Profilbild von Dreamworx

Dreamworx

Lesejury Star
offline

Dreamworx ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Dreamworx über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.10.2020

"Es ist besser, zu genießen und zu bereuen, als zu bereuen, dass man nicht genossen hat." (Giovanni Boccaccio)

Wien by NENI
0

Das „Neni“ ist allen ein Begriff (das Wort setzt sich aus den Anfangsbuchstaben von Hayas Söhnen zusammen), die die Küche von Haya Molcho und ihrer Familie schätzen und lieben gelernt haben. Ob in Tel ...

Das „Neni“ ist allen ein Begriff (das Wort setzt sich aus den Anfangsbuchstaben von Hayas Söhnen zusammen), die die Küche von Haya Molcho und ihrer Familie schätzen und lieben gelernt haben. Ob in Tel Aviv, Wien, Hamburg, Köln, München oder Berlin – das NENI ist eine zuverlässige Anlaufstelle, wo man in gemütlichem Ambiente die sehr schmackhaften Speisen nach Molchos Rezepten genießen kann. Da wir Molchos Küche sehr lieben, haben wir uns besonders auf „Wien by NENI“ gefreut, in der Haya Molcho mit ihren Söhnen neben leckeren Gerichten auch interessante Personen präsentiert, die im malerischen und geschichtsträchtigen Wien einige Schmankerl beitragen und so dem Leser die nächste Reise in die österreichische Metropole planen lassen, um all diese Geheimtipps auszuprobieren, die einen Bogen spannen von Kultur über Einkaufen, gutes Essen und Genießen.
Neben Molchos Rezepten, die mit israelischem Touch die traditionelle Wiener Küche international präsentiert, bekommt man einen großen Einblick in die Molcho-Familie und ihren Werdegang sowie ihre eigenen persönlichen Favoriten, die sie in Wien gefunden haben und dem Leser hier vorstellen. Da findet sich u.a. neben dem „Demeterhof“ von Helga Bernold und Wolfgang Herzog auch das Café Korb von Susanne Wild wieder. Alles wird farbenprächtig untermalt mit schönen stimmungsvollen Fotos von Nuriel Molcho, die einen wünschen lassen, man könnte sofort die Koffer packen und gen Wien aufbrechen. Überhaupt ist die gesamte Haptik des Buches eine wunderbare Unterstreichung des Inhalts, so dass sowohl die Augen als auch der Gaumen auf seine Kosten kommt.
Auch die Zusammenstellung der Rezepte in diesem Buch lassen keine Wünsche offen. Neben vielen Gemüsegerichten (vor allem für Vegetarier interessant) finden sich neben Fisch und Fleisch vor allem auch jede Menge wunderbare Desserts wieder, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Nicht nur die „Marillenknödel“ sind ein absoluter Traum, auch der Linsensalat mit Ofengemüsen und Kaspressknödeln, die Bärlauchlatkes oder die Sauerteig-Pancakes mit Rhabarber-Kompott sind zum Niederknien!
„Wien by NENI“ ist nicht nur was für Fortgeschrittene, sondern auch Einsteigern werden diese wunderbaren Gerichte gelingen. Unbedingt ausprobieren und sich selbst verwöhnen!

Veröffentlicht am 04.10.2020

Lichter gegen die Dunkelheit

Die Bibliothekarin von Auschwitz
0

Die Tschechin Edith „Dita“ Kraus wird 1943 als 14-jährige mit ihrer Familie vom KZ Theresienstadt ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie auf Fredy Hirsch trifft, den sie bereits aus ihrer Heimatstadt ...

Die Tschechin Edith „Dita“ Kraus wird 1943 als 14-jährige mit ihrer Familie vom KZ Theresienstadt ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie auf Fredy Hirsch trifft, den sie bereits aus ihrer Heimatstadt Prag kannte. Fredy Hirsch hat in Auschwitz den Kinderblock (Block 31) organisiert, wo tschechische Kinder provisorischen Schulunterricht bekamen, Sport treiben durften, malten, Theater spielten. Es gab auch eine kleine Bibliothek mit gerade mal 8 alten Büchern, die eigentlich verboten sind und für die Dita nicht nur verantwortlich war, sondern sie wie einen Schatz hütete, spendeten sie ihr doch Trotz und Hoffnung an diesem grausamen Ort, wo ein Dr. Mengele seine widerwärtigen Versuche praktizierte und jeden Tag Menschen von den Nazis ins Gas geschickt wurden…
Antonio Iturbe hat mit „Die Bibliothekarin von Auschwitz“ einen sehr berührenden Roman über Dita Kraus vorgelegt, der sich aus fiktiven und biografischen Elementen zusammensetzt und im Kopf des Lesers nicht nur die furchtbaren Vorgänge in Auschwitz lebendig werden lässt, sondern auch die Kraft des geschriebenen Wortes hervorhebt, das für Hoffnung und Zuversicht sorgt, um irgendwie zu überleben. Der flüssige, empathische und bildhafte Schreibstil lässt den Leser schickt den Leser nicht nur auf Zeitreise in das düsterste Kapitel deutscher Geschichte, sondern lässt ihn an die Seite von Dita gleiten, um sie auf ihrem Leidensweg durch die Lager der deutschen Tötungsmaschinerie zu begleiten. Schonungslos offen beschreibt der Autor die Versuche von Dr. Mengele, den Anblick der toten Körper nach der Vergasung sowie die fürchterlichen Foltermethoden der Nazis, die sich schon bei kleinsten Auffälligkeiten auf die Gefangenen entluden. All diese Grausamkeiten und unmenschlichen Abgründe durchlebt der schockierte Leser an Ditas Seite und erfährt gleichzeitig die ablenkende und tröstliche Wirkung der Büchergeschichten, die von einigen der Insassen den Kindern lebendig vorgespielt werden. Dita überlebte Auschwitz und auch ihre letzte Station Bergen-Belsen fast dem Hungertod nahe, wo sie am Ende noch ihre Mutter verlor. Der Leser weiß vor lauter Grauen zum Schluss gar nicht, was schlimmer ist: die unsägliche Tortur, die die Menschen in den Lagern durchleben mussten oder Ditas Verlust ihrer Familie, nachdem sie der Hölle endlich halbtot entkommen ist.
Seine Charaktere hat der Autor mit viel Sensibilität und Feingefühl detailliert in Szene gesetzt, so dass sie mit ihren menschlichen Eigenschaften den Leser nicht nur sofort überzeugen, sondern ihm sofort ans Herz wachsen. Dita ist bereits als junges Mädchen neugierig und aufgeweckt, aber auch mit Mut und Stärke ausgestattet, die ihr dabei helfen, die miterlebten Grausamkeiten irgendwie zu überleben. Fredy Hirsch ist ebenfalls eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Sein Engagement für den Kinderblock und vor allem für die Bildung und Ablenkung der Kinder ist gar nicht hoch genug zu bewerten innerhalb der Hölle eines KZs. Aber auch Schilderungen über Ditas Familie, Mithäftlinge und vor allem Dr. Mengele machen dieses Buch zu einem miterlebbaren Zeitzeugnis, die durch die persönlichen Erklärungen des Autors am Ende untermalt werden.
„Die Bibliothekarin von Auschwitz“ schockiert, berührt, bewegt, macht atemlos und schmerzt bei jedem gelesenen Wort bis tief in die Seele, denn Ditas Geschichte steht für so viele Menschen, die das Grauen durchleben mussten. Aber es macht auch deutlich, dass sich diese grauenhaften Ereignisse niemals wiederholen dürfen. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 03.10.2020

Intensive Zeitreise anhand der Biografie Fey von Hassell

Bis wir uns wiedersehen
0

1944 Innsbruck. Die Autorin und Diplomatentochter Fey von Hassell erlebt einen Alptraum, denn ihre beiden Söhne, Corrado vier und Roberto zwei Jahre alt, werden von der SS entführt. Sie selbst kommt u. ...

1944 Innsbruck. Die Autorin und Diplomatentochter Fey von Hassell erlebt einen Alptraum, denn ihre beiden Söhne, Corrado vier und Roberto zwei Jahre alt, werden von der SS entführt. Sie selbst kommt u. a. mit Angehörigen der Familie Stauffenberg in Sippenhaft als Strafe für das Attentat vom 20. Juli 1944, an dem ihr Vater Ulrich von Hassell beteiligt war. Während ihr Vater Ulrich am 8. September für den Staatsstreich gegen Hitler hingerichtet wurde, kommt Fey in das Konzentrationslager Stutthof und wird von dort aus über Buchenwald nach Dachau verbracht, bevor sie am 30. April 1945 in Südtirol aus den Händen der SS befreit wurde.
Catherine Bailey hat mit „Bis wir uns wiedersehen“ einen autobiografischen Roman vorgelegt, in dem sie Fey von Hassel, die Tochter des Diplomaten und Widerstandskämpfers Ulrich von Hassell, wieder zum Leben erweckt, um dem Leser deren Geschichte näher zu bringen. Der flüssig-fesselnde, bildhafte und pragmatische Schreibstil der Autorin hat den Leser schon mit einem spannenden Prolog am Haken, dem dann eine unglaubliche, leider aber wahre Lebensgeschichte folgt vor dem Hintergrund des im Untergang begriffenen Dritten Reichs. Der Leser lernt Fey von Hassel als unbeschwerte Frau kennen, die mit dem italienischen Adligen Detalmo Pirzio-Biroli, der sich dem italienischen Widerstand verschrieben hat, verheiratet ist und mit ihrer Familie vor den Toren Venedigs lebt, bis sich als Folge der Beteiligung ihres Vaters an dem misslungenen Attentat auf Hitler ihr Leben schlagartig verändert und sie die ganze Härte des Nazi-Regimes zu spüren bekommt. Bailey zeigt neben der persönlichen Geschichte van Hassells auch die Geschichte des deutschen und italienischen Widerstands auf sowie die schwindende Macht der Nazis, die sich einmal mehr in menschenverachtendem Verhalten zeigt, da sie neben Fey van Hassell auch viele andere als Geiseln für den Fall einer Niederlage genommen haben und van Hassells Kinder von der Mutter trennten, um sie später mit neuem Namen zur Adoption freizugeben. Die enge Zusammenarbeit mit Fey von Hassells Familie sowie Fotos, Schriftverkehr und Tagebücher hat die Autorin in ein fesselndes Zeitdokument gepackt, das die damaligen Umstände sehr ausführlich darstellt und den Leser gefühlsmäßig alles hautnah miterleben lässt. Beigefügte Fotos, Quellennachweise, Landkarten sowie ein Personenverzeichnis und eine Aufstellung, wie es den einzelnen Personen nach dem Krieg ergangen ist, sind ebenfalls im Buch enthalten und untermalen einmal mehr die Realität dieser Geschichte.
„Bis wir uns wiedersehen“ ist ein aufwühlendes und emotionales Buch, wenngleich sehr sachlich und pragmatisch gehalten. Doch die geschichtlichen Hintergründe, die politischen Verflechtungen, die menschlichen Abgründe sowie der Mut sind so eindringlich geschildert und zeigen auf, dass es zwischen all dem braunen Sumpf immer noch Menschen gab, die sich dagegen stemmten und ihr Leben dafür aufs Spiel setzten. Neben der interessanten Biografie vor allem ein wunderbar gelungenes Zeitzeugnis. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 03.10.2020

"Das ganze Leben ist ein ewiges Wiederanfangen." (Hugo von Hofmannsthal)

Und die Welt war jung
0

1950-1959, Hamburg, Köln, San Remo. Die ersten Nachkriegsjahre sind an niemandem spurlos vorübergegangen und auch, wenn es noch an allen Ecken und Enden an vielem fehlt, beginnen doch alle auf eine bessere ...

1950-1959, Hamburg, Köln, San Remo. Die ersten Nachkriegsjahre sind an niemandem spurlos vorübergegangen und auch, wenn es noch an allen Ecken und Enden an vielem fehlt, beginnen doch alle auf eine bessere Zukunft zu hoffen. In Köln versuchen Heinrich und Gerda Aldenhoven, mit wenigen Mitteln all ihre Lieben satt zu kriegen, denn die Kunstgalerie von Heinrich findet wenig Zulauf, die Menschen benötigen ihr Geld für dringlichere Dinge. Bei ihren Hamburger Freunden Kurt Borgfeldt, Elisabeth und Nina in Hamburg läuft es finanziell zwar besser aufgrund von Kurts Tätigkeit bei der Sparkasse, doch die Sorgen um Ninas Ehemann Joachim sind groß, der immer noch nicht aus dem Krieg heimgekehrt ist. Derweil lebt Heinrich Aldenhovens Schwester Margarethe Canna in San Remo, wo sie gemeinsam mit Ehemann Bruno und Familie den Intrigen und Boshaftigkeiten von Schwiegermutter Agnese ausgesetzt sind. Wie werden sie alle das neu eingeläutete Jahrzehnt erleben?
Carmen Korn hat mit „Und die Welt war jung“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, in dem sie das Schicksal eng verbundener Familien ein Jahrzehnt lang an drei verschiedenen Orten beleuchtet und aufzeigt, wie die Nachkriegszeit diese vor große Herausforderungen stellt und wie die Protagonisten mit ihnen umgehen. Schon die Wahl des Buchtitels ist exzellent gewählt, denn die Jahre nach dem Krieg bedeuten nicht nur Wiederaufbau unter schwierigsten Bedingungen, sondern alle müssen ihr Leben neu ausrichten, Verluste verarbeiten, ihre Ängste überwinden und Weichen für die Zukunft stellen. Mit flüssig-leichtem, bildhaftem und empathischem Erzählstil lässt die Autorin den Leser abwechselnd von Köln nach Hamburg und San Remo reisen, um die Entwicklungen innerhalb der jeweils dort ansässigen Familien genau mitzuverfolgen, wobei sie die unterschiedlichen Sichtweisen sehr gut herauszustellen weiß. Nicht nur die zwischenmenschlichen Verbindungen unter den einzelnen Familien stellt Korn wunderbar heraus, aber auch den historischen Hintergrund hat sie sehr gut mit ihrer Handlung verwoben. Der Leser erlebt nicht nur den Wiederaufbau von Köln und Hamburg mit, sondern nimmt auch Anteil an der Entwicklung der einzelnen Protagonisten, die vereinzelt noch sehr lange an den hinter ihnen liegenden Kriegsjahren zu knabbern haben.
Die Charaktere sind sehr liebevoll und detailgenau in Szene gesetzt, wirken wie aus dem Leben gegriffen und untermalen mit individuellen menschlichen Eigenschaften ihre Glaubwürdigkeit. Der Leser findet sich schnell in ihrer Mitte wieder, um Anteil an ihren persönlichen Schicksalen zu nehmen und mit ihnen zu fiebern. Heinrich und Gerda bestechen mit ihrer freundlichen, offenen Art, obwohl ihnen Sohn Ulrich und Tochter Ursula so manches Mal das Leben schwer machen, während die Cousinen Billa und Lucy sich trotz der angespannten finanziellen Situation ziemlich extravagant geben. Margarete, Bruno und Gianni geht es finanziell zwar gut, doch stehen sie unter der Knute von Schwiegermutter Agnese, die alle drangsaliert und mit ihren Intrigen aufzubringen versteht, während ihr Liebling Bixio die Frauenwelt aufmischt und mit allem durchkommt. Elisabeth leidet unter Depressionen, seit ihr Schwiegersohn als vermisst gilt. Während Nina der Rückkehr ihres Mannes kaum noch Chancen einräumt und sich der Zukunft zuwendet, hält Elisabeth eisern an der Hoffnung fest. Aber auch Protagonisten wie Vinton oder der kleine Jan tragen mit ihren Auftritten zum Unterhaltungswert der Geschichte bei.
„Und die Welt war jung“ ist ein sehr unterhaltsamer Roman über drei miteinander verbundene Familien, deren Schicksal eng mit der dem historischen Hintergrund verbunden ist und aufzeigt, mit welch unterschiedlichen Problemen und Herausforderungen die Menschen damals zu kämpfen hatten. Wunderbar erzählt und mit einer absolut verdienten Leseempfehlung ausgestattet!

Veröffentlicht am 02.10.2020

"Die wahre Lebensfreude besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen." (P. S. Buck)

Das Zimmer aus Samt
0

1938 Paris. Die 19-jährige Solange hat schon immer davon geträumt, Romane zu schreiben. Als sie endlich ihre Großmutter Marthe de Florian kennenlernt, die sie bis dato noch nie getroffen hat, bietet sich ...

1938 Paris. Die 19-jährige Solange hat schon immer davon geträumt, Romane zu schreiben. Als sie endlich ihre Großmutter Marthe de Florian kennenlernt, die sie bis dato noch nie getroffen hat, bietet sich ihr dafür der geeignete Stoff. Denn Marthe lebt nicht nur in einem sehr luxuriösen Apartment, das mit exquisiten Antiquitäten und ausgewählten kostbaren Gemälden ausgestattet ist, sondern hat auch ein bewegtes Leben geführt, das Solange so fasziniert, dass sie es zu Papier bringen will. So lauscht sie den Geschichten aus der Vergangenheit ihrer Großmutter, während die Nationalsozialisten Paris einnehmen und damit das Leben von Solange und ihrem jüdischen Verlobten bedrohen…
Alyson Richman hat mit „Die samtenen Stunden“ einen wunderbaren unterhaltsamen Roman vorgelegt, der eine Zeitspanne von 52 Jahren umfasst und zwei Geschichten sehr schön miteinander verbindet. Mit ihrem flüssigen, farbenfrohen und gefühlvollen Schreibstil nimmt die Autorin den Leser mit in eine dunkle und ereignisreiche Zeit des vergangenen Jahrhunderts, um dabei zu sein, wenn Solange ihrer Großmutter zum ersten Mal gegenübersteht. Der Leser erfährt nicht nur über Solange Gegenwart im Jahr 1938, sondern darf sich durch die Erzählungen deren Großmutter Marthe in deren Vergangenheit umsehen. Die Autorin hat ihren Roman um das 1908 von Giovanni Boldini gefertigte Gemälde „Marthe de Florian“ gestrickt, das in einem 70 Jahre unbewohnten Pariser Apartment gefunden wurde, welches einst von Marthe de Florian bewohnt wurde und als schillernde Persönlichkeit galt. Teile der Biografie von Marthe hat Richman für ihre Handlung verwendet, was ihr zusätzlich Authentizität verleiht. Sowohl Solanges Geschichte, die in diesem Fall die Gegenwart repräsentiert und das Kriegsgeschehen sowie den Einmarsch der Nazis in Paris thematisiert, als auch Marthes Rückblicke in die Vergangenheit sind derart bildhaft in Szene gesetzt, so dass der Leser das Gefühl hat, zwischen den Zeiten hin und her zu springen und immer hautnah dabei zu sein. Ebenso farbenfroh sind die Beschreibungen des Apartments mitsamt all seiner in sich beherbergten Schätze, seien es nun die Vasen oder Gemälde oder die Ausstattung selbst. Richman hat die besondere Gabe, den Leser nicht nur einen Blick durchs Schlüsselloch der jeweiligen Lebensumstände zu gewähren, sondern im den Eindruck zu vermitteln, selbst einen Rundgang durch das Apartment zu machen und sich alles aufs Genaueste anzusehen. Dabei webt sie Überraschungsmomente in ihre Handlung mit ein, so dass der Leser regelrecht an den Seiten klebt, um bloß nichts zu verpassen.
Die Charaktere sind glaubwürdig mit menschlichen Ecken und Kanten lebendig inszeniert und versprühen neben Charme auch Wärme, so dass der Leser sich schnell als unsichtbarer Dritter in ihrer Mitte wiederfindet und ihre Geschichte aufgeregt verfolgt. Marthe ist eine Frau, die das Leben in vollen Zügen auskostete. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend schafft sie es, sich einen wohlhabenden Gönner zu angeln, der sie schon bald als sein Eigentum betrachtete. Doch dessen Reichtum nutzte sie zum Anhäufen von Exquisitäten. Marthe sprüht nahezu über in Erinnerung an die alten Zeiten und weiß das Leben zu schätzen. Solange ist eine sympathische junge Frau mit großen Träumen, doch ihre Gegenwart sowie ihre Liebe verschlechtern sich durch die politische Situation und jagen ihr Angst ein.
„Die samtenen Stunden“ ist ein hinreißender und warmherziger Roman über zwei Frauen, die eng miteinander verbunden und doch so verschieden in ihrem Naturell sowie in ihrer Lebenssituation sind. Eine faszinierende und fesselnde Handlung, die sich zu einem wahren Pageturner entwickelt! Absolute Leseempfehlung!