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Veröffentlicht am 30.09.2018

Um Argumente und Ausreden nie verlegen

Wildblütenzeit
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Schwarzwald 1945. Der Krieg ist gerade beendet, da muss sich der Hotelier Jakob Haug einem Verhör durch einen amerikanischen Offizier unterziehen und Auskunft geben darüber, welche Beziehungen er zu den ...

Schwarzwald 1945. Der Krieg ist gerade beendet, da muss sich der Hotelier Jakob Haug einem Verhör durch einen amerikanischen Offizier unterziehen und Auskunft geben darüber, welche Beziehungen er zu den Nazis hegte, die in seinem Hotel „Zum Markgrafen“ tagtäglich ein- und ausgingen. Das Hotel ist seit 1780 in Familienbesitz und sichert das Auskommen. Ob es weiterhin von Jakob betrieben werden darf, hängt davon ab, was er dem Offizier zu berichten hat. Jakob muss deutlich machen, was es für seine Familie bedeutet, das Hotel zu führen und den Mann davon überzeugen, dass es niemals nur Schwarz oder Weiß gibt? Wird es ihm gelingen, das Hotel behalten zu dürfen?
Inge Barth-Grözinger hat mit ihrem Buch „Wildblütenzeit“ einen historischen Roman der neueren Zeit vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und fließend. Der Leser erfährt während eines Verhörs zwischen dem Hotelier Jakob Haug und einem amerikanischen Soldaten von der Geschichte der Familie Haug und über die Schwierigkeiten und Herausforderungen beim Führen eines Traditionshauses wie dem familieneigenen Hotel. Die Autorin lässt den Leser bildhaft teilhaben am Hotelleben und dem Balanceakt zwischen eigenen Ansichten und dem Willen anderer. Doch leider ist dies nicht sehr überzeugend, denn wer sich den Erwartungen anderer beugt, ist unehrlich zu sich selbst und verleugnet sich. Dass es hier ums Überleben geht, ist einerseits zwar verständlich, doch gleicht es leider auch einer Ausrede, weil es doch so viel leichter ist, mit dem Strom zu schwimmen, als sich aufzulehnen und alles zu riskieren. Gerade, weil so viele Menschen zur damaligen Zeit den Widerstand gescheut haben, konnte es erst zu der absoluten Katastrophe kommen. Mut anstatt Feigheit hätte besser getan. Die ewigen Ausreden, das Wegsehen und das Retten der eigenen Haut sind einfach keine Entschuldigung – ganz im Gegenteil – sie zeugen von Schwäche und Kraftlosigkeit. Spannung war während der gesamten Handlung nicht gegeben, es machte sich vielmehr Langeweile breit durch die ganzen Ausflüchte, warum man so oder so gehandelt hat.
Die Charaktere wurden mit Ecken und Kanten dargestellt, wirken jedoch wenig sympathisch und noch weniger überzeugend. Der Leser kann sich wenig in sie hineinversetzen und auch oftmals ihre Beweggründe nicht nachvollziehen. Josef Haug ist ein Mann, der seine eigene Haut retten will und dem dabei jedes Mittel recht ist, erfolgreich zu sein. Er ist egoistisch und kann nicht glaubhaft vermitteln, warum er den Nazis nachgegeben hat. Haug wirkt schwach und weniger wie ein Hotelier, der die Fäden zieht. Auch die weiteren Protagonisten geben ein ähnliches Bild ab.
„Wildblütenzeit“ ist ein Roman, der mit seiner Geschichte eine Rechtfertigung sucht für das damalige Entscheiden und Handeln. Das ist hier überhaupt nicht gut gelungen. Es bleibt eine langweilige und unglaubwürdige Geschichte, wie es sie zu tausenden gibt.

Veröffentlicht am 30.09.2018

Keine Angst vorm wahren Leben

Nebenan funkeln die Sterne
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Auf Instagram ist Emma Martins eine kleine Berühmtheit, will doch jeder an ihrem aufregenden Leben teilhaben, das sie dort allen vorführt und zeigt, wie happy und zufrieden sie ist, und vor allem so sein ...

Auf Instagram ist Emma Martins eine kleine Berühmtheit, will doch jeder an ihrem aufregenden Leben teilhaben, das sie dort allen vorführt und zeigt, wie happy und zufrieden sie ist, und vor allem so sein wie Emma. Aber auf einem Internet-Profil lässt sich vieles posten, auch wenn es dem wahren Leben nicht entspricht, denn Emma lebt in Wirklichkeit völlig eingeigelt und zurückgezogen von der Londoner Außenwelt in ihrem Apartment. Dabei wird sie von Schuldgefühlen heimgesucht. Ein glückliches Leben sieht anders aus. Die einzige Zeit, die sie draußen verbringt, ist nachts auf ihrer Dachterrasse, wo sie einsam und allein mit den Sternen ist. Als mit Fahrradkurier Nathan ein neuer Nachbar einzieht, ahnt Emma noch nicht, welch ein Chaos er in ihrem Leben veranstalten wird…
Lilly Adams hat mit ihrem Roman „Nebenan funkeln die Sterne“ einen warmherzigen und emotionalen Roman vorgelegt, der dem Leser mitten ins Herz geht. Der Schreibstil ist flüssig und gefühlvoll, er lässt den Leser schnell in Emmas Leben rutschen und Teil von ihm werden, während er die Chance hat, Emmas Gefühle und Gedanken mitzuerleben. Sehr behutsam schildert die Autorin Emmas Ängste und ihre Einsamkeit, obwohl sie gleichzeitig im digitalen Universum für ihr tolles Leben gefeiert und als Vorbild genommen wird. Während sie anderen Hoffnung und Mut macht, hat sie diesen bereits verloren und ist in ihrer, wenn auch unfreiwillig, selbstgewählten Welt völlig auf sich allein gestellt ist. In der heutigen Zeit ist es anscheinend nur noch wichtig, wie gut man aussieht, was man alles kann und wen man kennt, sonst ist man nichts mehr wert. Die eigene Persönlichkeit wird versteckt hinter Wunschträumen, Unwahrheiten und Trugbildern, weil man Angst hat, nicht um seiner selbst willen gemocht oder ob seiner Fehler verurteilt zu werden. Umso erfrischender ist es da, jene zu entdecken, die das Leben genauso wiederspiegeln, wie es tatsächlich ist, ehrlich gegenüber anderen und sich selbst und dabei das zu genießen, was einem zur Verfügung gestellt wird.
Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgestaltet und mit Ecken und Kanten versehen, die sie individuell und authentisch wirken lassen. Der Leser kann sich in sie hineinversetzen, ihren Schmerz fühlen und gleichzeitig mit ihnen hoffen und bangen. Emma ist eine sympathische junge Frau, die dem normalen Leben den Rücken gekehrt hat aus Angst vor Zurückweisung und aufgrund von Schuldgefühlen. Ihr Online-Leben hat nichts gemein mit ihrer wirklichen Situation, sie spielt allen etwas vor, was eigentlich verwerflich sein sollte, doch sie tut niemandem damit weh. Ganz im Gegenteil ermutigt sie ihre Anhänger, will durch Tipps und Ratschläge andere dazu ermutigen, das Leben anzupacken. Genau das tut Emma nicht, sie hat zu viel Angst davor und verpasst so das eigentliche Leben. Nathan ist ein toller Kerl, immer mit einem Scherz auf den Lippen und gut drauf. Zudem ist er einfühlsam, hilfsbereit und hartnäckig, wenn er sich einmal etwas vorgenommen hat. Die weiteren Protagonisten wie Nilla oder Brittany tragen ebenfalls zum Unterhaltungswert dieser schönen Handlung bei.
„Nebenan funkeln die Sterne“ ist eine warmherzig und einfühlsam erzählte Geschichte, in der es um viel mehr als nur um die Liebe geht. Absolute Leseempfehlung für wunderschöne Lesestunden!

Veröffentlicht am 29.09.2018

Die erste Begegnung

Begegnung in der kleinen Sommerküche am Meer
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Lorna lebt als Lehrerin auf der kleinen schottischen Insel Mure, die man nur über die Fähre verlassen kann. Sie ist Schulleiterin der örtlichen Schule und lebt bei ihrem Vater, damit sie ein Auge auf ihn ...

Lorna lebt als Lehrerin auf der kleinen schottischen Insel Mure, die man nur über die Fähre verlassen kann. Sie ist Schulleiterin der örtlichen Schule und lebt bei ihrem Vater, damit sie ein Auge auf ihn haben kann, denn dieser hat sich seit dem Tod der Mutter sehr verändert. Mure braucht dringend einen neuen Arzt, denn der alt Dr. MacAllister möchte sich endlich zur Ruhe setzen. Doch wer möchte schon so abgeschottet am Ende der Welt leben. Als würden ihre Gebete erhört, kommt der syrische Flüchtling Saif nach Mure, um die Position des neuen Doktors zu übernehmen. Anfangs sind die Bewohner ihm gegenüber zwar freundlich, aber skeptisch. Saif bemüht sich auch nicht sehr, sich der Gemeinschaft anzuschließen, er zieht die Einsamkeit am Strand vor, wo er seinen Gedanken über seine Flucht und seiner verlorenen Familie nachhängt. Lorna lernt Saif kennen, als sie mit ihrem Vater zur Behandlung in dessen Praxis ist. Schnell schlägt ihr Herz höher, doch Saif ist so unnahbar. Wird er sich ihr irgendwann einmal öffnen?
Jenny Colgan hat mit „Begegnung in der kleinen Sommerküche am Meer“ eine sehr gefühlvolle Kurzgeschichte vorgelegt, die wohl eine Einführung zu einem folgenden Roman herstellen soll. Der Schreibstil ist gefühlvoll und flüssig und nimmt den Leser gleich mit auf die schottische Insel Mure, die von rauer See umtost mit langen Sandstränden ein Gefühl von unberührter Natur spiegelt. Sehr behutsam lässt die Autorin den Leser Saif und Lorna kennenlernen. Das Schicksal von Saif geht einem unter die Haut, denn die Situation in dem Flüchtlingscamp zeigt eine unbekannte und sehr düstere Welt, in der jeder um sein Leben kämpft sowie um Anerkennung und Würde. Auch die Dorfgemeinschaft wird sehr schön wiedergespiegelt, in der sich jeder um jeden kümmert, aber auch alles über jeden weiß und Anteil nimmt.
Die Charaktere sind sehr lebensnah gestaltet und geben dem Leser die Möglichkeit, mit ihnen zu fühlen und zu leiden. Lorna ist eine Frau, die sich rührend um ihren Vater kümmert. Gleichzeitig hofft sie, dass sie doch noch den Mann ihrer Träume findet. Saif ist ein eher melancholischer Mann, der Tragisches erlebt hat und immer noch hofft, auch wenn diese Hoffnung immer mehr schwindet. Auch die weiteren Protagonisten werten die Geschichte mit ihren Auftritten auf und geben ihr zusätzliches Input.
„Begegnung in der kleinen Sommerküche am Meer“ ist eine schöne Sequenz als Einführung zum nächsten Roman der Autorin. Die Kurzgeschichte ist einfühlsam und unterhält mit einem hochaktuellen Thema. Empfehlenswert!

Veröffentlicht am 23.09.2018

Das Zeichen glücklichen Mutes - der Liebesbeweis

Das Mädchen mit dem Edelweiß
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Katie lebt in Los Angeles, wird bald geschieden und ist bei einer Zeitschrift als Filmkritikerin beschäftigt. Ihre Arbeit füllt sie nicht aus und auch die dortige tägliche Begegnung mit ihrem Noch-Ehemann ...

Katie lebt in Los Angeles, wird bald geschieden und ist bei einer Zeitschrift als Filmkritikerin beschäftigt. Ihre Arbeit füllt sie nicht aus und auch die dortige tägliche Begegnung mit ihrem Noch-Ehemann David erinnert sie schmerzlich an das, was sie verloren hat. Nachdem Katie ihren Vater in einem Heim für Alzheimer- und Demenzpatienten untergebracht hat, möchte sie seine alte Briefmarkensammlung schätzen lassen, die sie in ihrer Kindheit mit ihm bei früheren Flohmärkten zusammengetragen hat. Der Philatelist Benjamin soll für sie herausfinden, ob einige wertvolle Marken darunter sind. Benjamin wird tatsächlich fündig, entdeckt er doch eine alte österreichische Marke aus der Nazizeit, die noch dazu auf einem ungeöffneten Brief an eine Ellen Faber klebt. Katie möchte unbedingt herausfinden, was es mit dieser Marke auf sich hat. Gemeinsam mit Benjamin macht sie sich auf die Suche nach dem Graveur und nach Ellen Faber. Je näher sie der Lösung kommen, umso mehr nimmt Katie Anteil an der Geschichte von Ellen Faber. Wie sehr ihre eigene Familie darin verwickelt ist, wird ihr erst sehr spät bewusst…
Jillian Cantor hat mit ihrem Buch „Das Mädchen mit dem Edelweiss“ einen wunderschönen bewegenden Roman vorgelegt, der dem Leser mitten ins Herz geht. Der Schreibstil ist flüssig und emotional, der Leser wird regelrecht in die Geschichte hineingesaugt, um sich an Katies Seite auf Spurensuche zu begeben. Die Handlung wird über zwei Zeitebenen erzählt, der eine beschäftigt sich mit der Gegenwart im Jahr 1989 rund um Katie, der andere versetzt den Leser ins Jahr 1938, wo er der Familie Faber und dem Waisen Christoph in Österreich während der deutschen Besatzung zum ersten Mal begegnet und mit ihnen fühlen darf. Durch den ständigen Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit erhält der Leser einen guten Rundumblick über die damaligen Geschehnisse, während er gleichzeitig mit Katie auf der Suche ist. Wunderschön beschreibt die Autorin das Gravurhandwerk, das nötig war, um eine Briefmarke zu erstellen. Das Verstecken von heimlichen Botschaften in den kleinen Marken, um andere zu warnen oder einen Treffpunkt mitzuteilen, ist faszinierend in die Handlung verwebt. Auch das Thema Alzheimererkrankung wird von der Autorin sensibel gehandhabt und glaubhaft in ihrer Geschichte verarbeitet.
Die Charaktere sind sehr detailliert und liebevoll ausgestaltet worden, Jillian Cantor hat sie regelrecht zum Leben erweckt. Durch ihre individuellen Eigenschaften wirken sie durchweg sehr real und authentisch. Der Leser kann gar nicht anders als mit ihnen zu fühlen und atemlos zu hoffen, dass sich alles zum Guten wendet. Katie ist eine Frau, die sich ihrer Familie sehr verbunden fühlt. Sie kümmert sich rührend um ihren kranken Vater, dabei ist ihre tägliche Furcht greifbar, dass er sie wieder einmal nicht erkennt. Katie hat eine gescheiterte Ehe hinter sich und fühlt sich einsam. Sie ist hilfsbereit und freundlich, es fehlt ihr nur an Überwindung, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Ihre Entwicklung, während die Geschichte fortschreitet, ist wunderschön zu beobachten. Benjamin ist ein schüchterner junger Mann, der bereits einen großen Schicksalsschlag zu verkraften hatte. Einerseits wirkt er wie ein Nerd, andererseits ist seine zurückhaltende, aber direkte Art erfrischend. Er ist immer für eine Überraschung gut. Katie und Benjamin sind zwei verletzte Seelen, die sich über Allgemeinplätze und der Suche nach der Geschichte auf ganz ungewöhnliche Weise kennenlernen, während der Leser so viele Parallelen zwischen ihnen entdecken darf. Katies Oma Gram ist ein wahrer Schatz, warmherzig, menschlich und einfach liebevoll. Christoph ist ein ehrlicher junger Mann, der alles für die Menschen tut, die er liebt und schätzt. Elena ist eine junge impulsive Frau, die sich zur Wehr setzt und die Nazis mit allen Mitteln bekämpfen will. Dabei überschreitet sie oftmals die Grenzen, ohne über die Folgen nachzudenken. Auch die weiteren Protagonisten geben der Handlung mit ihrem Handeln und Tun zusätzliche Spannung.
„Das Mädchen mit dem Edelweiss“ ist ein bewegender teils historischer Roman, der den Leser von der ersten Seite an in den Bann zieht und ihn mitten in Herz und Seele trifft. Wunderbar verwobene Zeitschienen und eine Handlung, die man spannender und besser nicht erzählen könnte. Absolute Leseempfehlung für ein Kleinod! Chapeau!

Veröffentlicht am 23.09.2018

Niemals vergessen!

Deutsches Haus
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Die 24-jährige Eva Bruhns lebt noch mit ihren Eltern und Geschwistern unter einem Dach, die Familie führt den Gasthof „Deutsches Haus“. Obwohl ihre Eltern nicht begeistert sind, arbeitet Eva als Dolmetscherin. ...

Die 24-jährige Eva Bruhns lebt noch mit ihren Eltern und Geschwistern unter einem Dach, die Familie führt den Gasthof „Deutsches Haus“. Obwohl ihre Eltern nicht begeistert sind, arbeitet Eva als Dolmetscherin. Für die erste Gerichtsverhandlung um die Auschwitzer Gräueltaten, der in Frankfurt gegen Kriegsverbrecher stattfindet, wird sie engagiert, um polnische Zeugenaussagen zu übersetzen und bekommt so durch ihre Arbeit während des Prozesses detailliert einige der Schreckenstaten des Zweiten Weltkrieges zu hören. Eva, die vorher völlig ahnungslos war, ist von den Aussagen regelrecht verstört, allerdings werden ihr schon bald die Augen geöffnet, als sie versucht, mit ihren Eltern und auch mit ihrem Verlobten über das Gehörte zu sprechen…
Annette Hess hat mit ihrem Buch „Deutsches Haus“ einen sehr eindringlichen und gleichsam spannenden Roman vorgelegt, der ein Stück Zeitgeschichte zum Thema hat, das nicht in Vergessenheit geraten darf. Der Schreibstil ist flüssig und eher pragmatisch, was aber gut zu diesem schwierigen Thema passt. Die Autorin wahrt gebührend Abstand, ohne jedoch respektlos zu erscheinen. Vielmehr lässt sie neben der Geschichte von Eva und ihrer Familie auch die Prozessopfer erzählen und auf den Leser wirken, dessen Emotionen während der Lektüre regelrecht Kapriolen schlagen. Die Handlung wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, was dem Leser einen guten Einblick in Hintergründe, Gedanken und Gefühle der Erzählenden liefert. So kommen Täter und Opfer zu Wort, aber auch diejenigen, die sich nicht gegen die Nazis gewehrt haben und einfach mitgelaufen sind, um sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. Die Verwendung von echten Prozessaussagen untermauert das zusätzlich. Die Hintergrundrecherche ist der Autorin dagegen nicht so gut gelungen, denn obwohl sie Fiktion mit Fakten in ihrer Geschichte vermischt, sind die von ihr angeführten Daten nicht korrekt. Das sollte bei einem solchen Buch allerdings in jedem Fall stimmig sein. Auch bedient sie sich für ihre Handlung einiger Nebensächlichkeiten, die den Prozessen die Wichtigkeit und Ernsthaftigkeit nehmen. Weniger wäre hier mehr gewesen.
Die Charaktere sind interessant und vielfältig ausgearbeitet und mit Leben versehen worden. Sie spiegeln die damalige Zeit sehr gut wieder, so dass sich der Leser ein gutes Bild über die damalige Zeit machen kann. Eva ist eine junge und eher zurückhaltende Frau. Vom Elternhaus bevormundet und von ihrem Verlobten ebenfalls klein gehalten, hat sie kaum Selbstbewusstsein. Gleichzeitig besitzt sie die Stärke, sich durchzusetzen und ihren Weg zu gehen. Frauen waren zur damaligen Zeit immer noch eher am Herd zu vermuten, als dass sie einem Beruf nachgingen. Fritz Bauer ist Generalstaatsanwalt und leitet den Prozess, der allen viel abverlangt. Seine Aufgabe ist nicht nur mutig, sondern auch bewundernswert, denn er kämpft für Gerechtigkeit und bietet den Opfern ein Podium dafür. Auch die weiteren Protagonisten wie Evas Familie oder auch ihr Verlobter Jürgen spielen eindrucksvolle Rollen, deren Geschichten der Handlung weitere Perspektiven verleihen.
„Deutsches Haus“ ist durchaus ein gut gelungener Roman über eine Zeit, die wir Deutschen nie vergessen sollten. Allerdings fehlt es hier an der nötigen Ernsthaftigkeit und genauen Recherche, um ganz überzeugen zu können. Eine Leseempfehlung ist trotzdem verdient!