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Veröffentlicht am 02.04.2018

Zeit der Trauerbewältigung

Hortensiensommer
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Die Landschaftsgärtnerin Johanna lebt nach der Scheidung von Christopher in einem großen Haus mit Garten in Sommerhausen. Nachdem Johanna mit ihrer letzten Mieterin in der oberen Etagenwohnung einige Schwierigkeiten ...

Die Landschaftsgärtnerin Johanna lebt nach der Scheidung von Christopher in einem großen Haus mit Garten in Sommerhausen. Nachdem Johanna mit ihrer letzten Mieterin in der oberen Etagenwohnung einige Schwierigkeiten gehabt hat, beschert die Suche ihr in dem charmanten alleinstehenden Lehrer Philipp einen neuen Hausmitbewohner. Einzige Auflage für Philipp ist, er darf den Garten nicht betreten, Johanna will ihre Ruhe haben. Seit einem schlimmen Erlebnis, das auch ihre Scheidung zur Folge hatte, lebt sie sehr zurückgezogen, hat nur engen Kontakt zu ihrer Schwester Franzi und deren Mann. Die eigenen Eltern leben in Frankfurt und sind somit nicht in unmittelbarer Nähe. Durch ihren Beruf ist Johanna allzeit für jedermann erreichbar und kümmert sich um sämtliche Gärten, die ihrer Hilfe bedürfen. Philipp merkt schnell, dass Johanna ein besonderer Mensch ist, und versucht sie aus ihrem Schneckenhaus zu locken, was zu Beginn mehr als schwierig ist. Doch bald schon verbringen die beiden gemeinsam gemütliche Abende im Garten, nähern sich an und Philipp liest Johanna sogar vor. Aber dann steht auf einmal ein Kind im Garten, es ist Phlipps Tochter Klara – und Johanna kündigt ihm von jetzt auf gleich die Wohnung…
Ulrike Sosnitza hat mit ihrem Buch „Hortensiensommer“ einen sehr gefühlvollen und ebenso unterhaltsamen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und gleichzeitig emotional. Durch die wechselnden Perspektiven, in der die Geschichte erzählt wird, erhält der Leser Einblicke in die Gefühlswelt von Johanna, aber auch in die von Philipp und bekommt so ein rundes Bild der Gesamtsituation. Die Autorin packt in dieser Geschichte schwierige Themen an, da geht es um Scheidung und Sorgerechtsstreitigkeiten, Ex-Männer, deren Frauen Kinder bekommen, Probleme, auf natürliche Art schwanger zu werden und auch um Verlust und Tod, die Narben auf der Seele hinterlassen und nicht so leicht zu verkraften sind. Sehr einfühlsam geht die Autorin mit all diesen Themen um und gibt dem Leser gleichzeitig Raum zum Nachdenken, wie man wohl selbst in der einen oder anderen Situation handeln würde.
Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgestaltet und mit Herz und Seele versehen. Sie wirken durch ihre individuellen Eigenschaften sehr realitätsnah und authentisch, so dass man sich gut in sie hineinversetzen und mit ihnen fühlen kann. Johanna ist eine nette Frau, die ein furchtbares Erlebnis bis heute nicht verkraftet hat. Sie hat sich von der Außenwelt regelrecht abgeschottet, geht ihrer Arbeit nach, kümmert sich um Freunde und Familie, aber ansonsten bleibt sie meist für sich. Sie hat Angst, sich jemandem zu öffnen und näher an sich herankommen zu lassen, denn sie könnte einen erneuten Verlust nicht ertragen. Sie ist eine begnadete Gärtnerin mit viel Liebe zur Natur. Philipp ist ein sehr charmanter und freundlicher Mann, der sich ebenfalls gern in der Natur aufhält. Er liest gern und viel, ist ein guter Lehrer und besitzt viel Einfühlungsvermögen und Sensibilität gepaart mit einem eigenen Kopf und viel Geduld. Allerdings hat auch er sein Päckchen zu tragen und tut alles, um in der Nähe seiner Lieben zu sein. Dafür nimmt er so manchen Kampf auf sich. Franzi ist Johanna eine sehr liebe Schwester, die sich um sie sorgt und sie beschützen will. Christopher ist Johannas Ex-Mann, der zwar neu verbandelt ist, doch noch immer Gefühle für Johanna hegt und mit dem schweren Schicksalsschlag ebenfalls bisher nicht gut zurechtgekommen ist. Auch die übrigen Protagonisten geben der Handlung weitere Impulse und dem Leser ein komplettes Bild.
„Hortensiensommer“ ist ein sehr emotionaler und gefühlvoller Roman über Familie, Verlust, Tod und die Hoffnung auf eine neue Chance. Kein leichter Sommer- und Wohlfühlroman, sondern eine Geschichte, die ans Herz geht und einen noch lange beschäftigt. Auf jeden Fall eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 02.04.2018

Die Zeit danach

Der Pub der guten Hoffnung
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Hannah und Sam haben den Alptraum schlechthin erlebt. Ihr Sohn Felix ist in einem Zug Amok gelaufen und hat Menschen getötet und dann sich selbst. Nicht nur der Verlust des eigenen Kindes ist unbegreiflich, ...

Hannah und Sam haben den Alptraum schlechthin erlebt. Ihr Sohn Felix ist in einem Zug Amok gelaufen und hat Menschen getötet und dann sich selbst. Nicht nur der Verlust des eigenen Kindes ist unbegreiflich, auch seine Tat verstört sie völlig. Doch anstatt sich gegenseitig Halt und Trost zu spenden, sprechen Sam und Hannah kaum noch miteinander, sie können sich nicht mal mehr ansehen – sie driften regelrecht auseinander. Sam verliert aufgrund der Tat seines Sohnes seine Anstellung als Lehrer und Hannah flüchtet in eine Klinik, weil sie sich Hilfe erhofft. Sam nimmt in seiner Verzweiflung, und um dem Alleinsein zu entfliehen das Angebot seines besten Freundes Daniel an und fährt nach Wales, um dort in dessen Cottage wieder aufatmen und zu sich selbst finden zu können. Allerdings trifft er dort auf Hope, die sich mit ihren beiden Kindern schon im Cottage wohnlich eingerichtet hat. Werden sich Sam und Hannah doch noch zusammenraufen, oder ist ihre Beziehung am Ende?
Alexandra Zöbeli hat mit ihrem Buch „Der Pub der guten Hoffnung“ einen sehr berührenden und gleichzeitig auch fesselnden Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und sehr einfühlsam, der Leser findet sich abwechselnd mal an der Seite von Hannah oder von Sam und erlebt mit ihnen neben einem regelrechten Abgrund auch den steinigen und schweren Weg, wieder ins Leben zurückzufinden und zur Normalität zurückzukehren. Die Autorin hat mit beeindruckendem Einfühlungsvermögen sowohl die eine als auch die andere Seite beleuchtet und die verschiedenen Reaktionen auf eine schreckliche Tat aufgezeigt Eltern werden für die Taten ihres Kindes nicht nur zur Verantwortung gezogen, sondern teilweise selbst bestraft, obwohl sie sich nichts haben zu Schulden kommen lassen. Sie fallen in ein Loch, aus dem sie sich nur mit professioneller Hilfe oder engen Freunden befreien können, doch sie müssen es zulassen und selbst auch Hilfe suchen wollen. Sie müssen nach vorn sehen und ihr Leben nochmals ganz neu ausrichten, dabei ist die Erinnerung immer da. Die Beschreibung dieser Lage ist der Autorin sehr gut gelungen, sie beschönigt nichts und lässt es auch an Spannung nicht fehlen.
Die Charaktere sind sehr individuell und glaubhaft ausgearbeitet, sie wirken authentisch und geben so dem Leser die Möglichkeit, sich in sie hineinzuversetzen und mit ihnen zu leiden, zu trauern, aber auch zu hoffen. Hannah fällt nach der Tat ihres Sohnes in tiefe Depressionen, sie versucht sich selbst das Leben zu nehmen und nimmt dann doch die Hilfe in einer therapeutischen Klinik in Anspruch, weil sie feststellen muss, dass sie es allein nicht schafft. Sie kann ihren Mann nicht mehr ansehen, ohne an ihren Sohn zu denken. Die Erinnerungen kommen immer wieder hoch, aber sie versagt sich auch dem Gespräch mit ihrem Mann, so dass die beiden sich immer fremder werden. Hannah stößt Sam immer wieder von sich. Sam ist ebenso traumatisiert und verliert sogar noch seine Stelle. Doch er will so nicht weitermachen, er sucht einen Neubeginn, weshalb er sich auch die Ratschläge von Freunden zu Herzen nimmt, was Hannah stets verweigert. Hope ist eine Frau, die Sam durch Zufall kennenlernt und durch die er lernt, dass das Leben noch nicht vorbei ist. Auch die übrigen Protagonisten beleben die Handlung durch ihr Erscheinen und machen sie rundum gelungen.
„Der Pub der guten Hoffnung“ ist ein emotionaler und fesselnder Roman über eine Familientragödie und was das Leben danach für einen bereithält, wenn man es denn zulassen kann und will. Ein Roman über Hoffnung, Liebe und neue Chancen. Sehr lesenswert und zu empfehlen!

Veröffentlicht am 31.03.2018

Eine Liebe in Nordirland

Die Frauen von Ballycastle
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“The Reading Corner” heißt der kleine Buchladen, der von Fina Ramsey liebevoll geführt wird. Alles könnte so schön sein, doch das Drama beginnt, als erst Finas Großmutter, die an Demenz leidet, in ein ...

“The Reading Corner” heißt der kleine Buchladen, der von Fina Ramsey liebevoll geführt wird. Alles könnte so schön sein, doch das Drama beginnt, als erst Finas Großmutter, die an Demenz leidet, in ein Pflegeheim übersiedelt und Fina sich um die Räumung der Wohnung kümmern muss. Dazu kommt die Hiobsbotschaft, dass genau ihrem Buchladen gegenüber eine Filiale der riesigen Bücherkette namens McClarys eröffnet, was natürlich Fina sofort zu spüren bekommt, da ihr die Kunden wegbleiben und so ihre Existenz bedroht ist. Der Inhaber Liam McClarys ist das geborene Hassobjekt Finas. Als Fina einen rätselhaften alten Brief in den Sachen ihrer Großmutter findet, die eine Verbindung zwischen ihrer Familie und der von Liam McClary andeutet, beschließt Fina zu handeln, um das Geheimnis zu lüften. Dafür muss sie sich allerdings in die Höhle des Löwen wagen…

Sandra Binder hat mit ihrem Buch “Die Frauen von Ballycastle” einen sehr unterhaltsamen und spannenden Roman vorgelegt, der den Leser bereits mit dem Prolog in seinen Bann zieht und bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt. Der Schreibstil ist flüssig, dabei gefühlvoll und gleichzeitig fesselnd, der Leser wird regelrecht in die Handlung katapultiert und findet sich an der Seite von Fina wieder, um mit ihr ein Geheimnis zu entdecken, dass sie in die Vergangenheit ihrer Familie führt. Die Handlung wird hier nicht in mehreren Zeitebenen erzählt, sondern die Geschichte der Vergangenheit wird hier in der Gegenwart ergründet; der Leser ist hautnah dabei, wenn nach und nach die einzelnen Puzzlestücke umgedreht werden und sich zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Die Landschaftsbeschreibungen sind sehr bildgewaltig und farbenfroh, der Leser findet sich in einer kargen nordirischen Landschaft wieder, die aber gleichzeitig auch eine gewisse Romantik verströmt. Der historische Hintergrund über die Konflikte in Nordirland sowie der einzelnen politischen Gruppierungen wurde von der Autorin sehr gut recherchiert und mit der Handlung verwebt. Der Leser kann die Verbundenheit der Autorin mit dem Land direkt spüren, was die Geschichte umso glaubhafter macht.

Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgearbeitet und mit Leben versehen worden. Sie besitzen individuelle Eigenheiten, die sie liebenswert und authentisch machen. Der Leser kann sich gut mit ihnen identifizieren und mit ihnen mitfiebern, lachen, trauern und hoffen. Fina ist eine sehr sympathische Frau, die sowohl mit Humor und Schlagfertigkeit als auch mit Hilfsbereitschaft und einem großen Herzen punktet. Die liebevolle Unterstützung an ihre Großmutter zeugt von echter und herzlicher Zuneigung. Liam McClay ist ein netter Mann, der auch nicht auf den Mund gefallen ist. Die Wortgefechte, die er sich mit Fina liefert, sind sowohl spritzig als auch humorvoll. Gleichzeitig besitzt auch er ein Herz und ist warmherzig und hilfsbereit. Oma Bridget leidet an Demenz, aber ihre alte Liebesgeschichte ist einfach nur rührend und berührend zu nennen, sie geht dem Leser mitten ins Herz. Saorise ist Finas Freundin und hilft ihr ebenso im Laden. Sie ist nicht auf den Mund gefallen und sagt Fina immer die Wahrheit auf den Kopf zu. Auch die übrigen Protagonisten geben der Handlung noch weitere Spannung und machen sie rund.

“Die Frauen von Ballycastle” ist ein rundum gelungener Roman über Familiengeheimnisse, die Liebe und die Vergangenheit. Ein echter Pageturner, der wunderbare Lesestunden beschert. Absolute Empfehlung für alle, die sowohl Romantik lieben als auch Geheimnissen gern auf die Spur kommen. Hier lohnt es sich!!!

Veröffentlicht am 25.03.2018

Geschichte hautnah par excellence!

Die geliehene Schuld
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1949 Berlin. Durch den Krieg hat die Journalistin Vera Lessing ihre gesamte Familie verloren, doch durch diesen schrecklichen Schicksalsschlag lässt sie sich nicht unterkriegen, sondern schaut nach vorn ...

1949 Berlin. Durch den Krieg hat die Journalistin Vera Lessing ihre gesamte Familie verloren, doch durch diesen schrecklichen Schicksalsschlag lässt sie sich nicht unterkriegen, sondern schaut nach vorn und stürzt sich in die Arbeit, die ihr gleichzeitig Halt und Ablenkung bietet. Da ereilt sie die furchtbare Nachricht, dass ihr bester Freund Jonathan Jacobsen, der ebenso ein guter Kollege von ihr ist, während Recherchearbeiten in Köln unter merkwürdigen Umständen ums Leben kam. Als Vera einen letzten Brief von Jonathan in den Händen hält mit der Bitte, seine Arbeiten fortzuführen, entschließt sie sich, seinem Wunsch zu erfüllen und auch die Gründe für seinen Tod aufzudecken. Schon bald findet Vera heraus, dass Jonathan mit einer Sekretärin namens Marie Weißenberg aus dem Stab von Konrad Adenauer persönlichen Kontakt hatte und auch mächtigen Leuten vom Geheimdienst mit seinen Nachforschungen über Kriegsverbrecher auf die Füße getreten ist. Aber mit ihrer Spurensuche begibt auch Vera sich in Gefahr, denn jemand ist ihr auf der Spur, der nicht möchte, dass all diese Dinge ans Licht kommen…
Claire Winter hat mit ihrem Buch „Die geliehene Schuld“ einen sehr fesselnden und spannenden historischen Roman über die deutsche Nachkriegszeit vorgelegt, der sich fast schon wie ein Kriminalroman liest und den Leser von der ersten Seite an mitreißt. Das Buch entwickelt eine regelrechte Sogwirkung, man kann es kaum aus der Hand legen, bis die letzte Seite gelesen ist. Die Autorin ist bekannt für einen flüssigen, intensiven, bildhaften und atmosphärischen Schreibstil, als Leser hat man sofort Bilder vor dem inneren Auge – es ist, als wäre man hautnah mit dabei. Gleichzeitig lässt Winter den Leser das gesamte Gefühlsbarometer rauf und runter durchleben: von wütend bis ungläubig, von zornig bis mitleidig, von traurig bis fassungslos. Die Handlung wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, so kommen hier sowohl Vera als auch Jonathan, Marie und Lina zu Wort. Der Leser lernt so die Geschichte aus verschiedenen Sichtweisen und Handlungsmotiven kennen und bekommt ein vollständiges Bild der Gesamtgeschichte. Die Autorin hat eine sehr akribische Hintergrundrecherche betrieben und diese mit ihrer Handlung sehr geschickt verwoben. Die Nachkriegszeit und die anfängliche Wiederaufbauphase in Deutschland werden ebenso thematisiert wie die Macht der Geheimdienste, der Schutz von Kriegsverbrechern und auch das unrühmliche Verhalten der katholischen Kirche. Hier wurde Realität mit Fiktion so geschickt miteinander verknüpft, dass der Leser das Gefühl hat, einen Tatsachenbericht zu lesen, der so spannend ist, dass man beim Lesen zeitweise sogar das Atmen einstellt.
Die Charaktere sind so vielfältig wie individuell ausgearbeitet und liebevoll in Szene gesetzt. Sie wirken so realitätsnah, lebendig und authentisch, dass der Leser sich mit ihnen gut identifizieren und mitfühlen kann, obwohl ihre Schicksale so unterschiedlich sind. Vera ist eine sympathische Frau, die trotz, oder gerade durch die vielen harten Prüfungen, die sie durchstehen musste, kraftvoll, mutig und selbstbewusst wirkt. Sie kaschiert ihren Kummer durch Stärke. Marie ist wissbegierig und auch etwas naiv, doch je mehr sie Nachforschungen über den Tod ihres Vaters betreibt, umso hartnäckiger wird sie, obwohl sie zum Außenseiter ihrer eigenen Familie wird. Jonathan ist ein Mann, der die Wahrheit sucht und nicht eher loslässt, bis er sie gefunden hat. Er ist wie ein Pitbull und ignoriert dabei die Gefahren, die sich ihm immer drohender in den Weg stellen. Lina hat furchtbares erlebt und überlebt, doch sie gibt den Menschen eine Chance und schenkt ihr Vertrauen kompromisslos. Sie ist nicht nachtragend, aber ebenfalls auf der Suche nach der Wahrheit. Auch die übrigen Protagonisten, von denen einige mehr als böse sind, steigern die Spannung der Handlung und machen das Buch zu einem wahren Pageturner mit hervorragendem Kopfkino als Zugabe.
Mit „Die geliehene Schuld“ ist Claire Winter einmal mehr ein erstklassiger Roman gelungen, der nicht nur durch hervorragende Recherchearbeit und die Verdingung von Fiktion und Wirklichkeit besticht, sondern durch das der Leser Geschichte hautnah miterleben darf. Ein Lesehighlight par excellence! Eine absolute Leseempfehlung ist hier mehr als nur verdient. Chapeau, Frau Winter – besser geht es nicht!!!

Veröffentlicht am 24.03.2018

Eine Homage an das Leben selbst

Die Farben des Lebens
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Die 26-jährige Kim lebt zusammen mit ihrem Freund Clovis auf der kleinen bretonischen Insel Groix. Ihre Mutter starb schon bei ihrer Geburt und ihr Vater wollte von ihr nichts wissen, so wuchs Kim bei ...

Die 26-jährige Kim lebt zusammen mit ihrem Freund Clovis auf der kleinen bretonischen Insel Groix. Ihre Mutter starb schon bei ihrer Geburt und ihr Vater wollte von ihr nichts wissen, so wuchs Kim bei ihrer Großmutter auf. Als sie eines Abends einen Anruf von ihrer Großmutter aus der Schweiz erhält, bricht Kims scheinbar heile Welt zusammen, denn am nächsten Tag ist ihre Oma tot. In ihrer ganzen Trauer erträgt sie das Leben auf Groix nicht mehr und reist, einer Flucht gleich, an die Code d’Azur, um dort eine Stelle als Gesellschafterin der alten Madame Gilonne-Kerjeant anzutreten, die in einer exklusiven Seniorenresidenz lebt. Einst war Gilonne eine bekannte und erfolgsverwöhnte Schauspielerin, die von allen hofiert wurde. Auch heute noch gibt sie sich den alten Zeiten hin und erwartet hartnäckig sowie divenhaft die Aufmerksamkeit aller. Schnell aber gewinnt Kim ihre Sympathie und schon bald unternehmen die beiden so allerlei Dinge gemeinsam. Auch Gilonnes Sohn kümmert sich rührend um die alte Dame, doch umgibt ihn ein Geheimnis, das Kim erst noch ergründen muss ebenso wie die Dinge, die das Leben lebenswert und bunt machen…
Lorraine Fouchet hat mit ihrem Buch „Die Farben des Lebens“ einen wunderschönen und gefühlvollen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, lebendig und warmherzig mit einer gewissen Leichtigkeit; der Leser wird regelrecht in die Handlung hineingesogen und kann sich nicht mehr trennen, bevor die letzte Seite gelesen ist. Die Geschichte des Buches wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, allerdings nicht nur aus der Sicht der Protagonisten, sondern auch Spiegel, Kühlschrank und andere Dinge kommen zu Wort, was sich erst einmal verwirrend anhört, innerhalb der Handlung aber durchaus Wirkung zeigt. Die Autorin hält dem Leser während ihrer Geschichte immer wieder den Spiegel vor, damit dieser darüber nachdenkt, was das Leben ausmacht, was lebenswert ist und dass es das Leben so zu nehmen gilt, wie es ist, wobei man durchaus Einfluss nehmen kann, die positiven Seiten zu behalten und die negativen auszublenden, um weiterhin hoffnungsvoll nach vorn zu blicken. Zudem besteht Familie nicht nur aus den Menschen, denen man von Geburt an verbunden ist, sondern es gehören auch Freunde und Fremde durchaus dazu, mit denen man so manchen Schicksalsschlag geteilt oder so manches Glücksgefühl erlebt hat.
Die Charaktere sind wunderbar und individuell ausgearbeitet, sie besitzen Herz und Verstand, Lebensweisheit und haben sich eine gewisse kindliche Naivität bewahrt, die hier durchaus positiv zu werten ist. Die Autorin zeigt ein besonderes Einfühlungsvermögen im Umgang mit ihren Protagonisten und lässt sie als ganz normale Menschen agieren. Kim ist eine junge Frau, die durch den Tod der Großmutter völlig aus der Bahn geworfen wird, war sie doch ihr ganzes Leben ihre einzige wirkliche Familie. Kim stellt ihr Leben in Frage und sucht Antworten: auf den Tod der Großmutter, in Bezug auf das Alter und auf das Leben selbst. Gilonne ist eine alte Diva, die sowohl hartnäckig als auch mit einigen Marotten ausgestattet ist. Doch sie hat ein gutes Herz und selbst in ihrem Alter ist sie noch zu manch verrückter Tat bereit. Sie versprüht Lebensfreude, aber ebenso auch Verlässlichkeit. Auch die übrigen Protagonisten wie der einfühlsame Clovis oder Gilonnes Sohn geben der Handlung zusätzlich Spannung und etwas Geheimnisvolles.
„Die Farben des Lebens“ ist ein Roman über das Altern, die Liebe und vor allen über Leben selbst, das ein jeder von uns nur einmal geschenkt bekommt und jede Minute davon mit allen Fasern des Körpers auskosten sollte. Absolute Leseempfehlung für eine gelungene Homage an das Leben!