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Veröffentlicht am 27.03.2020

Das italienische Erbe

Das kleine Weingut in der Toskana
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Finanzexpertin Sarah ist ein Arbeitstier und lebt in der Geldmetropole London. Von ihrem Boss zu einem Zwangsurlaub verdonnert, bevor sie einen Burnout erleidet, will sie sich endlich mit dem Nachlass ...

Finanzexpertin Sarah ist ein Arbeitstier und lebt in der Geldmetropole London. Von ihrem Boss zu einem Zwangsurlaub verdonnert, bevor sie einen Burnout erleidet, will sie sich endlich mit dem Nachlass ihres Vaters beschäftigen, der vor kurzem gestorben ist und zwischen dem mit ihr schon lange Funkstille herrschte. Sarah hat von ihm einen Weinberg nebst dazugehörigem Gut und eine stattliche Villa in der Toskana geerbt, die nicht gerade in bester Verfassung sind. Sarah reist nach Italien, um das Erbe einigermaßen herrichten zu lassen, damit sie es schnellstmöglich verkaufen kann. Doch dann fällt Sarah aus allen Wolken. Ausgerechnet ihre alte Jugendliebe Tommaso, der selbst Winzer und der Partner ihres Vaters war, entpuppt sich als der zweite Erbe, mit dem sie teilen muss und der einem Verkauf niemals zustimmen wird. Zwischen den beiden entflammt eine hitzige Stimmung, die das italienische Dolce Vita geradezu in den Schatten stellt…
Mit „Das kleine Weingut in der Toskana“ entführt Romy Sommer den Leser charmant und unterhaltsam in die malerischen italienischen Weinberge und lässt ihn einen kleinen Wohlfühlurlaub genießen, während er den Protagonisten bei ihren unterschiedlichen Auffassungen folgt. Den locker-flüssigen Schreibstil hat die Autorin mit vielen farbenfrohen Bildern gespickt, die die italienische Lebensfreude und das mediterrane Flair wunderbar wiederspiegeln. Neben einigen kulinarischen Leckerbissen, die einem dem Mund wässrig machen, darf der Leser sich in die toskanische Landschaft verlieben, die immer eine Reise wert ist. Man kann gar nicht nachvollziehen, warum Protagonistin Sarah nicht sofort dem Charme der Gegend erliegt, auch wenn alte Erinnerungen diesen vielleicht ein wenig eintrüben. Auch wenn London eine pulsierende Metropole ist, kann die Stadt niemals gegen die Schönheit der Toskana bestehen. Die Geschichte besitzt keinen großen Spannungsbogen, kommt aber gut ohne ihn aus, sondern lebt von dem Agieren der Protagonisten vor wunderschöner Kulisse.
Die Charaktere sind liebevoll gestrickt und in Szene gesetzt, lebendig und authentisch lassen sie den Leser unsichtbar in ihrer Mitte Platz nehmen, um ihrem Taktieren, Agieren und ihrem Gefühlschaos zuzuschauen. Sarah wirkt zu Beginn wie eine knochentrockene Finanzexpertin, die nur Zahlen im Kopf hat und völlig emotionslos ist. Kaum in Italien, verändert sich ihr Wesen nach und nach, sie wird offener, lockerer und auch weicher, wobei sie immer noch eine harte Verhandlungspartnerin ist. Tommaso ist ein zurückhaltender Zeitgenosse, der nur spärlich aus sich herauskommt, kaum Gefühle nach außen zeigt und sich wie eine Schnecke erst nach und nach aus seinem Bau heraustraut. Aber in ihm schlummert so viel mehr, dass man erst auf den zweiten Blick entdeckt.
„Das kleine Weingut in der Toskana“ bringt den Sommer in das Leserherz und spendiert einen amüsanten Ausflug nach Italien, der viele schöne Bilder projiziert, Romantik spendiert und vor allem vor italienischer Lebensfreude strotzt. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 27.03.2020

Ü70 ist das Leben noch nicht vorbei

Spätsommer ist auch noch Sommer
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Die pensionierte 74-jährige Zahnärztin Ulla hat gerade ihren Mann Olli verloren, den sie bis zu seinem Tod gepflegt hat und währenddessen all ihre sozialen Kontakte verloren hat. Nun wird es Zeit, das ...

Die pensionierte 74-jährige Zahnärztin Ulla hat gerade ihren Mann Olli verloren, den sie bis zu seinem Tod gepflegt hat und währenddessen all ihre sozialen Kontakte verloren hat. Nun wird es Zeit, das Leben neu anzupacken und sich mehr um sich selbst zu kümmern. Also hübscht sich Ulla erst einmal auf und geht dann ihr Adressbuch durch, um alte Freunde und Bekannte zu reaktivieren. Bei Hellu und Pike rennt sie offene Türen ein, die drei Frauen haben sofort einiges an Ideen, wie sie ihre Zeit unterhaltsam miteinander verbringen können. Ulla blüht wieder auf, was von ihren Kindern Susanna und Marko argwöhnisch beobachtet wird. Für die ist Ulla nämlich eher ein zukünftiger Pflegefall, auf den sie so gar keine Lust haben…
Mit „Spätsommer ist auch noch Sommer“ legt Minna Lindgren einen unterhaltsamen Roman mit viel Witz vorgelegt. Der locker-flüssige Schreibstil lässt den Leser schnell in Ullas Welt eintauchen und ihre Versuche, als junggebliebene Mitsiebzigerin in ein aktives Leben zurückzukehren, miterleben. All die Jahre hat sie zurückgesteckt, sich um Familie und vor allem ihren vereinnahmenden Ehemann gekümmert, der ihr das Leben zur Hölle gemacht hat. Da wird es Zeit, sich endlich mal auf sich selbst zurückzubesinnen. Mit viel Humor lässt die Autorin Ulla und ihre reanimierten Freundinnen so einiges ausprobieren, sei es nun ein Sprachkurs, Yoga oder Tanzkurse, erlaubt ist, was gefällt und vor allem mehr Schwung ins Leben bringt. Gleichzeitig intervenieren Ullas selbstsüchtige Kindern, schleppen ihre eigenen Blagen zum Aufpassen zu Oma und kümmern sich sonst nur um sich selbst. Hauptsache, wir müssen nicht für die Alte sorgen, dann muss sie in ein Heim. Ullas neugewonnene Freiheit ist den eigenen Kindern ein Dorn im Auge, wahrscheinlich vor allem deshalb, weil Ulla sich nun vorrangig um sich selbst kümmern möchte. Aber auch andere Pfründe werden misstrauisch bewacht und am liebsten beschnitten. Wer solch eine Familie hat, braucht keine Feinde mehr. Der Blick der Autorin auf das Leben der Ü70 macht neben so manchem Grinsen auch nachdenklich, denn man möchte selbst wohl nie so behandelt werden, schließlich hat man in dem Alter schon einiges geleistet und ist keine unmündige Person, die nicht weiß, was sie tut.
Die Charaktere sind mit menschlichen Zügen versehen und überzeugen mit lebendigem glaubwürdigem Auftreten. Der Leser kann sich gut in sie hineinversetzen und begleitet sie gern einen Teil ihres Weges. Ulla ist eigentlich eine gestandene Frau, doch ihr schrecklicher Ehemann und ihre egoistische Brut haben sie in den letzten Jahren in ein Korsett geschnürt. Es wird Zeit, dies zu sprengen, denn die Lebenslust in ihr ist noch nicht verkümmert. Hellu ist abenteuerlustig und experimentierfreudig, was den Versuchen der Freundinnen eine gewisse Würze verleiht. Pike möchte ihren Lebensabend gern mit jemandem teilen, die Kandidatensuche sorgt für einige Herausforderungen. Ullas Kinder Susanna und Marko sind völlig auf sich fixiert und wollen sich keinen Klotz ans Bein binden lassen. Dabei überschreiten sie deutlich ihre Kompetenzen.
„Spätsommer ist auch noch Sommer“ ist ein unterhaltsamer und humoriger Roman, der dem Leser nicht nur den Spiegel vorhält, sondern auch genug Gedanken freisetzt, wie man selbst seinen Lebensabend verbringen möchte und dass dazu auch ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein, guter Freunde und Lebensfreude vorhanden sein muss.

Veröffentlicht am 26.03.2020

Paris ist immer eine Reise wert

Sommerzauber in Paris
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Zur Feier ihrer Silberhochzeit plant Grace für sich und ihren Mann einen romantischen Sommertrip nach Paris. Aber dann fällt ihre heile Welt von einem Moment auf den anderen in tausend Scherben, denn ihr ...

Zur Feier ihrer Silberhochzeit plant Grace für sich und ihren Mann einen romantischen Sommertrip nach Paris. Aber dann fällt ihre heile Welt von einem Moment auf den anderen in tausend Scherben, denn ihr Mann David möchte sich von ihr trennen, um fortan mit seiner Affäre zusammen zu sein. Um die Contenance zu wahren und sich abzulenken, macht sich Grace allein auf die gebuchte Reise nach Paris, wo sie schon bald die Engländerin Audrey kennenlernt, die ohne jegliche Französischkenntnisse in einem Buchladen jobbt. Audrey lebt mehr oder weniger von der Hand in den Mund, ist wegen Liebeskummer nach Frankreich gekommen und hat noch keinen Plan, wie es weitergehen soll. Zwischen den beiden recht unterschiedlichen Frauen entsteht aufgrund ihrer Nachbarschaft nicht nur eine Zweckgemeinschaft, sondern es entwickelt sich eine wunderbare Freundschaft, während sie den Pariser Sommer gemeinsam erleben…
Sarah Morgan hat mit „Sommerzauber in Paris“ erneut ihr Talent bewiesen, einen wunderschönen und unterhaltsamen Roman mit viel Charme und Witz zu erzählen, so dass der Leser das Buch kaum aus der Hand legen kann und einen abenteuerlichen Sommer mit den beiden Frauen in der berühmten Stadt der Liebe erleben darf. Der locker-leichte und gefühlvolle Erzählstil ist mit einigem Humor gespickt und lässt die Geschichte nicht nur besonders kurzweilig vor dem inneren Auge des Lesers vorbeiziehen, sondern sorgt mit einigen getroffenen Entscheidungen auch für manchen AHA-Effekt. Der Leser fühlt sich während der Handlung nicht nur dabei nicht nur als unsichtbarer Zuschauer, sondern darf den beiden Frauen mitten in Herz und Seele schauen und erfahren, was sie bewegt und welches Resümee sie für sich und ihr weiteres Leben ziehen. Gleichzeitig bringt die Autorin dem Leser die Stadt Paris mit vielen bildhaften Beschreibungen so nah, dass man die wunderschöne Metropole direkt vor Augen hat, durch die Straßen wandelt und sich der zauberhaften Atmosphäre dieser Stadt nicht entziehen kann.
Den Charakteren wurde liebevoll Leben eingehaucht, sie versprühen Authentizität und Glaubwürdigkeit, die den Leser schnell für sie einnehmen und sich ihnen verbunden fühlen lässt. Grace ist eine Frau, die nichts dem Zufall überlässt. Sie ist gut strukturiert, hält nichts von Überraschungen und geht immer auf Nummer sicher. Den Schlag, den ihr Mann ihr versetzt, steckt sie nach außen bemerkenswert weg, aber innerlich ist sie völlig verunsichert und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Audrey ist wesentlich jünger als Grace und hat sich wegen Liebeskummer ohne Plan aus England nach Paris geflüchtet. Sie hangelt sich von einem Moment zum anderen, ist aber mutig genug, sich ohne Sprachkenntnisse einen Job in einem Buchladen zu suchen, wobei sie als Legasthenikerin noch zusätzliche Probleme hat. Sowohl Grace als auch Audrey scheinen sich gesucht und gefunden zu haben. Die eine hat mehr Lebenserfahrung, die andere ist ungewollt mutig. Beide Frauen wachsen in diesem Sommer nicht nur sehr eng zusammen, sondern profitieren auch von der jeweils anderen. Die Entwicklung ist wunderschön zu beobachten, am Ende wirken beide irgendwie gereift und zuversichtlicher in Hinblick auf ihr zukünftiges Leben.
„Sommerzauber in Paris“ bringt den Leser nicht nur auf gefühlvolle und unterhaltsame Weise in die wunderschöne französische Metropole, sondern gibt ihm einen Platz in der ersten Reihe, um die Entwicklung einer ungewöhnlichen Frauenfreundschaft mitzuerleben. Ein Buch für Herz und Gemüt, unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 25.03.2020

„Eine Frau, die sich verführen lässt, kapituliert vor sich selbst, nicht vor dem Mann.“ (Carola Neher)

Die Königin von Berlin
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Carola Neher wuchs in der rheinland-pfälzischen Provinz auf und ihr Leben scheint vorgezeichnet zu sein. Doch Carola rebelliert gegen die an sie gestellten Anforderungen aus der Familie und macht sich ...

Carola Neher wuchs in der rheinland-pfälzischen Provinz auf und ihr Leben scheint vorgezeichnet zu sein. Doch Carola rebelliert gegen die an sie gestellten Anforderungen aus der Familie und macht sich nach ein paar kleineren Engagements in der Provinz Anfang der 1920er Jahre auf nach Berlin, wo sie als Schauspielerin und Sängerin am Theater Erfolg haben möchte. Doch auch in Berlin macht sie erst einmal eine Durststrecke durch, bis sie den berühmten Autor Bertold Brecht kennenlernt, der sie schon bald zu seiner Muse und Geliebten macht, ihr zu Ruhm und Ansehen verhilft und in dessen „Dreigroschenoper“ er sie unsterblich machen will. Neher jedoch hat Brecht schnell durchschaut, der sich nimmt, was er kriegen kann und nicht gemacht ist für eine dauerhafte Beziehung. Stattdessen findet sie in dem feingeistigen Dichter Klabund ihre Liebe und heiratet ihn. Die Premiere der Dreigroschenoper wird sie nicht bestreiten, denn sie eilt nach Davos in die Schweiz, wo ihr Mann an Tuberkulose stirbt…
Charlotte Roth hat mit „Die Königin von Berlin“ wieder einmal ihr großartiges Können in die Waagschale geworfen, um Carola Neher, die bekannteste Theaterkünstlerin der Weimarer Republik, wieder lebendig werden zu lassen. Fesselnd und gefühlvoll zugleich lässt sie den Leser in das vergangene Jahrhundert abtauchen, um eine außergewöhnliche Frau kennenzulernen, die für die Dinge kämpft, die sie liebt und ihr Leben in vollen Zügen auskostet. Roth hält sich sehr eng an die Autobiographie Nehers, doch drückt sie ihrer Geschichte mit ihrer besonderen Art, sie zu erzählen, und einer gelungenen fiktiven Mischung ihren ganz eigenen Stempel auf. Nicht nur Nehers Werdegang wurde akribisch recherchiert, sondern auch ihre Weggefährten, Liebschaften und zeitgenössische Künstler, die ihren Weg kreuzten. Gleichzeitig gelingt es ihr, den Leser in die Welt des Theaters zu entführen, wo er nicht als Zuschauer, sondern eher als Statist fungiert, der sich mit Neher eine Bühne teilt und sie bei ihrem Spiel beobachtet. Auch das damalige Lebensgefühl projiziert Roth einmalig, bringt die 20er Jahre wieder in die Gegenwart zurück und erlaubt einen Streifzug durchs Berlin der damaligen Zeit. Farbenprächtig und bildgewaltig wirkt die Geschichte wie ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann, wobei auch die unterschiedlich gewählten Perspektiven dies forcieren.
Roth lässt viele berühmte Persönlichkeiten wieder lebendig werden, damit der Leser sie in Aktion verfolgen und ihnen nachspüren kann. Carola Neher ist eine Frau mit eisernem Willen, Disziplin, Stärke und vor allem Mut, denn sie wagt sich aus einer biederen Welt hinaus ins Rampenlicht. Sie setzt auf Risiko, um ihren Traum zu leben. Carola ist nicht auf den Mund gefallen und recht selbstbewusst, was ihr einiges an Respekt einbringt. Brecht ist ein selbstverliebter und vor allem von sich selbst überzeugter Egomane und Frauenheld, der sich nicht anbinden lässt. Aber er ist auch eine künstlerische Größe, dem das Theater noch heute einiges zu verdanken hat. Klabund oder besser Alfred Henschke ist ein feingeistiger und sensibler Mann, der eher unscheinbar im Hintergrund bleibt. Aber auch Lion Feuchtwanger, Elisabeth Bergner, Kurt Weill oder Hermann Scherchen bereichern die Geschichte mit ihren Auftritten.
„Die Königin von Berlin“ ist eine Homage an eine in Vergessenheit geratene faszinierende und talentierte Künstlerin, die in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts die Theaterwelt auf den Kopf stellte. Lebendig, authentisch und jede Zeile wert. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 24.03.2020

"Das Leben ist kurz. Nimm dir Zeit für Meer." (Anne Barns)

Kirschkuchen am Meer
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Marie hat nicht geglaubt, dass die Nachricht vom plötzlichen Tod ihres Vaters Enno sie so sehr aus der Bahn werfen würde, schließlich hat sie ihn vor 3 Jahren zuletzt gesehen und der Kontakt zu ihm war ...

Marie hat nicht geglaubt, dass die Nachricht vom plötzlichen Tod ihres Vaters Enno sie so sehr aus der Bahn werfen würde, schließlich hat sie ihn vor 3 Jahren zuletzt gesehen und der Kontakt zu ihm war in den letzten 18 Jahren eher spärlich, seit er ihre Mutter, sie und ihre ältere Schwester Lena wegen der unerträglichen Ilonka verlassen hat. Nun kann Marie nur noch bei der Beerdigung von ihm Abschied nehmen. So reist sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Oma nach Hooksiel, um der Seebestattung beizuwohnen, da ihre hochschwangere Schwester Lena dazu nicht mehr in der Lage ist. An der Anlegestelle des Trauerschiffes treffen die drei Frauen nicht nur auf die verhasste Ilonka und deren Sohn Hannes, sondern Marie fällt auch eine abseits stehende weinende Frau mit roten Haaren auf, von der sie später über den Kapitän eine Tasche erhält, in der sich allerlei Erinnerungen finden. Bevor Marie die Frau ansprechen kann, ist diese spurlos verschwunden. Doch Marie will unbedingt herausfinden, welche Bedeutung sie für Enno gehabt hat und beginnt Nachforschungen anzustellen…
Mit „Kirschkuchen am Meer“ hat Anne Barns wieder einen Volltreffer gelandet, denn der Roman lebt nicht nur von einem flüssig-leichten und gefühlvollen Erzählstil, sondern nimmt den Leser mit auf eine emotionale Reise, bei der sich im Verlauf nicht nur so einige Geheimnisse an die Oberfläche wagen, sondern der Leser während der Lektüre auch einen Augen- und Gaumenschmaus besonderer Art erleben darf. Mit farbenfrohen Beschreibungen entführt die Autorin den Leser an die Nordsee, erst auf die Insel Norderney und dann nach Juist, wobei sie nicht nur jede Menge Meeresbrise und Wellenglitzern versprüht, sondern auch die zwischenmenschlichen Beziehungen der Protagonisten untereinander und zu den Inselbewohnern wunderbar in Szene setzt. Vor allem Marie und ihre Familie halten wie ein Knoten zusammen, da passt kein Blatt Papier dazwischen und hilft so manches Unheil zu umschiffen oder zu bekämpfen. Das aufzuspürende Geheimnis wird nach und nach ebenso aufgedeckt wie so manche Entscheidung, die unterbewusst schon lange schwelte und sich nun Bahn bricht. Und neben der Handlung mit herrlichem Wohlfühlcharakter sind es die Köstlichkeiten, die die Autorin wieder einmal auf den imaginären Tisch zaubert, sei es warmer Hefezopf, Käsekuchen mit salziger Karamellsauce oder aber auch das Kirschkompott aus dem Backofen. Der Magen knurrt und die Seele seufzt ob der Leckereien, die im Anhang mit Rezepten Gott-sei-Dank zum Nachmachen anregen.
Liebevoll zum Einsatz gebrachte sympathische Charaktere wachsen dem Leser gleich ans Herz, denn ihre menschlichen und realistischen Züge erinnern an alte Freunde, die man gern um sich hat. So wird der Leser schnell zum Teil des Gespanns um Marie und ist erpicht darauf, nicht nur Geheimnisse zu lüften, sondern auch wichtige Entscheidungen mitzuerleben. Die knapp 30.jährige Marie ist offen, ehrlich und freundlich. Sie arbeitet als Drogistin, doch ihre wahre Passion ist das Backen. Das Zusammenleben mit Freund Marc ist auch nicht mehr das Optimum. Schwester Lena ist Maries engste Vertraute, aber sie hat auch ein gutes Verhältnis zu ihrer Mutter und Großmutter. Auf Ilonka passt der Ausdruck Hexe genau, denn sie ist eiskalt und berechnend, ihr Sohn Hannes steht ihr da in nichts nach. Matthias und Stephan schleichen sich nicht nur mit ihrer Kaffeerösterei in Maries Herz, sondern schweben mit ihr auf der gleichen Wellenlänge. Aber auch Frau Visser, Merle, Jutta oder der Kapitän des Trauerschiffs sind einen tieferen Blick wert, sind ihre Auftritte doch entscheidend für den Handlungsverlauf.
„Kirschkuchen am Meer“ überzeugt mit viel Inselflair, Familiensinn, Wohlfühlatmosphäre und das Gefühl, mittendrin statt nur dabei zu sein. Anne Barns weiß genau, wie sie ihre Leser glücklich machen kann. Absolute Leseempfehlung für einen Kurzurlaub nicht nur der kulinarischen Art!