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Veröffentlicht am 14.07.2019

"Glaube ohne Liebe ist nichts wert." (Martin Luther)

Auf den zerbrochenen Flügeln der Freiheit
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1912 Irland. Die junge Nonne Rose wird in ein Dubliner Magdalenen-Kloster mit angeschlossener Wäscherei strafversetzt, denn sie hat ihren eigenen Kopf und kann sich den vorgeschriebenen Regeln nicht immer ...

1912 Irland. Die junge Nonne Rose wird in ein Dubliner Magdalenen-Kloster mit angeschlossener Wäscherei strafversetzt, denn sie hat ihren eigenen Kopf und kann sich den vorgeschriebenen Regeln nicht immer vorbehaltlos beugen. Als sie ihre neue Wirkungsstätte genauer in Augenschein nimmt, stößt sie auf unglaubliche Zustände, die ihr regelrecht zuwider sind. Die Frauen, die in den Wäschereien unter schlimmsten Bedingungen arbeiten, sind junge ledige Mütter, verstoßene Töchter und Ehefrauen sowie gefallene Mädchen, die man von der Straße direkt dorthin verfrachtet hat und die hinter den Klostermauern ihr Dasein wie in einem Gefängnis fristen, wobei ihr Körper und ihr Geist durch Misshandlungen, Schläge und Vergewaltigungen gebrochen ständig aufs Neue gebrochen wird. Als Rose feststellen muss, dass auch Priester sich an den Frauen vergehen, begeht sie den Fehler, ihre Beobachtungen der Oberin mitzuteilen, die daraufhin Roses Bewegungsradius extrem einschränkt und unter Strafe stellt. Rose freundet sich mit den beiden Arbeiterinnen Cindy und Fiona an, mit denen sie dann aus dem Kloster flieht. Doch auch das Leben außerhalb der Klostermauern ist kein Zuckerschlecken, denn sie geraten mitten hinein in den irischen Freiheitskampf…
Rebecca Michéle hat mit „Auf den zerbrochenen Flügeln der Freiheit“ einen sehr berührenden und schonungslosen Roman mit historischem Hintergrund vorgelegt, der den Leser ins Herz und in der Seele trifft und noch lange nach der Lektüre im Gedächtnis bleiben wird. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, der Leser taucht schnell ein in die vergangene Zeit, um nicht nur Rose bei ihrem Weg zu begleiten, sondern auch Cindy, Fiona und die anderen leidgeprüften Frauen kennenzulernen, deren Geschichte hier von der Autorin unverblümt offen gelegt wird. Auch wenn die Personen fiktiv sind, sind die Zustände in den Magdalenen-Wäschereien historisch belegt und treiben dem Leser während der Lektüre Gänsehaut über dem Rücken ob der Misshandlung und vor allem auch Missachtung der dort hart arbeitenden Frauen. Die Autorin wagt sich mit ihrer Geschichte an ein heißes Eisen, denn man mag kaum glauben, dass all diese Grausamkeiten unter dem Deckmantel der Kirche und im Namen des Glaubens stattgefunden haben, deshalb verwundert es auch nicht, dass die Kirche sich bis heute nicht für ihre Taten entschuldigt hat, sondern vielmehr diese unter den Tisch kehren möchte und hierfür ihre Macht zusätzlich missbraucht. Umso mehr muss man den Frauen Respekt zollen, die dieses Märtyrium ertragen und sich sogar auf die eine oder andere Art davon befreien konnten.
Die Charaktere sind sehr lebensecht skizziert, sie wirken authentisch und glaubwürdig, so dass der Leser sich ihnen schnell nah fühlt, ihren Leidensweg mitträgt und ein ums andere Mal den Tränen nahe fühlt über die Unbarmherzigkeit und die Menschenverachtung, deren sie ausgesetzt sind. Rose ist eine Frau, deren Leben unerschütterlich mit ihrem Glauben verbunden ist. Sie ist warmherzig, besitzt einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und zweifelt ob der ihr gebotenen Zustände an dem Wirken ihrer Glaubensschwestern und –brüder. Cindy ist starke Frau, die man nur bewundern kann, denn sie kämpft sich durch Schläge und Misshandlungen durch, ohne ihre Hoffnung zu verlieren. Fiona muss ebenfalls einiges einstecken und oftmals denkt man, dass sie daran zerbricht. Doch sie klammert sich an das Leben und hofft darauf, den furchtbaren Klostermauern irgendwie zu entkommen. Die Freundschaft mit Cindy gibt ihr den nötigen Halt, die Zähne zusammenzubeißen.
„Auf den zerbrochenen Flügeln der Freiheit“ ist ein hervorragend recherchiertes düsteres Zeitzeugnis irischer Geschichte mit fiktiven Elementen, das viele lieber verborgen gesehen hätten, doch durch den Mut der Autorin endlich das Licht erblickt hat. Ein historischer Roman der Extraklasse, der zum Nachdenken anregt und gleichzeitig mahnt, dass solche Dinge niemals wieder passieren dürfen. Absolute Leseempfehlung! Chapeau!

Veröffentlicht am 14.07.2019

Wenn der Druck der Gesellschaft zu groß ist...

Die Töchter der Villa Weißenfels
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2018 Münster. Ein medizinischer Test bringt die Gewissheit, dass Valeries 90-jährige Großmutter Annemarie und ihre Schwester keine gemeinsamen Eltern haben. Das stößt Annemarie in ein regelrechtes Gefühlschaos, ...

2018 Münster. Ein medizinischer Test bringt die Gewissheit, dass Valeries 90-jährige Großmutter Annemarie und ihre Schwester keine gemeinsamen Eltern haben. Das stößt Annemarie in ein regelrechtes Gefühlschaos, das Enkelin Valerie dazu veranlasst, den Umständen auf die Spur zu kommen, die zu einer lebenslangen Lüge geführt haben, die sich nicht einmal Annemarie erklären kann. In Annemaries Geburtsort Nürnberg beginnt Valerie mit ihren Nachforschungen und bekommt eine Anstellung im Haus der alteingesessenen Unternehmerfamilie Weißenfels, die in den 20er Jahren der Arbeitgeber von Annemaries Mutter Lydia war. Alte Aufzeichnungen bringen einige verstörende Dinge zutage, die Valerie kaum glauben kann. Dass sie in Juniorchef Alexander ihre große Liebe findet, macht die Suche für Valerie nicht leichter…
Elaine Winter hat mit „Die Töchter der Villa Weißenfels“ einen historisch angehauchten Roman vorgelegt. Der Erzählstil ist flüssig und katapultiert den Leser schnell in die Geschichte hinein. Durch wechselnde Perspektiven und Zeitebenen enthüllt die Autorin dem Leser nach für nach das Geheimnis. So beschäftigt sich die Gegenwart an Valeries Seite mit der Aufklärung der alten Geschichte, während die Vergangenheit in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts die Umstände erklärt und wie es zu den diversen Handlungen überhaupt gekommen ist. Die Autorin lässt die gesellschaftlichen Werte und Normen der damaligen Zeit wieder lebendig werden und macht deutlich, dass Ansehen und der Stand in der Gesellschaft für viele ungemein wichtig waren, der Ruf einer Familie davon abhing, mit wem man sich einließ, was dem Spruch „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“ einmal mehr Rechnung trug. Ein Spannungsbogen sowie eingestreute Überraschungsmomente fehlen in dieser Handlung gänzlich, so dass die Geschichte recht vorhersehbar und oberflächlich konstruiert ist, so dass dem Buch das gewisse Etwas fehlt und es hervorstechen lässt.
Die Charaktere wirken recht blass und können nicht wirklich überzeugen. So wird keine Nähe zum Leser geschaffen, die Protagonisten bleiben Fremde, mit denen man sich weder identifizieren noch mit ihnen fühlen kann, so dass ein Abstand immer gewahrt bleibt. Valerie liebt ihre Großmutter und besitzt genügend Neugier sowie Eigeninitiative, um die Geschichte um Annemaries Geburt herauszufinden. Annemarie selbst ist eine alte Dame, die zeitlebens eine Geschichte geglaubt hat, die sich nun als Lüge entpuppt. Ihrer Herkunft praktisch beraubt, steht sie im Alter von 90 da und kennt nicht einmal ihre wahren Wurzeln. Alexander ist der Erbe eines Unternehmens, dessen Familie vor langer Zeit zu Mitteln griff, um ihr Gesicht zu wahren. Nun kommen die Lügen und Vertuschungen ans Licht, die auch für ihn nicht leicht zu verdauen sind.
„Die Töchter der Villa Weißenfels“ ist unterhaltsam und ganz nett für zwischendurch. Der ganz große Wurf ist es leider nicht, das kann die Autorin viel besser.

Veröffentlicht am 14.07.2019

La ricerca sul lago di Garda

Dolci schmecken nur zu zweit
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Die impulsive Moniga hat die Nase voll von ihrem Job in der Werbeagentur und nach einem Zerwürfnis mit ihrem Chef wirft die 29-Jährige kurzerhand ihren Job hin. Die Zeit kann sie nun sinnvoller nutzen ...

Die impulsive Moniga hat die Nase voll von ihrem Job in der Werbeagentur und nach einem Zerwürfnis mit ihrem Chef wirft die 29-Jährige kurzerhand ihren Job hin. Die Zeit kann sie nun sinnvoller nutzen und backt nach dem Rezept ihrer Mutter Susanna einen Zitronentarte, den sie ihrer Großmutter Klara bei einem Besuch mitbringt. Während ihres Aufenthalts bei ihrer Oma schwelgt diese in Erinnerungen an einen gemeinsamen Urlaub mit ihrer Tochter Susanna am Gardasee vor Monigas Geburt. Da Moniga ihren Vater nie kennengelernt hat und sie mehr hinter der Geschichte vermutet, reist sie mit ihrer gutbetuchten Oma nach Italien, um deren Gedächtnis etwas auf die Sprünge zu helfen, vielleicht kommt Moniga ja so ihrem Vater auf die Spur. Doch die Suche erweist sich als nicht so einfach, bis sie in einer Speisekarte die Zitronentarte ihrer Mutter entdeckt. Aber auch die Bekanntschaft mit Vespafahrer Francesco macht den Aufenthalt spannend…
Andea Rossini hat mit „Dolci schmecken nur zu zweit“ einen sehr amüsanten, gefühlvollen und unterhaltsamen Roman vorgelegt, der dem Leser nicht nur ein schönes Kopfkino beschert, sondern gleichzeitig auch die fröhliche italienische Lebensart vermittelt und so mit der Lektüre einen Kurzurlaub im Alltag ermöglicht. Der Schreibstil ist locker-flüssig, farbenfroh und mit dem nötigen Witz gespickt, so dass der Leser schnell in die Seiten abtauchen kann, um sich mit Oma Klara und Moniga auf eine aberwitzige Reise zu machen in der Hoffnung, dass sich wenigstens einige Erwartungen der Frauen erfüllen mögen. Angefüllt mit italienischen Gaumenfreuden, die schon beim Lesen Magenknurren verursachen und einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, bringt der Autor den Leser mit witzigen Dialogen und tollen Landschaftsbeschreibungen in den Urlaubsmodus. Durch gut platzierte Rückblenden in die Vergangenheit sowie die Nähe zu den Protagonisten erlebt der Leser eine ungewöhnliche und abenteuerliche Reise, während des Rätsels Lösung Stück für Stück offenbart wird.
Die Charaktere sind mit viel Leben gefüllt, sie wirken menschlich, authentisch sowie individuell, was es dem Leser ausgesprochen leicht macht, sich in ihrer Gesellschaft wohl zu fühlen und die Reise zu genießen. Moniga ist eine impulsive Frau, die immer wieder Chaos um sich herum verbreitet. Doch sie nimmt das Leben mit einer gewissen Leichtigkeit und Optimismus, dafür muss man sie einfach mögen. Und ihr Verhältnis zu Oma Klara ist von so viel Liebe und Zuneigung geprägt, das man gar nicht anders kann, als sie ins Herz zu schließen. Oma Klara ist der heimliche Star der Geschichte, die alte Dame leidet zwar unter Gedächtnislücken, die als beginnende Demenz bezeichnet werden, jedoch trägt sie das Herz auf der Zunge und zwingt den Leser geradezu, in Lachsalven auszubrechen, wenn sie mal wieder für einige Verwirrung sorgt. Aber auch Francesco und der Duce tragen zum Unterhaltungswert dieser Geschichte wesentlich bei.
„Dolci schmecken nur zu zweit“ ist ein rundum unterhaltsamer Sommerroman, der nicht nur das Herz des Lesers mit Witz und italienischem Charme erobert, sondern auch mit schönen Bildern und jeder Menge Köstlichkeiten aufwartet, von denen man während der Lektüre träumen kann. Tolle Urlaubseinstimmung und herzige Lesemomente, die eine Leseempfehlung auf jeden Fall verdient haben.

Veröffentlicht am 13.07.2019

"Leben ist das was passiert, während du beschäftigt bist, andere Pläne zu machen." (J. Lennon)

Windstärke Liebe
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Ihre Selbständigkeit als Schmuckdesignerin hat Clara Ritter bisher kein Glück gebracht, denn die Nachfrage ist gering und ihre Kreativität ist momentan gleich null. Kein Wunder, wenn man in einem winzigen ...

Ihre Selbständigkeit als Schmuckdesignerin hat Clara Ritter bisher kein Glück gebracht, denn die Nachfrage ist gering und ihre Kreativität ist momentan gleich null. Kein Wunder, wenn man in einem winzigen WG-Zimmer wohnen muss und kein eigenes Leben hat. Ausgerechnet in dem Moment, als Clara die Nachricht vom Unfall ihrer Großmutter Charlotte bekommt, steht ihre ältere Schwester Leni vor der Tür, um die jüngste Schwester Sophie bei ihr abzuladen, denn Leni hat einen Urlaub auf den Malediven geplant. Da in der WG kein Platz ist und Clara sowieso bei Charlotte nach dem Rechten sehen will, nimmt sie Sophie kurzerhand mit an den Bodensee, obwohl das Verhältnis der beiden momentan mehr als schlecht ist. Im Haus ihrer Oma angekommen, muss sich Clara nicht nur mit dem schlechten Benehmen von Sophie, der kranken Charlotte und ihrer eigenen Ideenlosigkeit auseinandersetzen, sondern lernt auch noch den attraktiven Nachbarn und Bootsbauer Justus kennen, der bald öfter in ihren Gedanken rumschwirrt als ihr lieb ist. Wird Clara ihre Baustellen endlich los und bald mal wieder durchatmen können?
Jana Lukas hat mit Ihrem Buch „Windstärke Liebe“ einen unterhaltsamen und gefühlvollen Roman vorgelegt, der mit flüssig-leichtem, farbenfrohem und einfühlsamem Schreibstil den Leser schnell einfängt und in die Geschichte hineinzieht, wo er sich als unsichtbarer Gast mitten unter Clara, Sophie, Justus, Charlotte, Kati und Anton mischt, um die zwischenmenschlichen Beziehungen untereinander kennenzulernen und das eine oder andere Rätsel zu lösen, das die Akteure umtreibt. Geschickt lässt die Autorin die richtige Dosis an familiären Zwistigkeiten, Alltagssorgen sowie an Gefühl in ihre Geschichte hineinfließen, um daraus ein schönes Süppchen aus Romantik und Normalität zu kochen, in dem sich jeder Leser irgendwie wohlfühlt und wiederfindet. Die Handlung besitzt keinen großen Spannungsbogen, fasziniert aber durch die Schicksale der einzelnen Protagonisten. Auch die Beschreibung der Örtlichkeiten sind detailliert und bildgewaltig, so dass der Leser sich geradezu in die malerische Landschaft hineinträumen kann, wobei er sich seinen Lieblingsplatz wohl unter „Signore Albero da Noli“, einem Zitronenbaum, oder am Bootssteg suchen würde.
Mit der Ausarbeitung ihrer Charaktere hat die Autorin ein gutes Händchen bewiesen, denn sie wirken nicht nur überzeugend lebendig, sondern auch sehr menschlich und authentisch, wobei gerade ihre individuellen Ecken und Kanten sie besonders liebenswert machen. Clara musste in letzter Zeit so einiges einstecken und befindet sich gerade auf dem Tiefpunkt. Sie hat ihr Selbstvertrauen verloren, dass sie sich erst wieder erobern muss. Clara ist offen, ehrlich und kümmert sich um die, die ihr am Herzen liegen. Sophie ist ein rebellischer und verzickter Teenager, der immer das Gegenteil von dem macht, was von ihr erwartet wird, einfach nur, um aus der Reihe zu tanzen. Dass sie dabei oftmals das Nachsehen hat, macht sie nicht schlauer, sondern nur noch wütender. Dabei tut sie sich nur selbst weh mit ihren Aktionen. Charlotte ist eine Grand Dame, als ehemalige Operndiva hat sie in der Familie die Zügel in der Hand. Sie besitzt ein liebendes Herz, genug Weisheit und Lebenserfahrung, die sie immer zu rechten Zeit eingreifen und lenken lässt. Justus ist ein feiner Kerl, der sich selbst gerade von seiner Familie abgenabelt hat, um endlich auf eigenen Beinen zu stehen. Er ist feinfühlig und lässt sich von Charlotte ein ums andere Mal wunderbar austricksen. Nachbarsjunge Anton besitzt die Gabe, einen Zugang zu Sophie zu finden. Aber auch Kati wird nicht nur eine Freundin Claras, sondern erweist sich auch als Glücksbringen.
„Windstärke Liebe“ ist ein schöner und unterhaltsamer Sommerroman, der eine kurzweilige Auszeit vom Alltag beschert. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 13.07.2019

"Die Geburt bringt nur das Sein zur Welt; die Person wird im Leben erschaffen." (Théodore Jouffroy)

Aufbruch in ein neues Leben
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1917 Berlin. In der neuen Hebammenschule in Neukölln treffen Edith, Luise und Margot zum ersten Mal aufeinander, denn sie haben sich einen Platz für die Ausbildung sichern können. Während ihrer Ausbildung ...

1917 Berlin. In der neuen Hebammenschule in Neukölln treffen Edith, Luise und Margot zum ersten Mal aufeinander, denn sie haben sich einen Platz für die Ausbildung sichern können. Während ihrer Ausbildung freunden sich die drei sehr unterschiedlichen jungen Frauen an. Edith stammt aus einem reichen jüdischen Unternehmerhaushalt, eine standesgemäße Heirat schon vorgeplant ist. Doch Edith steht mehr der Kopf nach Eigenständigkeit, deshalb bricht sie mit ihren Eltern. Margot dagegen kommt direkt aus Neukölln, lebt in einer Kellerwohnung in ärmlichsten Verhältnissen und verdankt ihre Ausbildung der Fürsorge. Luise ist ein Kind vom Land und wuchs bei ihrer Großmutter in Ostpreußen auf, nachdem ihre Eltern früh gestorben sind. Ihre Oma ist Hebamme und ein Vorbild für Luise, von ihr konnte sie sich schon so einiges abschauen. Sowohl Edith als auch Luise und Margot müssen während des Ersten Weltkrieges einige Herausforderungen in ihrer Ausbildung überstehen. Werden sie diesen gewachsen sein?
Linda Winterberg hat mit „Aufbruch in ein neues Leben“ einen wunderbaren und unterhaltsamen Auftakt Ihrer Hebammen-Trilogie vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, bildgewaltig, atmosphärisch dicht und gefühlvoll, so dass der Leser mit den ersten Zeilen geradezu in die Geschichte hineingesogen wird und erst wieder in der Gegenwart auftaucht, wenn deren Ende erreicht ist. Durch die geschickte Erzählweise der Autorin darf der Leser Edith, Margot und Luise hautnah begleiten und dabei viel über ihre Vergangenheit, ihre Gefühls- und Gedankenwelt erfahren. Gleichzeitig lässt die Autorin den akribisch recherchierten historischen Hintergrund in ihre Handlung fließen, macht den Ersten Weltkrieg wieder lebendig, das Elend der Menschen wieder spürbar sowie die täglichen Herausforderungen wie Hunger und Kälte, die sich dadurch ergeben. Auch das Leben an der Hebammenschule darf der Leser miterleben, die Augenblicke der Geburt ebenso wie die Trauer um ein verlorenes Kind. Die Schilderungen sind so spannend, plastisch und gefühlvoll, dass man das Gefühl hat, selbst mit dabei zu sein, um sowohl die Freude als auch das Leid der Menschen zu teilen. Gleichzeitig wächst in einem selbst der Respekt vor allen, die dieser Zeit getrotzt haben und sich mutig mit den Gegebenheiten arrangierten, um irgendwie zu überleben.
Die Charaktere sind sehr detailliert entworfen, sie sprühen vor Lebendigkeit und schleichen sich mit ihren individuellen Eigenschaften in das Herz des Lesers, der sich in ihrer Mitte rundum wohlfühlt und mit ihnen fiebert, leidet und hofft. Edith ist eine eindrucksvolle junge Frau, sie bricht mit ihrer Familie, weil sie ihr Leben nach eigenen Überzeugungen und frei von elterlichen Vorschriften sowie Standesdünkel führen möchte. Sie besitzt Mut, genügend Abenteuerlust und einen absoluten Drang nach Freiheit. Luise ist behütet von ihrer Großmutter auf dem Land groß geworden, nun kommt sie in die Großstadt. Durch ihre Oma hat sie schon eine gewisse Vorbildung, ist einfühlsam und wissbegierig, ihre Kenntnisse zu vervollkommnen. Margot ist eine Kämpfernatur, die sich bereits durch schwierige Situationen lavieren musste. Nun hat sie die Chance, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Sie besitzt eine innere Stärke und lässt sich nicht entmutigen. Aber auch Protagonisten wie Oberhebamme Marquart oder Frieda geben der Handlung zusätzlich Menschlichkeit und Authentizität.
„Aufbruch in ein neues Leben“ ist ein fesselnder und gefühlvoller historischer Roman, der eine absolute Sogwirkung besitzt. Wunderbar erzählter Pageturner, der ein tolles Kopfkino hervorruft, aber auch zum Nachdenken anregt und süchtig nach Band 2 werden lässt. Absolut verdiente Leseempfehlung!