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Veröffentlicht am 10.11.2019

Treffpunkt "Seeperle"

Die Frauen vom Nordstrand - Eine neue Zeit
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1953 St. Peter/Nordsee. Während Annis Vater Ole im Krieg war, hat Anni gemeinsam mit Mutter Gertrud und Köchin Isa das familieneigene Hotel „Seeperle“ allein weitergeführt. Nun ist Ole versehrt zurückgekehrt ...

1953 St. Peter/Nordsee. Während Annis Vater Ole im Krieg war, hat Anni gemeinsam mit Mutter Gertrud und Köchin Isa das familieneigene Hotel „Seeperle“ allein weitergeführt. Nun ist Ole versehrt zurückgekehrt und möchte die Zügel wieder in die Hand nehmen, doch Anni gehört einer neuen Generation von Frau an, die sich nicht so leicht mehr verdrängen lässt. Mit Unterstützung ihres Freundes Hans, einem ebenfalls versehrten ehemaligen Soldaten, lässt Anni das Hotel aufwendig renovieren, hat es doch während des Krieges als Lazarett und Flüchtlingsunterkunft gedient und dementsprechend Federn gelassen. Als ihre Freundin Rena einen reichen Wiener Bankdirektor heiratet und St. Peter verlässt, sind es ihre neugewonnenen Freundinnen, die Ärztin Helena und die Lehrerin Edith, die Anni über den Verlust hinweghelfen. Das aufwendig renovierte Hotel zieht allerlei illustre Gäste an, die für einige Aufregung unter den Freundinnen sorgen und einer von ihnen sogar Annis Herz stiehlt, bevor er sich davon macht…
Marie Sanders hat mit „Die Frauen vom Nordstrand-Eine neue Zeit“ einen kurzweiligen Auftakt für ihre Zeitenwende-Trilogie vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, schnell findet sich der Leser in der „Seeperle“ im malerischen St. Peter wieder, wo er eines der Hotelzimmer bezieht und sich nicht nur unter die Gäste mischt, sondern hauptsächlich Anni und ihre Familie bei ihrem täglichen Leben verfolgt und dabei auch die Schicksale der Angestellten und Freunde kennenlernt. Die Autorin hat eine für die damalige Zeit schon recht emanzipierte Hauptprotagonistin erschaffen, der sie zwei ebenfalls für die Frauenrechte kämpfende Freundinnen zur Seite stellt. Die Themenauswahl ist recht unterschiedlich und reicht von Gewalt in der Ehe über Schwangerschaftsabbruch bis hin zu Verfolgung von Kriegsverbrechern. Vor allem das Thema Abtreibung wird hier manchmal schon zu ausführlich beleuchtet, was zur damaligen Zeit noch strafbar war und Frauen zu Verzweiflungstaten brachte. Auch die übermäßige Bevormundung durch die Männer wird deutlich hervorgehoben, die sich jede Freiheit herausnahmen und Frauen als ihre Dienstboten und Haussklaven betrachteten. Die Handlung ist im stetigen Fluss, wobei das Hotel der Fixpunkt für die drei Frauen ist und wo sich die meisten Dinge sowie Dramen abspielen. Der Nordseestrand dient ihnen dazu, sich ungestört unterhalten zu können, ohne dass es unliebsame Zuhörer gibt. Die Spannung ist durchweg gemächlich und nicht übermäßig hoch.
Die Charaktere sind mit Leben versehen und wirken mit ihren individuellen Eigenschaften glaubwürdig und realitätsnah, der Leser fühlt sich manchen von ihnen stärker verbunden als anderen. Anni ist eine patente Frau, die große Ziele hat und sich von niemandem reinreden lässt. Bis zu einem gewissen Grad zieht sie das auch durch, um dann doch in alte Gesellschaftsmuster zu verfallen, weil sie sich in Schwierigkeiten gebracht hat. Helena ist eine Frau, die sich den hilflosen Frauen verschrieben hat, die ihre Unterstützung dringend nötig haben. Aber sie hat auch ein Geheimnis, das erst durch Zufall ans Licht kommt. Edith ist eine emanzipierte Frau, die in verschiedenen Frauenrechtsbewegungen kämpft. Auch sie hat einen schweren Schicksalsschlag verkraften müssen. Isa ist die gute Seele des Hauses und Hans ein wirklich enger Freund Annis, der es nur gut mit ihr meint. Aber auch Hinnerk, Ole sowie Gertrud drücken der Handlung ihren Stempel auf.
„Die Frauen vom Nordstrand-Eine neue Zeit“ ist kurzweilig und unterhaltsam zu lesen, jedoch ohne jeglichen Tiefgang. Manche Dinge werden hier bis ins Detail erörtert, was einfach zu viel ist. Etwas gestraffter und auf den Punkt wäre hier auf jeden Fall besser gewesen.

Veröffentlicht am 03.11.2019

Norwegische Leckereien

Die Kinder des Nordlichts
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Nachdem Maries Großmutter Lisbeth gestorben ist, hält sie nichts mehr in Norwegen. Gemeinsam mit ihrer Freundin Elin reist sie nach Deutschland zurück, denn auch Elin hat vor kurzem nicht nur ihre Großmutter, ...

Nachdem Maries Großmutter Lisbeth gestorben ist, hält sie nichts mehr in Norwegen. Gemeinsam mit ihrer Freundin Elin reist sie nach Deutschland zurück, denn auch Elin hat vor kurzem nicht nur ihre Großmutter, sondern auch das Dach über dem Kopf und das Café verloren, dass sie zusammen mit ihrer Oma geführt hat. In Deutschland werden sie von Maries alter Freundin Gertrud herzlich aufgenommen, die für Elin auch sogleich eine Überraschung parat hat, denn sie hat Elins Großvater Wilhelm ausfindig gemacht, den diese noch nie kennengelernt hat und der die große Liebe ihrer Großmutter war. Doch die erste Begegnung zwischen Elin und Wilhelm ist eine große Enttäuschung. Wilhelm weigert sich, in Elin seine Enkelin zu sehen. Elin ist am Boden und möchte am liebsten sofort zurück nach Norwegen, obwohl sie dort vor dem Nichts steht. Aber mit Maries und Gertruds Unterstützung sowie einem gewagten Plan lässt sich Elin auf das Abenteuer ein, in Wiesbaden ein kleines Café zu eröffnen. Die Organisation geht drunter und drüber und es ist kurz vor Weihnachten. Wird es gelingen, einen guten Neustart hinzulegen? Und noch wichtiger: wird Elin ihren Großvater wiedersehen?
Linda Winterberg alias Nicole Steyer hat mit „Die Kinder des Nordlichts“ eine weihnachtliche Kurzgeschichte als Fortsetzung ihres Buches „Das Haus der verlorenen Kinder“ vorgelegt. Der Erzählstil ist flüssig und bildhaft, so dass der Leser sich schnell an Maries und Elins Seite wiederfindet und sich gemeinsam mit ihnen auf den Weg nach Deutschland macht, um dort einen mit einigen Hürden gespickten neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Wer die meisterhaft erzählten Bücher der Autorin kennt, wird von diesem Kurzroman enttäuscht sein, denn hier geht es nicht um aufzudeckende Geheimnisse oder zu Herzen gehende Schicksale. Es ist wirklich mehr einer Kurzgeschichte zuzuordnen, die in der Vorweihnachtszeit verankert ist und den Neustart von Marie und Elin begleitet, die sich mit der Ausstattung und Eröffnung eines Cafés einen Traum erfüllen. Diskrepanzen zwischen Realität und schriftstellerischer Freiheit werden dabei offensichtlich, sollten aber nicht so sehr ins Gewicht fallen, um sich die Freude an der Geschichte verderben zu lassen. In gefühlvoller und warmherziger Weise wird norwegisches Flair mit deutscher Lebensart gemixt und nebenbei mit wundervollen Leckereien der Gaumen verführt. Das zwischenmenschliche Miteinander und das gegenseitige Unter-die-Arme-greifen steht hier im Vordergrund.
Lebendige Charaktere mit glaubhaften Ecken und Kanten geben dem Leser die Möglichkeit, sich unter ihnen wohlzufühlen und mit ihnen für die Dauer der Lektüre gerne zu folgen, wobei einiges an vorweihnachtlicher Stimmung und Unternehmerstress durch die Seiten weht. Marie und Elin sind gute Freundinnen, die durch dick und dünn gehen. Gertrud ist eine liebevolle Frau, die hilfreich zur Seite steht. Karl-Theodor ist ein alter und charmanter Freund, der eine neue Zukunft möglich macht. Sein Enkel Tom steht hilfreich zur Seite und verdreht jemandem den Kopf. Wilhelm leugnet die Vergangenheit, die ihn aber dann doch einholt.
„Die Kinder des Nordlichts“ lässt sich gut zur vorweihnachtlichen Einstimmung lesen, man sollte allerdings nicht zu viel erwarten. Nette kurzweilige Geschichte, die mit reichlichen norwegischen Köstlichkeiten verführt.

Veröffentlicht am 03.11.2019

Leider nur Mittelmaß

Unter samtweichem Himmel
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Als die Architektin Bethany Quinn die Nachricht vom dem Herzanfalls ihres geliebten Großvaters Dan erhält, ist das für sie ein harter Schlag. Seit 10 Jahren war sie nicht mehr in dem kleinen Ort Peaks, ...

Als die Architektin Bethany Quinn die Nachricht vom dem Herzanfalls ihres geliebten Großvaters Dan erhält, ist das für sie ein harter Schlag. Seit 10 Jahren war sie nicht mehr in dem kleinen Ort Peaks, weil sie die Vergangenheit hinter sich lassen wollte und mit ihr ihre Familie und ihre beste Freundin Robin. Aber jetzt zieht es Bethany zurück nach Peaks, um Dan beizustehen und sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Dazu gehört auch ein Besuch bei Robin, die gerade ihren Ehemann verloren und erfahren hat, dass sie schwanger ist. Robin macht es Bethany leicht und knüpft nahtlos an die alte Vertrautheit an. Robins Schwager Evan Price, der inzwischen bei Großvater Dan lebt und ihm auf der Farm hilft, ist von ihrer Rückkehr dagegen nicht so begeistert und lässt Bethany genau wissen, was er von ihr hält. Als Dan plötzlich stirbt, sehen sich Evan und Bethany dazu gezwungen, sich zusammenzuraufen, denn beide erben Dans Nachlass. Doch sie geraten immer wieder aneinander, so dass Bethany Peaks so schnell wie möglich wieder verlassen möchte. So einfach ist das allerdings nicht, denn Robin braucht sie gerade jetzt und sie möchte sie nicht noch einmal im Stich lassen…
Katie Ganshert hat mit „Unter samtweichem Himmel“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der mit einem flüssigen und bildhaften Schreibstil zu überzeugen weiß. Gleich zu Beginn darf der Leser Bethany kennenlernen und ihr unsichtbar folgen, während sich deren Leben von jetzt auf gleich schlagartig verändert. Schon der Prolog gibt dem Leser zu denken, wenn er davon liest, dass ein 12-jähriges Mädchen versucht, sich in der Badewanne zu ertränken. Was war der Auslöser? Diese Frage beschäftigt den Leser während der gesamten Geschichte, jedoch wird die Auflösung erst auf den letzten Seiten präsentiert. Das Geheimnis um Bethanys Flucht aus Peaks wird ebenfalls auf die lange Bank geschoben und erst sehr spät an den Leser gebracht. Obwohl die Geschichte so einige emotionale Höhepunkte zu bieten hat, bleibt die Erzählweise eher sachlich und wenig einfühlsam. Die Handlung wird zwar aus der Sicht von Bethany in der dritten Person geschildert, doch es gibt einzelne Kapitel, die in der Ich-Form von Bethanys Vergangenheit erzählen, die annähernd etwas Wärme und Gefühl ausstrahlen, während es im Rest des Buches leider eher daran mangelt. Da der Leser über lange Zeit keinerlei Anhaltspunkte bekommt, in welcher Richtung er rätseln soll, was Bethanys Beweggründe sind, zieht sich die Handlung über Strecken wie Kaugummi. Eine etwas ausgewogenere Streuung von Hinweisen wäre hier schön gewesen. Der christliche Aspekt ist in diesem Buch ebenfalls verwirrend dargestellt. Obwohl es einige Anrufe zu Gott sowie kleine Gebete gibt, wird erst am Ende so richtig klar, worum es hier eigentlich geht.
Die Charaktere sind unterschiedlich ausgearbeitet und besitzen menschliche Ecken und Kanten. Allerdings besteht während der gesamten Lektüre eine gewisse Distanz zum Leser, denn lassen Wärme und glaubhafte Emotionen vermissen. Bethany ist eine eher unterkühlte Person, die schon in Chicago mit ihrem Freund eine merkwürdige Beziehung führt, die recht leb- und lieblos wirkt. Die Rückkehr in ihre Heimatstadt lässt auch die nötigen Gefühle vermissen, die man nach 10 Jahren Abwesenheit eigentlich vermuten sollte. Bethany wirkt durch und durch spröde und unnahbar, was auf Dauer einfach anstrengend ist. Robin dagegen ist eine natürlich Frau, die gerade einiges mitmachen muss. Obwohl in Trauer, verhält sie sich manchmal wie ein kleines Mädchen, doch ihre Unsicherheit sei ihr verziehen aufgrund der traumatischen Erlebnisse. Evan ist zwar ein offener und ehrlicher Mann, allerdings hat er die Angewohnheit, schon vorher Schlüsse zu ziehen, bevor er den ganzen Hintergrund kennt. Dies zieht sich durch die gesamte Handlung. Bethanys Mutter ist eine schwache Frau, die bis zum Schluss eine Randfigur bleibt und der Konflikt zwischen den beiden bis zum Schluss nicht gelöst wurde.
„Unter samtweichem Himmel“ ist ein gut zu lesender Roman, der allerdings nicht berühren kann aufgrund fehlender Emotionen, Tiefgründigkeit und ungeklärter Konflikte. Leider nur Mittelmaß!

Veröffentlicht am 11.09.2019

" Der Körper des Tänzers ist einfach die leuchtende Äusserung der Seele" (Isadora Duncan)

Die Ballerina von Paris
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Zwei Jahre hat die ehemalige bekannte Ballerina Lily Paris gemieden wie die Pest, denn der Tod ihres Verlobten Aiden hat sie so sehr aus der Bahn beworfen, dass sie nicht nur der Stadt den Rücken gekehrt, ...

Zwei Jahre hat die ehemalige bekannte Ballerina Lily Paris gemieden wie die Pest, denn der Tod ihres Verlobten Aiden hat sie so sehr aus der Bahn beworfen, dass sie nicht nur der Stadt den Rücken gekehrt, sondern auch das geliebte Tanzen an den Nagel gehängt hat. Die seelischen Wunden sind noch nicht verheilt, doch Lily wagt den Schritt zurück in die französische Hauptstadt, um ihre verschollene Schwester Nathalie zu suchen. Durch Zufall lernt sie den Komponisten Yves kennen, der an einem Ballett über eine berühmte russische Primaballerina namens Viktoria Budian arbeitet, doch nicht so richtig vorankommt. Wird Lily je wieder ihre Ballettschuhe schnüren? Und welche Verbindung besteht zwischen ihr und der alten Primaballerina des Ballets Russes, Viktoria?
Ali Sinclair hat mit „Die Ballerina von Paris“ einen ganz unterhaltsamen historisch angehauchten Roman vorgelegt, der den Leser in die Ballettwelt entführt. Der Schreibstil ist flüssig und gefühlvoll, der Leser taucht schnell ab zwischen den Seiten, um sich unter die Protagonisten zu mischen und sie eine Zeitlang zu begleiten. Die Autorin erzählt ihre Geschichte über zwei Zeitebenen, so spiegelt der eine die Gegenwart um Lily und Yves wider, der andere erweckt die Vergangenheit um Viktoria Budian im Jahr 1917 zum Leben. Die Schicksale der beiden Frauen ähneln sich auf interessante Weise, beide haben einige Verluste zu beklagen und müssen für ihre Liebe zum Tanz so manche harte Entbehrung hinnehmen. Während Lily ihrer großen Liebe nachtrauert und auch die Beziehung zu ihrer Schwester verloren ging, ist Viktoria in Begleitung ihres geliebten Alexei, aber ohne ihre Familie, aus St. Petersburg nach Paris geflohen, um so dem Krieg zu entgehen und ihre Karriere zu forcieren. Dafür muss sie allerdings einen hohen Preis bezahlen. Die Autorin hat den historischen Hintergrund teilweise gut mit ihrer Handlung verknüpft und gewährt dem Leser einen Einblick in die harte und arbeitssame Welt des Balletts und seiner Tänzer. Die Informationen über die Kompanie Ballets Russes hätten durchaus etwas ausführlicher sein können, denn dieses weltbekannte Ensemble hat bis heute einen weitreichenden Einfluss auf die Ballettwelt.
Die Charaktere sind gut ausgestaltet und ihrer Zeit entsprechend geformt. Allerdings fehlt es ihnen an Gefühl und Wärme, so wird der Leser auf Distanz gehalten und betrachtet die jeweiligen Perspektiven eher von außen, als mit den Protagonisten mitfühlen zu können. Lily ist eine sensible Frau, die sich nach dem Tod ihres Verlobten Aiden nicht nur vom Ballett, sondern auch von allem anderen zurückgezogen hat. Sie wirkt ängstlich und unsicher, entwickelt sich erst nach und nach zu einer Frau, der man abnimmt, dass sie sich in der harten Ballettwelt behaupten kann. Viktoria ist für ihre Epoche eine recht starke Frau, die für ihren Beruf alles hinter sich lässt, aber für die Ausreise ihrer Familie aus Russland kämpft. Yves ist ein Mann, der für die Musik lebt und seinem Schicksal ebenso nicht entkommen kann. Aber auch Nathalie und Alexei haben durchaus berechtigte Auftritte in dieser Geschichte um Liebe und Leid.
„Die Ballerina von Paris“ ist ein durchaus passabler Roman für eine kurzweilige Lektüre, ihm fehlt es neben dem gewissen Etwas an gefühlvolleren Charakteren, um über das Mittelmaß hinaus zu kommen. An das Niveau ihres ersten Romans „Die spanische Tänzerin“ kann die Autorin hiermit leider nicht anknüpfen. Eingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 07.09.2019

Der Vergangenheit kann man nicht davonrennen

Wacholderglück
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Seit dem Tod der Mutter gondelt Daisy in der Welt herum und wechselt die Orte wie andere Leute die Unterwäsche. Bloß nicht sesshaft werden, das könnte in Langeweile ausarten! Als ihr Großonkel stirbt und ...

Seit dem Tod der Mutter gondelt Daisy in der Welt herum und wechselt die Orte wie andere Leute die Unterwäsche. Bloß nicht sesshaft werden, das könnte in Langeweile ausarten! Als ihr Großonkel stirbt und ihr ein altes Bahnhofsgebäude vererbt, ist sie aufgrund von Testamentsauflagen dazu gezwungen, ein Jahr in Ottercombe Bay zu bleiben, um das Erbe als das ihre zu betrachten. Daisy ist sich nicht sicher, ob sie an den Ort zurückkehren möchte, mit dem sie nur zwiespältige Erinnerungen verbindet. Aber der Verkauf des Erbes würde ihr neue Möglichkeiten eröffnen, deshalb lässt sie sich auf die Auflagen ein und beschließt, das Beste aus der Situation zu machen und dem alten Bahnhof neues Leben einzuhauchen. Schon bald stehen ihr mit alten Freunden einige helfende Hände zur Verfügung, wobei besonders Max sie immer wieder auf die Palme bringt…
Bella Osborne hat mit „Wacholderglück“ einen Liebesroman vorgelegt, der zwar keinen neuen einfallsreichen Plot an den Leser bringt, aber mit einem flüssig-leichten Schreibstil den Leser kurzweilig unterhalten kann. Schon bald lernt der Leser nicht nur Daisy und ihre Lebensumstände kennen, wobei deren Gefühls- und Gedankenwelt stets offen liegen. Auch die recht umtriebigen Einwohner des kleinen englischen Ortes bleiben bald keine Unbekannten mehr und bringen Leben in die Geschichte. Der Gedanke, ein altes Bahnhofsgebäude umzugestalten, ist nicht neu, hat aber was, da kann man sich richtig austoben und dergleichen ist momentan auch in vielen deutschen Kleinstädten zu beobachten, die daraus entweder eine Begegnungsstätte oder aber ein Sammelsurium von vielen Kleingeschäften machen, die den Stadteinwohnern vieles unter einem Dach anbieten. Der Spannungsbogen der Handlung ist recht moderat angelegt und größere Steigerungen finden auch nicht statt. Ebenso verhält es sich mit ungeahnten Wendungen, die der Geschichte etwas mehr Pepp verliehen hätten. Die Handlung ist durchweg vorhersehbar, aber recht unterhaltsam.
Die Charaktere sind simpel gestrickt und ohne besonderen Tiefgang oder herausragenden Eigenschaften. Sie wirkten manchmal etwas konturlos und geben dem Leser so keine Möglichkeit, sich mit ihnen zu identifizieren und mit ihnen zu fühlen, er beobachtet sie mit einer gewissen Distanz. Daisy ist eine zerrissene junge Frau, die sich treiben lässt und keinerlei Fixpunkt hat aufgrund Ereignisse in ihrer Vergangenheit. Es kostet sie Überwindung, für längere Zeit an einem Ort zu bleiben. Bisher hat sie sich nicht mit den alten Problemen auseinandergesetzt, doch kann sie sich nicht immer davor drücken, denn sie verschwinden nicht von selbst. Max hat ebenfalls so einige Päckchen zu tragen und liefert sich mit Daisy so manch unterhaltsames Wortgefecht. Tamsyn ist Daisys alte Freundin und bringt mit ihrer Figur etwas Farbe in das Leben aller. Mops Bugsy mit seinem Frauchen Coral sorgen für einige humorige Momente, aber auch Jason und Guillaume bergen einiges an Unterhaltungswert für die Geschichte.
„Wacholderglück“ ist eine nette kleine Geschichte für zwischendurch ohne große Überraschungen oder besondere Effekte. Aber solche Geschichten haben auch ihre Berechtigung, denn sie sind manchmal ganz erholsam und Balsam für die Seele.