Eine schrecklich nette und verrückte Familie
Sommer in St. IvesFamilie Lessing, bestehend aus Vater Ben und Mutter Samantha mit ihren drei bereits erwachsenen Kindern Lynda, Lola und Luca, reisen von München an die englische Küste Cornwalls nach St. Ives auf Einladung ...
Familie Lessing, bestehend aus Vater Ben und Mutter Samantha mit ihren drei bereits erwachsenen Kindern Lynda, Lola und Luca, reisen von München an die englische Küste Cornwalls nach St. Ives auf Einladung von Samanthas Mutter Elvira, deren Ehemann Frederik genau ein Jahr verstorben ist, um dort die nächsten 6 Wochen ihren Urlaub gemeinsam zu verbringen und Großmutter Elvira über die schwere Zeit hinweg zu helfen. Kaum angekommen, eröffnet ihnen Elvira, dass sie ihre Jugendliebe Sam, einen bekannten Musiker, heiraten wird, den sie bereits als junges Mädchen bei einem Schüleraustausch kennen- und lieben gelernt hat. Die Familie ist überrascht, während Tochter Samantha vor Wut tobt, hat sie doch immer schon ein etwas gespanntes Verhältnis zu ihrer Mutter. Die Ankündigung beschwört deshalb regelrecht eine Familienkrise herbei. Nach und nach kommen Geheimnisse zum Vorschein, die ein jedes Familienmitglied zu verbergen sucht. Aber auch Elviras langjährige Liebe zu Sam mit all ihren Hindernissen wird nach und nach enthüllt. Und mittendrin ist Lola, die auf der Suche nach sich selbst ist und am Ende etwas findet, wonach sie gar nicht suchte.
Anne Sanders hat mit ihrem Buch „Sommer in St. Ives“ einen wunderschönen Familienroman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und mit einer gehörigen Portion Humor durchzogen, die das Lesen kurzweilig und unterhaltsam machen. Von Beginn an wird der Leser wie ein unsichtbares Familienmitglied auf Beobachtungsposten gestellt, um die einzelnen Lessings nebst Elvira zu beobachten, ihre Gefühle und geheimen Gedanken zu verfolgen, wobei man oftmals am liebsten selbst einschreiten würde, um jemanden zu schütteln oder mal tröstend in den Arm zu nehmen. Die Landschaftsbeschreibungen sind so bildhaft, dass man das pittoreske Städtchen regelrecht vor Augen hat und sich wohlfühlt. Die Handlung selbst spielt zwar in der Gegenwart, wird jedoch durch Kapitel mit Rückblenden zu Elviras Vergangenheit unterbrochen, um ihre gemeinsame Geschichte mit Sam zu erzählen.
Die Charaktere sind liebevoll in Szene gesetzt, dabei hat die Autorin ein besonders gutes Auge für die Details bewiesen, denn ein jeder hat seine eigenen Macken, Ecken und Kanten, schleppt Altlasten mit sich herum oder verbirgt mehr oder weniger gut das eine oder andere Geheimnis vor den anderen. Alle wirken so lebendig und authentisch, als wären sie alte Bekannte, die man nun als Unsichtbarer beobachtet und dabei rätselt, wie diese Menschen sich endlich wieder näher kommen könnten, nachdem sie sich in all den Jahren so weit voneinander entfernt haben. Elvira ist eine kühl wirkende Frau, die das Herz nicht unbedingt auf der Zunge trägt. Ihr Verhältnis zu Tochter Samantha war schon immer angespannt, einzig Enkelin Lola öffnet sie sich etwas, dafür ist ihre Liebe zu Sam über Jahrzehnte ungebrochen. Samantha wirkt ebenso kühl wie ihre Mutter, gegenüber Ehemann Ben und den eigenen Kindern ist sie kontrolliert, dabei hat sie Wutausbrüche, die einem verraten, dass sie doch ein empfindsamer und verletzlicher Mensch ist. Sam ist ein ehrlicher und warmherziger alter Rock’n’Roller, der eine Vorliebe fürs Backen hat und sein Herz an Elvira vom ersten Augenblick an verlor. Lola ist eine sehr sympathische Protagonistin, die wie das Bindeglied zwischen allen Beteiligten wirkt durch ihre unbeschwerte und fröhliche Art. Sie ist aufmerksam, hilfsbereit und aufgeschlossen, hat eine Antenne für Geheimisse und möchte doch nur schöne Ferien in Ruhe genießen. Auch die anderen Charaktere passen mit ihren kleinen Geheimnissen und Episoden wie die Faust aufs Auge in die Handlung und bringen durch ihre Aktivitäten die Geschichte immer wieder in eine neue Richtung.
„Sommer in St. Ives“ ist ein wunderschöner Roman für Mußestunden in der Hängematte oder am Strand, bei dem viel gelacht werden darf, aber auch die anderen Emotionen der Gefühlspalette ihren Auftritt haben. Ein Roman, der Liebe, Geheimnisse und Familiendramen beinhaltet, wird alle Liebhaber dieses Genres sofort in ihren Bann schlagen. Absolute Leseempfehlung für eine wirklich rundum gelungene Geschichte!