Profilbild von Dreamworx

Dreamworx

Lesejury Star
offline

Dreamworx ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Dreamworx über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.12.2020

Ein Weihnachtsfest der besonderen Art

Drei Frauen im Schnee
0

Sonja ist ihres Alltags müde. Ihre Teenagerzwillinge Lilly und Amelie sind inzwischen auf eigenen Wegen unterwegs, die Welt von Ehemann Paul dreht sich nur um sich selbst und ihre Schwiegermutter Irene ...

Sonja ist ihres Alltags müde. Ihre Teenagerzwillinge Lilly und Amelie sind inzwischen auf eigenen Wegen unterwegs, die Welt von Ehemann Paul dreht sich nur um sich selbst und ihre Schwiegermutter Irene tötet ihr mit ihrer Besserwisserei und ihren Bevormundungen den letzten Nerv. Als das Weihnachtsfest dann für Sonja wieder nur in Stress ausartet, jeder seine Ansprüche an sie stellt, keiner sich einmal um ihre Befindlichkeiten kümmert, wird ihr alles zuviel, und so streicht sie die Segel in der Silvesternacht und haut einfach ab. Auf dem Friedhof trifft sie neben einer alten Schulfreundin auch Bernadette aus ihrer Nachbarschaft. Die drei Frauen raufen sich schnell zusammen und freunden sich miteinander an. Gemeinsam verbringen die drei einige Tage in den Bergen in einem Hotel, teilen Sorgen und Nöte und sind auch vor einigen Überraschungen nicht gefeit...

Blanca Imboden hat mit „Drei Frauen im Schnee“ einen kurzweiligen Roman vorgelegt, der sich wie mitten aus dem Leben geschnitten liest. Der flüssige und farbenfrohe Erzählstil stellt den Leser an Sonjas Seite, um von ihr aus der Ich-Perspektive einen guten Einblick in ihr bisheriges Leben zu bekommen. Das dort herrschende Chaos kommt so manchem bekannt vor, besonders vor den Feiertagen und am Jahresende wird deutlich, auf welchen Schultern die Organisation des Festes meistens abgeladen wird, während die üblichen Verdächtigen tausend Wünsche haben, die nebenbei erfüllt werden sollen. Dabei kommt gerade denjenigen die Weihnachtsstimmung abhanden, die als ausführende Personen auserkoren regelrecht Pirouetten drehen und sich verbiegen müssen, um allen Forderungen nachzukommen, wobei ihre eigenen Wünsche und Träume den Bach runter gehen. Der ungeplante Ausbruch von Sonja war da nur eine Frage der Zeit, denn irgendwann hat man keine Lust mehr zu funktionieren. Inmitten einer ruhigen, verschneiten Bergwelt kann sie aufatmen, runerkommen und sich selbst mal wieder spüren. Die bildhaften Landschaftsbeschreibungen bringen Ruhe und Entspannung in das vorher doch recht chaotische Geschehen. Auch die neue Freundschaft zwischen den drei Frauen, die sich gegenseitig unterstützen und sich einander offenbaren, zeigt von der Alltäglichkeit der Geschichte und kommt dem einen oder anderen äußerst bekannt vor.

Die Chararktere wirken wie aus der realen Welt, besitzen glaubwürdige menschliche Eigenschaften und ziehen den Leser so in ihren Bann, der so manches ihrer Erlebnisse mit ihnen zu teilen vermag. Sonja ist eine freundliche und allzu gutmütige Frau mit einer hohen Schmerzgrenze um des lieben Friedens willen. Doch auch diese ist irgendwann erreicht und führt zu Atemnot und Widerstand. Schulfreundin Karin hat vor kurzem ihren Mann verloren und hat das alles noch nicht verarbeitet. Bernadette ist die Hilfsbereitschaft in Person, allerdings kaschiert sie damit ihre Einsamkeit. Amelie und Lilly gebärden sich wie typische Teenager, die oftmals altklug daherreden, doch dann wieder wie Kinder sind. Schwiegermutter Irene ist wie ein Stachel im Fleisch, der immer mal wieder pikst, bis der Schmerz irgendwann Überhand nimmt. Paul ist ein Egoist, der sich mehr um seine Lieben kümmern sollte.

„Drei Frauen im Schnee“ ist eine unterhaltsame (Weihnachts)-Geschichte, wo so manch einer sich irgendwie wiederfindet. Kurzweilige Lektüre für zwischendurch mit einigen Denkanstössen und verdienter Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 13.12.2020

"Reisen bedeutet Grenzen zu überschreiten, auch die eigenen." (Wanda Rezat)

Lockruf der Fremde
0

1931. Die Malerin Alice Wegener kehrt nach langer Zeit in Mexiko mit ihren Kindern Leonora und Paul für eine Ausstellung ihrer Bilder zurück nach Berlin. Die Nazis sind im Aufwind und bringen das deutsche ...

1931. Die Malerin Alice Wegener kehrt nach langer Zeit in Mexiko mit ihren Kindern Leonora und Paul für eine Ausstellung ihrer Bilder zurück nach Berlin. Die Nazis sind im Aufwind und bringen das deutsche Volk mit ihren Hetzkampagnen gegen alles Fremdländische und gegen die Juden auf. Als Paul auf die mittellose adelige Friderike von Greifen trifft, verliebt er sich Hals über Kopf in sie, was Friderikes Bruder als Anhänger der Nationalsozialistischen Partei ein Dorn im Auge ist. Während Paul sich einer archäologischen Expedition in Peru anschließt, hat seine exotisch aussehende Schwester Leonore mit Anfeindungen aus der deutschen Bevölkerung zu kämpfen, so dass Alice alsbald mit ihr nach Mexiko zurückkehrt. Als Friderike des Wartens auf eine Nachricht ihrer Liebe Paul müde ist, wagt sie das Abenteuer und macht sich auf die gefährliche Reise nach Peru, um ihn zu finden…
Tereza Vanek hat mit „Lockruf der Fremde“ den Anschlussband ihres historischen Romans „Der Duft des Regenwalds“ (damals noch unter dem Namen Rosa Zapato) vorgelegt, der nicht nur mit exotischen Kulissen, sondern auch mit einiger Spannung sowie einer Liebesgeschichte zu fesseln weiß. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil nimmt den Leser mit auf Zeitreise ins Deutschland der 30er Jahre, wo die politischen Umwälzungen in vollem Gange und die Parolen der Nazis immer lauter werden. Der Leser steht mal an der Seite von Leonore, mal an der von Paul oder Friderike und erlebt mit ihnen so allerlei Abenteuerliches. Die Autorin lässt den Leser nicht nur eine Reise von Deutschland nach Peru und Mexiko antreten, sondern hat mit ihrer guten Recherche auch die damaligen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der einzelnen Länder in ihre Geschichte mit einfließen lassen. Natürlich geht es auch um eine starke Frau, die sich über die damaligen Konventionen hinwegsetzt, um ihre Träume und Ziele zu verfolgen und sich dabei so mancher Gefahr aussetzt, während sie sich in einer völlig neuen, ihnen unbekannten Welt behaupten muss. Der Spannungsbogen bewegt sich zu Beginn auf mittlerem Niveau, steigert sich im weiteren Verlauf auf immer weiter.
Die Charaktere sind lebendig gestaltet und wirken mit ihren persönlichen Eigenschaften glaubwürdig und authentisch. Der Leser folgt ihnen gern und fiebert mit, ob sich deren Erwartungen und Wünsche wohl erfüllen werden. Paul ist ein sympathischer, aufrichtiger und wissbegieriger junger Mann, der mit Standesdünkel nicht viel am Hut hat. Seine Schwester Leonore ist eine aufgeschlossene junge Frau, die schon bald aufgrund ihres Aussehens Anfeindungen über sich ergehen lassen muss, denen sie machtlos und verletzt gegenübersteht. Friderike ist eine Frau, der die Liebe nicht nur Flügel, sondern vor allem Mut verleiht, um sich auf unbekanntes Terrain zu wagen. Ihre Kraft und Stärke sind vor allem zur damaligen Zeit bewundernswert, zumal sie die Gepflogenheiten in einem ihr unbekannten Land nicht kennt.
„Lockruf der Fremde“ ist ein unterhaltsamer historischer Roman, der neben exotischen Kulissen auch mit einigen Spannungsmomenten sowie einer Liebesgeschichte aufwartet. Eine schöne Kopfreise in diesen dunklen Zeiten, die vor allem recht kurzweilig ist. Verdiente Empfehlung!

Veröffentlicht am 06.12.2020

"Feder und Papier entzünden mehr Feuer als alle Streichhölzer der Welt." (M. S. Forbes)

Milena und die Briefe der Liebe
0

1916 Prag. Als Tochter eines gutsituierten Zahnarztes wächst Milena Jesenska zu einer modernen und selbstsicheren jungen Frau heran. Obwohl ihr Vater ein strenges Auge auf sie hat, darf sie ein Studium ...

1916 Prag. Als Tochter eines gutsituierten Zahnarztes wächst Milena Jesenska zu einer modernen und selbstsicheren jungen Frau heran. Obwohl ihr Vater ein strenges Auge auf sie hat, darf sie ein Studium beginnen. Ihre Vorliebe für Besuche in den Prager Kaffeehäusern bringt sie in die Gesellschaft des dort verkehrenden Künstlervolks, wobei sie auch den Schriftsteller Franz Kafka kennenlernt, mit dem sie sofort eine Art Seelenverwandtschaft verbindet. Von ihrem Vater aufgrund ihrer Liaison mit dem jüdischen Literaturkritiker Ernst Polak verstoßen, heiratet sie diesen und geht mit ihm nach Wien. Den Kontakt zu Franz Kafka erhält sie jedoch per Briefwechsel aufrecht. Als ihre Ehe scheitert, wendet Milena sich an Franz, dem sie vorschlägt, seine Werke ins Tschechische zu übersetzen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Doch schon bald entwickeln sich zwischen ihr und dem Schriftsteller tiefere Gefühle…
Stephanie Schuster hat mit „Milena und die Briefe der Liebe“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der die ungewöhnliche Beziehung zwischen dem berühmten Schriftsteller Kafka und der bisher unbekannten Journalistin und Übersetzerin Milena Jesenska beleuchtet. Der flüssige und bildhafte Erzählstil lässt den Leser ins vergangene Jahrhundert nach Tschechien und Wien reisen, um eine recht selbstbewusste jungen Frau kennenzulernen und einige Jahre ihres Lebensweges zu begleiten. Während Kafka eigentlich jedem heute ein Begriff sein sollte, ist seine Verbindung zu Milena Jesenska vielen gar nicht bekannt. Als Tochter einer angesehenen Familie stand sie unter der Knute ihres Vaters, der ihren schon in jungen Jahren unbändigen Freiheitsdrang immer wieder zu beschneiden versuchte. Ihr Umgang mit jüdischen Künstlern, vor allem aber die Beziehung zu Polak war ihm ein Dorn im Auge, weshalb er sie auch in eine Psychiatrie einweisen ließ, um dieser einen Riegel vorzuschieben, was allerdings nicht von Erfolg gekrönt war. Der Leser erlebt mit, wie Milena sich in Wien allein durchs Leben schlagen muss, während ihr Ehemann seine Freiheiten propagiert und sie in keiner Weise unterstützt. Mit der brieflichen Kontaktaufnahme zu Kafka, die erst eher beruflicher Natur war, wird eine persönliche Beziehung zwischen den beiden in Gang gesetzt, die schon bald in flammenden Gefühlen füreinander Ausdruck findet, jedoch nie weiter ging aufgrund der Bindungsangst des psychisch-labilen Kafka.
Die Charaktere sind sehr lebendig und glaubwürdig dargestellt, so dass der Leser den Eindruck gewinnt, sowohl Milena, Polak, Kafka sowie Dr. Jan Jesensky in ihrem Alltag kennenzulernen und zu manchem von ihnen sogar eine persönlichere Beziehung aufzubauen. Es ist nicht verwunderlich, dass Milena gerade wegen ihrer strengen Erziehung durch ihren Vater ihren Freiheitsdrang entwickelt hat, der schon fast als Gefängnisausbruch gewertet werden darf. Sie ist eine selbstsichere und offene Frau, die jedoch auch mit einiger Naivität ausgestattet ist. Für die damalige Zeit ist sie recht modern veranlagt, die daraus resultierenden Folgen waren für sie aber in jeder Hinsicht recht schmerzlich. Polak war ein selbstverliebter Mann, der sein Ego durch unzählige Frauenbekanntschaften streichelte und sich gegenüber seiner Ehefrau in keinerlei Verantwortung sah. Kafka hingegen war ein Träumer, der die Liebe auf ein Podest stellte und sobald es ernster wurde, Reißaus nahm vielleicht aus Angst, dass seine Erwartungen sich doch nicht erfüllen würden.
In „Milena und die Briefe der Liebe“ wird der gut recherchierte Hintergrund mit einiger Fiktion verknüpft, woraus eine recht unterhaltsame Geschichte entstanden ist, die dem Leser die Verbindung zwischen Kafka und Milena Jesenska näher bringt. Kurzweilig und empfehlenswert!

Veröffentlicht am 05.12.2020

Kochen ist kein Hexenwerk

Emmi kocht einfach
0

Wer Kinder hat, die erwachsen werden und ausziehen, der hofft, dass sie sich eigenständig ernähren und sich auch mal selbst etwas Leckeres auf dem Herd zubereiten können, vor allem, wenn sie sich nicht ...

Wer Kinder hat, die erwachsen werden und ausziehen, der hofft, dass sie sich eigenständig ernähren und sich auch mal selbst etwas Leckeres auf dem Herd zubereiten können, vor allem, wenn sie sich nicht in der Nähe von „Hotel Mama“ niederlassen. Da wir Christiane Emma Prolics Kochblog schon eine Weile verfolgen und inzwischen einige der Empfehlungen nachgekocht haben, haben wir unserem Nachwuchs jedem eines von ihren Büchern als „Küchennachschlagewerk“ mit ins Gepäck gegeben, um die Nahrungsverwertung sicherzustellen.
Das Buch startet mit einem persönlichen Vorwort, wo die Autorin schon so einige Tipps und Tricks zum Besten gibt, die selbst alten Kochhasen hilfreich sind. U. a. geht es da ums Schneiden von Roten Beeten, Fettentfernung aus Soßen, das Soßenbinden, das Erkennen von frischen Eiern, der Umgang mit Fleisch, Brühen, Fonds, Gewürzen und Kräutern, Ölen, Käse, welche Küchenhelfer, Messer und Vorräte hilfreich sind.
Die Gliederung geht von Salaten, über Beilagen, Eintöpfe, Suppen, Hauptgerichte, Nudel- und Reisgerichte, Quiches, Tartes, Süßspeisen, Desserts bis hin zum Backen. Eine Zutatenliste, ein Saisonkalender sowie ein Rezeptregister runden dieses Buch wunderbar ab, zumal die benötigten Lebensmittel überall erhältlich sind.
Mit „Emmi kocht einfach“ gelingt auch Anfängern mühelos eines der 75 gut durchdachten Rezepte. Ob es die Gemüsequiche ist, der Caesars Salat oder auch die Bananen-Schoko-Muffins, hier wird jeder fündig, der sich selbst bekochen will und nicht unbedingt ein Küchenprofi ist. Die Rezepte sind ausführlich beschrieben und lassen auch einen Laien sein Erfolgserlebnis haben, wenn die erste selbstgekochte Mahlzeit auf dem Tisch steht.
Ein tolles Einsteigerkochbuch, das in Studentenbuden und Kleinhaushalten gute Dienste leistet. Empfehlenswert!

Veröffentlicht am 05.12.2020

"Der Mensch ist nichts anderes, als was er selbst aus sich macht." (Jean-Paul Sartre)

Stella Fortuna
0

1920 kommt Mariastella Fortuna im Dorf Ievoli im italienischen Kalabrien zur Welt. Aufgrund des frühen Todes ihrer älteren Schwester erbt sie deren Vornamen und damit ist das Schicksal für ihr weiteres ...

1920 kommt Mariastella Fortuna im Dorf Ievoli im italienischen Kalabrien zur Welt. Aufgrund des frühen Todes ihrer älteren Schwester erbt sie deren Vornamen und damit ist das Schicksal für ihr weiteres Leben besiegelt, denn Stella neigt leider dazu, dem Tod oftmals die Stirn bieten zu müssen. Für viele wirkt sie sonderbar oder gar verflucht, doch eigentlich besitzt sie nur einen unermüdlichen Lebenswillen, der sie wie ein Stehaufmännchen immer wieder zurückholt unter die Lebenden. Sie kümmert sich rührend um ihre kleine Schwester Cettina und beschützt sie vor ihrem Vater Antonio, in dessen Augen Frauen minderwertige Wesen sind und der sich deshalb seiner Frau Assunta mehr als einmal aufzwingt. Als die Familie vor Beginn des Zweiten Weltkriegs nach Amerika auswandert, hofft Stella, dort endlich mehr Eigenständigkeit zu erhalten. Leider hat ihre Familie einschließlich Cettina gar kein Verständnis dafür, was die beiden eng verbundenen Schwestern über lange Zeit entfremden soll…
Juliet Grames hat mit „Die sieben oder acht Leben der Stella Fortuna“ einen unterhaltsame historische Familiensaga vorgelegt, die dem Leser eine sehr eigenwillige und selbstbewusste Frau vorstellt. In ihrem Roman verarbeitet die Autorin nicht nur Teile ihrer eigenen Familiengeschichte, sondern lässt den Leser auch an einer spannenden vergangenen Zeitepoche teilhaben. Mit flüssigem und bildhaftem Erzählstil wird die Handlung aus Sicht von Stellas Enkelin berichtet, die das schicksalhafte Leben ihrer über 90-jährigen Großmutter vor dem Leser ausbreitet und dabei die Brücke vom Beginn in Italien bis zum Jetzt in Amerika schlägt. Der Alltag in einer von Traditionen geprägten Familie, deren Vater entweder durch Abwesenheit glänzt oder sich der Mutter aufdrängt und sein Frauenbild verdeutlicht, prägt Stellas Sicht auf die Welt und Lebensanschauung ebenso, wie die mehrfach vorkommenden Nahtoderfahrungen, von denen sie sich immer wieder wie durch ein Wunder erholt. Mit dem Umzug nach Amerika steht Stella vor der Herausforderung, nicht nur die Heimat hinter sich und ein völlig neues Land an sich heranzulassen, sondern muss als Tochter italienischer Einwanderer so manche Hürde nehmen, um dort Fuß zu fassen. Doch all das ist nichts gegenüber dem widerlichen und missbräuchlichen Verhalten ihres Vaters, der die Familie immer und immer wieder tyrannisiert. Als Leser sind einige Dinge nur schwer zu verdauen, leben wir doch heute in einer Zeit, wo wir uns viele Freiheiten gewährt werden und wir über uns selbst bestimmen können. Da wirkt Stellas Leben fast schon wie in einem Gefängnis. Ihr langjähriger Zwist mit ihrer jüngeren Schwester ist zudem eines der Geheimnisse, die ebenfalls nach und nach offenbart werden.
Die Charaktere sind sehr glaubwürdig und lebendig in Szene gesetzt und wirken mit ihren Eigenschaften sehr realitätsnah, so dass es dem Leser leicht fällt, sie zu beobachten, sie bei ihren Erlebnissen zu verfolgen und mitzufühlen. Stella wird es von Geburt an nicht leicht gemacht, ein eigenständiger Mensch zu sein, denn man verabreicht ihr den Namen einer Toten. Zahlreiche Unfälle lassen sie beinahe sterben, doch immer wieder steigt sie wie Phönix aus der Asche empor, um noch ein wenig eigenwilliger, selbstsicherer und trotziger zu werden. Mutter Assunta sowie Schwester Cettina bleiben ihren alten Traditionen treu und nehmen wenig Rücksicht auf die Gefühle von Stella. Antonio ist ein Ekel, dem man gern mal eins überbraten würde wegen seiner frauenfeindlichen Ansichten.
„Die sieben oder acht Leben der Stella Fortuna“ ist ein interessanter Einblick in das Leben einer italienischen Familie, die in die USA auswandert. Vor allem aber lernt man mit Stella eine Frau kennen, die sich vom Schicksal nicht unterkriegen und verbiegen lässt. Aufgrund des biografischen Hintergrunds sehr persönlich, spannend und lesenswert!