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Veröffentlicht am 07.11.2020

Der Teufelspakt

Das Unrecht der Väter
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1936. Die Brüder Wilhelm und Heinrich Lehmann sowie Paul Friedrich von Falkenbach haben nicht nur gemeinsam an der Front den Ersten Weltkrieg überstanden, sie sind seit Ewigkeiten erfolgreiche Geschäftspartner ...

1936. Die Brüder Wilhelm und Heinrich Lehmann sowie Paul Friedrich von Falkenbach haben nicht nur gemeinsam an der Front den Ersten Weltkrieg überstanden, sie sind seit Ewigkeiten erfolgreiche Geschäftspartner und auch sehr enge Freunde. Inzwischen stehen schon ihre Kinder in den Startlöchern, um die Nachfolge in den Familienunternehmen anzutreten, nur Gustav von Falkenberg geht mit seinem Medizinstudium einen eigenen Weg. Die Nazis haben ihre Macht immer weiter ausgebaut, so dass der braune Nebel inzwischen durchs ganze Land wabert und auch vor der bayrischen Idylle nicht Halt macht. Eines Tages steht die Tochter eines ehemaligen Kriegskameraden auf der Schwelle von Gut Falkenbach und bringt die drei alten Weggefährten mit ihren unangenehmen Fragen zum Tod ihres Vaters in die Bredouille, denn Wilhelm, Heinrich und Paul Friedrich haben ein gemeinsames dunkles Geheimnis, dass sie niemals preisgeben werden, koste es, was es wolle…
Ellin Carsta hat mit „Das Unrecht der Väter“ den fulminanten Auftakt ihrer neuen historischen Falkenbach-Saga vorgelegt, der mit flüssigem, bildgewaltigem und gefühlvollem Erzählstil den Leser von der ersten Seite an zu fesseln weiß. Schon beim Einstieg in die Handlung sieht sich der Leser einer großen, doch noch überschaubaren Ansammlung von Protagonisten gegenüber, die erst einmal kennengelernt und deren Bezug, Gedanken- und Seelenwelt erst einmal erkundigt werden will. Durch die Einbeziehung des damaligen politischen und gesellschaftlichen Hintergrunds gelingt es der Autorin, den Spannungsbogen langsam, aber stetig aufzubauen. Während sich der Himmel in Deutschland durch die Naziherrschaft immer mehr verdunkelt, wird auch das Verhältnis der drei Freunde auf eine harte Probe gestellt, und man fragt sich als Leser immer wieder, wann wohl der erste aus der Reihe tanzen wird, weil er dem Druck nicht mehr Stand hält. Ebenso interessant sind die zwischenmenschlichen Beziehungen sowie die Erwartungen unter den einzelnen Protagonisten, denn die Autorin hat so einige Geheimnisse unter ihnen versteckt, die es nach und nach zu lüften gilt. Besonders gelungen sind auch die farbenfrohen Beschreibungen der diversen Handlungsorte, die sofort das Kopfkino beim Leser anwerfen und ihn noch mehr an der Geschichte kleben lassen.
Die Charaktere sind detailliert ausgestaltet und sprühen vor Leben. Ihre individuell angelegten menschlichen Eigenschaften wirken glaubwürdig und authentisch, so dass der Leser sich interessiert auf dem Gut einnistet, um ihren jeweiligen Schicksalen zu folgen, mit ihnen zu hoffen, zu fürchten und zu bangen. Paul-Friedrich von Falkenbach sowie Wilhelm und Heinrich Lehmann sind Patriarchen und erfolgreiche Unternehmer. Durch ihren Firmenverbund bilden sie eine starke Front nach außen. Sie haben hohe Erwartungen an ihre Kinder, die erfüllt werden wollen, was dem einen oder anderen schwer fällt oder mit Auflehnung bestraft wird. Gustav von Falkenberg schwimmt gegen den Strom und hat mit dem Familienbetrieb wenig am Hut, sein Interesse gilt der Medizin. Ob er sich auf Dauer durchsetzen kann, muss sich noch zeigen. Wilhelmine von Falkenberg ist noch jung, hat aber schon ihren eigenen Kopf. Sie testet die Grenzen aus, ist vielseitig interessiert und lässt sich in keine Schublade pressen. Es wird spannend sein, ob sie sich auf Dauer behaupten kann. Ebenso darf man auf die weiteren Entwicklungen der anderen Protagonisten gespannt sein.
Mit „Das Unrecht der Väter“ ist Ellin Carsta wieder in absoluter Pageturner gelungen, der schnell süchtig macht, denn der Mix aus Familiengeschichten, historischem Hintergrund, vielen Geheimnissen und Verwicklungen verspricht jede Menge spannender Lesestunden angefüllt mit Liebe, Drama und Intrigen. Absolute Leseempfehlung – ein toller Start!

Veröffentlicht am 07.11.2020

Das Geheimnis des zypriotischen Armreifs

Weil du mich riefst
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Seit ihre Mutter durch einen Unfall im Koma liegt, betreibt die 29-jährige Athina, genannt Tina, gemeinsam mit ihrem Vater das familieneigene Restaurant im Herzen von London. Eines Tages wird sie von einem ...

Seit ihre Mutter durch einen Unfall im Koma liegt, betreibt die 29-jährige Athina, genannt Tina, gemeinsam mit ihrem Vater das familieneigene Restaurant im Herzen von London. Eines Tages wird sie von einem griechischen Gast auf ihren Armreif angesprochen, den sie von ihrer Mutter als Geschenk erhalten hat. Der Gast ist sich sicher, dass das Schmuckstück aus seiner Heimat Zypern stammt. Als Tina ihren Vater darauf anspricht, reagiert er abweisend und tut das Ganze als Unsinn ab. Tina geht das Ganze nicht aus dem Kopf, deshalb nimmt sie kurzfristig Urlaub und fliegt mit ihrer Freundin Colleen nach Zypern, um vor Ort Nachforschungen zu ihrem Armreif betreiben. Die Insel zieht Tina sofort in ihren Bann, auch die Begegnung mit dem charmanten Alec macht ihren Aufenthalt besonders, allerdings tut dieser öfter geheimnisvoll. Die Inselbewohner sind ihr bei der Spurensuche nicht sehr hilfreich, und auch ein Mann mit vernarbtem Gesicht flößt ihr Unbehagen ein. Wird Tina das Geheimnis um ihren Armreif und damit die Geschichte ihrer Mutter lüften können?
Emma Wagner hat mit „Weil du mich riefst“ einen unterhaltsamen Liebesroman vor der malerischen Kulisse der Mittelmeerinsel Zypern vorgelegt, der beim Leser nicht nur Fernweh weckt, sondern auch eine interessante Geschichte über zwei Zeitebenen zu erzählen hat. Der locker-leichte, farbenprächtige und gefühlvolle Schreibstil lässt den Leser schnell zwischen den Seiten abtauchen, wo er sich an Tinas Fersen heftet, um mit ihr nicht nur einem Geheimnis auf die Spur zu kommen, sondern auch die vielfältigen Seiten der in türkisches und griechisches Gebiet eingeteilte Insel kennenzulernen. Die farbenfrohen Beschreibungen lassen bei der Lektüre wunderschöne Bilder vor dem inneren Auge entstehen und vermitteln ein Gefühl von Urlaub, Sonne und Meer, während man den Duft von wilden Kräutern, Salz, Mandeln, Pfirsichen sowie Zypressen und Kiefern vermeintlich in der Nase hat. Mit geschickter Hand laviert die Autorin den Leser über zwei Zeitebenen durch ihre Geschichte, lässt einerseits mit dem Jahr 1974 sowohl die politische Vergangenheit der Insel als auch die persönliche von Samira wieder aufleben, und konfrontiert andererseits mit der Gegenwart um Athina und deren Erlebnissen bei ihren Nachforschungen. Gute Recherchearbeit gibt dem Leser einen Einblick in den Konflikt zwischen Griechen und Türken, der auch heute noch schwelt und dem Vergangenheitspart einiges an Emotionen und Dramatik verleiht. Die wechselnden Perspektiven puschen die Spannung immer weiter in die Höhe, bis das alte Geheimnis gelüftet ist.
Liebevoll in Szene gesetzte Charaktere wirken mit ihren menschlichen Eigenschaften lebendig, authentisch und vor allem glaubwürdig, so dass der Leser sich in ihrer Mitte wohlfühlt und Anteil an ihrem Schicksal nimmt. Athina ist eine liebenswerte und offene Frau, die nicht nur Hartnäckigkeit, sondern auch Mut und Stärke beweist. Freundin Colleen ist das genaue Gegenteil und bremst Athina, wenn es nötig ist. Alec ist ein charmanter Kerl, der sich in vielen Lagen als hilfreich erweist, jedoch bleibt er lange auch geheimnisvoll und umtriebig. Samira ist eine tatkräftige Frau mit viel Kampfgeist, die sich den Widrigkeiten mutig entgegenstellt. Zusätzliche Nebendarsteller bereichern die Geschichte mit ihren Auftritten.
„Weil du mich riefst“ ist eine anrührende Liebesgeschichte mit intensivem Inselfeeling, die das Fernweh hervorbringt, während man einer spannenden Geschichte nachspürt. Verdiente Leseempfehlung für eine Urlaubsreise der besonderen Art!

Veröffentlicht am 06.11.2020

Gib und es wird Dir gegeben!

Hannahs Gefühl für Glück
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Völlig unangemessen gekleidet für diese Wetterverhältnisse watet die 12-jährige Hannah bei extremer Kälte durch Eis und Schnee, als der Ex-Mountie Eric Nyland sie auf einer Fahrt aufgabelt und zurück nach ...

Völlig unangemessen gekleidet für diese Wetterverhältnisse watet die 12-jährige Hannah bei extremer Kälte durch Eis und Schnee, als der Ex-Mountie Eric Nyland sie auf einer Fahrt aufgabelt und zurück nach Hause bringt. Dabei fühlt er sich allerdings ziemlich unwohl, denn der er kennt Nigel Wilson, den ehemaligen Lebensgefährten von Hannahs verstorbener Mutter schon lange und kann diesen nicht ausstehen. Schon bald wird Hannah aufgrund von Nigels Gewaltausbrüchen vom Jugendamt aus dessen Haushalt herausgeholt, jedoch ist es kurz vor Weihnachten und eine Pflegefamilie muss erst noch gefunden werden. Hannah möchte gern solange bei Eric wohnen, der sie deshalb in seine Familie einlädt, obwohl Ehefrau Ellie nicht gerade erfreut darüber ist, haben sie doch schließlich mit genügend eigenen Problemen zu kämpfen, die ein fremdes Kind nur noch verschärft. Aber dann kommt alles ganz anders, denn Hannah ist wie ein Lichtstrahl in dunkler Zeit, der die Familie Nyland wieder enger zusammenrücken lässt…
Fran Kimmel hat mit „Hannahs Gefühl für Glück“ einen anrührenden Roman vorgelegt, der zwar in der Weihnachtszeit manifestiert ist, dessen Geschichte allerdings so ganz anders ist, als man anhand des Covers und des Klappentextes vermuten würde und somit eine angenehme Überraschung darstellt. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil der Autorin lässt den Leser rasch in die Handlung eintauchen, um voller Spannung auf die Ereignisse warten, die sich ihm hier offenbaren werden. War schon die Auffindung von Hannah und deren Lebensumstände eine herzzerreißende Angelegenheit, erwartet den Leser innerhalb der Nyland-Familie eine Achterbahn der Gefühle, denn hier gibt es so einige Baustellen, die das Miteinander zu einer dramatischen Zerreißprobe machen. Hat der Leser Ellies Ablehnung gegenüber Hannahs Einzug zuerst als hartherzig abgeurteilt, wird er schnell eines Besseren belehrt, denn Ellie hat so einiges am Hals, kümmert sich nicht nur um die beiden schwierigen Söhne und einen dementen Schwiegervater, sondern im Verlauf der Handlung kommt noch etwas aus den Tiefen hervor, das auf ihr Gemüt drückt. Sehr schön zu beobachten sind die Veränderungen innerhalb der Familie bedingt durch Hannahs Anwesenheit, die nach und nach zum Vorschein kommen. Mit behutsamer Hand laviert die Autorin den Leser durch die Nylandische Familiengeschichte, die mit Hannahs Hilfe einige neue Kapitel schreiben wird.
Die Charaktere sind liebevoll und detailliert in Szene gesetzt, ihre lebendigen menschlichen Eigenschaften wirken glaubhaft und authentisch auf den Leser, der gleichzeitig interessiert und berührt an ihrer Wandlung teilnimmt. Waisenkind Hannah wirkt mit ihren 12 Jahren einerseits jung, andererseits aufgrund ihres Schicksals auch unendlich alt. Doch trotz all des Leids ist gerade sie die Wärmedecke, die die Familie Nyland braucht, denn Hannah ist sensibel, empathisch und vor allem wahnsinnig liebenswert. Ellie fühlt sich durch die Verantwortung für alle Familienmitglieder restlos überfordert, sie hat sich selbst unterwegs verloren und funktioniert eigentlich nur noch. Eric ist ein freundlicher Mann, der sich allerdings mehr mit sich selbst beschäftigt, als seine Frau zu entlasten. So fällt auch die Beaufsichtigung seines dementen Vaters Walter in Ellies Zuständigkeitsbereich. Zusätzlich spielen Nigel Wilson, Betty Holt, Sammy und Daniel gewichtige Rollen in dieser intensiven Geschichte.
„Hannahs Gefühl für Glück“ ist ein schönes modernes Märchen, das zum Nachdenken anregt. Eine der Botschaften ist wohl „Gib und es wird Dir gegeben“, denn die Veränderungen innerhalb der Familie durch Hannahs Anwesenheit gehen ans Herz und machen einmal mehr deutlich, dass man seine Aufmerksamkeit mehr nach außen als nach innen richten sollte. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 06.11.2020

Tom Babylons persönlicher Alptraum

Die Hornisse (Tom-Babylon-Serie 3)
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Gerade noch hat der berühmte Rockstar Brad Galloway vor begeisterten Fans sein Konzert in der Berliner Waldbühne beendet. Nun liegt er wenige Stunden danach verstümmelt und ermordet im Gästehaus der Polizei. ...

Gerade noch hat der berühmte Rockstar Brad Galloway vor begeisterten Fans sein Konzert in der Berliner Waldbühne beendet. Nun liegt er wenige Stunden danach verstümmelt und ermordet im Gästehaus der Polizei. Das LKA schickt ihren Ermittler Tom Babylon, der sich zusammen mit Kriminalpsychologin Sita Johanns daran macht, Spuren zu sammeln und vor allem die Frau zu finden, die Galloway auf der Bühne einen Umschlag überreicht hat. Bald schon gibt es eine Verhaftung, die Tom durch ein Wechselbad der Gefühle jagt und ihn selbst zu einem der Verdächtigen macht. So muss er gezwungenermaßen untertauchen, um die Ermittlungen verdeckt weiterzuführen…
Marc Raabe hat mit „Die Hornisse“ den dritten Thriller um sein Ermittlerteam Babylon/Johanns vorgelegt, der sich wieder einmal als absolut nervenaufreibender Pageturner entpuppt. Der flüssige, bildhafte und fesselnde Erzählstil lässt den Leser regelrecht an den Seiten kleben, während er den beiden Ermittlern bei der Spurensuche über die Schulter sieht. Über zwei Zeitebenen sowie unterschiedliche Perspektiven schraubt der Autor die Spannung immer weiter in die Höhe, wobei er zur besseren Identifizierung den Vergangenheitspart in kursiver Schrift hinterlegt hat. So findet sich der Leser durch schnelle dynamische Szenenwechsel mal in der DDR im Jahr 1989 wieder, mal in der Gegenwart bei der Mördersuche. Neben überraschenden Wendungen hat der Autor auch das Privatleben seines Ermittlers Babylon sehr eng mit der Tat verknüpft, so dass der Leser gezwungen ist, konzentriert bei der Sache zu bleiben, um alle eventuellen Möglichkeiten bei der Mördersuche in Betracht zu ziehen und auszuschöpfen, wobei er sich immer wieder fragen muss, wer vertrauenswürdig ist und wer nicht. Die düstere Stimmung zieht sich wie ein Faden durch die gesamte Handlung und sorgt beim Leser für dauerhaft nervenaufreibendes Gänsehautfeeling gepaart mit einem Knoten im Magen. Zum Ende beschert der Autor einen großen Knall, der den Leser mit einigen offenen Fragen zurücklässt und eventuell erst im nächsten Band eine Aufklärung erfahren wird. Das ist kein so guter Stil und hat leider Sternabzug bei der Bewertung zur Folge.
Die Charaktere haben erneut eine Entwicklung erfahren, wirken mit ihren menschlichen Attitüden lebendig und glaubwürdig, so dass der Leser ihnen auf Schritt und Tritt folgt. Tom Babylon ist diesmal sowohl psychisch als auch seelisch stark in diesen Fall involviert. Der Verlust seiner Schwester Viola treibt ihn noch immer um, doch diesmal ist es hauptsächlich die Vergangenheit seiner Mutter, die in ihm eine Achterbahn der Gefühle verursacht. Tom zeichnet sich durch eine besondere Kombinationsgabe und akribische Ermittlungsarbeit aus, seine manchmal zweifelhaften Methoden bringen ihn oftmals selbst in Gefahr. Sita ergänzt Tom hervorragend bei der Arbeit, die beiden sind ein eingespieltes Team, das sich blind vertrauen kann. Dazu gehört ab und an auch Toms alter Freund Bene, der sich einmal mehr als Stütze erweist.
Mit „Die Hornisse“ schickt Raabe nicht nur sein Ermittlerduo, sondern auch den Leser auf eine rasante und durchweg fesselnde Mördersuche. Von der ersten bis zur letzten Seite ist dieses Buch wieder ein Pageturner, der leider einen Stern verliert aufgrund des Cliffhangers am Ende. Ansonsten absolute Leseempfehlung für Gänsehautfeeling pur!

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.11.2020

Gefährliche Kettenreaktion

Die Farbe von Glück
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Nach einigen Fehlgeburten haben Richter Jules und seine Frau endlich den langersehnten Nachwuchs bekommen, doch das kleine Mädchen ist schwerkrank. In seiner Verzweiflung übertritt der Richter eine ethische ...

Nach einigen Fehlgeburten haben Richter Jules und seine Frau endlich den langersehnten Nachwuchs bekommen, doch das kleine Mädchen ist schwerkrank. In seiner Verzweiflung übertritt der Richter eine ethische Grenze und erpresst die für die Neugeborenen zuständige Krankenschwester Charlotte, das kranke Baby gegen ein gesundes auszutauschen. Charlotte hat dem verwaisten Jungen Antoine als Pflegemutter ein Zuhause gegeben und liebt diesen abgöttisch. Die Drohung des Richters, ihr den Jungen wegzunehmen, zwingt sie dazu, seinem Drängen nachzugeben, um nur ja nicht ihren eigenen Pflegesohn zu verlieren. Während Jules‘ Frau überglücklich über das Baby ist, ringen sowohl der Richter als auch Charlotte mit ihrer Tat und suchen eine Lösung aus dem Dilemma, um Frieden zu finden…
Clara Maria Bagus hat mit „Die Farbe von Glück“ die Frage in den Raum gestellt, welche Auswirkungen einmal gefällte weitreichende Entscheidungen auf das eigene Leben haben und wie man mit diesen zurechtkommt, wenn einem ständig das Gewissen dazwischenkommt. Der sprachlich anspruchsvolle und mit vielen Lebensweisheiten gespickte Erzählstil nimmt den Leser direkt mit ins Geschehen, wo er nacheinander alle wichtigen Protagonisten kennenlernt. Erst im Verlauf der Handlung wird er die tiefgreifende Kettenreaktion erkennen, die das Leben aller von Grund auf verändert und sie gleichzeitig auf ewig alle miteinander verbindet, ob sie wollen oder nicht. Schon die Tatsache, seine Macht zu missbrauchen, um die Erfüllung seines eigenen Glücks mit Hilfe fragwürdiger und unethischer Anforderungen an andere zu erlangen ohne Rücksicht darauf, was jene dabei empfinden bzw. diese in ein seelisches Dilemma zu stürzen, ist mehr als fragwürdig. Hier wird die erste Schuld, nämlich die Erpressung, zum Auslöser einer Folge von Ereignissen, die sämtliche Beteiligten ins Unglück stürzen, denn der Gedanke an ihre jeweilige Tat plagt auf Dauer ihr Gewissen, lässt sich weder ignorieren noch verdrängen. So wird die Tat lebensbestimmend und wirft seine Schatten auf das, was danach kommt, während Gefühle wie Freude, Glück und Zufriedenheit nicht mehr stattfinden. Was man zu sehr begehrt und unter fragwürdigen Handlungen erhalten hat, kann einem kein Glück bringen, auch wenn man es sich noch zu sehr einzureden versucht. Ganz im Gegenteil wird das so Erreichte zu einem selbstauferlegten Fluch, den man sein Lebtag nicht mehr loswird und fortan das ganze restliche Leben bestimmt. Das Einbringen von Magie und Übersinnlichem war völlig unnötig und hat der Geschichte eher geschadet. Auch die Vorgänge zum Ende des Buches waren völlig überzogen und wenig glaubwürdig.
Die Charaktere wurden unglücklicherweise nicht sehr gut herausgearbeitet, bleiben farblos, emotionslos und fremd, so dass der Leser die gesamte Geschichte eher mit Abstand betrachtet und aufgrund der fehlenden Nähe wenig eigenes Gefühl investieren kann. Weder Jules, Louise, Florentine noch Marlene wachsen einem ans Herz. Am meisten kann der Leser noch mit Charlotte und Antoine mitfühlen, wobei auch sie eher oberflächlich gezeichnet sind.
„Die Farbe von Glück“ verspricht viel und hält leider wenig. Die Geschichte ist zwar interessant, jedoch fehlt es ihr an den dafür nötigen Emotionen. Die eingestreuten Lebensweisheiten haben durchaus ihre Berechtigung, aber in dieser Anhäufung wirken sie mehr gewollt als gekonnt. Zudem bewirken die blassen und unnahbaren Protagonisten kein Wohlgefühl bei der Lektüre. Keine Empfehlung, schade!