an Überraschung.
Die Charaktere sind liebevoll in Szene gesetzt und können den Leser mit ihren authentischen menschlichen Zügen schnell einfangen, der ihnen wie ein Schatten folgt, hofft, bangt und mitfiebert. Vianne wirkt zu Beginn noch etwas naiv, muss aber schnell lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Ihre Freundlichkeit, Wärme und Hilfsbereitschaft sowie ihre Entschlossenheit öffnen ihr schnell so manche Tür, wo sie dann mit Fleiß und Talent überzeugen kann. Eloise ist eine strenge, aber liebenswerte Chefin, die ihre Angestellten zu Höchstleistungen anspornt, insgeheim voller Selbstzweifel und in einer Schaffenskrise steckt. Jacques ist ein unbarmherziger Mann ohne jegliches Gefühl. Giorgio ist ein liebenswerter Kerl mit viel Familiensinn, der sich seinen Traum von einem gutbesuchten Restaurant erfüllen will.
„Kleider der Liebe“ ist eine unterhaltsame Lektüre, die historischen Hintergrund mit dem Rollenbild der damaligen Zeit sehr schön verbindet. Die Mischung aus Familiengeschichte, Liebe sowie die detaillierte Beschreibung der Kleiderentwürfe und Designs vor der Kulisse New Yorks sorgt für schöne und kurzweilige Lesestunden. Verdiente Empfehlung!