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Veröffentlicht am 06.04.2019

Mittelmäßig und ohne jeden Tiefgang

Die Wildrosentöchter
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Nachdem Cassandra vor einem Jahr ihren Ehemann Lorenzo durch eine Krebserkrankung verloren hat, lebt sie allein mit ihrer Schwiegermutter Mercedes und Tochter Aurora allein auf dem Weingut Carrai in der ...

Nachdem Cassandra vor einem Jahr ihren Ehemann Lorenzo durch eine Krebserkrankung verloren hat, lebt sie allein mit ihrer Schwiegermutter Mercedes und Tochter Aurora allein auf dem Weingut Carrai in der Toskana und gibt sich ihrer Trauer hin. Als sie sich um einen uralten Weinstock kümmern will, der kurz vor dem Absterben ist, findet sie beim Graben zu seinen Wurzeln ein altes Kästchen, deren Inhalt ihr Rätsel aufgibt. Dort enthalten sind ein alter Passierschein von 1944 sowie ein wunderschöner Liebesbrief. Cassandra möchte unbedingt herausfinden, wer den Brief geschrieben hat und wer der Empfänger ist. Sie begibt sich auf Spurensuche, wobei sie von dem neuen Chorleiter des Dorfes, Enea, tatkräftig unterstützt wird, und erfährt durch immer mehr Puzzleteile, dass es sich um ein Familiengeheimnis handelt, dass auch ihr Leben berührt…
Valentina Cebeni hat mit ihrem Buch „Die Wildrosentöchter“ einen unterhaltsamen Roman um eine alte Familiengeschichte vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und gefühlvoll, der Leser wird schon durch den Prolog mit einem Rätsel konfrontiert, dessen Lösung sich wie ein Quilt nach und nach durch die einzelnen Kapitel Stück für Stück zusammensetzt. Durch die Erzählweise in der Ich-Form bekommt der Leser einen guten Einblick in Cassandras Innerstes, ihre Gedanken und Gefühle liegen vor ihm wie ein offenes Buch. Interessant sind die kurzen Exkurse in die damalige Geschichte der Partisanen, die während des Zweiten Weltkrieges mit gefälschten Passierscheinen und guten Verstecken Menschen zur Flucht verhalfen. Das Thema Trauer spielt in diesem Roman eine ebenso große Rolle wie die zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Familie. Hier öffnet die Autorin zu viele Baustellen gleichzeitig, die alle nach einer Antwort suchen, was leider völlig überfrachtet und zum Teil auch unglaubwürdig wirkt. Auch die Landschaftsbeschreibungen sind farbenfroh und lassen die herrliche Toskana mit den Weinhängen vor dem inneren Auge auferstehen. Leider ergeht sich die Autorin in zu detailreiche Schilderungen, die dann langatmig wirken und den Leser ungeduldig werden lassen. Etwas gestraffter wäre der Roman noch schöner zu lesen.
Die Charaktere sind bunt gemischt und geben dem Leser die Möglichkeit, seine Sympathien gerecht zu verteilen. Durch ihre individuellen Eigenschaften wirken sie sehr lebendig und real. Cassandra musste einen harten Schicksalsschlag ertragen und hat sich davon noch nicht wieder erholt. Sie ist eine Löwenmutter, die sich um ihre Tochter sorgt. Gleichzeitig ist sie aber auch unbeherrscht, schnell wütend und ungerecht, was sie nicht gerade zur Sympathieträgerin werden lässt. Ihr Universum kreist nur um sich selbst und wirkt zum Teil sogar rücksichtslos und hart. Enea ist ein sehr sympathischer Zeitgenosse, der die Musik ebenso liebt wie die Arbeit mit den Weinreben. Er besitzt eine unendliche Geduld und hat doch seinen Optimismus nicht verloren. Er wirkt kraftvoll und gleichzeitig wie ein Ruhepol. Schwiegermutter Mercedes ist die gute Seele, sie hat ein großes Herz und die Weisheit der Älteren. Großvater Adelchi wirkt wie der Teufel in Person. Er ist unbarmherzig und egoistisch, seine Frau Anna muss so einiges ertragen. Hendrik ist ein warmherziger alter Herr, der die Hoffnung nie aufgegeben hat. Hani ist ein Lichtblick, der junge Mann besitzt eine Weisheit und Wärme, wie sie selten in diesem Alter zu finden ist.
„Die Wildrosentöchter“ ist ein durchaus unterhaltsamer Roman über Familiengeheimnisse und die Liebe. Allerdings hat er einige Längen, eine nicht gerade sympathische Hauptprotagonistin. Dazu wirkt manches sehr konstruiert, was ihn in die Mittelmäßigkeit abrutschen lässt. Für zwischendurch ganz nett, aber nichts, an das man sich erinnern wird. Eingeschränkte Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 05.04.2019

Jede Zeile ein Gedicht!

Zeilen ans Meer
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Kurz vor ihrer Rückreise nach Deutschland beschließt die 19-jährige Lena, ihren einjährigen Australienaufenthalt mit einer Flaschenpost zu krönen. Sie schreibt einen Brief und wirft ihn in den Ozean. 16 ...

Kurz vor ihrer Rückreise nach Deutschland beschließt die 19-jährige Lena, ihren einjährigen Australienaufenthalt mit einer Flaschenpost zu krönen. Sie schreibt einen Brief und wirft ihn in den Ozean. 16 Jahre später findet der Australier Sam die Flaschenpost bei seiner morgendlichen Joggingrunde und beschließt spontan, Lena eine Antwort auf ihre Zeilen zu senden, obwohl er sich nach dieser langen Zeit nicht sicher ist, ob diese Lena noch erreichen wird. Aber tatsächlich erhält Lena die Post und zwischen den beiden entwickelt sich ein reger Briefaustausch über ihr Leben, ihre Wünsche und Träume von damals und was daraus geworden ist. Schon bald flirten die beiden, entwickeln Gefühle füreinander, obwohl sie sich noch nie gesehen haben. Aber haben ihre tiefe Freundschaft und die damit einhergehenden Gefühle überhaupt eine Chance? Werden sie sich jemals persönlich in die Augen sehen?
Sarah Fischer hat mit ihrem Buch „Zeilen ans Meer“ einen wunderschönen und gefühlvollen Liebesroman vorgelegt. Der Erzählstil ist flüssig und intensiv, mit der ersten Seite steckt der Leser in einem ungewöhnlichen Briefwechsel und darf sowohl Lena als auch Sam und ihr jeweiliges Leben, ihre Gedanken und Träume kennenlernen. Immer wechselseitig wird der Roman anhand der Briefe von Lena und den darauf folgenden Antworten von Sam erzählt. So bekommt der Leser nicht nur einen Einblick in die Vergangenheit der beiden, sondern auch in ihr gegenwärtiges Leben sowie in die Dinge, die sie inzwischen aufgegeben haben, die sie sich wünschen und von denen sie noch träumen. Gerade die in Briefform gewählte Erzählweise lässt den Leser so hautnah an den Protagonisten kleben, denn es wirkt so wirklich und real. Die Seiten fliegen geradezu durch die Finger, weil man den nächsten Brief gar nicht mehr abwarten kann. Sehr schön sind auch die jeweiligen Beschreibungen der australischen Strände und der Stadt München, die sich beide Protagonisten jeweils schmackhaft machen, wobei noch zusätzliche Nähe geschaffen wird. Wunderbar zu beobachten ist auch, wie sich die beiden Protagonisten gegenseitig Mut zusprechen für Dinge, die sie mal aufgegeben oder unter denen sie zu leiden haben.
Die Charaktere sind sehr liebevoll in Szene gesetzt, wirken lebendig und realitätsnah. Der Leser kann sich wunderbar in sie hineinversetzen, kann die Entwicklung der zarten geknüpften Bande zwischen den beiden wunderbar mitverfolgen und fiebert einem Treffen zwischen ihnen regelrecht entgegen. Lena ist eine 35-jährige Mutter einer 7-jährigen Tochter. Sie lebt von ihrem Mann getrennt, arbeitet als Übersetzerin und hat ihren Traum von einer Gesangskarriere aufgegeben. Sie ist eine vielbeschäftigte Frau, jongliert zwischen Job, Haushalt und Kind hin und her, dabei hat sie sich selbst verloren. Die Unbeschwertheit als 19-jährige mit dem Kopf voller Pläne erscheint ihr so weit weg. Der 31-jährige Sam ist ein alter Surfer und baut mit seinem Freund Boards aus Glasfaser. Er hatte mal den Traum vom Berufssurfer, doch ein Ereignis hat ihn dann völlig davon abgebracht. Er liest gern, joggt und lebt am Strand, sein Traum von der perfekten Welle an einem ganz bestimmten australischen Strand ist immer noch nicht realisiert. Gerade das Wechselspiel zwischen Lena und Sam geht einem sehr zu Herzen und wie die beiden sich gegenseitig dabei stützen, Entscheidungen zu treffen und wieder optimistisch in die Zukunft zu sehen, was auch Gefühle und die große Liebe betrifft.
„Zeilen ans Meer“ ist eine zauberhafte Geschichte über das Finden der Liebe, das Finden von alten Träumen und vor allem das Sich-selbst-wiederfinden. Toll erzählt und wundervoll zu lesen. Absolut verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 05.04.2019

Peep-Show auf St. Pauli

Große Freiheit
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60er Jahre Hamburg. Wolfgang „Wolli“ Köhler nabelt sich von seinem Zuhause ab und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, bis er auf dem Hamburger Kiez St. Pauli landet. Dort ist das Leben anfangs ...

60er Jahre Hamburg. Wolfgang „Wolli“ Köhler nabelt sich von seinem Zuhause ab und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, bis er auf dem Hamburger Kiez St. Pauli landet. Dort ist das Leben anfangs für ihn recht schwierig, so dass er auf der Straße schlafen muss und auch vor dem Verkauf von Drogen nicht zurückschreckt. Aber je länger er sich auf der sündigen Meile aufhält, umso mehr lernt er die Menschen und das dortige Leben kennen. Da er recht gewitzt ist, findet er bald seinen Platz im Milieu und steigt als eine von St. Paulis Kiezlegende auf…
Rocko Schamoni hat mit seinem Buch „Große Freiheit“ einen teils autobiographischen Roman über seinen Freund Wolfgang Köhler vorgelegt und ihm so eine Homage gewidmet. Der Schreibstil ist flüssig und trägt die gewisse schnoddrige Hamburger Mundart. Schamoni lässt den Leser regelrecht in die alten 60er reinrauschen, wo er an der Seite von Wolli so einiges erleben kann. Bieder-Deutschland ist hier nicht zu finden, ganz im Gegenteil. Man streift mit Wolli durch die schmutzigen und berüchtigten Straßen von St. Pauli, treibt sich mit Zuhältern und Nutten rum, trifft Drogendealer und begibt sich in so manch kriminelle Lage. Knallharte Sexszenen sind ebenfalls zu finden, recht vulgär dargestellt und leider eher abschreckend, aber der Kiez an sich ist sowieso ein hartes Pflaster, wo es hauptsächlich um Geld und Macht geht, so ist die Sprache hier angemessen. Dabei lässt der Autor vieles der damaligen Zeitgeschichte Revue passieren, aber leider alles eher als Randbemerkung, denn es geht ja um Wolli, dem Schamoni mit seinem Roman posthum wohl noch einmal leise Servus sagen wollte.
Die Charaktere sind leider allesamt recht oberflächlich gezeichnet, weshalb der Leser keinerlei Sympathie aufbauen und somit auch keinerlei Beziehung zu ihnen herstellen kann. Durch diesen Abstand und die fehlenden Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten wirkt das Buch leider eher wie eine Art Abhandlung. Hauptperson Wolli bleibt sehr blass und eindimensional. Er entwickelt sich zwar zu einem recht erfolgreichen Geschäftsmann, jedoch bleibt er als Mensch fremd und nicht greifbar. Hier hat Schamoni leider kläglich versagt, denn wenn er seinem Freund mit dem Roman ein Denkmal setzen wollte, hätte er ihm deutlich mehr menschliche Züge und mehr Intensität verleihen müssen.
„Große Freiheit“ ist ein Streifzug über den St. Pauli Kiez der 60er Jahre, ohne jegliches Gefühl, Mehrwert und tiefgreifende Handlung. Flott zu lesen, aber keine Geschichte, die einem im Gedächtnis bleibt. Schade eigentlich!

Veröffentlicht am 31.03.2019

"Die Amish sind Inseln der Vernunft in einem Strudel des Wandels."(Nancy Sleeth)

Für immer in meinem Herzen
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Middle Grove ist eine Amish-Gemeinde, deren Mitglieder nach ihren eigenen Regeln leben. Bei ihnen gibt es keine Elektrizität, der moderne Fortschritt ist hier nicht angekommen, und ihre Mitglieder leben ...

Middle Grove ist eine Amish-Gemeinde, deren Mitglieder nach ihren eigenen Regeln leben. Bei ihnen gibt es keine Elektrizität, der moderne Fortschritt ist hier nicht angekommen, und ihre Mitglieder leben nach streng mit ihrem Glauben verbunden und vor allem im Familienverbund. Außenstehenden wird es nur schwer gelingen, Zutritt zur Gemeinde zu erhalten, selbst in geschäftlichen Dingen bleiben die Amish-People lieber für sich. Doch dann verletzt sich der 11-jährige Amish-Junge Jonah Stoltz während der Arbeit auf dem Feld lebensgefährlich. Caleb, sein Onkel, hat nur das Wohl des Jungen und das seiner Familie im Sinn. So ignoriert er die Regeln und handelt völlig außerhalb der Gemeindenorm, indem er Jonah in ein Krankenhaus bringen lässt, wo dem Jungen das Leben gerettet wird. Dabei lernt Caleb die Medizinstudentin Rees Powell kennen, die in der Notaufnahme ihren Dienst tut. Obwohl aus völlig verschiedenen Gesellschaftsschichten stammend, kommen sich Caleb und Rees während der gemeinsamen Zeit im Krankenhaus sehr nah. Aber eine gemeinsame Zukunft scheint völlig unmöglich, oder?
Susan Wiggs hat mit ihrem Buch „Für immer in meinem Herzen“ einen wunderschönen tiefgründigen Roman vorgelegt, der von der ersten Seite an zu fesseln weiß. Der Schreibstil ist flüssig, gefühlvoll und einnehmend, der Leser wird sofort in die Geschichte hineingesogen und darf sich mal an der Seite von Reese, mal an der von Caleb wähnen, um beiden in ihr Herz zu schauen und ihre Gedanken und Gefühle kennenzulernen. Die Autorin gibt dem Leser einen guten Einblick über das Leben in einer Amish-Gemeinde und zeigt zudem die Problematik auf, die Außenstehende für die Gemeinde mit sich bringen. Die Regeln sind streng und alles Moderne und Neumodische wird abgelehnt, Amish vertrauen auf Gott und dass er ihnen eine Lösungsmöglichkeit bietet innerhalb ihrer Gemeinde. Erst mit der Taufe wird man ein vollwertiges Mitglied der Amish, wenn man sich während oder nach der „Rumspringe“-Zeit dafür entscheidet. Gerade deshalb ist die aufkommende Beziehung zwischen Caleb und Rees spannend, weil durch vorhersehbare Konflikte beladen, aber auch durch Entscheidungen, die gefällt werden müssen und dann nicht mehr reversibel sind.
Die Charaktere sind sehr liebevoll mit Leben versehen worden und wirken mit ihren Eigenschaften glaubhaft und authentisch. Der Leser kann sich voll auf sie einlassen, sie ein Stück des Weges begleiten und mit ihnen verbunden fühlen. Sehr schön ist dabei die Ausgewogenheit, denn man kann sowohl die moderne als auch die Seite der Amish nachvollziehen. Caleb ist ein offener und ehrlicher Mann, dem seine Familie alles bedeutet und der ein einmal gegebenes Versprechen nicht bricht. Caleb kennt die moderne Welt, hat sich aber für das harte Leben in einer Amish-Gemeinde entschieden, obwohl er sich bisher nicht hat taufen lassen. Reese stammt aus einem begüterten Elternhaus mit großen Ambitionen. Rees besitzt Mitgefühl, aber auch den nötigen Pragmatismus, um den Abstand zu ihrer täglichen Arbeit zu wahren. Sie ist ehrgeizig, lässt sich aber leider auch oft genug von ihren Eltern als Aushängeschild missbrauchen. Jonah ist ein lieber Junge, der nach dem Unfall ein anderes Leben führen muss als vorher. Calebs Vater Asa ist ein verbitterter Mann, der seinen Mitmenschen hart gegenüber tritt und seiner Familie so gar keine Liebe entgegenbringt. Auch die weiteren Nebendarsteller wie Hannah oder Leroy können den Leser überzeugen und lassen die Handlung zum Genuss werden.
„Für immer in meinem Herzen“ trifft den Leser mitten ins Herz, vermittelt tolle Einblicke in das Glaubens- und Lebensbild der Amish-People und überzeugt mit einer schönen Liebesgeschichte. Hier ist die absolute Leseempfehlung mehr als verdient!

Veröffentlicht am 31.03.2019

Pariser Spaziergang durch ein Jahrzehnt

An den Ufern der Seine
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1930-1940 Paris. Über die Distanz von 10 Jahren und vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse in Europa und der Welt, dem Zweiten Weltkrieg und der Besetzung durch die Nazis lässt die Autorin Agnès ...

1930-1940 Paris. Über die Distanz von 10 Jahren und vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse in Europa und der Welt, dem Zweiten Weltkrieg und der Besetzung durch die Nazis lässt die Autorin Agnès Poirier fast in Romanform eindrucksvoll und in ganz besonders fesselnder Erzählweise die Stadt Paris in ihrem alten Glanz auferstehen. Der Leser klebt regelrecht an den Seiten und wird Teil einer Generation, deren Mut und Entschlossenheit bis heute nachwirkt.
Als Hauptstadt bildender und literarischer Künstler, die sich in dieser Stadt niedergelassen haben oder sie als Zuflucht heimsuchen in für sie politisch unruhigen Zeiten und in ihren Bildern, Büchern und ihrer Musik verarbeiten, steht Paris für ein ganz bestimmtes Lebensgefühl. Der Krieg lässt viele Franzosen rebellieren und in den Untergrund gehen, um gegen die verhassten Besatzer zu kämpfen und sich aufzulehnen. Mit Abzug der Deutschen und nach Ende des Krieges genießen die Menschen ihre neue Freiheit und gestatten sich, über alte Konventionen hinwegzusetzen und einer moderneren Zukunft entgegenzustreben. Paris erhebt sich förmlich wie Phoenix aus der Asche und steht gerade deswegen auch heute noch für Modernität und Fortschritt, wurden doch aus dieser Stadt die geistlichen, literarischen und künstlerischen Strömungen in die Welt getragen.
Poirier hat sich vorbehaltlich auf Intellektuelle wie Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir konzentriert, jedoch lässt sie auch andere bekannte Namen vorbeiziehen und macht dem Leser dadurch deutlich, wie bedeutend gerade jene Zeit doch gewesen ist. Obwohl gerade während und nach dem Krieg mit begrenzten Mitteln ausgestattet, gelang es den Künstlern mit eiserner Geduld, Durchhaltevermögen und Verzicht, ihre Kreativität breit zu entfalten und sich gleichzeitig auch untereinander zu unterstützen.
Besonderes Augenmerk ist auf die exzellente Recherchearbeit von Agnès Poitier zu legen, die ihre Ausführungen noch mit kleinsten Details ausstaffiert, um den Leser nicht nur gut zu unterhalten, sondern auch gekonnt zu informieren.
„An den Ufern der Seine“ ist nicht nur ein gelungener Streifzug durch ein Jahrzehnt in der damaligen Künstlerhauptstadt Paris, sondern ein Füllhorn an wunderbar zusammengetragenen Informationen und Zusammenhängen, die begeistern. Absolute Leseempfehlung für ein Buch der Extraklasse!