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Veröffentlicht am 06.02.2022

Farben folgen mit ihren Eigenschaften den Veränderungen der Emotionen. (Pablo Picasso)

Ursula und die Farben der Hoffnung
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1911. Zeichnen ist Ursulas Passion, all ihre Gefühle überträgt sie in Farben, sie sieht sie regelrecht vor Augen, egal, in welcher Situation sie sich gerade befindet. Als sie über ihre Großmutter nicht ...

1911. Zeichnen ist Ursulas Passion, all ihre Gefühle überträgt sie in Farben, sie sieht sie regelrecht vor Augen, egal, in welcher Situation sie sich gerade befindet. Als sie über ihre Großmutter nicht nur die Künstlerin Paula Dehmel, sondern auch deren Tochter Vera kennenlernt, öffnet sich ihre kleine eigene Welt auf einmal der ganz großen. Vera, die Kunst studiert, freundet sich mit Ursula an, nimmt sie unter ihre Fittiche, stellt sie ihrem Freundeskreis vor, der sich aus vielen Kunststudenten und –schaffenden zusammensetzt. Auch Veras Vater, den großen Dichter Richard Dehmel, lernt Ursula kennen. Vor allem aber Veras Bruder Heinrich hat es Ursula angetan, mit dem sie schon bald ein enges Band verbindet. Immer mehr fühlt sich Ursula in der Kunstwelt zuhause, bewirbt sich sogar an der Berliner Kunstakademie und kann ihr Praktikum bei Richard Dehmels Ehefrau Isi in Hamburg machen. Als plötzlich der erste Weltkrieg ausbricht und Heinrich an die Front berufen wird, scheinen sich sämtliche Farben und Zukunftspläne Ursulas in Luft aufzulösen…
Ulrike Renk hat mit „Ursula und die Farben der Hoffnung“ den zweiten Band ihrer historischen Berliner Familientrilogie vorgelegt, der dem ersten Band in punkto Unterhaltungswert, geschichtlichem Hintergrund und Familiengeschichte in nichts nachsteht. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil gewährt dem Leser exklusiven Eintritt in die Welt von Ursula, deren Familie und Freundeskreis, wobei deren Gedanken- und Gefühlswelt jederzeit offenliegen. Sehr schön knüpft die Autorin das Band von Ursulas Familie zu den Protagonisten ihres Vorgängerromans um Paula Dehmel, denn auch diese spielt mit ihrem Ex-Ehemann Richard Dehmel sowie ihren Kindern Vera und Heinrich eine große Rolle, vor allem in Ursulas Leben und zeigen Gemeinsamkeiten auf. Auch Ursulas Eltern haben sich getrennt und Mutter Lina ist erneut verheiratet, lebt nun in Nordrhein-Westfalen, während die Großeltern in Potsdam leben, da Ursulas Opa der Bürgermeister von Potsdam ist. Die Handlung lebt nicht nur, aber vor allem von den zwischenmenschlichen Beziehungen, die zwischen den Dehmels, Ursulas eigener Familie sowie ihren Freunden herrschen. Die Autorin erweckt die damalige Zeit wunderbar zum Leben, beschert dem Leser während der Lektüre eine Sommerfrische am Darß, aber auch den Zugang zu den Kneipentreffen der angehenden Künstler. Während Renk ihre Geschichte um die sich langsam emanzipierende Ursula strickt, bestückt sie diese zusätzlich mit akribisch recherchiertem Hintergrund, so dass nicht nur das Attentat von Sarajevo mit der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau Sophie Erwähnung findet, sondern auch das Ultimatum Österreichs an Serbien sowie die unterschiedlichen gebildeten Allianzen, die Deutschland den Krieg erklärten.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und inszeniert, mit ihrer Glaubwürdigkeit und Authentizität wachsen sie dem Leser schnell ans Herz, der sich gern unter sie mischt und ihren Spuren folgt. Ursula ist eine junge, eher zurückhaltende Frau, die zu Beginn noch nicht wirklich weiß, wohin ihr Weg gehen soll. Ihre Gefühle werden von Farben dominiert und beim Zeichnen vergisst sie die Welt um sich herum. Erst mit der Freundschaft zur extrovertierten Vera Dehmel kommt sie mehr aus sich heraus und traut sich immer weiter in die Welt hinaus. Dabei nehmen auch ihre Zukunftswünsche Gestalt an. Vera ist eine spritzige, warmherzige und intelligente Frau, die zwischen den Zeilen zu lesen weiß. Paula Dehmel ist eine herzliche und offene Frau, die alle bei sich willkommen heißt. Aber auch Richard und Isi Dehmel sowie Georg, Margarete und auch Heinrich Dehmel spielen wichtige Rollen in dieser Geschichte.
„Ursula und die Farben der Hoffnung“ ist ein wunderschönes Kaleidoskop von Licht und Schatten, von Familie, Liebe, Hoffnung, Glück und Schicksal. Absolute Leseempfehlung für alle, die sich gern in alten Zeiten verlieren und Bücher über interessante Frauen lieben!

Veröffentlicht am 23.01.2022

In der Nächstenliebe gibt es kein Übermaß. (Francis Bacon)

Bevor ich mein Herz in deine Hände lege
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1862 BC, Kanada. Gemeinsam mit ihrer Haushälterin Hayward reist Arabella Lawrence per Brautschiff die kanadische Provinz Britisch Columbia, wo sie sich einen Neustart für ihr Leben erhofft, nachdem sie ...

1862 BC, Kanada. Gemeinsam mit ihrer Haushälterin Hayward reist Arabella Lawrence per Brautschiff die kanadische Provinz Britisch Columbia, wo sie sich einen Neustart für ihr Leben erhofft, nachdem sie aus Angst vor einer Zwangsheirat alle Sicherheiten aufgegeben hat und geflüchtet ist. Wohlbehütet und mit Dienstpersonal aufgewachsen, muss Arabella sich nun daran gewöhnen, auf eigenen Beinen zu stehen. Ihr außergewöhnliches Erscheinungsbild lässt schnell zwei Verehrer das Interesse an ihr bekunden. Der arrogante Leutnant Drummond wäre zwar standesgemäß, macht allerdings keinen Hehl daraus, dass er Arabella als Trophäe sieht. Bäcker Pete Kelly dagegen weiht Arabella mit seiner Warmherzigkeit und seiner Tatkraft in die Kunst des Backens ein, mit der diese bald schon erste Erfolge feiert. In Kanada angekommen, findet Arabella ein einsames krankes Indianerkind, das ihrer Hilfe bedarf. Pete unterstützt sie bei der Betreuung der Kleinen, wobei die beiden sich immer näher kommen…
Jody Hedlung hat mit „Bevor ich mein Herz in deine Hände lege“ den zweiten Teil ihrer Brautschiff-Saga vorgelegt, der dem ersten Teil an Romantik gepaart mit Spannung in nichts nachsteht. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil der Autorin katapultiert den Leser zurück ins 19. Jahrhundert, wo er sich an Bord des Brautschiffes an Arabellas Seite befindet und ihr bei ihren Erlebnisses über die Schulter sehen kann und so alles hautnah miterlebt. Arabella, die aus einer wohlbetuchten, höheren Gesellschaftsschicht stammt, hat gute Gründe für ihre Flucht, denn sie widersetzt sich damit den Wünschen ihres Vaters, einen Mann zu heiraten, der sie bereits gequält und misshandelt hat. Sie reist mit wenigen Mitteln in eine ungewisse Zukunft und steht mit ihrer Begleiterin praktisch vor dem Nichts. Auch wenn sie auf der Suche nach einem geeigneten Heiratskandidaten ist, um ihr das Leben zu erleichtern, nimmt sie nicht den Weg des geringsten Widerstandes, sondern lässt sich Zeit damit. Während zwei Männer um Arabellas Gunst buhlen, stellt diese ihr Herz immer wieder in Frage und achtet auf Dinge und Eigenschaften, die ihr wichtig sind. Die Autorin verwebt den historischen Hintergrund wunderbar mit ihrer Handlung und gibt dem Leser einen guten Einblick in die herrschenden Gepflogenheiten, Standesunterschiede und das Leben der Native Canadians. Durch unerwartete Ereignisse und Überraschungsmomente bleibt die Geschichte durchgängig spannend und lässt den Leser regelrecht an den Seiten kleben. Auch der christliche Aspekt ist wunderbar in die Handlung integriert, denn es geht um Selbstlosigkeit, Hilfsbereitschaft und vor allem um Nächstenliebe.
Die Charaktere sind lebhaft in Szene gesetzt und sprühen vor Lebendigkeit. Mit ihren glaubwürdigen Eigenschaften gewinnen sie schnell das Herz des Lesers, der sich nur zu gern an ihre Fersen heftet, um keinen Moment zu versäumen. Arabella ist eine liebenswerte junge Frau, die zu Beginn noch etwas unsicher und naiv wirkt, jedoch ist sie mutig und stark. Im Verlauf der Geschichte gewinnt sie immer mehr an Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein, zudem korrigiert sie ihr eigenes Wertesystem. Mrs. Moresby ist eine wunderbare Frau, die das Beste aus den Menschen zum Vorschein bringt und diesen ihre Hilfe großzügig angedeihen lässt. Drummond ist ein selbstverliebter, arroganter und eiskalter Mann, dem es nur um sich selbst geht. Pete ist ehrlich und offen, besitzt Humor, Mitgefühl und Hilfsbereitschaft.
„Bevor ich mein Herz in deine Hände lege“ ist ein wunderbarer historischer Roman, bei dem die Mischung aus Romantik und dramatischer Spannung sehr gelungen ist. Die einfühlsame und warmherzige Geschichte lässt den Leser das Buch nicht aus der Hand legen. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 23.01.2022

Ohne Torte und Petit Four, lebt man nicht, da darbt man nur. (Achim Schmidtmann)

Der süße Himmel der Schwestern Lindholm
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1936 Schweden. Die fünf Schwestern Ingrid, Hannah, Matilda sowie die Zwillinge Ulla und Ebba Lindholm leben mit ihren Großeltern und Mutter Helene auf der schwedischen Halbinsel Kullaberg, wo sie seit ...

1936 Schweden. Die fünf Schwestern Ingrid, Hannah, Matilda sowie die Zwillinge Ulla und Ebba Lindholm leben mit ihren Großeltern und Mutter Helene auf der schwedischen Halbinsel Kullaberg, wo sie seit vielen Jahren eine eigene Bäckerei führen, um ihre Kundschaft mit frischem Brot und Gebäck zu verwöhnen. Während Hannah mit ihrer Großmutter in der Backstube den Ton angibt, bringt Ingrid im Laden die Ware an die Kunden. Da aufgrund der Wirtschaftskrise das Geld knapp ist, arbeitet Matilda als Bedienung in einem Hotel, während der Vater entfernt in Lappland in einem Erzbergwerk schuftet und seine Familie nur einmal im Jahr zu sehen bekommt. Um mehr Geld in die Familienkasse zu spülen, wird Ingrids Idee umgesetzt und das Gartencafé „Söta Himlen“ neben dem Laden eröffnet, das sich schon bald zum Besuchermagneten entwickelt. Aber dann steht der Zweite Weltkrieg vor der Tür und Hannah verliebt sich ausgerechnet in den deutschen Karl, was zu allerlei Unfrieden innerhalb der Familie sorgt…
Andrea Russo hat mit „Der süße Himmel der Schwestern Lindholm“ einen sehr unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur von der Gegenwart in die bewegte Zeit des Zweiten Weltkrieges zurückführt, sondern ihm neben einer wunderschönen Geschichte auch gleichzeitig den Mund wässrig macht mit vielen Leckereien. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser zu einer Reise nach Schweden ein, um sich in einem am Meer gelegenen Ort als Gast bei der Familie Lindholm einzuquartieren, wo er hautnah das Miteinander unter den einzelnen Mitgliedern sowie über wechselnde Perpektiven deren Gedanken- und Gefühlswelt hautnah miterleben darf. Die Leidenschaft für das Backen liegt den Lindholms in den Genen, ihr Waren bescheren ihnen eine treue Kundschaft, auch mit ihrem neuen Café machen sie sich schnell einen Namen, obwohl die Zeiten kurz vor Kriegsausbruch nicht gerade rosig sind. Die Frauen halten zusammen und arbeiten praktisch Hand in Hand, um der Familie ein Auskommen zu sichern. Die Autorin verwebt den damaligen politischen Zeitgeist gekonnt mit ihrer Handlung, lässt aber den Wohlfühlfaktor ihrer Geschichte keinen Moment vermissen, während sie dem Leser kleine Rätsel aufgibt, die dieser im weiteren Verlauf lösen wird. Und während man den Familienerlebnissen folgt, ist es nicht zuletzt auch die dort wundervoll zelebrierte Backkunst, die bei der Lektüre die Gier nach Süßkram auf die Spitze treibt. Auch die schönen Landschaftsbeschreibungen wecken den Wunsch, die Koffer zu packen, um sich selbst ein Bild vor Ort zu machen.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit Leben versehen, sie überzeugen mit ihren glaubwürdigen menschlichen Eigenheiten und wachsen dem Leser schnell ans Herz, der sich schon nach wenigen Seiten als Teil von ihnen fühlt und neugierig ihren Spuren folgt, denn alle haben ihren eigenen Kopf. Hannah ist eine leidenschaftliche Bäckerin und hat immer neue Ideen. Sie ist freundlich, offen und mutig. Mutter Helene ist ausgeglichen, pragmatisch und hält das Heft in der Hand. Ingrid ist der Ruhepol, während Matilda extrovertiert ist, was für ihren Traum von der Schauspielerei nur von Vorteil sein kann. Ulla und Ebba sind die Nachzügler, die von allen nach Strich und Faden verwöhnt werden.
„Der süße Himmel der Schwestern Lindholm“ ist eine wunderschöne Lektüre für kalte Winterabende, eine gelungene Mischung aus warmherzig erzählter Familiengeschichte, gefüllt mit Liebe, Leckereien und historischem Hintergrund vor der rauen schwedischen Küste. Einmal begonnen, kann man das Buch kaum aus der Hand legen. Absolute Leseempfehlung für wohlige Lesestunden!

Veröffentlicht am 16.01.2022

Langsam kommendes Glück pflegt auch am längsten zu weilen. (Saadî)

Das Haus am Deich – Unruhige Wasser
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1951. Während Deutschland mitten im Wirtschaftswunder steckt, hat Frida den Unternehmer Horst Hinrichs geheiratet, den Vater ihrer Tochter Meike. Eigentlich müsste Frida glücklich sein, denn es mangelt ...

1951. Während Deutschland mitten im Wirtschaftswunder steckt, hat Frida den Unternehmer Horst Hinrichs geheiratet, den Vater ihrer Tochter Meike. Eigentlich müsste Frida glücklich sein, denn es mangelt der Familie an nichts, doch Horst ist immer wieder Abwegen, so dass sie schon bald wieder zu ihrer Mutter ins Haus am Deich einzieht, um Abstand zu gewinnen und sich über ihre Gefühle klar zu werden. Währenddessen hat sich ihre ledige Freundin Erna zwar zu einer Karrierefrau entwickelt, doch sie leidet sehr unter der Trennung ihrer Tochter Sanne, die aufgrund von Ernas Familie erst in einer Pflegefamilie untergebracht war, um dann in einem Heim zu landen. Aber sowohl Frida als auch Erna nehmen täglich den Kampf auf für ein glückliches Leben mit ihren Kindern…
Regine Kölpin hat mit „Unruhige Wasser“ den zweiten Band ihrer Deichtrilogie vorgelegt, der dem Vorgänger an Unterhaltungswert und historischem Hintergrund in nichts nachsteht. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil lädt den Leser erneut ein, sich auf die Reise ins vergangene Jahrhundert zu begeben, um sich im Haus am Deich einzumieten und von dort aus die Geschicke von Frida, Erna und deren Lieben aus nächster Nähe mitzuverfolgen. Während Frida sich den ständigen Eskapaden von Horst ausgesetzt sieht, der seine Frau immer wieder aufs Neue mit seinen Seitensprüngen brüskiert, muss Erna mit den wenigen ihr zugedachten Stunden vorlieb nehmen, in denen sie ihre Tochter Sanne sehen darf. Ernas Vater ist unerbittlich, was seine Enkelin betrifft und zerstört mit seiner Grausamkeit die gesamte Familie. Frida, die sich in ihrem Schmerz und ihrer Sehnsucht nach Glück an der Schulter Trost bei ihrer heimlichen Liebe Focko gesucht hat, hütet seitdem ein Geheimnis und hat Angst, dass dieses ihr mal um die Ohren fliegt. Die Autorin lässt während ihrer gefühlvollen Geschichte die Zeit des Wirtschaftswunders wunderbar Revue passieren. In den Geschäften gibt es wieder alles, was das Herz begehrt, die ersten Autos werden erworben, doch gleichzeitig halten manche Menschen noch immer an ihren alten Gesinnungen fest. Auch die Rolle der Frau hat sich nicht verändert, sie steht weiterhin unter der Knute des Mannes und kann kaum eigene Entscheidungen fällen. Der Zusammenhalt zwischen Frida und Erna wird dafür umso deutlicher, die beiden Frauen unterstützen sich in allen Lebenslagen, spenden sich gegenseitig Trost und geben sich Selbstvertrauen. Schlimm sind dagegen die geschilderten Umstände in dem Waisenhaus, wo Sanne untergebracht ist, so dass man als Leser ständig hofft, dass es Erna gelingt, ihre Tochter endlich dort herauszuholen.
Die Charaktere sprühen vor Lebendigkeit und haben sich glaubhaft weiterentwickelt. Der Leser folgt ihnen auf Schritt und Tritt, um keine Gefühlsregung und kein Ereignis zu verpassen. Frida ist eine herzliche Frau und wunderbare Mutter, die alles für ihre Lieben tut und etwas länger braucht, bis sie schwerwiegende Entscheidungen trifft. Erna dagegen ist offener und mutiger, doch auch sie wird oft genug von ihrem eigenen Vater ausgebremst. Fridas Mutter Margret ist eine patente Frau, die sich allerdings zu sehr in das Leben ihrer Tochter einmischt und zu manipulieren versucht. Horst ist ein Draufgänger, der einfach nicht anders kann. Ernas Vater Heinz ist ein harter und grausamer Mann, der seine Familie drangsaliert und oft wie ein Tier um sich schlägt.
„Unruhige Wasser“ ist eine sehr gelungene Fortsetzung, die mit einer Mischung aus Historie, Familiengeschichte, Liebe, Geheimnissen und Freundschaft wunderbar zu unterhalten weiß. Einmal begonnen, lässt sich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Absolute Leseempfehlung für ein wunderbares Kopfkino und beste Unterhaltung!

Veröffentlicht am 16.01.2022

Den Leib soll man nicht schlechter behandeln als die Seele. (Hippokrates)

Mehr als die Finsternis
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1923. Während nach dem Ersten Weltkrieg die Wirtschaftskrise stark beutelt, bekommt es Friederike von Aalen in der Nervenheilanstalt Gut Mohlendorf gleich mit zwei neuen Patientinnen zu tun: der 17-jährigen ...

1923. Während nach dem Ersten Weltkrieg die Wirtschaftskrise stark beutelt, bekommt es Friederike von Aalen in der Nervenheilanstalt Gut Mohlendorf gleich mit zwei neuen Patientinnen zu tun: der 17-jährigen Luise Jannsen und eine junge schwanger Frau, die durch einen beobachteten Unfall schlimm traumatisiert ist und seitdem nicht mehr spricht. Während Luise sich wie eine Halbstarke aufführt und dem Gefängnis nur durch eine Therapie entgehen konnte, wird die Schwangere als Zeugin des Unfalls auf Gut Mohlenberg untergebracht, wo sie ein farbiges Baby zur Welt bringt. Wird Friederike das Vertrauen der beiden so unterschiedlichen Frauen für sich gewinnen und so einige Geheimnisse ans Tageslicht bringen?
Melanie Metzenthin hat mit „Mehr als die Finsternis“ den Folgeband ihrer „Gut Mohlenberg“-Reihe vorgelegt, der eine Kriminalgeschichte vor historischem Hintergrund spannend verpackt und gleichzeitig die damalige schwierige Zeit für den Leser wieder auferstehen lässt. Mit flüssigem, bildhaftem und gefühlvollem Erzählstil lässt die Autorin den Leser per Zeitreise in die Psychiatrieeinrichtung Mohlendorf nahe Lüneburg einziehen, wo er Friederike bei ihrer täglichen Arbeit über die Schulter sehen und dabei auch die Patienten sowie Kommissar Lechner kennenlernt. Friederike geht in ihrem Beruf auf und gerade in der augenblicklichen Wirtschaftslage bangt sie darum, dass Patienten die Behandlung nicht mehr bezahlen können und deshalb ausbleiben. Ihre beiden Neuzugänge verlangen ihr einiges ab, denn es bedarf einiges an Einfühlungsvermögen und Geduld, um hinter die Fassade sowohl von Luise als auch der Schwangeren zu blicken. Die Autorin vermengt die damaligen Gepflogenheiten sowie den gesellschaftlichen und politischen Hintergrund wunderbar mit ihrer Handlung. Während man als Leser Friederike begleitet, erfährt man so einiges aus dem Leben der beiden Patientinnen. Die Rolle der Frau war damals noch genau definiert und für Luise wie ein Gefängnis, gegen das sie mit ihrem rebellischen Verhalten aufbegehrt. Der Spannungsbogen entsteht gleich zu Beginn des Buches und zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte, denn nicht nur Friederikes Anstrengungen gegenüber ihren Patientinnen ist hochinteressant, auch der beobachtete Unfall muss aufgeklärt werden. Metzenthin beweist mit der Verflechtung von mehreren Handlungssträngen einmal mehr, wie gut sie den Leser zu fesseln weiß, denn dieser kann das Buch kaum aus der Hand legen.
Liebevoll und lebendig ausgestaltete Charaktere nehmen den Leser schnell für sich ein, der ihnen folgt, mitfiebert und miträtselt. Friederike ist eine einfühlsame, hilfsbereite, selbstlose und patente Frau, die ihren Beruf als Ärztin als Berufung empfindet. Sie kann sich in ihre Patienten hineinfühlen und versucht, ihnen so gut wie möglich zu helfen. Gleichzeitig schießt sie bei ihren Unternehmungen oftmals auch über das Ziel hinaus, doch verliert sie nie den Mut, Lösungen zu finden. Luise benimmt sich wie ein typischer Teenager, sie ist rebellisch, strebt nach Freiheit und stemmt sich gegen Bevormundung und Unterordnung. Fräulein Wermut wirkt zu Beginn noch wie eine Lehrmeisterin, doch im Kern besitzt sie eine Menge Humor, ist clever und wortgewandt, teilweise spitzzüngig, ohne dabei verletzend zu sein. Sie sorgt für einige sehr unterhaltsame Momente.
„Mehr als die Finsternis“ ist ein sehr unterhaltsamer Mix aus Historie, Schicksalsschlägen, Spannung und vor allem wunderbaren Protagonisten, denen man sich verbunden fühlt. Absolute Empfehlung für eine sehr gelungene Fortsetzung!