Profilbild von Dreamworx

Dreamworx

Lesejury Star
offline

Dreamworx ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Dreamworx über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.12.2020

Die Abenteuer der wagemutigen Freya

Das Erbe der Päpstin
0

858. Seit Gisla von den dänischen Wikingern entführt wurde, lebt sie mit ihren Töchtern Freya und Asta als Sklavin bei ihnen, wo sie unter den ständigen Misshandlungen zu leiden haben. Als Gisla von dem ...

858. Seit Gisla von den dänischen Wikingern entführt wurde, lebt sie mit ihren Töchtern Freya und Asta als Sklavin bei ihnen, wo sie unter den ständigen Misshandlungen zu leiden haben. Als Gisla von dem gewalttätigen Anführer erneut angegangen und dabei getötet wird, flieht Freya gemeinsam mit ihrer Schwester vor den Dänen nach Dorstadt, um dort bei ihrem Großvater Gerold unterzuschlüpfen, doch dieser ist mittlerweile als Leiter der Leibgarde beim Papst in Rom. So macht sich Freya als Mann verkleidet auf in die Ewige Stadt, um dort bei der Osterprozession mitansehen zu müssen, wie Gerold dem Papst zu Hilfe kommt und beide getötet werden, wobei die wahre Identität des Papstes enthüllt wird: es war die Heilerin Johanna, Gislas enge Freundin. Freya will wissen, wer den Mord an Johanna veranlasst hat und sticht dabei in ein Wespennest, das sie selbst in größte Gefahr bringt…
Helga Glaesener hat sich mit „Das Erbe der Päpstin“ auf ein gefährliches Terrain gewagt, indem sie die Fortsetzung von Donna W. Cross‘ historischem Bestseller „Die Päpstin“ nach eigenen Ideen fort- und umgesetzt hat. Doch dies ist ihr wirklich gut gelungen. Der flüssige, bildhafte und fesselnde Erzählstil katapultiert den Leser 1150 Jahre zurück in der Zeit, um dort nicht nur die furchtbaren Umstände mitzuerleben, unter denen Gisla, Freya und Asta bei den Dänen leben müssen, sondern auch Freyas Schicksal mitzuverfolgen. Wer „Die Päpstin“ kennt, wird schnell Parallelen zwischen Johanna und Freya feststellen. Beide haben sich in Männerkleidung gewandet, um nicht nur sicherer leben zu können, sondern sich auch unbefangener zu bewegen und ihren Zielen näher zu kommen. Der Spannungsbogen ist durchweg hoch angelegt, denn Freya muss sich nicht nur vor der Vergeltung durch die Dänen fürchten, sondern hat aufgrund ihrer Neugier und Nachforschungen in Bezug auf Johannas und Gerolds Tod auch die Kirche im Nacken. Historisch ist das Buch sehr gut recherchiert, dem Leser werden sowohl die damalige Gesellschaft als auch deren Politik sowie ihre Lebensweisen bildhaft dargestellt. Frauen lebten damals fremdbestimmt als Haussklaven oder schmückendes Beiwerk, sie spielten weder in der Religion noch in der Politik eine große Rolle. Auch das Thema der Heilkunst hat die Autorin gekonnt mit ihrer Handlung verknüpft, galten Heilerinnen damals doch oftmals als Hexen, doch die einfache Bevölkerung war durchaus dankbar für ihre Dienste, da sie sich meist keinen Arzt leisten konnten.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit Leben gefüllt. Ihre menschlichen Eigenschaften lassen sie glaubhaft wirken, so dass der Leser sich ihnen auf eine abenteuerlicher Reise anschließt und an ihrem Schicksal Anteil nimmt. Freya ist eine wagemutige und selbstbewusste junge Frau, die sich nicht nur hilfsbereit um andere kümmert, sondern vor allem auch mit Kampfgeist ihre Ziele verfolgt. Schicksalsschläge machen sie nur noch stärker, so beißt sie sich immer wieder durch. Ihre Schwester Asta ist der völlige Gegensatz zu Freya, eher ängstlich und zurückhaltend. Aristide ist ein Gardist, der Freya unterstützt und ihr bei der Aufklärung des Mordes an Johanna hilft. Johanna ist eine willensstarke Frau, die sämtlichen Widerständen trotzte und es so mit Hilfe einer List auf den Heiligen Stuhl schaffte.
„Das Erbe der Päpstin“ ist ein spannender und unterhaltsamer Historienschmöker, dessen mitreißender Schreibstil den Leser das Buch kaum aus der Hand legen lässt. Verdiente Leseempfehlung für eine Geschichte, die ungeahnt überraschen kann!

Veröffentlicht am 29.12.2020

"Auf wessen Worte du hörst, dessen Knecht du bist." (Estländisches Sprichwort)

Die Zeit der Birken
0

1938. Nachdem Charlotte von Lilienfeld ihren Abschluss von der wirtschaftlichen Frauenschule in Estland in der Tasche hat, möchte sie eigentlich mit ihrer engsten Freundin Zilly nach Tallinn ziehen, um ...

1938. Nachdem Charlotte von Lilienfeld ihren Abschluss von der wirtschaftlichen Frauenschule in Estland in der Tasche hat, möchte sie eigentlich mit ihrer engsten Freundin Zilly nach Tallinn ziehen, um dort zu leben und zu arbeiten. Als ihre Tante stirbt, muss sie allerdings ihre Pläne vorerst auf Eis legen, um ihrem Onkel Julius im Haushalt unter die Arme zu greifen, der auf der estnischen Insel Hiiumaa lebt. Bei ihrer Ankunft wird sie von Lennart Landa überrascht, einem alten Freund aus Kindertagen, der mittlerweile als Stallmeister bei ihrem Onkel auf dem Birkenhof arbeitet. Zwischen Charlotte und Lennart entwickelt sich bald eine heimliche Liebesbeziehung, die ihre Eltern aufgrund ihrer Vorbehalte gegenüber Esten strikt untersagt hätten. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges trennt Lennart und Charlotte, die inzwischen ein Kind erwartet….
1977. Die 17-jährige Gesine von Pletten lebt mit ihrer Familie auf einem Gestüt in Schleswig-Holstein und liebt das Reiten über alles, was ihrer Mutter allerdings ein Dorn im Auge ist. Sie sollte besser mehr Aufmerksamkeit auf ihre Schulbildung legen. Als der Russe Grigori als neuer Bereiter auf dem Gestüt anfängt, entspinnt sich schon bald eine Beziehung zwischen Gesine und ihm. Doch dann verschwindet Grigori plötzlich vom Gestüt, und erst Jahre später kommt Gesine nicht nur einem alten Geheimnis auf die Spur…
Christine Kabus hat mit „Die Zeit der Birken“ einen sehr unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, wobei die Autorin die in ihren Büchern gewohnten Pfade Norwegens verlässt und diesmal das baltische Estland sowie Schleswig-Holstein als Hintergrundkulisse ihrer Handlung gewählt hat. Mit flüssigem, bildgewaltigem und gefühlvollem Erzählstil lässt Kabus den Leser zwischen zwei unterschiedlichen Zeitebenen hin- und herreisen, um zum einen die adlige Charlotte in Estland während der Jahre 1938 bis 1941 zu begleiten und zum anderen Gesine in Schleswig-Holstein in den Jahren 1977 bis 1991 zur Seite zu stehen. Durch die unterschiedlichen Perspektivwechsel baut die Autorin nicht nur Spannung auf, sondern gibt dem Leser zusätzlich die Möglichkeit, die Zusammenhänge zwischen den beiden Ebenen nach und nach zu erkennen und mitzufiebern. Kabus‘ historische Recherche ist fundiert und sehr gut mit ihrer Geschichte verbandelt. Der Leser erfährt über die Rückrufaktion der Nazis, die allen Deutschen befahl, nach Deutschland zurückzukehren, wobei diese oftmals dort keinerlei Verwandte oder Wurzeln. Auch die Parallelen zwischen Charlottes und Gesines Schicksal sind wunderbar ausgeführt. Beide entstammen wohlhabenden Familien und genossen eine recht strenge Erziehung, sehen sich dem Druck der Familie ausgesetzt, eine standesgemäße Partie zu machen, während die jungen Frauen ganz eigene Träume und Wünsche haben. Wunderbar webt die Autorin ihre Handlungsstränge ineinander und bringt ihre emotionale Geschichte an den Leser, der sich immer wieder auf einer Achterbahn der Gefühle befindet.
Liebevoll ausgestaltete Charaktere überzeugen durch ihre menschlichen Eigenschaften sowie durch Lebendigkeit. Dem Leser fällt es nicht schwer, sowohl Gesine als auch Charlotte recht nahe zu kommen und mit ihnen zu fühlen. Charlotte ist voller Tatendrang und nutzt die Chance, der Aufsicht ihrer Familie zu entkommen, indem sie sich um ihren Onkel kümmert. Doch werden ihr schon bald sehr schmerzhaft die Flügel gestutzt. Ihre Stärke ist bewundernswert. Gesine besitzt ihre eigenen Vorstellungen vom Leben, doch wird sie immer wieder von ihrer Mutter ausgebremst, während Opa Paul ihr Verbündeter ist. Zilly ist Charlotte eine herzensgute Freundin, auf die immer Verlass ist. Aber auch Grigori, Lennart sowie die Familien von Charlotte und Gesine spielen tiefgreifende Rollen in diesem Roman.
„Die Zeit der Birken“ überzeugt mit einer fesselnden und gefühlvollen Geschichte über zwei Zeitebenen. Das Aufspüren eines alten Geheimnisses sowie der historische Hintergrund lassen den Leser regelrecht an den Seiten kleben. Verdiente Leseempfehlung für eine spannende Geschichte!

Veröffentlicht am 28.12.2020

Die Agentinnen der Section F

Die Frauen von Paris
0

1946 New York. Grace Healey ist seit einiger Zeit Witwe und arbeitet für einen Anwalt, der sich um Waisenkinder sowie um Kriegsopfer kümmert. Bei einer Mittagspause verschlägt es sie in die Grand Central ...

1946 New York. Grace Healey ist seit einiger Zeit Witwe und arbeitet für einen Anwalt, der sich um Waisenkinder sowie um Kriegsopfer kümmert. Bei einer Mittagspause verschlägt es sie in die Grand Central Station, wo sie unter einer Bank zufällig einen herrenlosen Koffer findet. Ihrer Neugier folgend öffnet sie den Koffer und findet dort in einem Umschlag Fotoaufnahmen von jungen Frauen in Uniform, die wahrscheinlich im gerade beendeten Zweiten Weltkrieg gedient haben. Grace nimmt die Fotos aus Reflex an sich und lässt den Koffer stehen, der einen Tag später aber verschwunden ist. Wie sich kurze Zeit später herausstellt, gehörte der Koffer einer Frau namens Eleanor Trigg, die bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam und der englischen SOE (Special Operations Executive) angehörte, die während des Krieges Agenten und Agentinnen anwarb, ausbildete und dann aufs europäische Festland entsandte, um dort als Funker oder auch als Sprengspezialisten die Invasion der Alliierten einzuleiten. Grace ist von den Fotos so fasziniert, dass sie unbedingt herausfinden will, wie es den jungen Frauen auf den Fotos ergangen ist. Ob eine von ihnen noch lebt?
Pam Jenoff hat mit „Die Frauen von Paris“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der mit seinem flüssigen, farbenfrohen und gefühlvollen Erzählstil den Leser von der ersten Zeile an einfängt und ihn in die Handlung eintauchen lässt. Dort heftet er sich an die Fersen von Grace und erfährt so die Geschichte der Frauen, die in der Zeit von 1943 bis 1944 von der SOE ausgebildet und danach ins Kriegsgeschehen entlassen wurden. Die Handlung erstreckt sich nicht nur über zwei Zeitebenen (1946 sowie 1943/44), sondern auch auf unterschiedliche Perspektiven, denn neben Grace werden auch die Sichtweisen von Eleanor Trigg und der Agentin Marie Roux dem Leser offenbart. Die Autorin erläutert in ihrem Nachwort ihre Beweggründe für ihre Geschichte und macht deutlich, dass auch Frauen einen großen Beitrag unter Einsatz ihres Lebens für die Invasion geleistet haben. Während Grace noch um ihren verstorbenen Mann trauert und die Spurensuche zu ihrem Lebensinhalt macht, sind die Episoden von Eleanor geprägt von Verantwortungsbewusstsein für ihre Agentinnen, hatte sie doch die Idee, Frauen für die Spionage im Krieg einzusetzen. Doch Frauen wurden damals eher belächelt und nicht für geeignet gehalten. Dass sich dies nicht auch im Verlauf der Einsätze nicht geändert hat, muss Eleanor auf schmerzliche Weise erfahren. Die alleinerziehende Mutter Marie Roux ist eher zufällig in die Rolle der Agentin hineingerutscht, entpuppt sich dann aber als recht wagemutige Person, die in ihrem Einsatz so mancher Gefahr ausgesetzt ist.
Die Charaktere sind sehr lebendig in Szene gesetzt und wirken mit ihren menschlichen Ecken und Kanten durchweg glaubwürdig und authentisch. Der Leser folgt ihnen gern durch die Geschichte, leidet mit Marie, aber zeitweilig auch mit Eleanor. Grace hat den Tod ihres Mannes noch nicht verkraftet. Sie ist einsam, wirkt aber entschlossen und ist durchaus clever. Die Fotos bringen sie auf andere Gedanken. Eleanor ist eine ehrgeizige und starke Frau, die oftmals hart und kühl wirkt, jedoch insgeheim ein Herz für ihre Agentinnen hat. Sie kämpft bei der SOE gegen Windmühlen und bekommt einmal mehr zu spüren, wie wenig Respekt man Frauen entgegenbringt. Marie wirkt zu Beginn noch ängstlich, doch wächst sie nach und nach über sich hinaus. Will und Julian sind zwei alte Haudegen, die sich der guten Sache verschrieben haben.
„Die Frauen von Paris“ lässt den Leser in der Zeit zurückwandern und Anteil nehmen an dem Schicksal der Frauen, die unter Einsatz ihres Lebens die Invasion der Alliierten in Frankreich vorbereiteten und dann so sang und klanglos in der Versenkung verschwanden, ohne gewürdigt zu werden. Kurzweilige, interessante Lektüre; die den Leser an den Seiten kleben lässt! Verdiente Empfehlung!

Veröffentlicht am 22.12.2020

"Kein schöner Land in dieser Zeit, als hier das unsre weit und breit." (Anton Wilhelm von Zuccalmaglio)

Lust auf Deutschland
0

Obwohl wir Deutschland schon von Schleswig-Holstein bis Bayern und von Nordrhein-Westfalen über Hessen bis nach Sachsen bereist und dabei viele schöne Ecken entdeckt haben, waren wir gespannt darauf, welche ...

Obwohl wir Deutschland schon von Schleswig-Holstein bis Bayern und von Nordrhein-Westfalen über Hessen bis nach Sachsen bereist und dabei viele schöne Ecken entdeckt haben, waren wir gespannt darauf, welche unbekannten Möglichkeiten uns „Lust auf Deutschland“ offerieren würde.

Knapp 50 Ziele haben die Autoren zusammengetragen, denen man auf jeden Fall Aufmerksamkeit schenken sollte. Hier werden Wanderfreunde, Städteliebhaber, Naturverbundene sowie Inselbegeisterte auf jeden Fall fündig, ein neues Ausflugsziel zu entdecken.

Das Buch punktet nicht nur durch seine schön gestaltete Aufmachung und die herrlichen Fotos, sondern schon das Inhaltsverzeichnis lockt mit seiner Einteilung, sich für eine Himmelsrichtung zu entscheiden. Es beginnt mit dem Norden, wo sich Ziele wie Sylt, Hamburg, Helgoland, das Wattenmeer, die Lüneburger Heide oder auch die Insel Rügen finden lassen, um nur einige Beispiele zu nennen. Weiter geht es in den Nordosten nach Berlin, Potsdam, den Spreewald, Leipzig, Dresden, die Sächsische Schweiz sowie das Erzgebirge. Die Mitte findet Erwähnung durch Weimar, Erfurt, Münster, Aachen, Köln, das Ruhrgebiet, Trier, Frankfurt und das Rheintal. Im Süden schließlich findet sich eine Auswahl von Zielen wie Heidelberg, Freiburg, Stuttgart, den Schwarzwald, den Bodensee, Bamberg, Nürnberg, München, das Allgäu, den Chiemsee oder die Zugspitze.

Die kurzen Texte zu den einzelnen Orten werden von einem kleinen Landkartenausschnitt sowie einer Rubrik „Top Erlebnisse“ begleitet, in der sich so mancher Geheimtipp verbirgt, den man selbst vielleicht nicht sofort finden würde. Zudem sind Internetadressen zu den einzelnen Zielen angegeben, wo sich weiteres Informationsmaterial finden lässt.

Uns hat das Buch schon auf einige Ideen gebracht, was wir uns demnächst auf jeden Fall ansehen möchten. Für Deutschlandentdecker und solche, die es werden wollen, ist dieses Buch eine schöne Fundgrube. Sehr empfehlenswert!

Veröffentlicht am 20.12.2020

"Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun." (Molière)

Der Nordseehof – Als wir der Freiheit nahe waren
0

1973. Viele Jahre sind inzwischen ins Land gegangen, in der sich Johanna gemeinsam mit Ehemann Eike Deeken um den Nordseehof kümmern und dort die Schäferei betreiben. Ihre Ehe ist geprägt von gegenseitigem ...

1973. Viele Jahre sind inzwischen ins Land gegangen, in der sich Johanna gemeinsam mit Ehemann Eike Deeken um den Nordseehof kümmern und dort die Schäferei betreiben. Ihre Ehe ist geprägt von gegenseitigem Respekt, doch ihre große Liebe Rolf hat Johanna nie vergessen. Ihre 18-jährige Tochter Adda hat mit dem Hof nichts im Sinn und träumt von einem Leben abseits des Hofes, am liebsten als Krankenschwester in Bremen ganz allein auf sich gestellt, aber auch um dem angespannten Verhältnis mit ihrer Mutter zu entfliehen. Doch dann lastet auf einam die gesamte Verantwortung für den Hof auf Johannas Schultern, die sie nur mit Hilfe ihrer Kindern tragen kann, was Addas Pläne erst einmal in die Ferne rücken lässt. Aber aufgeschoben heißt ja nicht, aufgehoben...

Renate Kölpin hat mit „Als wir der Freiheit nahe waren“ den zweiten Teil ihrer historisch angelegten Nordseehof-Trilogie vorgelegt, der in punkto Unterhaltungswert und Spannung erneut hohes Niveau beweist, so dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Der flüssig-leichte, farbenfrohe und gefühlvolle Schreibstil lässt den Leser sofort wieder auf den ostfriesichen Hof einziehen, wo er den Bewohnern auf Schritt und Tritt folgt, während ihre Gedanken- und Gefühlswelt offen vor ihm liegt. Die zwischenmenschlichen Beziehungen sowie die Darstellung der unterschiedlichen Generationen sind der Autorin gut gelungen. Während Johanna in eine arrangierte Ehe gedrängt wurde, einen harten Schicksalsschlag verkraften muss und an allen Ecken und Enden für den Hof kämpft, haben ihre Kinder ganz anderes im Sinn. Doch wenn es um die Familie und den finanziell in Schieflage geratenen Hof geht, ziehen alle an einem Strang, auch wenn sie dabei erst einmal zurückstecken müssen. Ebenso spannend ist zu beobachten, wie Adda in Bremen ihre ersten eigenen Erfahrungen macht. Dabei verbindet die Autorin den historischen Hintergrund wunderbar mit ihrer Handlung, lässt sowohl damaliges gesellschaftliches als auch politisches Treiben wieder aufleben. Zudem zeigt sie auf, wie wenig Frauen auch noch in den 70er Jahren als eigenständig und sebstbestimmend gesehen wurden und Gleichberechtigung noch in weiter Ferne lag.

Die Charaktere sind detailliert ausgestaltet und mit Leben gefüllt. Sie besitzen realistische menschliche Ecken und Kanten, so dass der Leser sich in ihrer Gesellschaft wohl fühlt und ihr Schicksal teilt. Johanna ist eine Kämpfernatur, die sich vor harter Arbeit nicht scheut und alles dafür tut, den Hof zu erhalten. Das Verhältnis zu ihrer Tochter ist angespannt, liegt wohl aber mehr daran, dass sich Mutter und Tochter in ihren Wesenszügen so ähnlich sind. Adda hat wie jede junge Frau Träume und Wünsche für ihr eigenes Leben, die sie sich verwirklichen möchte. Doch sie besitzt auch Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihrer Familie, rennt nicht davon, wenn es schwierig wird. Eike ist ein freundlicher Mann, der ein besonders enges Verhältnis zu seiner Tochter hat. Aber auch Uwe, Manfred Oetjen, Paul, Rolf und Oma Deeken spielen in diesem Buch eine Rolle.

„Als wir der Freiheit nahe waren“ fesselt durchweg mit einer spannenden Familiengeschichte, lässt den Leser an den Seiten kleben und darauf hoffen, dass alle liebgewonnenen Protagonisten ihr Glück finden werden. Der dritte Band wird sehnlichst erwartet. Verdiente Empfehlung für schöne Lesestunden und gute Unterhaltung!