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Veröffentlicht am 01.01.2022

Frauenpower in den Nachkriegsjahren

Der Friesenhof
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1948 Ostfriesland. Der Tod des Ehemanns und Vaters erwischt Mutter Henrike de Fries nebst denen noch im Haushalt lebenden Töchter Hanna und Gesa eiskalt, denn nun müssen sie den großen Friesenhof in Rysum ...

1948 Ostfriesland. Der Tod des Ehemanns und Vaters erwischt Mutter Henrike de Fries nebst denen noch im Haushalt lebenden Töchter Hanna und Gesa eiskalt, denn nun müssen sie den großen Friesenhof in Rysum allein ohne Mann bewirtschaften. Helga, die älteste Tochter, steht mit ihrem Ehemann Günther schon kurz nach dem Tod des Vaters auf der Matte und verlangt ihren Erbteil, während Günther sich bereits als Herr auf dem Hof sieht und sich allen gegenüber auch dementsprechend verhält. Hanna liebt die Arbeit auf dem Hof mit den Tieren und übernimmt dort die Verantwortung. Gesa zieht es in die Stadt Emden, wo sie Arbeit bei der Teehandelsgesellschaft Kruse findet und so ihre Familie unterstützt, damit der Hof in der Familie bleibt und Helga ausgezahlt werden kann, denn Günther soll auf keinen Fall das Sagen auf dem Hof bekommen. Während Hanna dem polnischen Knecht Tomek immer näher kommt, verlieben sich Gesa und ihr verheirateter Juniorchef Keno Kruse, was dessen Frau ein Dorn im Auge ist…
Fenja Lüders hat mit „Auf neuen Wegen“ ihre neue historische Friesenhof-Saga eingeläutet, der mit einer Familiengeschichte und dem Schicksal von zwei starken Schwestern wunderbar zu unterhalten weiß. Der flüssige, bildhafte und eingängige Erzählstil lässt den Leser in die früheste Nachkriegszeit nach Ostfriesland reisen, wo er sich im Friesenhof der Familie de Fries einmietet und von dort die Geschicke der einzelnen Familienmitglieder beobachtet. Über wechselnde Perspektiven steht der Leser mal an der Seite von Hanna, mal an der von Gesa. Die Schwestern sind vom Wesen her zwar grundverschieden, doch der Zusammenhalt zwischen den beiden ist so groß, dass zwischen sie kein Blatt Papier passt. Gesa als Ältere kümmert sich fürsorglich um Hanna, während diese die größte Verantwortung schultert mit der Bewirtschaftung des Hofes. Mutter Henrike gibt sich zwar oft wortkarg, doch am Ende zieht sie mit ihren Töchtern immer an einem Strang. Die älteste Schwester Helga passt in dieses Kleeblatt, das durch Großtante Tanti noch ergänzt wird, gar nicht hinein und wirkt eher wie eine Außenseiterin, was durch ihren großspurigen Ehemann Günther noch verstärkt wird. Frauen galten damals als ungeeignet, einen großen Hof zu leiten, was deren damalig zugedachte Rolle gut wiederspiegelt. Auch die ausländischen Fremdarbeiter waren unbeliebt, sie sollten zwar ihre Arbeit verrichten, jedoch die Hände von den einheimischen Frauen lassen. Die Engstirnigkeit einer Dorfgemeinschaft wird von Lüders hervorragend eingefangen, ebenso die gesellschaftlichen und politischen Ansichten, die damals vertreten wurden. Die farbenfrohen Beschreibungen lassen sowohl den Hof als auch das Teekontor wunderbar vor den Augen des Lesers entstehen, der von der Geschichte gebannt regelrecht an den Seiten klebt.
Die Charaktere sind lebendig und facettenreich in Szene gesetzt, sie bestechen mit menschlichen Eigenschaften und nehmen den Leser sofort in ihre Mitte, so dass er sich als Teil von ihnen fühlt. Henrike ist eine zurückhaltende, wortkarge Frau, die ihre Lieben zusammenhält und erst nachdenkt, bevor sie ein Machtwort spricht. Gesa ist offen, stark und fürsorglich, während Hanna eher zupackend und draufgängerischer ist. Helga ist eine graue Maus, die keine eigene Meinung hat, so sehr steht sie unter der Knute ihres Ehemannes Günther, der nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht, großmäulig und unverschämt ist. Tanti ist das Faktotum im Haushalt, die mit viel Lebensweisheit und Weitsicht überzeugt. Tomek ist ein herzensguter und fleißiger Mann, der für die einsteht, die er liebt. Keno hadert mit seinem Leben und hat für sich selbst noch immer keinen Weg zurück ins Leben gefunden.
„Auf neuen Wegen“ ist ein gelungener Auftakt, um den Friesenhof und seine Bewohner gut kennenzulernen, in die Familiengeschichte einzutauchen, Liebe, Schicksale und Intrigen mitzuerleben während der damaligen gesellschaftlichen Konventionen. Unterhaltsame Lektüre mit schönem Kopfkino und einer verdienten Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 01.01.2022

Ein Stück Schlaraffenland

Die Schokoladenfabrik - Die Tochter des Apothekers
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1838 Köln. Als älteste Tochter übernimmt Anna Sophia seit dem Tod der Mutter nicht nur die Aufsicht über ihre Geschwister, sondern arbeitet auch in der Apotheke ihre Vaters Gottfried mit, denn sie interessiert ...

1838 Köln. Als älteste Tochter übernimmt Anna Sophia seit dem Tod der Mutter nicht nur die Aufsicht über ihre Geschwister, sondern arbeitet auch in der Apotheke ihre Vaters Gottfried mit, denn sie interessiert sich nicht nur für natürliche Heilkräfte und Kräuter, sondern hat inzwischen auch eigene Hustenbonbons entwickelt, in dessen Genuss nicht nur die eigene Familie kommt, sondern auch bei den Kunden Absatz finden. August, der Geselle, wäre für ihren Vater der geeignete Heiratskandidat für Anna Sophia, könnte dieser doch später die Apotheke übernehmen. Allerdings hat Anna Sophia in dem Zuckerbäcker Franz Stollwerck bereits die Liebe ihres Lebens gefunden. Als die beiden heiraten, bedeutet dies gleichzeitig den Bruch mit Vater Gottfried, der die Entscheidung seiner Tochter nicht akzeptieren kann. Schon bald versuchen Anna und Franz, die Hustenbonbons in ihrer eigenen Bäckerei zu verkaufen…
Rebekka Eder hat mit „Die Tochter des Apothekers“ einen unterhaltsamen Auftakt für ihre historische Schokoladenfabrik-Saga vorgelegt, der die Anfänge der späteren Schokoladendynastie Stollwerck beschreibt und sich aus einer Mischung von Fiktion und Realität zusammensetzt. Der flüssige, farbenprächtige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser eine Reise ins vergangene 19. Jahrhundert antreten, wo er über einen Zeitraum von 1938 bis 1849 Anna Sophia und Franz Stollwerck bei ihren ersten Schritten zur Gründung des späteren Schokoladenimperiums begleitet, aber auch die Geschicke von Annas Schwester Wilhelmine miterleben darf. Die Autorin hat ihre Handlung sehr schön aufbereitet, liefert einen gut recherchierten Hintergrund, vor dem sie ihre Geschichte ablaufen lässt, und pflegt dabei sowohl gesellschaftskritische als auch politische Themen mit ein. Die Rolle der Frau war zu der Zeit eine dem Manne untergeordnete, sie war hauptsächlich für Haushalt und Kinder zuständig und durfte kein eigenes Geschäft führen. Anna Sophia widersetzt sich schon früh den Wünschen des Vaters, der sie in eine arrangierte Ehe drängen will, um einen Nachfolger für seine Apotheke zu bekommen. Aber auch Tochter Wilhelmine verweigert dem Vater den Gehorsam und stellt sich auf eigene Füße. Auch eine Exkursion in Sachen Heilkräuter und – kunst darf der Leser während der Lektüre genießen, die Herstellung von Medikamenten ist ebenso interessant wie der zur damaligen Zeit gepflegte Aberglaube. Die bildhaften Beschreibungen lassen beim Leser ein Kopfkino anspringen, dem er sich kaum entziehen kann, so dass er regelrecht durch die Seiten fliegt und hautnah an den wechselnden Handlungssträngen regen Anteil nimmt.
Die Charaktere sind abwechslungsreich und liebevoll ausstaffiert und mit Leben versehen, ihre authentischen Eigenschaften lassen die Nähe zum Leser zu, der mit ihnen bangt, hofft und fiebert. Anna Sophia ist eine Frau, die ihr Ziel klar vor Augen hat und keine Abstriche machen will. Mutig trifft sie schwerwiegende Entscheidungen, um ihr Glück zu finden. Wilhelmine ist ebenfalls eine starke Persönlichkeit, die ihren eigenen Weg sucht und dafür einiges in Kauf nimmt. Vater Gottfried ist ein Mann seiner Zeit, der sich den gesellschaftlichen Konventionen verpflichtet fühlt und dadurch seine Töchter verliert. Franz ist ein fleißiger und warmherziger Mann, der mit Sophia eine Einheit bildet. August ist ein rachsüchtiger Ehrgeizling, der sich die Apotheke unter den Nagel reißen will, koste es, was es wolle. Aber auch Kasper und andere Protagonisten verleihen dieser Geschichte einiges an Farbintensität und Spannung.
„Die Tochter des Apothekers“ ist ein unterhaltsamer historischer Schmöker voller Familiengeschichte, Geheimnissen, Intrigen, mutiger Frauen und geschichtlichem Hintergrund, der den Leser in eine vergangene Zeit entführt und alles hautnah miterleben lässt. Verdiente Leseempfehlung für ein schönes Kopfkino und kurzweilige Lesestunden!

Veröffentlicht am 01.01.2022

„Nichts ist so wechselhaft wie Identität.“ (Stefan Hölscher)

Der Silberfuchs meiner Mutter
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1942. Die norwegische Krankenschwester Gerd Hörvold hat sich mit dem deutschen Soldaten Anton Halbleben eingelassen und ist schwanger geworden. Deshalb gilt sie in ihrer Heimat als Nazi-Hure als persona ...

1942. Die norwegische Krankenschwester Gerd Hörvold hat sich mit dem deutschen Soldaten Anton Halbleben eingelassen und ist schwanger geworden. Deshalb gilt sie in ihrer Heimat als Nazi-Hure als persona non grata. Sie reist von Norwegen ins österreichische Hohenems, um bei Antons Familie unterzukommen, bis dieser aus dem Krieg zurückkehrt. Aber seine Familie will nichts von ihr wissen, auch Anton lässt sie fallen und bricht jeden Kontakt ab. Sohn Heinz wird Ende 1942 geboren und kommt erst in einem Lebensbornheim unter und danach in eine Pflegefamilie, wo ihn seine Mutter 1946 mit Hilfe des Roten Kreuzes wiederfindet und zu sich nimmt. Doch auch bei seiner Mutter, die erneut geheiratet hat, wird Heinz immer ein Außenseiter sein, denn sein Stiefvater lehnt ihn ab und auch die eigene Mutter hat nicht viel Liebe für ihn übrig. So irrt Heinz aufgrund der dauerhaften Ablehnung seines engsten Umfeldes viele Jahre durch sein Leben auf der Suche nach seiner wahren Identität, wird Schauspieler und erst im Alter von 60 Jahren unternimmt er einen neuen Versuch, seinen Wurzeln näher zu kommen…
Alois Hotschnig hat mit „Der Silberfuchs meiner Mutter“ einen sehr komplexen Roman vorgelegt, der mit einer berührenden Lebensgeschichte überzeugen kann, die sich aus Fiktion und Wahrheit zusammensetzt. Der Erzählstil ist emotional, wenn nicht gerade einfach zu lesen, spiegelt aber sehr gut die Zerrissenheit des Protagonisten Heinz wieder, der sein gesamtes Leben auf der Suche ist und dessen Erinnerungen mit Träumereien vermischt für den Leser eine Herausforderung darstellen. Oftmals wird man das Gefühl nicht los, der Autor habe seine eigenen Erfahrungen zu Papier gebracht. In Ich-Form erhält der Leser Einblick in die Erinnerungen des inzwischen gealterten Heinz, der innerhalb der Ehe seiner Mutter so einiges zu ertragen hatte: einen Stiefvater, der ihn zwar verachtet, aber ihn als Hilfskraft gern für sich arbeiten ließ. Die Mutter, die allen Fragen konstant aus dem Weg ging und ihm sogar Schuldgefühle verursachte, da sie immer epileptische Anfälle bekam, wenn er eine Aussprache wollte. Der leibliche Vater, der ihn als 16-jährigen verleugnet und ihm eine erlogene Geschichte vorgaukelt, um dann Jahrzehnte später endlich doch einzugestehen, dass Heinz sein Sohn ist. Heinz verarbeitet seine Erfahrungen als Schauspieler auf der Bühne, seine Seele jedoch findet dadurch kaum Linderung, zu schwer nagen die Ablehnung und die unbeantworteten Fragen an ihm. So wie Heinz wird es vielen in jener Zeit geborenen Kindern gegangen sein, die bei ihren Fragen immer wieder auf eine Mauer des Schweigens gestoßen sind und nur unter schwierigsten Bedingungen ihrem Ziel vielleicht ein Stück näher kamen.
Die Charaktere werden erst nach und nach für den Leser zugänglich, der die Geschichte zu Beginn mit Distanz liest. Doch je mehr er in die Erinnerungen von Heinz eintaucht, umso mehr kann er die Gefühlslage von Heinz nachvollziehen. Heinz ist ein zutiefst zerrissener Mensch, der seine Erfahrungen in seinen Rollen auslebt, um irgendwie damit umgehen zu können. Er fühlt sich seiner Identität beraubt, belogen und abgelehnt, ist jedoch mutig und stark genug, immer wieder Anlauf zu nehmen und den Dingen auf den Grund zu gehen. Seine Mutter ist eine verletzte Frau, die sich vor ihrem Sohn die Blöße nicht geben will, eine uneheliche Mutter zu sein und die Ausgrenzungen, deren sie ausgesetzt war, preiszugeben. Anton verleugnet fast sein ganzes Leben die Beziehung zu Heinz‘ Mutter und seine Vaterschaft, doch am Ende seines Lebens kommt ihm die Erkenntnis, dass er der Welt mit Heinz doch etwas hinterlässt.
„Der Silberfuchs meiner Mutter“ ist eine Suche nach der eigenen Identität und eine gleichzeitig Tragödie, die nach dem Krieg viele ereilt hat. Die Sprachlosigkeit der damaligen Generation, die Vorbehalte sowie die Härte gegenüber seinen eigenen Kindern sind schwer zu ertragen, doch sind sie ein Zeitzeugnis für eine vergangene Zeit. Sehr zu empfehlen!

Veröffentlicht am 30.12.2021

Gefühlvolle Outbackreise

Der Glanz des Südsterns
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1918 England. Die Krankenschwester Elena lernt während ihrer Arbeit den Arzt Lyle MacAllister kennen. Schon bald verlieben sich die beiden, doch Lyle ist bereits verlobt. Er verlässt Elena, um in seine ...

1918 England. Die Krankenschwester Elena lernt während ihrer Arbeit den Arzt Lyle MacAllister kennen. Schon bald verlieben sich die beiden, doch Lyle ist bereits verlobt. Er verlässt Elena, um in seine Heimat zurückzukehren und dort seine Verlobte zu heiraten, die ein Kind von ihm erwartet. Dass Elena ebenfalls von ihm schwanger ist, weiß er nicht. Elena hält ihre Schwangerschaft geheim und gehorcht ihrem Vater, den von ihm ausgewählten Ehemann zu heiraten: den Italiener Aldo, mit dem sie nach der Hochzeit nach Australien auswandert, um dort im Outback eine Farm zu betreiben. Doch das Leben dort ist nicht so einfach, Elena muss ebenfalls überall mit anpacken, damit die kleine Familie einigermaßen über die Runden kommt. Nach vielen Jahren will es ein Zufall, dass sich Elena und Lyle plötzlich wieder aufeinander treffen…
Elizabeth Haran hat mit „Der Glanz des Südsterns“ einen unterhaltsamen und berührenden Liebesroman vorgelegt, der den Leser für eine schöne Auszeit in die Vergangenheit und nach Australien katapultiert. Der flüssige, farbenprächtige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schnell an Elenas Seite gleiten, wo er ihr bei ihren Erlebnissen über die Schulter schauen darf. Elena erleidet mit ihrer ersten großen Liebe Schiffbruch und muss sich den Gegebenheiten fügen. Im vergangenen Jahrhundert wurde zu ihrer Zeit eine unverheiratete schwangere Frau von der Gesellschaft ausgegrenzt. So macht Elena das Beste daraus, ihren Zustand zu verheimlichen und lässt sich auf eine arrangierte Ehe ein, die ihr Vater vermittelt hat. Die Reise vom beschaulichen England in die australische Wildnis ist ein regelrechter Kulturschock für Elena, die Arbeit auf der Farm ist hart und jeden Tag ein Kampf ums Überleben. All ihre Träume muss Elena nach und nach aufgeben, das Leben lässt sie durch eine harte Schule gehen. Die Autorin lässt den Leser teilhaben an Elenas Schicksalsschlägen, die bei ihm eine wahre Achterbahn der Gefühle hervorrufen. Die Landschaftsbeschreibungen untermalen das Leben von Elena und Aldo im Outback sehr bildhaft, so dass der Leser ein wahres Kopfkino erleben darf. Obwohl die Handlung recht vorhersehbar und der Spannungslevel nicht sehr hoch angelegt ist, kann der Leser aufgrund der emotional fesselnden Geschichte das Buch kaum aus der Hand legen.
Die Charaktere sind mit viel Liebe in Szene gesetzt. Sie sind mit glaubwürdigen Eigenschaften ausgestattet und nehmen den Leser in ihre Mitte, der ihr Schicksal mit ihnen teilt und hofft und bangt. Elena wirkt zu Beginn noch etwas naiv und verträumt, doch das Leben holt sie schnell genug in die Realität. Sie ist hilfsbereit, offen und fleißig. Lyle ist ein netter Mann, der allerdings recht leichtfertig mit dem Schicksal anderer spielt. Erst später wirkt er verantwortungsvoller und damit sympathischer.
„Der Glanz des Südsterns“ ist ein farbenprächtiger und gefühlvoller Roman, der zu einer Reise in die Vergangenheit einlädt und dem Leser neben Schicksalsschlägen und Liebe so manches Geheimnis offenbart. Die exotische Kulisse Australiens bietet den idealen Hintergrund für diese berührende Geschichte. Verdiente Leseempfehlung für einen schönen Schmöker!

Veröffentlicht am 23.12.2021

"Sei die Heldin deines Lebens, nicht das Opfer." (Nora Ephron)

Die Hafenärztin. Ein Leben für die Freiheit der Frauen (Hafenärztin 1)
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1910 Hamburg. Mit der Eröffnung eines Frauenhauses im Hafenviertel gemeinsam mit dem Verein Frauenwohl hat die junge englische Ärztin Anne Fitzpatrick sich einen Wunsch erfüllt, denn sie möchte Frauen ...

1910 Hamburg. Mit der Eröffnung eines Frauenhauses im Hafenviertel gemeinsam mit dem Verein Frauenwohl hat die junge englische Ärztin Anne Fitzpatrick sich einen Wunsch erfüllt, denn sie möchte Frauen und Kindern in Not Hilfe und Unterstützung anbieten. Ein doppelter Leichenfund macht allerdings erst einmal alle Hoffnungen zunichte, denn alle meiden die Gegend deswegen wie die Pest. Als die Pastorentochter Helene Curtis vor ihrer Tür steht und ihre Mitarbeit anbietet, gibt Anne ihr eine Chance. Währenddessen versucht Kommisssar Berthold Rheydt, die Morde aufzuklären und trifft bei seinen Ermittlungen auf Anne...

Henrike Engel hat mit „Ein Leben für die Freiheit der Frauen“ den ersten Band ihrer historischen Hafenärztin-Trilogie vorgelegt, der mit sowohl mit kriminalistischen Elementen als auch mit einer starken Protagonistin den Leser in seinen Bann schlägt. Der flüssige, bildhafte und einfühlsame Erzählstil lässt den Leser eine Zeitreise ins vergangene Jahrhundert antreten, um sich dort im Hamburger Hafenviertel wiederzufinden, wo er auf die engagierte Engländerin Anne Fitzpatrick trifft, die dort als Ärztin tätig ist. Ihr Studium hat sie in England absolviert und wird nun als eine der ersten Ärztinnen in Deutschland tätig, was zur damaligen Zeit noch ein Novum war, denn sie dringt damit in eine bisher von Männern dominierte Welt ein. Sie hat England den Rücken gekehrt und lebt nun inkognito in Hamburg. Mit Helene Curtis bekommt sie eine moderne junge Frau an die Seite gestellt, die im Leben etwas erreichen und nicht als Hausfrau und Mutter enden will.
Der dritte im Bunde ist Kommissar Berthold Rheydt, der zum ersten Mal selbständig einen Mord aufklären soll und seine Sache unbedingt gut machen möchte. Über wechselnde Perspektiven lässt die Autorin den Leser ihre Protagonisten, deren Wirken und Wesen kennenlernen und treibt dabei unschwellig die Spannung der Handlung immer weiter in die Höhe. Der Leser springt mal an die Seite von Anne, um sich kurz darauf an Helenes oder Bertholds Fersen zu heften. Gleichzeitig verwebt Engel das Treiben im historischen Hamburg wunderbar mit ihrer Geschichte. Die Frauenbewegung hält langsam Einzug in Deutschland und kämpft für Gleichberechtigung und das Wahlrecht, was auch bei Helene auf Zustimmung und Begeisterung stößt. Die Eröffnung des Frauenhauses schürt Ängste und auch Widerstand, zusätzlich sorgt der doppelte Leichenfund dafür, dass die Gegend in Verruf gerät und sich niemand mehr dort blicken lässt. Die Autorin gewährt einen spannenden Einblick in das Leben im Hafenviertel zur damaligen Zeit, wobei sie auch das Bild der Frau zur damaligen Zeit sehr schön wiederspiegelt.

Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit glaubhaften menschlichen Eigenschaften versehen, die den Leser schnell von sich überzeugen. Dieser folgt ihnen auf Schritt und Tritt bei ihrem Abenteuer. Anne ist eine freundliche, hilfsbereite und engagierte Frau, die allerdings ein Geheimnis zu verbergen sucht. Sie hat sich der Unterstützung von bedürftigen Frauen und Kindern verschrieben. Sie arbeitet bis zum Umfallen, nur um nicht allein mit ihren Gedanken zu sein. Gleichzeitig ist sie eine mutige und starke Frau. Auch Helene besitzt genügend Eifer und Fleiß, hat moderne Ansichten, ist sportlich und vor allem eigensinnig. Berthold kämpft noch mit persönlichen Verlusten, gleichzeitig arbeitet er mit modernen Ermittlungsmethoden und will sich bei seinem ersten Mordfall unbedingt beweisen.

„Ein Leben für die Freiheit der Frauen“ ist mit seinem Mix aus Krimi und Gesellschaftsroman mit historischem Hintergrund ein gelungener und spannender Einstieg in die neue Trilogie von Henrike Engel. Sympathische Protagonisten, die so einige Geheimnisse in sich tragen, überzeugen ebenso wie die Mordermittlungen. Verdiente Empfehlung für eine spannende und gut durchdachte Geschichte!