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Veröffentlicht am 21.05.2020

„Widme dich der Liebe und dem Kochen mit ganzem Herzen.“ (Dalai Lama)

Die Köchin von Castamar
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1720 Spanien. Da ihre Familie veramt ist, arbeitet die aus gutem Hause stammende Clara als Küchenhilfe im Haus des Herzogs von Castamar, wo sich aufgrund ihres Talents schon bald zur ersten Köchin aufsteigt. ...

1720 Spanien. Da ihre Familie veramt ist, arbeitet die aus gutem Hause stammende Clara als Küchenhilfe im Haus des Herzogs von Castamar, wo sich aufgrund ihres Talents schon bald zur ersten Köchin aufsteigt. Den Gaumen des verwitweten Herzogs Don Diego verwöhnt sie mit ihren kulinarisch raffinierten Speisen und weckt in ihm die Neugier, Clara näher kennenzulernen. Aber da Clara und Don Diego aus verschiedenen Gesellschaftsschichten stammen, ist ein Kontakt untereinander unmöglich. Doch wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, so wandern schon bald kleine Nachrichten und Notizen versteckt in Kochbüchern hin und her, um miteinander zu kommunizieren, ohne Aufsehen zu erregen. Allerdings bleibt ihr Geheimnis nicht lange unbemerkt und ist einigen ein Dorn im Auge, da sie um ihren eigenen Einfluss fürchten…
Fernando J. Múnez hat mit „Die Köchin von Castamar“ einen wunderbaren historischen Roman vorgelegt, der zudem den Auftakt für seine Castamar-Dilogie bildet. Der flüssig-leichte, bildhafte und gefühlvolle Schreibstil lässt den Leser sofort in die Geschichte eintauchen, um sich als unsichtbarer Beobachter an Claras Fersen zu heften. Schon die Arbeit im Claras Küchenbereich als auch die Beschreibungen der einzelnen Speisen sowie die detaillierten Rezepte kitzeln die Sinne des Lesers und lassen ihn während der Lektüre wünschen, diese kosten zu dürfen. Gleichzeitig gibt der Autor dem Leser einen guten Einblick in das gesellschaftliche Leben und zeigt die Standesunterschiede auf, die es Clara und Don Diego unmöglich machen, miteinander zu verkehren. Die Handlung lebt zudem von den eingefädelten Intrigen, Lügen und der Boshaftigkeit einiger, die neidisch und eifersüchtig sind auf den Einfluss, den Clara gegenüber Don Diego zu gewinnen scheint und sie zu allerlei Dingen anstiftet, um dies zu unterbinden. Auch die Einbindung eines zweiten Handlungsstrangs ist interessant gestaltet, der zu allerlei Spekulationen über den Tod der Ehefrau von Don Diego führt. Der Spannungsbogen ist dauerhaft hoch angelegt und lässt den Leser regelrecht an den Seiten kleben bis zum offenen Schluss, so dass man den Nachfolgeband kaum erwarten kann.
Die Charaktere wurden sehr detailliert ausgestaltet und lebendig in Szene gesetzt. Mit ihren individuellen Eigenschaften wirken sie menschlich und glaubwürdig, so dass der Leser sich gern an ihrer Seite aufhält. Clara ist eine sympathische Protagonistin, die sich sofort ins Leserherz schleicht mit ihren klaren Wertvorstellungen. Sie ist offen, ehrlich, fleißig und ein Improvisationstalent, das ihr Handwerk versteht und mit Liebe ausführt. Das schlägt sich auch in ihren Speisen wieder. Don Diego trauert noch immer um seine Ehefrau, während er sich um Normalität bemüht, um nicht als schwach zu gelten. Liebe geht bekanntlich durch den Magen und bei ihm wirken Claras Kochkünste sofort. Er ist standesmäßig zwar über Clara angesiedelt, hegt aber wohl weniger Standesdünkel als sein Umfeld. Don Enrique ist ein Mann mit verschiedenen Gesichtern, der zwar als enger Freund Don Diegos gilt, aber oftmals recht undurchsichtig wirkt, was seine Beweggründe angeht.
„Die Köchin von Castamar“ ist ein sehr unterhaltsamer und spannender historischer Roman, der von der ersten Seite an zu fesseln weiß. Auf die Fortsetzung darf man gespannt sein. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 21.05.2020

Farblose Geschichte

Ein Garten für Ella
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Die bekannte Jazzsängerin Lisa Winwood hat sich mit ihrem Pianisten und Ehemann John einen Traum erfüllt und sich ein Haus im Alten Land gekauft, nachdem sie ihre Karrieren in Kanada gemeinsam beendet ...

Die bekannte Jazzsängerin Lisa Winwood hat sich mit ihrem Pianisten und Ehemann John einen Traum erfüllt und sich ein Haus im Alten Land gekauft, nachdem sie ihre Karrieren in Kanada gemeinsam beendet haben, um dort ihren letzten Lebensabschnitt zu verbringen. Für Lisa ist es nach 40 Jahren auch eine Konfrontation mit ihrer Vergangenheit, denn in all den Jahren ist sie nicht in ihre deutsche Heimat zurückgekehrt und hat den Kontakt zu ihrer Familie die gesamte Zeit vermieden. Nun gestaltet sie mit ihrem Mann nicht nur einen Garten für ihre vor 40 Jahren geborene und verstorbene Tochter Ella, sondern versucht auch, den Graben zu ihrer Familie wieder zuzuschütten, indem sie nach ihrer Schwester sucht, um sich mit ihr auszusöhnen. Wird es Lisa gelingen, ihre Schwester und andere Verwandtschaft zu finden?
Susanne Lieder hat mit „Ellas Garten“ einen Roman vorgelegt, der sich mit Themen wie Trauerbewältigung und dem Bruch innerhalb Familien auseinandersetzt. Der flüssige, leise und eindringliche Erzählstil nimmt den Leser schnell mit in die Geschichte hinein, wo er als Beobachtungsposten Lisa und ihren Mann John dabei begleitet, wie sie sich in ihrem neugewählten Wohnsitz einleben und ihr Leben, das immer und ausschließlich von Musik geprägt war, neu ausrichten, wobei der Garten eine besondere Stellung einnimmt. Neue Bekanntschaften erleichtern ihnen den Einstieg, wobei auch die Musik nicht zu kurz kommt. Vier Jahrzehnte lang hat es Lisa nicht geschafft, die Konfrontation mit der Familie zu suchen und so manches aufs Tablett zu bringen. Leider ist die Auflösung nicht gut gelungen, denn da die Handlung schon eher unaufgeregt erzählt wird, hätte hier ein gut durchdachter Spannungsbogen notgetan, um den Lesefluss konstant und interessant zu gestalten. So wirkt die Geschichte leider sehr langatmig, zäh und pathetisch, was dazu führt, dass schon bald Langeweile aufkommt und der Leser die Seite nur noch überfliegt. Ein wenig mehr Pep steht auch älteren Semestern gut zu Gesicht und hätte hier Wunder bewirkt.
Die Charaktere sind zwar liebevoll gestaltet, wirken jedoch zu glatt poliert und durchgeplant. Ihnen fehlt neben etwas Impulsivität auch das gewisses Etwas, dass sie auszeichnet und unverkennbar macht, was den Leser anzieht und ihn dazu bringt, mit ihnen zu fiebern. Lisa ist eine freundliche und patente Frau, die mit ihrem Mann John eine Einheit bildet, zwischen die kein Blatt Papier passt. John liest seiner Frau jeden Wunsch von den Augen ab, seine eigenen Wünsche bleiben allerdings im Dunkeln. Freundin Harriet ist ein kleiner Lichtblick, da sie unkonventionell ist, leider aber nur kurz Unruhe in das Leben der beiden bringt. Auch die liebe neue Verwandtschaft zeichnet sich nicht durch besondere Charaktereigenschaften aus, wodurch sie austauschbar wirken.
„Ellas Garten“ ist ein Roman über alte Narben und Lebensbrüche, der ein wenig mehr an Spannung und überraschenden Wendungen durchaus vertragen könnte. Die Erwartungen an eine interessante Geschichte werden hier leider nicht erfüllt. Schade!

Veröffentlicht am 17.05.2020

Facettenreiche Meerglasträume

Träume in Meeresgrün
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Die Einladung ihres Vaters kann die 34-jährige Amelie Ludwig nicht ausschlagen und reist mit ihm, ihrer jüngeren Schwester Nele und deren Freund Lars nach Lunenburg in die kanadische Provinz Nova Scotia. ...

Die Einladung ihres Vaters kann die 34-jährige Amelie Ludwig nicht ausschlagen und reist mit ihm, ihrer jüngeren Schwester Nele und deren Freund Lars nach Lunenburg in die kanadische Provinz Nova Scotia. Amelie, die schon durch ihre heimliche und unerwiderte Liebe zu Lars und einem zurückliegenden Schicksalsschlag in einem absoluten Gefühlschaos steckt, trifft schon am ersten Tag in ihrem Ferienort nicht nur auf den charmanten Bootsbauer Callum und seinen Riesenhund Skipper, sondern begegnet in einem Café auch einem Mann, der als Doppelgänger ihres Vaters durchgehen könnte. Schon bald deckt sie zufällig mit Callums Hilfe ein altes Geheimnis ihres Vaters auf, was die Familie ganz schön durcheinander bringt. Amelies Wege kreuzen sich zudem immer wieder mit Callum, der nicht nur reges Interesse an ihr zeigt, sondern in ihr auch eine Seite zum Klingen bringt, die sie krampfhaft zu überhören sucht. Der Beschützerinstinkt und das plötzliche Interesse von Lars machen die Situation für Amelie auch nicht besser. Sie muss sich endlich ihrer eigenen Vergangenheit stellen und dem Ruf ihres Herzens eine Chance geben…
Miriam Covi hat mit „Träume in Meeresgrün“ einen unterhaltsamen und gefühlvollen Roman vorgelegt, der den Leser zu einer ereignisreichen Reise ins malerische Nova Scotia einlädt, um vor der herrlichen Kulisse nicht nur alte Geheimnisse ans Tageslicht zu fördern, sondern auch der Romantik freien Lauf zu lassen. Durch den flüssig-leichten und bildhaften Erzählstil findet sich der Leser mit den ersten Zeilen an Amelies Seite wieder, wobei er aus erster Hand einen Einblick in ihre Gedanken- und Gefühlswelt erhaschen kann. Amelies Leben ist seit 13 Jahren geprägt von Verlust und Schmerz, die ihr Leben zu bestimmen scheinen und aus dessen Teufelskreis sie kein Entkommen sieht, solange sie sich selbst nicht den Dingen stellt, um diese zu verarbeiten und einen Neuanfang ins Auge zu fassen. Die Einbindung der Urlauber in das örtliche Geschehen sowie die zwischenmenschlichen Beziehungen werden von der Autorin in der Handlung gut miteinander verwoben, so dass alles sehr natürlich wirkt. Als Leser fällt man schon bei den farbenprächtigen Landschaftsbeschreibungen in den Urlaubsmodus, sieht die bunten Häuser und den Blick über den Atlantik sofort vor sich und möchte am liebsten sofort die Koffer packen, weil einen das Fernweh packt. Aber bei der Interaktion der Protagonisten ist der Leser mit einem schönen Kopfkino hautnah dabei.
Die Charaktere sind liebevoll in Szene gesetzt und wurden mit glaubwürdigen Ecken und Kanten ausstaffiert, die sie realistisch und vor allem menschlich wirken lassen. Der Leser ist eingeladen, sich an ihre Fersen zu heften und eine ereignisreiche Reise mitzuerleben. Amelie ist eine zurückhaltende und sensible Frau, die nicht nur höchst unsicher, sondern für ihr Alter oftmals leider auch sehr naiv wirkt, was den Leser oftmals den Kopf schütteln lässt. Ihr mangelt es an Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen, vor allem ihrer Schwester gegenüber. Nele ist eine vorlaute Person, die alles für sich vereinnahmt, sich immer in den Vordergrund stellt und das Gefühl vermittelt, ihrer Schwester absichtlich wehtun zu wollen. Lars weiß nicht, was er will, mischt sich zu sehr in Amelies Leben ein, anstatt sich um seine eigenen Angelegenheiten und um Nele zu kümmern. Callum ist ein echter Typ, praktisch veranlagt, musikalisch, offen und vor allem charmant. Knuth ist ein liebenswerter Mann, der sich hingebungsvoll um seine demente Frau kümmert. Aber auch Protagonisten wie die Bewohner der Seniorenresidenz, Caféhausbesitzer Jimmy oder Skipper bringen Farbe in die Story.
„Träume in Meeresgrün“ ist ein schöner Sommerroman, der neben herrlicher Urlaubsatmosphäre und farbenprächtiger Hintergrundkulisse so manches Geheimnis bereithält, aber auch einiges an Romantik zu bieten hat. Liebevoll erzählt und mit verdienter Leseempfehlung ausgestattet!

Veröffentlicht am 17.05.2020

"Dein ist mein ganzes Herz, Du bist mein Reim auf Schmerz." (H.R. Kunze)

Wo du nicht bist
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Ende der 1920er Jahre Berlin. Da ihre Eltern bereits verstorben sind, sind Irma Weckmüller und ihre jüngere Schwester Martha auf sich allein gestellt. Irma bestreitet sie als Verkäuferin im Kaufhaus des ...

Ende der 1920er Jahre Berlin. Da ihre Eltern bereits verstorben sind, sind Irma Weckmüller und ihre jüngere Schwester Martha auf sich allein gestellt. Irma bestreitet sie als Verkäuferin im Kaufhaus des Westens den Lebensunterhalt für sie beide. Dem jüdischen Arzt Erich Bragenheim begegnet Irma zum ersten Mal, als Martha ungewollt von ihrem Arbeitgeber schwanger wird und eine Abtreibung nicht mehr in Frage kommt. Zwischen Irma und Erich entspinnt sich nach und nach eine enge Liebesbeziehung, die die beiden mit einer Heirat krönen wollen. Doch dann wird das junge Glück durch die hässliche und zerstörerische Naziideologie jäh zerstört, denn eine Mischehe ist nicht erlaubt. Sie sind Anfeindungen ausgesetzt, sogar von Martha, die mit ihrem kleinen Sohn Max nichts anfangen kann und immer mehr Neid ihrer eigenen Schwester gegenüber entwickelt hat. Dann kommt der Tag, an dem Erich nach Theresienstadt deportiert wird und so die beiden Liebenden trennt, die sich nie wiedersehen werden. Nach Kriegsende versucht Irma alles in ihrer Macht stehende, um herauszufinden, was mit Erich passiert ist. Die Nachricht von seinem Tod hält sie nicht davon ab, ihn posthum noch heiraten zu wollen, dafür kämpft sie einen harten und einsamen Kampf….
Anke Gebert hat mit „Wo du nicht bist“ einen emotional bewegenden und zugleich erschütternden Roman vorgelegt, der auf tatsächlichen Begebenheiten aus dem Leben der Irma Weckmüller beruht. Mit HIlfe eines einnehmenden empathischen und gefühlvollen Erzählstils lässt die Autorin den Leser am Leben von Irma und ihrer Schwester teilhaben. Doch während man Irma begleitet und auch die sich anbahnende Liebesbeziehung zu Dr. Bragenheim miterlebt, verändert sich der politische Ton im Hintergrund und lässt schon bald die hässliche Fratze des Nationalsozialismus gesellschaftlich drastisch auf ihr Leben Einfluss nehmen. Die Autorin ruft mit ihrer bildhaften Sprache Bilder des zerstörten Berlins vor dem inneren Auge des Lesers hervor, aber auch die Greueltaten der Nazis sowie das unangemessene und verachtende Verhalten der Bevölkerung nach dem Krieg, die immer noch kein Schuldempfinden besitzt. Irmas Kampf für eine Ehe mit dem Mann, den sie liebte, auch wenn dieser bereits tot ist, wird beeindruckend geschildert und zeugt von einer großen tiefgehenden Liebe bis über den Tod hinaus. Die Steine, die ihr dabei in den Weg gelegt werden, versetzen dem Leser selbst bei der Lektüre einen Stich ins Herz. Die ausnehmend gute Recherche der Autorin über ihre Hauptprotagonistin zieht sich durch die gesamte Geschichte und macht diese zu etwas Besonderem, denn sie lässt Irma Weckmüller wieder lebendig werden.
Die Protagonisten sind mit sensibler Hand und viel Geschick in Szene gesetzt worden, lassen sie mit menschlichen Zügen lebendig und glaubhaft wirken, so dass der Leser die Möglichkeit hat, ihre Gefühls- und Gedankenwelt nachzuvollziehen und sich ihnen nahe zu fühlen. Irma ist eine bodenständige, starke und fleißige Frau mit Durchsetzungsvermögen. Sie verliert ihr Ziel nie aus den Augen und beweist eine Ausdauer, die man nur bewundernswert nennen kann. Erich ist ein ehrlicher, charmanter und vor allem hilfsbereiter Mann, der sich trotz Repressalien und Beschimpfungen seinen Patienten verschrieben hat. Martha ist eine egoistische Frau, die sich von der damaligen Ideologie einfangen lässt. Ihr Neid gegenüber ihrer älteren Schwester ist ungerecht und zeugt von Lieblosigkeit und Undank.
„Wo du nicht bist“ ist ein Zeitzeugnis über das Leben der Irma Weckmüller und eine Liebe, die keine Chance hatte. Gerade die zurückhaltende Erzählweise lässt den Blick auf die Umstände zu, gegen die Irma ankämpfen musste. Es geht hier nicht um eine gefühlsduselige Kriegsromanze, sondern um die reale Betrachtung einer Liebe über den Tod hinaus, die allen Widrigkeiten zum Trotz Bestand hatte. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 16.05.2020

Mimis Weg in die Zukunft

Die Fotografin - Die Welt von morgen
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1911:Die Wanderfotografin Mimi Reventlow hat Laichingen nach dem Tod ihres Onkels Josef in Begleitung von Anton Schaufeler verlassen und nimmt mit ihrer Kamera die Schönheiten um sich herum auf, während ...

1911:Die Wanderfotografin Mimi Reventlow hat Laichingen nach dem Tod ihres Onkels Josef in Begleitung von Anton Schaufeler verlassen und nimmt mit ihrer Kamera die Schönheiten um sich herum auf, während Anton sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält. Da viele Menschen inzwischen selbst auf die Fotografie gekommen sind, gestalten sich die Möglichkeiten für Mimi immer schwieriger. Aber Anton fliegen die Ideen nur so zu, so dass sie während ihres Berlinaufenthaltes schon bald einen gutgehenden Postkartenhandel haben, der etwas Geld in die klamme Kasse spült. Die Aufträge für Mimi werden immer spärlicher, so dass sie sich überlegen muss, wie ihre Zukunft aussehen soll. Derweil hat Alexander Schubert in Stuttgart eine harte Zeit an der Kunsthochschule, doch in seinem Lehrer Mylo einen tatkräftigen und sehr einnehmenden Unterstützer. Mimis Bekannte Bernadette Furtwängler steht vor der Entscheidung, eine Vernunftehe mit ihrem Geschäftspartner Wolfram einzugehen. Doch dann kommt alles ganz anders…
Petra Durst-Benning hat mit „Die Fotografin-Die Welt von morgen“ den dritten Band ihrer historischen Saga um die Fotografin Mimi Reventlow vorgelegt, der den Vorgängerromanen in historischer Recherche und spannender Unterhaltung in nichts nachsteht. Wer sich an die Buchreihe heranwagen möchte, dem sei empfohlen, die Bücher in der richtigen Reihenfolge zu lesen, da man der Geschichte so am besten folgen kann. Der flüssige und wunderbar bildhafte Erzählstil der Autorin lässt den Leser schon mit den ersten Zeilen in der Zeit zurückreisen, um sich Mimi und Anton auf ihrer Wanderschaft anzuschließen und dabei die Schwierigkeiten mitzuerleben, die vor allem Frauen damals hatten, selbst mit großem Talent ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das Rollenbild der Frau war auch im 20. Jahrhundert noch lange von mangelnder Gleichberechtigung geprägt. Frauen gehörten an den Herd, hatten die Kinder zu versorgen oder dem Ehemann zur Seite zu stehen. Berufstätigkeit oder gar eine Selbständigkeit mit eigenem Unternehmen war undenkbar und bedurfte oftmals der Erlaubnis des Ehemannes. Gerade die Selbständigkeit Mimis und ihr Selbstbewusstsein werden von der Autorin in dieser Geschichte wunderbar herausgestellt, während sie ihre Handlung mit ihrer historischen Recherche exzellent verwebt. Der Spannungslevel zieht sich aufgrund der verschiedenen Handlungsschauplätze wunderbar gleichmäßig durch die Geschichte, endet aber am Schluss mit einem fiesen Cliffhanger, der den Leser spannungsgeladen dem nächsten Band entgegenfiebern lässt.
Die Charaktere sind wunderbar lebendig und mit menschlichen Zügen versehen, die sie glaubhaft und vor allem authentisch wirken lassen. Der Leser kann gar nicht anders, als sich an ihre Fersen zu heften und gemeinsam mit ihnen zu hoffen, zu bangen und zu fiebern. Mimi ist eine sehr sympathische, mutige und starke Frau. Sie besitzt Selbstbewusstsein, lässt sich auch in schwierigen Situationen nicht hängen und schaut immer vertrauensvoll in die Zukunft. Zudem besitzt sie Mitgefühl und Empathie anderen gegenüber, was ihr einige Herzen öffnet. Anton ist ein heller Kopf, dem die Ideen nur so zufliegen und der seine Möglichkeiten gut zu nutzen weiß. Er geht Risiken ein, ohne die Nerven zu verlieren. Alexander wirkt erst noch etwas verunsichert, doch mit Hilfe seines Mentors Mylo gewinnt auch er immer mehr an Selbstbewusstsein und Sicherheit. Mylo ist ein undurchsichtiger und sehr vereinnahmender Mann, der seinen eigenen Vorteil sieht. Bernadette ist eine pragmatische Frau, die sich allerdings als schlechte Verliererin entpuppt. Aber auch die weiteren Darsteller wissen die Handlung mit ihren Auftritten zu beleben und spannend zu gestalten.
„Die Fotografin-Die Welt von morgen“ ist wieder ein absoluter Pageturner aus der Feder von Durst-Benning. Sehr unterhaltsam, vielschichtig und mit ausgezeichneter Recherchearbeit versehen, hält die Geschichte den Leser in seinen Bann. Der nächste Teil wird sehnsüchtig erwartet! Absolute Leseempfehlung!!!