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Veröffentlicht am 06.11.2022

Janz Berlin war eene Wolke – nur icke war zu sehn.

Die Wintergarten-Frauen. Der Traum beginnt
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20er Jahre Berlin. Die 20-jährige Nina von Veltheim träumt schon lange davon, berühmt zu werden. Bereits als Kind hat sie Theaterstücke für die Familie aufgeführt, doch eigentlich ist es nicht nur das ...

20er Jahre Berlin. Die 20-jährige Nina von Veltheim träumt schon lange davon, berühmt zu werden. Bereits als Kind hat sie Theaterstücke für die Familie aufgeführt, doch eigentlich ist es nicht nur das Schauspielen, dass Nina lebendig werden lässt, sie giert nach Macht und Anerkennung, die sie sich nur als namhafte Regisseurin vorstellen kann. Deshalb hält es sie auch nicht auf dem familieneigenen Gutshof in der Uckermark. Mit der Unterstützung ihrer Familie und vor allem durch Zwillingsbruder Carlo kommt Nina nach Berlin, wo sie sich in Zeiten von Wohnungsnot, Hunger und überall präsenter Armut mit riesigem Kraftaufwand durchschlagen muss, damit ihr Traum wahr wird, in dem bisher nur Männer das Sagen haben…
Charlotte Roth hat mit „Der Traum beginnt“ den Auftakt für ihre historische „Wintergarten-Frauen“-Trilogie vorgelegt, der den Leser nicht nur in die 20er Jahre des alten Berlins, sondern zudem mit kunstfertiger Erzählkunst in die schillernde Welt des Theaters entführt. Der flüssige und farbenprächtige Schreibstil lässt den Leser schnell an die Seite von Nina gleiten und dort hautnah ihr Schicksal miterleben. Für Nina ist der Romantitel Programm, denn sie hat sich nichts sehnlicher gewünscht, als ein bedeutender Teil der Theaterwelt zu werden. Während der Leser Nina zu ihren Vorsprechterminen begleitet, ihre Verwandlung auf der Bühne registriert oder ihre Fähigkeit bewundert, wie sie andere Kunstschaffende um sich schart, erlebt der Leser aber auch das andere Berlin, wo die Menschen jeden Tag ihre persönlichen Kämpfe gegen die herrschende Armut und den Hunger austragen. Die Autorin hat hervorragend recherchiert und das alte Berlin mit seinen unterschiedlichen Gesellschaftsschichten sowie der damaligen politischen Lage gekonnt mit ihrer Handlung verwoben. Das Geld ist immer weniger wert und die Arbeitslosigkeit nimmt zu, was den Nationalsozialisten den geeigneten Nährboden für ihre krude Politik ebnet. Mittendrin versucht Nina sich mit ihren neugefundenen Freundinnen Sonia und Jenny gegen eine machtgierige und arrogante Männerwelt zu stemmen, die Frauen so gar nichts zutrauen.
Die Charaktere sind mit glaubwürdigen menschlichen Eigenheiten lebendig ausgestaltet, können jedoch keine wirkliche Nähe zum Leser herstellen, der die Rolle als Zaungast übernimmt und ihren Weg im alten Berlin nur mitverfolgt. Nina ist eigentlich eine eher unscheinbare Frau, die auf der Bühne zu einer schillernden Persönlichkeit mutiert. Auch wenn sie mutig, selbstbewusst und stur ist, zeigt sie oftmals Anzeichen von Selbstüberschätzung, Arroganz und sehr ausgeprägtem Egoismus, was sie dem Leser nicht gerade ans Herz wachsen lässt. Interessanter sind da eher die weiteren Protagonisten wie Freundin Jenny, die sie nie im Stich lässt oder Sonia, die sich nie unterkriegen lässt. Anton ist eine verlässliche Seele, selbst als Schauspieler bekannt und mit eigenen Problemen behaftet, versucht er Nina mit allen Mitteln zu unterstützen. Aber auch Ninas Zwillingsbruder Carlo sowie Oma Hulda oder Tante Sperling bereichern die Geschichte mit ihren Auftritten.
„Der Traum beginnt“ ist ein unterhaltsamer Einstieg in die schillernde Welt des Berlins der 20er Jahre. Der Mix aus der gekonnten Erzählweise der Autorin, exzellent recherchiertem historischen Hintergrund, starken Frauencharakteren und der bunten Traumwelt des Theaters spendiert dem Leser eine schöne Zeitreise. Aufgrund der wenig sympathischen Hauptprotagonistin gibt es leider nur eine verdiente Leseempfehlung für ein farbenfrohes Kopfkino!

Veröffentlicht am 04.11.2022

Überraschender Familienzuwachs

Ein Apfelbaum am Meer
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Nach dem Tod ihrer geliebten Großmutter Giulietta, der Trennung von ihrem untreuen Freund Philip sowie dem Jobverlust weiß die Halbitalienerin Julie nicht wirklich, wie es mit ihr weitergehen soll. Deshalb ...

Nach dem Tod ihrer geliebten Großmutter Giulietta, der Trennung von ihrem untreuen Freund Philip sowie dem Jobverlust weiß die Halbitalienerin Julie nicht wirklich, wie es mit ihr weitergehen soll. Deshalb nimmt sie die Einladung zum 80. Geburtstag von Enna, der besten Freundin ihrer Großmutter, an und reist auf die Nordseeinsel Juist, wo sie als Kind oft mit Giulietta die Sommerferien verbracht hat. Außerdem braucht Merle, ihre Kinderfreundin Hilfe in der Bäckerei ihres Cafés, was Julie gerade recht ist, denn Backen ist ihre große Leidenschaft. Kaum in Juist angekommen übermannen Julie alte Erinnerungen beim Wiedersehen mit Enna und Merle. Auch ihre alte Jugendliebe Ole schleicht sich langsam wieder in Julies Herz, so dass sie gar nicht daran denken mag, die Insel doch wieder verlassen zu müssen. Als sie durch alte Fotos und Gespräche mit Enna mehr über ihre Großmutter erfährt und auch noch Ennas Bruder Jonte auf der Insel auftaucht, kommt Julie einer Geschichte auf die Spur, die ihre eigenen Familienverhältnisse für immer verändern…
Anne Barns hat mit „Ein Apfelbaum am Meer“ wieder einmal einen wunderbaren Wohlfühlroman vorgelegt, der mit einer gelungenen Mischung aus Familiengeschichte, alten Freundschaften, Liebe und jeder Menge Leckereien dem Leser eine zauberhafte Auszeit gönnt und ihm dabei den Mund so richtig wässerig macht sowohl nach warmen Apfelkuchen als auch italienischen Backwaren. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schnell in die Handlung tauchen, wo er als Julies Schatten nicht nur die schäbige Art von deren Ex-Freund Philip miterleben darf, sondern auch einen Urlaub auf Juist mit allerlei Überraschungen spendiert bekommt. Schon Julies Backleidenschaft entflammt beim Leser die Lust nach Süßkram der italienischen Art, doch in Merles Bäckerei wird es noch schlimmer bei der Erwähnung all der Köstlichkeiten, die dort gezaubert werden. Die Geschichte punktet vor allem durch die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den Protagonisten, denn Julies Verhältnis zu ihren Verwandten ist liebevoll, so aber auch die zu ihrer alten Freundin Merle und den Inselbewohnern, die immer sehr schnell durch die stille Inselpost über alles und jeden informiert sind. Die Begegnung mit ihrer Jugendliebe Ole ist genauso warmherzig wie das Wiedersehen mit Merle oder Enna, es scheint fast so, als wäre Julies Suche endlich vorbei und sie dort angekommen, wo sie hingehört. Die familiären Verwicklungen bergen einige Geheimnisse, die des Lesers Neugier wecken und ihn so an den Seiten kleben lassen, bis er endlich Schwarz auf Weiß die Auflösung präsentiert bekommt. Und die Autorin spendiert am Ende noch alle Rezepte zum Nachbacken, damit die Geschichte auch später noch weiterhin präsent bleibt -
Die Charaktere sind lebendig in Szene gesetzt und überzeugen mit menschlichen Ecken und Kanten, so dass der Leser sich sofort mit ihnen verbunden fühlt. Die verschiedenartigen Eigenheiten, das nötige Lokalkolorit und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Inselbewohner werden wunderschön dargestellt und vermitteln das Gefühl einer einzigen großen Familie, die aufeinander achtgibt. Julie ist eine patente, freundliche und offene Frau, die anpacken kann. Sie ist noch auf der Suche nach dem, was sie glücklich macht. Freundin Merle ist ehrlich, sympathisch, geradeheraus und wirkt mit sich im Reinen. Enna ist eine Frau mit Lebenserfahrung, manchmal geheimnisvoll, doch ihre Tür steht jedem offen. Das Wiederlesen mit Agata, Adam, Conny, Ole und Jannes aus den älteren Büchern passte perfekt in die Handlung und machte diese besonders.
„Ein Apfelbaum am Meer“ ist ein wunderschöner Urlaubsroman über alte Freundschaften, Familienbande, alte Erinnerungen, Liebe und jeder Menge Leckereien, der keine Minute Langeweile aufkommen lässt und den Leser am Ende mit einem Glücksgefühl sowie einem Heißhunger entlässt auf der Suche nach einem Stück Köstlichkeit. Absolute Leseempfehlung für einen wahren Wohlfühl-Pageturner!

Veröffentlicht am 18.10.2022

Du musst einen Traum haben, damit Du morgens aufstehst. (Billy Wilder)

Das Licht der frühen Jahre
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1919 Berlin. Als Tochter des bekannten Fotografen Rufus Adler mit eigenem Fotoatelier in der Friedrichstraße hineingeboren, wurde Lilly schon früh mit der Faszination für Film und Fotografie infiziert ...

1919 Berlin. Als Tochter des bekannten Fotografen Rufus Adler mit eigenem Fotoatelier in der Friedrichstraße hineingeboren, wurde Lilly schon früh mit der Faszination für Film und Fotografie infiziert und träumt davon, ihre eigenen Fußstapfen in der Branche zu hinterlassen. Eines Tages verhindert sie einen Unfall und lernt dabei ihre bis dahin unbekannte Cousine Ariane kennen, die Tochter des Filmmoguls Benno Adler. Die beiden Frauen werden schnell zu engen Freundinnen und unterstützen sich bei ihren jeweiligen Vorhaben, denn Ariane will nichts mehr als eine berühmte Schauspielerin werden. Hinter dem Rücken ihrer Väter arbeiten Ariane und Lilly an der Erfüllung ihrer Träume. Lilly trifft durch Zufall auf den aufstrebenden Regisseur Theo Stiller, der ihr bei einer seiner Produktionen die Regieassistenz anvertraut. Derweil bekommt Ariane eine Hauptrolle in einem großen Film. Doch als die Väter von der Freundschaft und den Aktivitäten der beiden Frauen Wind bekommen, versuchen sie mit aller Macht, dies zu unterbinden. Doch sie haben die Rechnung ohne ihre Töchter gemacht, die sich von der Familie abnabeln, um ihr eigenes Ding durchzuziehen. Lilly versucht herauszufinden, warum ihr Vater keinerlei Kontakt zu seinem Bruder hat und stößt dabei auf ein altes Familiengeheimnis, das sie selbst vor große Herausforderungen stellt…
Charlotte Lyne hat mit „Das Licht der frühen Jahre“ den Auftaktband ihrer historischen Adler-Saga vorgelegt, der den Leser nicht nur einlädt, in die Anfänge der Filmwelt der Goldenen Zwanziger des vergangenen Jahrhunderts einzutauchen, sondern auch die Geheimnisse der Familie Adler an die Oberfläche zu holen. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil katapultiert den Leser sofort in die Geschichte hinein, die sich über zwei Zeitebenen erstreckt, wobei sich die eine im Jahr 1895 mit der Vergangenheit der beiden Brüder Rufus und Benno befasst, während die andere das Leben von Lilly und Ariane 1919 thematisiert. Über wechselnde Perspektiven steigert die Autorin nicht nur die Spannung ihrer Handlung, sondern veranlasst den Leser auch zu einigen Spekulationen, was die Beziehung zwischen Rufus und Benno angeht. Als unsichtbarer Schatten verfolgt der Leser Lillys Anstrengungen, auf eigenen Beinen zu stehen und in der Filmwelt Fuß zu fassen, aber auch ihre langsam wachsende Liebe zu Theo Stiller. Lyne hat exzellent recherchiert und den historischen Hintergrund gekonnt mit ihrer Handlung verknüpft. So erlebt der Leser den damaligen Zeitgeist und dessen politischen und gesellschaftlichen Lebensumstände hautnah mit sowie die Sorgen und Nöte der Menschen kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Die Geschichte wird so fesselnd erzählt, dass der Leser das Buch kaum aus der Hand legen kann.
Den Charakteren wurde liebevoll Leben eingehaucht, mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften ausgestattet, nehmen sie den Leser sofort in ihre Mitte, der sich nur zu gern unter ihnen tummelt, um keinen Augenblick zu verpassen. Lilly Adler ist eine hilfsbereite, offene und liebenswerte Frau mit dem nötigen Quäntchen Phantasie, die es in der Filmwelt braucht. Mutig und entschlossen geht sie ihren Weg, wobei ihr die Schwierigkeiten wohl bewusst sind. Cousine und Freundin Ariane ist ehrlich und sympathisch, eine aufstrebende talentierte Schauspielerin, die den Kampf für ihren Traum ebenfalls aufnehmen will. Theo Stiller macht seinem Namen alle Ehre, denn er ist aufgrund seiner Kriegserlebnisse eher ein ruhiger, in sich gekehrter Mann, der seine Visionen auf Zelluloid bannen will. Arianes Bruder Alexander ist ein Intrigant, der mit seinen Spielchen einiges an Unfrieden stiftet. Aber auch die Brüder Benno, Rufus, deren Ehefrauen sowie einige andere Protagonisten spielen in dieser Geschichte tragende Rollen.
„Das Licht der frühen Jahre“ ist nicht nur eine wunderbare Zeitreise in die Vergangenheit, sondern überzeugt auf allen Ebenen mit einer unterhaltsamen Familiengeschichte, Geheimissen, lebensechten Protagonisten, exzellenter Historienrecherche und einen Ausflug in die Zeit, „als die Bilder laufen lernten“. Absolute Empfehlung für zauberhaftes Kopfkino!

Veröffentlicht am 18.10.2022

Hoffe nicht ohne Zweifel und zweifle nicht ohne Hoffnung. (Seneca)

Ein Heim voller Liebe
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1943 Toronto/Kanada. Sozialarbeiterin Jane Lindner hat ein großes Herz für Kinder und hofft, für die Position als stellvertretende Direktorin bei der Children’s Aid Society ernannt zu werden, die von Spenden ...

1943 Toronto/Kanada. Sozialarbeiterin Jane Lindner hat ein großes Herz für Kinder und hofft, für die Position als stellvertretende Direktorin bei der Children’s Aid Society ernannt zu werden, die von Spenden unterstützt wird und sich um Heimkinder und deren Vermittlung in Pflegefamilien kümmert. Doch dann bekommt sie mit dem Wirtschaftsprüfer Garrett Wilder einen neuen Kollegen und potentiellen Konkurrenten auf die Stelle, der die missliche finanzielle Situation der Organisation überprüfen soll. Während der gemeinsamen Zusammenarbeit lernen sich Jane und Garrett näher kennen und schätzen. Ihnen beiden liegt auch das Schicksal des Heimkindes Martin am Herzen, der wie viele andere Kinder dringend ein schützendes und liebevolles Zuhause braucht…
Susan Ann Mason hat mit „Ein Heim voller Liebe“ einen sehr berührenden und emotionalen Roman vorgelegt, der den Leser in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts versetzt, wo er auf die vom Schicksal gebeutelte Jane, den Kriegsverletzten Garrett und den Waisen Martin trifft, deren Leben schon bald auf fesselnde Weise miteinander eng verbunden wird. Der flüssige, bildhafte und empathische Erzählstil der Autorin fängt den Leser sofort ein, der sich nur zu gern an Janes Seite begibt, um nicht nur ihre Gedanken- und Gefühlswelt kennenzulernen, sondern auch ihre Hingabe und Liebe für die Kinder mitzuerleben, die sie über die Organisation betreut. Jane hat privat in der Vergangenheit schon einige Niederlagen einstecken müssen, ist im Herzen tief verletzt, doch hindert es sie nicht daran, sich für die Kleinsten der Gesellschaft stark zu machen und sich schützend vor sie zu stellen. Mit dem Garrett als neuem Kollegen hadert sie erst einmal, doch schon bald erkennt sie, dass er ein umsichtiger Mann ist, dem das Schicksal der Kinder ebenso am Herzen liegt. Vor allem das des kleinen Martin schweißt Jane und Garrett immer mehr zusammen, denn beide sorgen sich um den Jungen. Die Autorin verbindet die Schicksale ihrer Protagonisten auf wunderbare Weise, denn jeder hat etwas zu geben, was der andere sucht. Der christliche Aspekt kommt hier sehr schön zum Tragen, denn es geht um Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und Hoffnung.
Die Charaktere sind mit glaubwürdigen menschlichen Attributen ausgestaltet, so dass sie sich sehr schnell ins Leserherz schleichen und es ihm leicht machen, ihnen zu folgen. Jane wurde von ihrem ersten Mann sehr verletzt, zudem hütet sie ein Geheimnis, dass schwer auf ihrer Seele lastet. Sie ist eine zurückhaltende, aber liebevolle und gütige Frau, die ein großes Herz besitzt. Garrett hat ebenfalls Narben aus der Vergangenheit, doch er strahlt Zuversicht aus. Er ist ehrlich, freundlich und offen anderen gegenüber. Martin wurde schon zu oft von einer Familie zur anderen durchgereicht. Er fühlt sich ungeliebt, abgeschoben und wird dazu noch von anderen gehänselt, was an seiner kleinen Seele nagt. Er wünscht sich so sehr eine liebende Umgebung, doch hat er innerlich schon aufgegeben. Die Geschichte lebt aber auch von den Auftritten der weiteren Protagonisten wie Cassie, Sarah, Ben und Olivia.
„Ein Heim voller Liebe“ ist ein wunderschöner Mix aus menschlichen Schicksalen, Liebe und Geheimnissen vor historischer Kulisse. Die Handlung ist sowohl emotional als auch tiefgründig, manchmal traurig, aber dann umso hoffnungsvoller mit einer gewissen Spannung. Sie trifft mitten in das Herz des Lesers, der sich ihr nicht entziehen kann und daher bis zum finalen Schluss an den Seiten klebt. Absolute Leseempfehlung für eine sehr gefühlvolle, wunderbare Geschichte!

Veröffentlicht am 18.10.2022

Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht. (L. Zenetti)

Wo die Winterrose blüht
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1943 Frankreich. Mitten im Zweiten Weltkrieg entscheidet sich die aus dem amerikanischen Oregon stammende Quäkerin Grace Tonquin, sich als Fluchthelferin zu engagieren, um mit Hilfe von Roland möglichst ...

1943 Frankreich. Mitten im Zweiten Weltkrieg entscheidet sich die aus dem amerikanischen Oregon stammende Quäkerin Grace Tonquin, sich als Fluchthelferin zu engagieren, um mit Hilfe von Roland möglichst viele jüdische Kinder von Frankreich nach Spanien zu bringen und vor den Nazis zu retten. Während dieser Zeit und all der Gefahren verlieben sich Grace und Roland und gründen später mit den geretteten Geschwistern Marguerite und Elias in Oregon eine Familie, die sich nach dem Krieg einigen Herausforderungen stellen muss…
2003 Oregon. 60 Jahre später sucht die schwangere Addie Holt verzweifelt einen Knochenmarkspender für ihren schwerkranken Pflegevater Charlie. Die Suche nach Verwandten gestaltet sich schwierig, weil Charlie dabei keine große Hilfe ist. Aber nach und nach glückt es Addie, die geheimnisvolle Familiengeschichte Charlies aufzudecken und deren Spuren zu finden…
Melanie Dobson hat mit „Wo die Winterrose blüht“ einen gefühlvollen Roman vorgelegt, der gut zu unterhalten weiß. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Schreibstil der Autorin lässt den Leser über wechselnde Zeitebenen in eine komplexe Familiengeschichte eintauchen, die sich erst nach und nach wie ein Puzzle entfaltet und sein ganzes Bild preisgibt. Während die eine Zeitebene die Vergangenheit von Grace im Jahr 1943 präsentiert, erlebt der Leser in der anderen die Suche von Addie im Jahr 2003. Grace‘ mutiger Einsatz während des Krieges zeigt einmal mehr auf die vielen helfenden und mitfühlenden Hände, die im Verborgenen so viel bewirkt und Leben gerettet haben. Sie ist tief verwurzelt in ihrem Glauben und schöpft daraus die Kraft für die Sicherung der Kinder. Auch Addie ist tief in ihrem Glauben verankert und gibt die Hoffnung nicht auf, ihren Pflegevater irgendwie retten zu können. Ihre verbissene Recherche bringt Erkenntnisse zum Vorschein, die auch für Addie eine große Überraschung sind und sie Charlie so von einer ganz neuen Seite kennenlernt. Die Zeitenwechsel greifen gut ineinander und tragen zur Steigerung der Spannung bei. Allerdings hat die Geschichte auch einige Längen, dazu erscheinen manche Dinge einfach nicht plausibel oder wurden völlig unnötig in die Handlung eingebracht, um dann für die eigentliche Geschichte keinen Nutzen zu bringen. Der christliche Aspekt wurde jedoch sehr gut eingewebt, geht es doch um Schuld und Vergebung, Gottvertrauen und Hoffnung.
Die Charaktere wurden mit menschlichen Eigenschaften ausgestattet und lebendig in Szene gesetzt, jedoch kommen sie dem Leser trotz aller Emotionalität der Geschichte nicht nah genug. So muss sich dieser als Zaungast begnügen, der die Szenerie beobachtet. Grace ist eine Frau, die aus ihrem Glauben Kraft und Mut schöpft. Sie hat ein großes Herz, ist mitfühlend, hilfsbereit und liebevoll. Charlie lässt sich schon lange von seiner Schuld beherrschen, die ihn nicht nur verzweifeln, sondern auch aufgeben lässt. Addie ist wie ein Pitbull, sie verbeißt sich in ihr Vorhaben, lässt sich von Niederschlägen nicht aufhalten und kämpft sich wie eine Löwin immer weiter. Zusätzlich spielen auch Roland, Marguerite, Lois und Grace‘ Mutter Ruby wichtige Rollen in dieser komplexen Geschichte.
„Wo die Winterrose blüht“ ist ein unterhaltsamer Roman über zwei Zeitebenen und überzeugt durch seine Mischung aus Familiengeschichte, historischem Hintergrund, Geheimnissen und Verwicklungen, deren Emotionalität den Leser ein ums andere Mal trifft. Verdiente Leseempfehlung mit einigen Abstrichen!