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Veröffentlicht am 18.11.2017

Ein Kampf zurück ins Leben

Träume, die ich uns stehle
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Nach einem Autounfall leidet Lara unter einem Gedächtnisverlust von fast 2 Jahren, sogar ihr Name ist ihr nicht geheuer, deshalb ist sie in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses untergebracht, ...

Nach einem Autounfall leidet Lara unter einem Gedächtnisverlust von fast 2 Jahren, sogar ihr Name ist ihr nicht geheuer, deshalb ist sie in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses untergebracht, um dort Hilfe für ihre Amnesie zu bekommen. Lara versucht verzweifelt, die Erinnerungslücken zu füllen, die zu dem Unfall geführt haben, allerdings gelingt es ihr trotz größter Anstrengungen nicht. Sie redet ständig und viel, sie flüchten sich geradezu aus ihrem Mund und lassen sich nicht aufhalten. Bei ihren Wanderungen durch die Klinik gelangt sie auf die Intensivstation und in das Zimmer von Thomas, der seit einem Unfall im Koma liegt. In ihm findet Laura einen wortlosen Gesprächspartner, denn er hört ihr zu, ohne sie zu unterbrechen oder zu stoppen. Bei ihm kann Lara sich alles von der Seele reden und ganz langsam fällt es ihr immer leichter, die Worte auch mal nicht herauszulassen. Was verbindet die beiden miteinander? Wird sich Lara endlich erinnern können, was wirklich passiert ist?
Lily Oliver hat mit ihrem Buch „Träume, die ich uns stehle“ einen sehr gefühlvollen und fesselnden Roman vorgelegt, der niemanden kalt lässt. Der Schreibstil ist flüssig, dabei poetisch und hochemotional, der Leser durchlebt bei der Lektüre die ganze Bandbreite an Gefühlen: von Hilflosigkeit über Mitgefühl, Wut, Trauer und Zuneigung. Man kann das Buch kaum aus der Hand legen, so sehr durchlebt man mit Lara und Thomas ihre Erinnerungen und Gedanken, man wird regelrecht zu einem Teil von ihnen. Durch die wechselnden Erzählperspektiven, die zum einen Lara in der Ich-Form zu Wort kommen lassen und zum anderen die Gedanken und Erinnerungen von Thomas wiedergeben, erhält der Leser einen Rundumblick über die Dinge, die diese beiden bewegen. Die Beschreibungen des Krankenhauses und der anderen Patienten sind sehr real und hinterlassen sowohl Beklemmungen, Angst sowie Einsamkeit. Die Autorin versteht es sehr gut, mit den Gefühlen des Lesers zu spielen. Durch die akribische Recherche über Amnesie und deren Folgen schafft Lily Oliver in ihrer Geschichte eine Atmosphäre der Verzweiflung, aber auch der immer wieder aufflammenden Hoffnungsschimmer. Der Autorin gelingt es hervorragend, den Leser bis zur letzten Seite bei der Stange zu halten, denn durch geschickte Wendungen kann man das Ende nicht vorausahnen.
Die Charaktere sind sehr liebevoll und individuell ausgearbeitet worden. Sie wirken wie Menschen aus Fleisch und Blut, sehr real und authentisch. Der Leser kann sich sehr gut mit ihnen identifizieren und sich in sie hineinversetzen. Lara ist eine junge Frau, die seit dem Unfall völlig verunsichert ist, denn ihr fehlt die Erinnerung. Sie versucht verzweifelt, sich die fehlenden Puzzlestücke wieder ins Gedächtnis zu holen. Diese Anstrengungen bereiten beim Lesen fast schon körperliche Schmerzen, denn ihre Verzweiflung ist so greifbar und so echt, dass sich dies auf den Leser regelrecht überträgt. Doch Lara ist auch eine hartnäckige Frau, die nicht aufgibt und sich mit ihrer Situation nicht abfinden will. Das verleiht ihr eine ganz besondere Stärke, die ihr die Kraft gibt, sich der Vergangenheit zu stellen Thomas ist ein junger Mann, der im Koma liegt und dessen Gedanken und Erinnerungen einen Einblick in sein Leben geben. Die Ärzte haben ihn eigentlich schon aufgegeben, er selbst kämpft immer noch dafür, ins Leben zurückzukehren, wobei sein Kampf ein einsamer ist, denn niemand kann ihn hören oder ihm dabei helfen. Auch die Randprotagonisten unterstreichen mit ihren Dialogen oder ihrem Erscheinen die Haupthandlung und machen sie besonders.
„Träume die ich uns stehle“ ist ein außergewöhnlicher und ergreifender Liebesroman, der niemanden unberührt lässt. Die Charaktere schleichen sich ganz langsam in das Leserherz und setzen sich so fest, dass man sie nicht mehr gehen lassen mag. Ein Buch, das einem noch lange im Gedächtnis bleiben wird aufgrund der Intensität und den Emotionen, die es in einem weckt. Absolute Leseempfehlung für ein Kleinod! Chapeau Lily Oliver– alles richtig gemacht!

Veröffentlicht am 18.11.2017

Neuseelandliebe

Weil mein Herz sich nach dir sehnt
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Die Seismologin Ava McNeal reist nach Neuseeland, um mit einer Gruppe von Forschern und Wissenschaftlern eine Tour durch den Tongariro Nationalpark zu machen und die vulkanischen Aktivitäten dort zu untersuchen. ...

Die Seismologin Ava McNeal reist nach Neuseeland, um mit einer Gruppe von Forschern und Wissenschaftlern eine Tour durch den Tongariro Nationalpark zu machen und die vulkanischen Aktivitäten dort zu untersuchen. Kaum auf der Insel angekommen, trifft sie in einer Bar auf den Fotografen Randy Hall und zwischen den beiden knistert es ganz gewaltig. Sie verbringen eine gemeinsame Nacht. Morgens macht sich Ava klammheimlich aus dem Staub, doch nur kurze Zeit später steht sie Randy schon wieder gegenüber, denn er ist der Guide für die Tour. Ava ist die ganze Situation furchtbar unangenehm, so gibt sie sich unnahbar und kühl gegenüber Randy und kann sich ihn somit vom Leib halten. Doch als Ava in Gefahr schwebt und sich aus Angst keinen Rat mehr weiß, vertraut sie sich Randy an, ohne ihn vollends in ihr Geheimnis einzuweihen. Allerdings hat sie nicht mit Randys Hartnäckigkeit gerechnet…
Kate Dakota hat mit ihrem Buch „Weil mein Herz sich nach Dir sehnt“ einen sehr fesselnden und unterhaltsamen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, lebhaft und fesselnd, so dass sich der Leser schnell ins ferne malerische Neuseeland träumt, wo er an der Seite von Ava ein spannendes und ebenso romantisches Abenteuer erlebt. Durch die warmherzige und gefühlvolle Erzählweise der Autorin kann der Leser sich gut in die Protagonisten hineinversetzen und mit ihnen mitfiebern. Die Landschaftsbeschreibungen sind so bildhaft, dass man sich die raue Natur und die Schönheit der Umgebung wunderbar vorstellen kann. Der Spannungsbogen wird gemächlich aufgebaut, steigert sich aber im Verlauf der Geschichte immer weiter bis zum Ende. Durch geschickte und überraschende Wendungen lässt die Autorin dem Leser genügend Freiraum, eigene Spekulationen anzustellen, was wohl geschehen wird.
Die Charaktere wurden liebevoll ausgestaltet und in Szene gesetzt. Sie haben ihre ganz individuellen Eigenheiten und wirken gerade deshalb so realistisch und authentisch. Wer schon das Buch „Für dich bis ans Ende der Welt“ der Autorin gelesen hat, wird in diesem Roman auf einige altbekannte Personen stoßen. Randy Hall ist ein sympathischer Mann Marke Herzensbrecher. Er ist temperamentvoll und nicht auf den Mund gefallen, liebt seine Familie und hat sich eine eigene Karriere aufgebaut. Doch insgeheim hat er noch Träume, die er bisher nicht verwirklichen konnte und die er sich doch so sehr erhofft. Ava ist eine recht emanzipierte Frau, die beruflich fest auf beiden Füßen steht und auch sonst recht selbstbewusst wirkt. Dabei musste sie schon einige Schicksalsschläge durchleben und die ständige Angst macht sie innerlich unsicher, was sie nach außen aber gut zu verbergen weiß. Miss Vicky ist eine Dame von Welt, die durch ihr bereits betagtes Leben viel an Weisheit und Erfahrung gewonnen hat, die sie gern und unauffällig an andere weitergibt. Auch die anderen Protagonisten bereichern die Handlung mit ihren eigenen kleinen Episoden und ihrem Erscheinen.
„Weil mein Herz sich nach dir sehnt“ ist ein fesselnder und sehr gefühlvoller Liebesroman mit dem richtigen Kick an Spannung. Die exotisch-malerische Kulisse Neuseelands trägt ebenfalls zum Unterhaltungswert der Geschichte bei. Ein Roman, der den Leser während der Lektüre zum Träumen einlädt. Absolute Leseempfehlung für ein sehr kurzweiliges Lesevergnügen!

Veröffentlicht am 18.11.2017

Zu viel gewollt...

Das Papiermädchen
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Tom Boyd lebt in Malibu und ist ein erfolgreicher Schriftsteller, der mit den ersten beiden Büchern seiner „Angel Trilogy“ den Coup gelandet hat, dass diese sogar verfilmt werden soll. Nachdem die Beziehung ...

Tom Boyd lebt in Malibu und ist ein erfolgreicher Schriftsteller, der mit den ersten beiden Büchern seiner „Angel Trilogy“ den Coup gelandet hat, dass diese sogar verfilmt werden soll. Nachdem die Beziehung zu einer berühmten Pianistin in die Brüche geht, fällt er in ein Loch und sucht in Alkohol und Drogen seine Zuflucht. Das Geständnis seines Beraters Milo lässt Tom dann vollends den Boden unter den Füssen verlieren, denn dieser hat sein ganzes Vermögen verzockt. Während der Verlag händeringend auf den dritten Band wartet, ist es Tom nicht möglich, auch nur eine Zeile zu Papier zu bringen. Doch dann steht plötzlich eine unbekannte Frau vor seiner Tür, die behauptet, „Billie“ zu sein, eine der Hauptcharaktere aus seinen Büchern. Tom denkt an einen üblen Scherz, doch die Frau ist so überzeugend und kann alle von ihm gestellten Fragen richtig beantworten, so dass Tom langsam an Magie glaubt. „Billie“ drängt ihn, unbedingt den dritten Teil des Buches zu schreiben, damit auch ihr Leben weitergeht. Wird es Tom gelingen, seine Trilogie zu beenden und wie Phönix aus der Asche seine Pechsträhne hinter sich zu lassen? Und was wird aus „Billie“?
Guillaume Musso hat mit seinem Buch „Das Papiermädchen“ einen unterhaltsamen, leicht mystisch angehauchten Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, fesselnd und sehr rasant. Gleich mit dem ungewöhnlichen Prolog kann der Autor den Leser faszinieren, da er diesen mit E-Mails und Zeitungsausschnitten über und um den Hauptprotagonisten Tom Boyd versieht und so einen Abriss über dessen Leben und seine Erfolge liefert. Die Handlung wird aus der Sicht von Tom Boyd in der Ich-Form erzählt, doch bedient sich der Autor auch anderer Perspektiven, um der Handlung den Eindruck von Mehrdimensionalität zu geben. Der Spannungsbogen wird zu Beginn recht hoch angelegt, flacht dann allerdings wieder ab und steigt erst wieder im letzten Drittel des Romans an. Die letzten Romane des Autors enthielten immer mehr mystische und phantastische Elemente, auch in diesem Buch vermischt sich Gegenwart mit Fiktion und verschmilzt zu einer Einheit, für Liebhaber dieses Genres sicherlich ein Genuss, doch dem „normalen“ Leser sind viele der merkwürdigen Zufälle einfach nur schleierhaft oder unnachvollziehbar. Zudem wirkt die Handlung recht überfrachtet mit Begebenheiten, die teilweise mit der eigentlichen Geschichte so gar nichts zu tun hatten.
Die Charaktere sind interessant gestaltet, bleiben aber durch ihre Eindimensionalität eher oberflächlich und blass, sie wirken wenig glaubwürdig und realistisch. Tom ist ein Mann, dessen Leben von einem Tag auf den anderen den Bach runter geht. Zum Teil ist es Pech, zum Teil ist er aber auch selbst schuld durch sein Verhalten. Oftmals wirkt er wie ein erfolgsverwöhnter Typ, der nicht damit zurechtkommt, nun durch eine Durststrecke hindurchwaten zu müssen. Er zeigt keinen Biss, sich selbst aus dem Schlamassel zu befreien, sondern braucht dafür einen Tritt in den Hintern. Milo ist Toms Freund, der sich allerdings verspekuliert hat und mit an Toms Pechsträhne Schuld ist. Doch er hat Gewissensbisse genug, Tom beizustehen und ihn unterstützen zu wollen. Polizistin Carole ist ebenfalls mit Tom befreundet und zeigt Herz, Mut und Verstand. Billie vermittelt das Bild einer Frau, die nicht auf den Mund gefallen ist und ihren Standpunkt zu vertreten weiß. Sie ist hartnäckig und verändert sich während der Handlung zu einer fast schon warmherzigen und hilfsbereiten Frau. Leider wirkt dies eher so, als täte sie das nur, um ihren Willen durchzudrücken.
„Das Papiermädchen“ ist ein durchaus unterhaltsamer Roman für alle, die Gefallen an dem Genre Mystik-Fantasy finden. Alle anderen werden eher enttäuscht sein von einer Handlung, die völlig überladen und nicht rund ist.

Veröffentlicht am 09.11.2017

Eine emotionale Lebensreise

Unsere Seite des Himmels
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Die fast 100-jährige Henriette reist mit ihrer Urenkelin Rachel vom uruguayischen Montevideo nach Berlin, um Rachels Abschluss zu feiern. Doch was Rachel nicht weiß, Henriette ist gebürtige Deutsche und ...

Die fast 100-jährige Henriette reist mit ihrer Urenkelin Rachel vom uruguayischen Montevideo nach Berlin, um Rachels Abschluss zu feiern. Doch was Rachel nicht weiß, Henriette ist gebürtige Deutsche und stammt aus Küstrin. Sie wurde von ihren Eltern während des zweiten Weltkrieges allein nach Argentinien geschickt, um sie vor den Nazis zu retten, denn Henriettes Familie waren Juden. Henriette hat niemals über die damalige Zeit und ihre Familie gesprochen, es regelrecht geheim gehalten, so weiß ihre Familie nichts von ihren ehemaligen Wurzeln. Ihre Rückkehr nach 80 Jahren nach Deutschland setzen viele Erinnerungen in Henriette frei, vor allem an ihre alten Kinder- und Jugendfreunde, die sogenannte Kleeblattbande, die immer zusammen hielten und vielen miteinander erlebten. Ihr gehörten Charlotte, Karl und Hans an. Hans war Henriettes erste große Liebe. Ob sie ihn wohl doch noch wiederfindet?
Dr. Hans Meyer zu Düttingdorf hat mit seinem Buch „Unsere Seite des Himmels“ einen sehr ergreifenden, gefühlvollen und spannenden Roman vorgelegt, der wie ein Zeitzeugnis wirkt und ein wahrer Pageturner ist. Der Schreibstil ist flüssig, sehr realitätsnah und voller Emotionen. Der Roman wird aus der Sicht von Henriette in der dritten Person erzählt. Wechselnde Kapitel erzählen mal von den gegenwärtigen Reiseerlebnissen und Nachforschungen von Henriette und Rachel, mal von der Vergangenheit Henriettes zur Vorkriegszeit und den Zuständen während des 2. Weltkrieges. Der Spannungsbogen wird zuerst langsam aufgebaut, steigert sich während der Geschichte aber immer weiter in die Höhe, wobei der Leser genügend Raum für eigene Spekulationen und Gedanken hat, wie wohl alles enden wird. Der historische Hintergrund wurde vom Autor gut recherchiert und mit der Handlung verwebt. Die damalige Judenverfolgung in einem kleinen Ort wird ebenso thematisiert, wie die Entfremdung von ehemaligen Freunden und Nachbarn sowie die vereinzelten, die auf eigene Gefahr denen Hilfe leisteten, die geächtet wurden und zeigen eine gespaltene Gesellschaft auf, die sowohl Angst und Schrecken verbreitet, aber auch Hoffnung durchschimmern lässt.
Die Charaktere sind sehr liebevoll und individuell ausgestaltet worden. Sie wirken lebendig und sehr authentisch, der Leser durchlebt mit ihnen die gesamte Palette der Gefühle. Henriette ist eine sehr sympathische Frau, die ein sehr bewegtes Leben führte. Viele Schicksalsschläge musste sie durchleben und die Verleugnung ihrer wirklichen Identität hat sie ihr Leben lang begleitet. Doch am Ende ihres Lebens möchte sie mit einigen Dingen Frieden schließen und sich Gewissheit verschaffen. Der Leser lernt Henriette als junges Mädchen innerhalb ihrer Familie kennen und begleitet sie bis hin zur jungen Frau, die mutterseelenallein in einem fremden Land zurechtkommen muss. Sie ist eine zurückhaltenden, aber auch mutige Frau, die sich irgendwann auflehnt und Widerstand leistet, doch am Ende sich ein Leben lang aus Angst selbst verleugnet. Rachel ist eine junge Frau, die von dem Leben ihrer Urgroßmutter überhaupt keine Ahnung hat. Sie ist lebenslustig, fröhlich, dabei hilfsbereit und optimistisch. Charlotte, Karl und Hans sind Henriettes Freunde, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten, verstehen sich die vier sehr gut und stehen füreinander ein. Auch die anderen Charaktere wie z.B. Frau Dr. Hehn oder auch Herr Rieger bleiben dem Leser im Gedächtnis aufgrund ihres Verhaltens und ihrer Einstellung. Sie alle machen die Geschichte rundum lebendig und sehr real.
„Unsere Seite des Himmels“ ist ein sehr fesselnder und emotionaler Roman über Deutschlands unrühmlichste Zeit der Geschichte. Gleichzeitig ist es eine Familien- und Liebesgeschichte, gespickt mit Geheimnissen und Gefühlen. Alle, die sich gern in andere Zeiten träumen und gefühlvolle Geschichten lieben, werden hier auf jeden Fall wunderbar unterhalten. Absolute Leseempfehlung für eine Entdeckung und ein wirkliches Highlight!!!

Veröffentlicht am 08.11.2017

Frederikes Herausforderungen

Die Jahre der Schwalben
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Seit der Hochzeit mit Ax ist für Frederike nichts mehr wie zuvor, denn Ax hat Tuberkulose und hält sich in einem Schweizer Sanatorium auf, während sie sich der Herausforderung gegenüber sieht, das Gut ...

Seit der Hochzeit mit Ax ist für Frederike nichts mehr wie zuvor, denn Ax hat Tuberkulose und hält sich in einem Schweizer Sanatorium auf, während sie sich der Herausforderung gegenüber sieht, das Gut Sobotka ganz allein leiten zu müssen. Sie hat darin keinerlei Erfahrung, zudem machen es ihr die Angestellten schwer, denn Freddy wird als Hausherrin nicht akzeptiert. Erst als ihr Stiefvater Erik und ihre Tante Edel ihr unter die Arme greifen, bessert sich die Situation für alle auf dem Gut merklich, vor allem für Frederike. Während die Ehe mit Ax fast nur noch auf dem Papier besteht, was vor allem daran liegt, dass Ax keinerlei Interesse an Freddy und am Gut zeigt, vermisst diese die Nähe und Wärme, die eine enge Beziehung zwischen Eheleuten normalerweise aufweisen sollte. Durch ihre Freundin Thea lernt Frederike deren Schwager Gebhard zu Mansfeld kennen und schnell wird klar: die beiden ergänzen sich hervorragend. Als Ax plötzlich stirbt, ist für Frederike der Weg frei, eine neue Ehe einzugehen. Sie verlässt Sobotka, heiratet Gebhard und gründet mit ihm endlich eine Familie. Währenddessen wird die politische Situation immer schwieriger, denn die Nazis kämpfen sich immer mehr an die Macht – der Krieg steht unmittelbar bevor. Wie werden sie alle diese Zeit überstehen?
Ulrike Renk hat mit ihrem Buch „Die Jahre der Schwalben“ den zweiten Band ihrer Ostpreußen-Saga vorgelegt, welches dem Vorgänger „Die Jahre der Schwalben“ in nichts nachsteht. Wer das erste Buch nicht kennt, kann diesen Roman trotzdem lesen, denn alle wichtigen Informationen werden innerhalb der Handlung gegeben, so dass man sich gleich wohl fühlt. Der Schreibstil ist so wunderbar flüssig, warmherzig, fesselnd und bildhaft gemischt mit den dazugehörigen lokalen Dialekten, dass der Leser sofort wieder eintaucht und Teil der Familien auf Fennhusen und Sobotka wird, aber vor allem als heimlicher fürsorglicher Freund für Frederike, deren Schicksal hier im Vordergrund steht. Die Beschreibungen der einzelnen Güter sowie die Reisen sind so farbenfroh, dass man sich alles bis ins Detail vorstellen kann und das Gefühl hat, sich während der Lektüre in der Vergangenheit wiederzufinden, aus der es sehr schwer fällt, wieder aufzutauchen, so lebhaft und real wirkt alles. Die Autorin hat hervorragend recherchiert, was neben dem geschichtlichen Hintergrund in Bezug auf den Zerfall der Weimarer Republik und den rasanten Aufstieg der Nazis als auch die Familiendetails von Zeitzeugen betrifft und lässt den Leser teilhaben an einem gekonnten Mix aus Fiktion und wahren Begebenheiten.
Die Charaktere sind wunderbar und individuell ausgestaltet, sie wirken so real und authentisch, dass sie fast greifbar sind. Der Leser hat das Gefühl, sie persönlich zu kennen und Teil ihres Lebens zu sein. Frederike ist inzwischen eine sympathische erwachsene Frau, der sehr schnell viel Verantwortung auf die Schultern gelegt wird. Doch sie scheut sich dieser Aufgabe nicht und kümmert sich um alles und jeden auf ihrem Gut. Gleichzeitig träumt sie von einem harmonischen Familienleben mit eigenen Kindern, doch dieser Wunsch wird ihr lange nicht erfüllt. Die Entwicklung von Freddy ist in diesem Roman besonders zu spüren, sie wird vor den Augen des Lesers erwachsen und zu einer wirklichen Persönlichkeit. Gebhard ist ein sehr netter Mann, der ebenfalls viel Verantwortung für seine ihm anvertrauten Güter und Familien trägt. Dabei ist er ein eher zurückhaltender Mann, der erst langsam auftaut, dann aber umso sympathischer wird, je mehr man ihn kennenlernt. Freddys Stiefvater Erik ist ihr eine wirkliche Stütze und hilft ihr, wo er kann. Das Verhältnis zwischen Freddy und Thea kühlt in diesem Band merklich ab, die beiden Frauen driften immer mehr auseinander. Ebenso entwickelt sich Freddys Mutter Stefanie immer mehr zu einem Ekel, sie ist selbstsüchtig, bevormundend und hartherzig. Aber auch die anderen Protagonisten wie z.B. die Köchin Schneider, Schwiegermutter Heide, Schwager Caspar oder auch Tante Edel bereichern die Handlung mit ihrem Tun und machen die Geschichte absolut rund.
„Die Jahre der Schwalben“ ist ein hervorragend gelungener Folgeband der Saga und lässt beim Leser in Sachen Historie und Familienroman keinerlei Wünsche offen. Man ist mit Einstieg in das Buch nicht nur Teil der Geschichte, sondern auch Teil der Familie und möchte sich gar nicht von ihnen verabschieden. Ein kleiner Trost ist die Tatsache, dass es noch einen dritten Band geben wird, auf den man nach dieser Lektüre geradezu sehnsüchtig wartet. Absolute Leseempfehlung für ein wirkliches Highlight!