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Veröffentlicht am 18.03.2017

Geheimnisvolle Erbschaft

Das Erbe von Carreg Cottage
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7. Jh. Lileas ist die Tochter eines berühmten Druiden und hat selbst die Gabe, in die Zukunft zu sehen. Als sie beunruhigende Zeichen sieht und ihren Vater warnt, hört er ihr leider nicht zu und wird kurze ...

7. Jh. Lileas ist die Tochter eines berühmten Druiden und hat selbst die Gabe, in die Zukunft zu sehen. Als sie beunruhigende Zeichen sieht und ihren Vater warnt, hört er ihr leider nicht zu und wird kurze Zeit später getötet. Auch ihre Mutter und ihre Geschwister kommen bei einem feigen Anschlag ums Leben. Nun muss Lileas sich allein in der Welt durchschlagen, doch da sie um die Heilkunst der Pflanzen weiß, kann sie sich mit ihrem Wissen ein Leben aufbauen. Durch Zufall lernt sie den jungen Mönch Cadeyrn kennen, der aber so gar nicht wie ein Mönch wirkt. Er wurde auf der Flucht verletzt und Lileas pflegt ihn wieder gesund, bevor er ins Kloster zurückkehrt. Doch zwischen den beiden ist ein Band entstanden. Auch Cadeyrn ist auf der Flucht vor einem Mörder ebenso wie Lileas. Werden beide ihren Jägern auf Dauer entkommen?

21. Jh. Lilian Gray ist Mitte Dreißig und besitzt nichts mehr außer ihrem Auto und ihrem Hund Fizz. Sie musste ihr Café in Schottland schließen und weiß nicht so recht, wie es weiter gehen soll. Da erreicht sie ein Brief von einer Anwaltskanzlei, in dem ihr mitgeteilt wird, dass sie die Erbin eines alten Cottages in Wales ist, das ihr von einem anonymen Gönner vermacht wurde. Da sie nichts mehr zu verlieren hat und die Neugier siegt, macht sich Lili mit ihren wenigen Besitztümern auf den Weg, um das Erbe anzutreten. Beim ersten Blick schon verliebt sich Lilian in das alte Haus auf den Klippen mit dem großen Garten und der Aussicht auf die Klosterinsel Bardsey, das immer schon als Pilgerrasthaus für Besucher offen stand. Um das Cottage wieder zu öffnen, muss es erst einmal renoviert werden und Lilian unternimmt alles, damit das Haus wieder in altem Glanz erstrahlt. Doch jemand ist davon gar nicht begeistert und versucht, Lilian Angst einzujagen und ihre Renovierungsarbeiten zu torpedieren. Wer will Lilian aus dem Weg haben?

Constanze Wilken hat mit ihrem Buch „Das Erbe von Carreg Cottage“ einen zauberhaften und spannenden Roman um alte Familiengeheimnisse und die Glaubensunterschiede des Landes vorgelegt, der über zwei Handlungsstränge und vor der rauhen, wunderschönen Kulisse von Wales die Vergangenheit mit der Gegenwart auf wunderbare Art miteinander verbindet. Der Schreibstil ist flüssig und sehr bildhaft; schon mit den ersten Zeilen taucht der Leser in die Handlung ein und lässt sich als unsichtbarer Schatten durch die Geschichte treiben, mal an der Seite von Lileas in längst vergangener Zeit, mal neben Lilian im Hier und Jetzt, um sie bei ihren Erlebnissen, Gedanken und Tun zu beobachten. Der Spannungsbogen wird bereits im Prolog aufgebaut, dessen Rätsel einen durch die gesamte Geschichte hindurch ständig begleitet, und steigert sich im Verlauf der Handlung immer weiter bis zum großen Finale. Erst ganz am Schluss fallen alle Puzzleteile an ihren Platz und bescheren dem Leser ein befriedigendes Gefühl, eine tolle Geschichte begleitet zu haben. Die Landschaftsbeschreibungen sind so lebhaft und bildgewaltig, es ist nicht zu übersehen, dass die Autorin ihr Herz an die wunderschöne Küste von Wales verloren und sich von deren mystischer Atmosphäre hat einfangen lassen. Beim Lesen hat man regelrecht die Insel Bardsey, die tosenden Wellen des Meeres und die dortige Natur vor Augen, die mal einladend und mal beängstigend wirkt.

Die Charaktere wurden sehr liebevoll ausgestaltet und wirken authentisch und sehr lebendig. Die Autorin beweist hier besonderes Geschick, denn bei einigen der Protagonisten ist man sich nicht sicher, ob er der Fraktion Gut oder Böse angehört, dies kristallisiert sich erst immer recht spät heraus, was die Spannung und die Spekulationen um die Geheimnisse noch mehr anheizt. Lileas/Meara ist eine sehr sympathische und hilfsbereite Frau, die schon in jungen Jahren viel einstecken musste. Sie gehört noch dem alten Glauben an und kennt sich gut in der Heilkunst aus, mit der sie ihren Lebensunterhalt bestreiten kann. Aber ihr schlägt auch viel Misstrauen und Argwohn entgegen. Doch sie ist selbstsicher und mutig, stellt sich den Dingen und ihren Mitmenschen und kämpft für ihre Überzeugungen. Cadeyrn ist ein junger Mann, der zu seinem Schutz von seinem Vater in ein Kloster gesteckt wurde, dessen Glauben aber nicht nur Gott gehört und der mit seinen Ansichten immer wieder aneckt und sich nur schwer unterordnen kann. Lilian ist eine unsichere Frau, immer auf der Flucht, mit ihren eigenen Vorhaben immer wieder gescheitert. Sie hat außer ihren Großeltern keine Familie mehr, allerdings ist das Verhältnis angespannt, zu viele Dinge liegen im Argen. Lilian ist forsch, durchaus sympathisch, aber mit ihrem Misstrauen steht sie sich oft selbst im Weg. Marcus ist ein sehr netter Mann und talentierter Handwerker. Er ist offen, ehrlich und hilfsbereit, dabei hat auch er seine Päckchen zu tragen. Die Entwicklung der einzelnen Charaktere ist während der Geschichte wunderschön zu beobachten. Auch die vielen anderen sehr eindrucksvollen Protagonisten tragen ihren Teil zur Handlung bei, um dauerhaft die Spannung zu halten und den Leser mehr als einmal mit ihrem Tun zu verwirren.

„Das Erbe von Carreg Cottage“ ist ein wunderschöner und fesselnder Romanmix aus historischer Zeitreise mit parallel laufendem gegenwärtigem Handlungsstrang über ein Familiengeheimnis. Auch die Liebe kommt hier nicht zu kurz. Liebhaber dieses Genres werden schon in den ersten Seiten gebannt schmökern und sich von dieser tollen Geschichte einfangen lassen. Absolute Leseempfehlung für einen Pageturner der Extraklasse!

Veröffentlicht am 12.03.2017

Aller Anfang ist schwer (Ovid)

Ein geschenkter Anfang
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Das Ehepaar Lou und Jo lebt auf einer kleinen bretonischen Insel. Als seine Frau Lou stirbt, bricht für Jo seine Welt zusammen. Lou war für ihn alles, seine Geliebte, seine Freundin und seine Seelenverwandte, ...

Das Ehepaar Lou und Jo lebt auf einer kleinen bretonischen Insel. Als seine Frau Lou stirbt, bricht für Jo seine Welt zusammen. Lou war für ihn alles, seine Geliebte, seine Freundin und seine Seelenverwandte, die beiden waren sich selbst genug. Doch Lou hat noch einen Auftrag für Jo, er soll dafür sorgen, dass seine Kinder glücklich sind. Eine Aufgabe, die Jo fast unmöglich erscheint, denn sein Sohn Cyrian sowie Tochter Sarah sind bereits erwachsene Menschen und ob sie die Hilfe ihres Vaters annehmen werden, ist fraglich, denn das Verhältnis zu ihnen ist eher gespalten, sie haben sich gefühlsmäßig in den letzten Jahren voneinander entfernt. Cyrian und seine Frau haben sich auseinander gelebt und denken an Trennung. Darunter leidet vor allem ihre kleine Tochter Pomme, die sich nichts sehnlicher wünscht, als das ihr Vater sie liebt. Sarah ist krank und lebt für sich, da sie keine Beziehung mehr möchte. Sie wurde oft genug enttäuscht und will sich diesen Schmerz ersparen. Vater Jo hat also keine leichte Aufgabe, seinen Kindern das Glück zurückzubringen, zumal er selbst durch den Tod von Lou unter Schuldgefühlen und der Trauer leidet. Wird es ihm gelingen, das sie sich alle wieder annähern?

Lorraine Fouchet hat mit ihrem Buch „Ein geschenkter Anfang“ einen sehr berührenden und emotionalen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und poetisch gefühlvoll, dabei aber auch von Trauer durchsetzt und mit düsteren Nuancen. Die Landschaftsbeschreibungen sind sehr schön in die Handlung eingewoben, so dass man die raue Insel und das Meer vor dem inneren Auge regelrecht sehen kann. Dem Leser wird durch verschiedene Perspektivwechsel in der Erzählung jedes einzelne Schicksal der Familienangehörigen sehr nahe gebracht und fühlt sich selbst davon angesprochen und betroffen. Sehr detailliert breitet die Autorin das Familienleben aus und präsentiert dem Leser die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander und innerhalb ihres eigenen Umfelds. Dabei versteht sie es sehr gut, sämtliche Emotionen durch kleine Gesten und wenige Worte so gut zu vermitteln, dass man als Leser ebenso leidet, mitfühlt, den Kopf schüttelt und die Protagonisten auch mal anschreien oder schütteln will, weil sie sich selbst und anderen im Weg stehen.

Die Charaktere sind wunderbar ausgestaltet und in Szene gesetzt worden. Ihr Gefühle und Gedanken sowie ihr Umfeld sind jederzeit so präsent, so dass der Leser das Gefühl bekommt, dabei zu sein. Die verstorbene Lou war das Herz der Familie, die sich um alles gekümmert hat und das gemeinsame Bindeglied für alle Mitglieder war. Mit ihrem Tod scheint alles auseinanderzubrechen. Jo hat in Lou die Liebe seines Lebens gefunden, aber er hat auch Schuld auf sich geladen, weil er in seinen eigenen Augen versagt hat. Und mit dieser Schuld kann er nicht umgehen, kann sich selbst nicht verzeihen und weiß nicht, wie er jemals wieder froh wird. Cyrian kann seinen Vater nicht ausstehen, weil er ihn für einen Betrüger hält. Er will gar nicht mit ihm reden. Gleichzeitig hat er in seiner eigenen Ehe Probleme und bemerkt gar nicht, wie seine kleine Tochter Pomme sich nach seiner Liebe und Anerkennung sehnt. Sarah ist krank und wird mehr und mehr zur Außenseiterin, aber sie selbst tut auch nichts dagegen, dies zu ändern, sondern schottet sich immer mehr ab, um bloß nicht verletzt zu werden. Und dann die kleine Pomme, die sich fehl am Platz und unerwünscht vorkommt. Dabei ist sie eine mutige kleine Person, die über sich hinauswächst, und all das tut sie immer in dem Gedanken, dass ihr Vater sie dann vielleicht bemerkt. Auch die anderen Protagonisten sind sehr schön auf die Handlung zugeschnitten und erfüllen mit ihren kleinen Episoden den Zweck, die Geschichte zu stärken und zu stützen.

„Ein neuer Anfang“ ist ein sehr berührendes und feinsinniges Buch über die Familie und die Macht der Liebe, über das Verzeihen und Loslassen, über das Vergangene und die Zukunft. Ein Roman, der noch lange nachklingt, ist es doch eine Geschichte, die Tag für Tag überall auf der Welt in etwas abgewandelter Form vorkommt. Absolute Leseempfehlung für eine echte Entdeckung,!

Veröffentlicht am 11.03.2017

Abenteuerliches Madagaskar

Im Schatten des Flammenbaums
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1926 Paris/Madagaskar. Die Pariserin Louise Bernard lebt wie ihre Eltern in Paris und arbeitet als Kfz-Mechanikerin bei Citroën. Unter all ihren männlichen Kollegen fällt sie auf wie eine Exotin und muss ...

1926 Paris/Madagaskar. Die Pariserin Louise Bernard lebt wie ihre Eltern in Paris und arbeitet als Kfz-Mechanikerin bei Citroën. Unter all ihren männlichen Kollegen fällt sie auf wie eine Exotin und muss sich dementsprechend durchsetzen. Nicht mal eine eigene Umkleidekabine kann sie aufsuchen. Ihr Zwillingsbruder Adrian hat Frankreich vor einiger Zeit verlassen, um in Madagaskar eine Tierauffangstation zu leiten. Nur spärlich und mit langer Wartezeit kommen die Briefe von ihm mit Neuigkeiten. Eines Tages erhält Louise die Nachricht, dass Adrian die Einheimische Rana geheiratet hat und gleichzeitig spendet der Chef ihrer Werkstatt ein Automobil für die dortige Missionsstation. Das Fahrzeug muss allerdings überführt werden – klar, dass Louise die Abenteuerlust packt und auch ihren Bruder wiedersehen will, deshalb meldet sie sich freiwillig für diese Reise. Ihr Fürsprecher ist ihr Kollege Fabrice, der sie auf dieses Abenteuer begleiten wird, um den Wagen sicher zu übergeben. Kaum sind sie in Madagaskar angekommen und Louise hat sich endlich in die Arme ihres Bruders werfen können, da geschieht ein Doppelmord auf der Auffangstation. Louise steht auf allein unbekannten Mächten gegenüber und muss sich gleichzeitig in einer fremden Kultur in einem fremden Land behaupten. Wird sie sich Respekt verschaffen und auf Unterstützung hoffen können?

Anna Levin hat mit ihrem Buch „Im Schatten des Flammenbaums“ einen sehr unterhaltsamen und spannenden historischen Roman vor der exotischen Kulisse Madagaskars vorgelegt. Der Schreibstil ist bildgewaltig und so lebendig, dass der Leser sich nahezu von jetzt auf gleich als Schatten der Protagonisten auf Zeitreise und einem abenteuerlichen Trip vom mondänen Paris in unbekannte Gefilde begibt. Die Landschaftsbeschreibungen und auch Tierwelt wird so lebhaft beschrieben, dass man alles regelrecht vor dem inneren Auge sehen kann. Die Schilderungen über die Tierauffangstation sind sehr interessant zu lesen, wo verletzte Tiere behutsame Pflege durch Ärzte und Mitarbeiter erfahren und man versucht, diese nach ihrer Genesung wieder in die Natur zu entlassen, damit sie weiterhin unter ihren Artgenossen in Freiheit leben können. Die Spendenfinanzierung gestaltet sich schwierig, denn solche Stationen sind meist von privaten Geldern abhängig und müssen mit den wenigen Mitteln gut haushalten. Die Autorin versteht es zudem, sehr interessante Details über den Aberglauben der Bevölkerung in ihre Handlung einzustreuen und den Glauben an Fady und Talismänner zu verdeutlichen.

Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und haben alle ihre speziellen Eigenheiten, so dass der Leser nicht immer sicher sein kann, wer gut und wer böse ist. Louise ist eine junge Frau, die schon recht emanzipiert wirkt, arbeitet sie doch in einem Männerberuf zu einer Zeit, als dies fast noch undenkbar war. Sie ist recht impulsiv, trägt ihr Herz aber auf dem rechten Fleck. Louise ist hilfsbereit und handwerklich begabt, allerdings wirkt sie oftmals auch sehr misstrauisch und manche ihrer Reaktionen sind sehr naiv, was allerdings ihrem Alter und ihrer Unerfahrenheit in fremder Umgebung anzulasten ist. Adrian ist ein netter Mann, der sich liebevoll um seine Frau Rana und um die Auffangstation kümmert. Allerdings hat er ein Geheimnis, dass er zu verbergen sucht, auch vor seiner Schwester. Fabrice ist ein Kollege von Louise, der von eher ruhigerer und besonnener Natur ist, doch immer hilfsbereit und als Mann in der Not zu unterstützen weiß. Oliver ist ein ortsansässiger Franzose, der auf Madagaskar Reisegruppen führt. Er wirkt zu Beginn recht arrogant und von sich eingenommen, hat aber ein Gespür für Menschen und ihre Bedürfnisse und ist oft der rettende Anker in der Not. Jipa ist der Vater von Rana und arbeitet auf der Station, er ist ein liebevoller Mann, der seine Aufgaben sehr ernst nimmt und sich seinem Stamm sehr verbunden fühlt. Auch die anderen Protagonisten stützen die Handlung mit ihren kleinen Geschichten und erhöhen die Spannung, bis dem Leser endlich die Auflösung präsentiert wird. Besonders zu erwähnen sei noch das kleine Katta-Mädchen, dass sich schnell in die Herzen der Leser schleichen wird.

„Im Schatten des Flammenbaums“ ist ein sehr fesselnder und unterhaltsamer historischer Roman vor exotischer Kulisse, der allen Lesern dieses Genres sehr gefallen dürfte. Hier kann man abtauchen in eine fremde Welt und ein richtiges (Kopf-)Abenteuer erleben – und ein bisschen Liebe ist auch dabei! Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 10.03.2017

Geht unter die Haut!

Herz auf Eis
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Das junge Paar Ludovic und Louise haben sich ein Segelboot gekauft und auf den Namen „Jason“ getauft. Ludovic überredet Louise, ein Sabbatjahr zu nehmen und diese Zeit für eine Reise mit dem Boot um die ...

Das junge Paar Ludovic und Louise haben sich ein Segelboot gekauft und auf den Namen „Jason“ getauft. Ludovic überredet Louise, ein Sabbatjahr zu nehmen und diese Zeit für eine Reise mit dem Boot um die Welt zu nutzen, sich mal den Wind um die Nase wehen und ihre Heimat Paris hinter sich zu lassen. Der Segeltörn beginnt ohne Probleme und langsam entspannt sich auch Louise und genießt die gemeinsame Zeit mit Ludovic allein auf dem Wasser. Dabei sind die beiden allerdings etwas zu sorglos, denn sie laufen ein Naturschutzgebiet fernab vom normalen Schiffsverkehr an, wo kurze Zeit nach ihrer Ankunft ein Sturm tobt und mit seiner Wucht das Boot zerstört. In dem Gedanken, dass niemand weiß, wo sie sich gerade aufhalten, müssen sie sich nun den Elementen und auch sich selbst stellen, denn sie haben keinen weiteren Kontakt zur Außenwelt. Die Nahrungssuche wird lebensnotwendig, aber auch der Überlebenswille selbst. Unterschlupf finden sie in einer alten Walfangstation aus den 50er Jahren. Wie wird es ihnen ergehen, werden sie doch noch gefunden und gerettet?

Isabelle Autissier, selbst bekannt dadurch, dass sie als erste Frau 1991 ganz allein die Welt mit einem Segelboot umrundet hat, legt mit ihrem Buch „Herz auf Eis“ einen sehr emotionalen, spannenden und fesselnden Roman vor, der den Leser durch die gesamte Klaviatur der Gefühle jagd. Man findet sich nackter Angst, Wut, regelrechter Panik und Hassgefühlen gegenüber ebenso wie Verzweiflung, Selbstaufgabe, Schwäche und gegenseitigen Vorwürfen bis hin zur Gewalt. Der Schreibstil ist von Beginn an packend, leicht düster und atmosphärisch dicht. Dabei ist auch besonders zu erwähnen, dass die Autorin mit besonderem Fingerspitzengefühl die psychologischen Aspekte in der zwischenmenschlichen Beziehung zwischen Ludovic und Louise sehr fein herausgearbeitet hat. Todesangst und Überlebenswille sind die Hauptthemen, die sich durch die gesamte Handlung ziehen und durch das sprachliche Können der Autorin dem Leser sehr nahe gebracht wird. Ständig stellt man Überlegungen an, wie man wohl selbst in solch einer ausweglosen Situation reagieren würde, ob man noch fähig und in der Lage wäre, den anderen zu trösten, zu unterstützen oder mitzuziehen. Interessant ist vor allem auch, wie sehr einen solch ein Erlebnis im weiteren Leben prägt und welchen Nutzen man daraus zieht. Ebenso gekonnt wie leicht geht der Autorin die Beschreibung von Landschaften und gewissen Situationen von der Hand, die dem Leser eine großartige Ausgangslage bieten, sich alles sehr genau und gut vorzustellen.

Die Charaktere sind sehr intensiv ausgestaltet und lassen den Leser schon im Vorfeld Raum für Vermutungen, wie der einzelne von ihnen wohl in Stresssituationen reagieren wird. Ludovic stammt aus reichen Verhältnissen und musste sich nie um irgendetwas sorgen. Es scheint fast so, als fiele ihm alles in den Schoss. Er ist attraktiv und etwas vorlaut, hat die Gabe, Menschen für sich einzunehmen und sie sanft, aber bestimmt zu manipulieren, damit sie genau das tun, was er möchte. Louise ist das Gegenteil von Ludovic, sportlich, dabei eher zurückhaltend und vorsichtig, sie wägt Dinge ab und braucht für ihre Entscheidungen etwas länger. Sie ist dem Charme von Ludovic erlegen und insgeheim wundert sie sich immer noch, dass ausgerechnet sie seine Auserwählte ist. Die beiden Protagonisten sind so verschieden wie Feuer und Wasser, aber gerade das macht den besonderen Reiz in der Handlung aus, denn erst in dieser extremen Situation lernen sie sich wirklich kennen und es werden Dinge offenbar, die sie von dem jeweils anderen nicht wussten oder nie gedacht hätten.

„Herz aus Eis“ ist zwar ein eher kurzer Roman, doch die Handlung ist so eindringlich und brillant erzählt, dass der Leser das Buch kaum aus der Hand legen kann, obwohl es einige Szenen gibt, die einem selbst fast körperliche Schmerzen oder Entsetzen verursachen. Alle, die intensive und berührende Geschichten mögen, die auch zum Nachdenken anregen, sollten sich dieses Buch nicht entgehen lassen. Ein phantastisches Highlight, absolute Leseempfehlung – mehr kann man dazu einfach nicht sagen!

Veröffentlicht am 09.03.2017

Burn-Out Seminare bei Oma Edith

Oma wird erwachsen
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Isabell lebt in Hamburg und hasst ihren Job als Assistentin eines unerträglichen Filmproduzenten. Sie lebt Tür an Tür mit Kalle, einem schwulen Bauarbeiter, der nun als Kosmetiker arbeitet und seine Kunden ...

Isabell lebt in Hamburg und hasst ihren Job als Assistentin eines unerträglichen Filmproduzenten. Sie lebt Tür an Tür mit Kalle, einem schwulen Bauarbeiter, der nun als Kosmetiker arbeitet und seine Kunden durch sein loses Mundwerk stets in die Flucht schlägt. So ist es kein Wunder, dass erst Kalle sowohl Wohnung als auch Kosmetikstudio verlieren soll. Als Isabells Chef ihr zuvor kommt und ihr die Kündigung präsentiert, um sie durch eine aufgetakelte Blondine auszutauschen, packt Isabell ihre Sachen und Kalle in den Wagen und düst ab an die Ostsee, wo ihre Oma Edith in einem kleinen Kaff namens Seestein allein auf einem Hof mit Tieren lebt und gerade Burn-Out diagnostiziert bekommen hat. Kein Wunder, denn Edith ist für alle im Dorf immer einsatzbereit und wird dementsprechend von den Bewohnern ausgenutzt sei es als Bedienung in der Gaststätte oder als Aushilfe in der Bäckerei. Doch damit soll Schluss sein. Kaum haben sich Isabell und Kalle bei Edith eingenistet, lernen sie erst die Hellberg-Brüder kennen, einer Therapeut, der andere Tierarzt und dann geht auch Hulle, der Dorfpolizist bei Oma ein und aus. Um dem Burn-Out ein Ende zu setzen hat Isabell die geniale Idee, auf Ediths Hof Seminare für gestresste Großstädter anzubieten. Kaum ist die Anzeige geschaltet, steht das Telefon nicht mehr still. Dann reisen die ersten buntgemischten Teilnehmer an, und ohne wirklichen Plan beginnt die Gruppe um Edith das Projekt „Burn-Out-Seminar“. Bald ist das ganze Dorf auf den Beinen, was vor allem einer kleinen Männergruppe und einem schmierigen Immobilienhändler nicht gefällt. Ob das gutgehen kann???

Liv Jansen hat mit ihrem Buch „Oma wird erwachsen“ einen sehr unterhaltsamen und humorigen Roman vorgelegt, der von der ersten bis zur letzten Seite vom Chaos beherrscht wird und eine Lachsalve nach der anderen hervorruft. Der Schreibstil ist flüssig und voller Witz. Er nimmt den Leser mit in ein idyllisches kleines Dorf an der Ostsee, wo abends die Bürgersteige hochgeklappt werden und die älteren Semester ihr Dasein „fristen“. Die Großstadtpflanzen Isabell und Kalle scheinen da erst so gar nicht hineinzupassen, doch sie fühlen sich in der beschaulichen Welt von Oma Edith schnell wohl und lassen ihre Probleme in Hamburg, während sie die Tiere füttern und sich mit Volldampf in das Projekt Seminarangebot werfen. Der Leser ist stummer Beobachter des Chaoshaufens und erlebt so manche Überraschung. Da gibt es ein Geheimnis zu lösen, einen abscheulichen Immobilienhändler abzuhängen, und es liegen sogar Leichen im Keller. Aber auch die Liebe kommt nicht zu kurz ganz nach dem Motto „Jeder Topf braucht sein Deckelchen“.

Die Charaktere sind liebevoll gestaltet und als bunter Haufen in Szene gesetzt. Der Leser hat jede Menge Möglichkeiten, seine Sympathien zu verteilen. Isabell hat nicht nur Pech mit ihrem schrecklichen Chef, sie ist auch von der Männerwelt enttäuscht, lieber isst sie. Aber sie ist ein sehr hilfsbereiter Mensch, die ihre Oma über alles liebt und sie natürlich nicht im Stich lässt. Alles andere ist ihr egal. Kalle ist ein witziger Typ, der nah am Wasser gebaut hat und sich nach der großen Liebe sehnt. Doch mit der Auswahl seiner Partner hat er bisher nur einen Griff ins Klo getan. Doch er ist ein lieber Kerl, der Isabell ein wirklicher Freund ist und auch keine Angst hat, sich die Hände schmutzig zu machen. Oma Edith ist eine Perle, auf die das Dorf im wahrsten Sinne des Wortes nicht verzichten kann, denn sie arbeitet kostenlos und springt immer ein. Oma kann einfach nicht nein sagen. Aber gerade das muss sie lernen. Sie ist allerdings auch eine weise Frau, die hinter die einzelnen Fassaden schaut und manche Lebenshilfe bietet, wenn man ihr genau zuhört. Auch die anderen Protagonisten sind mit ihren ganz eigenen Ecken und Kanten, Sorgen und Nöten wunderbar platziert und geben der Handlung den richtigen Pep.

„Oma wird erwachsen“ ist ein lustiger und unterhaltsamer Roman, der den Leser in eine wunderbare chaotische dörfliche Welt beamt, aus der man erst wieder auftaucht, wenn das letzte Wort gelesen ist. Eine Leseempfehlung für alle, die gern lachen und sich amüsieren möchten.