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Veröffentlicht am 25.11.2016

Familienfest und andere Überraschungen

Mein Sommer mit Mémé
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Als die Patriarchin der Familie, Großmutter Mémé eine Einladung ins Burgund nach Lys auf den alten Familiensitz, einem etwas heruntergekommenen Château, ausspricht, geht sie selbstverständlich davon aus, ...

Als die Patriarchin der Familie, Großmutter Mémé eine Einladung ins Burgund nach Lys auf den alten Familiensitz, einem etwas heruntergekommenen Château, ausspricht, geht sie selbstverständlich davon aus, dass sämtliche Familienmitglieder auch ohne zu murren, dort anreisen, denn ihr 80. Geburtstag steht bevor. Allerdings hat Paula eigentlich ganz andere Pläne, denn sie wollte sich mit ihrem Verlobten Jakob, der als Arzt momentan noch in Kenia arbeitet, in Paris treffen, um ihre gemeinsame Verlobung zu feiern. Erst auf Drängen ihres Bruders Marcel lässt sie sich überreden, der sich ebenfalls mit seiner Frau Helen und Tochter Meike auf den Weg macht ebenso wie Mutter Claire. Kaum dort eingetroffen, kommen die ersten Unstimmigkeiten aufs Tablett. Und Mémé befeuert das Ganze noch mit ihren Renovierungsplänen für das Château, denn zum Arbeiten hatten alle die Reise eigentlich nicht angetreten. Nach und nach werden aber so einige Geheimnisse ausgepackt, die für einigen Gesprächsbedarf sorgen, sogar das Erbe, nämlich das Château, steht auf der Kippe. Ob sich die geheimen Wünsche aller Familienmitglieder innerhalb der Wochen ihres Aufenthalts erfüllen lassen und der Friede wieder hergestellt wird?

Elaine Briag hat mit ihrem Buch „Mein Sommer mit Mémé“ einen sehr unterhaltsamen Familienroman vor der herrlichen Kulisse des französischen Burgund vorgelegt, der schon allein mit den herrlichen Schilderungen der köstlichen Mahlzeiten und dem flüssigen Schreibstil verführt. Der Leser ist ruckzuck von französischem Flair umgeben, hat die Gerüche von sonnengereiften Tomaten, Thymian und vollmundigem Rotwein in der Nase und lässt sich durch die schön erzählte Handlung treiben. Die Landschaftsbeschreibungen sind ebenfalls sehr detailliert und wecken den Wunsch nach Urlaub in sonnigere Gefilde.

Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgestaltet und in Szene gesetzt, der Leser hat bald das Gefühl, den einen oder anderen persönlich zu kennen, denn alle wirken sehr authentisch und lebendig. Paula ist Ende 30 und eine sehr selbständige Frau, die seit einigen Jahren eine Fernbeziehung pflegt. Sie liebt ihre Arbeit mit Antiquitäten und ist so gar nicht begeistert, dass sie ausgerechnet jetzt ins Burgund reisen soll. Sie liebt ihre Familie, jedoch mag sie es gar nicht, wenn man sie bevormundet. Bruder Marcel ist ein lieber Kerl, hat aber nicht nur familiäre Probleme, sondern vor allem berufliche, und hofft, dass etwas von dem Erbe auch an ihn fällt, um diese Probleme in den Griff zu bekommen. Seine Ehefrau Helen ist eine Art Vorzeigeehefrau, allerdings wirkt sie oft neben der Spur, dabei ist sie unglücklich mit ihrem Leben und weiß nicht wirklich, wie sie aus der Misere herauskommen soll. Kein Wunder, dass Tochter Meike so ganz aus der Art schlägt und alles und jeden provoziert mit ihrem Aussehen und mit ihren Antworten. Großmutter Mémé ist ein „Einzelstück“, sie ist resolut, wirkt oftmals herrisch und zu Beginn wenig sympathisch. Doch sie hat eine Gabe, denn sie besitzt Lebenserfahrung und weiß oft schon vorher, was ihren Lieben fehlt und was sie sich wünschen. Sie ist organisiert und hat so ihre Familie sehr gut im Griff. Auch die Nebenprotagonisten, die nicht zur Familie gehören, tragen mit ihren kleinen Nebengeschichten und Episoden zur Unterhaltung und Untermalung der Handlung bei.

„Mein Sommer mit Mémé“ ist ein warmherziger und sehr liebevoll erzählter Familienroman um Liebe, geplatzte Träume, verborgene Wünsche und wiedergefundene Vergangenheit, wobei er auch durch den Magen geht, denn die geschilderten Köstlichkeiten lassen einem das Wasser im Mund zusammenlaufen und den Magen knurren. Alle, die sich in diesen dunklen Wintertagen ein wenig Sommerflair ins Herz holen wollen, werden diesen Roman lieben. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 20.11.2016

Wahrheit hat ihren Preis

Winterrosenzeit
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60er Jahre. Nach dem Krieg schlug sich Hildegard mit ihrem kleinen Sohn Hans-Peter zu ihrer Cousine in die Schwäbische Alb durch, wo sie bald darauf in dem kleinen Ort den ortsansässigen Bürgermeister ...

60er Jahre. Nach dem Krieg schlug sich Hildegard mit ihrem kleinen Sohn Hans-Peter zu ihrer Cousine in die Schwäbische Alb durch, wo sie bald darauf in dem kleinen Ort den ortsansässigen Bürgermeister und Besitzer der Sägemühle heiratete und fortan ein recht wohlhabendes Auskommen hat. Hans-Peter, der sich mit seinem Stiefvater nie gut verstanden hat, hat keine Erinnerungen mehr an seinen Vater, von dem die Mutter nur erzählte, dass dieser im Krieg gefallen sei. Nun ist er ein junger Student der Rechtswissenschaft und fiebert einem Konzert der Beatles in Blackpool entgegen, für die Reise dorthin hat er wochenlang auf dem Bau gearbeitet. Beim Trampen lernt Hans-Peter die junge Ginny und ihre Clique kennen, die ebenfalls zum Konzert wollen. Zwischen Ginny und Hans-Peter knistert es sofort. Auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland steht er weiterhin per Brief mit Ginny in Kontakt und plant schon die nächste Reise, um sie endlich wiederzusehen. Doch Ginnys Eltern sind gegenüber Deutschen sehr ablehnend eingestellt, ihr Großvater und ihr Onkel sind im Krieg gefallen, Ginnys Vater Gregory kam als deutscher Flüchtling nach England, voller Blessuren und Folterspuren. Sowohl Ginny als auch H.-P. sehen sich einer gewaltigen Aufgabe gegenüber, die Eltern von ihrer Liebe zu überzeugen. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse, das Leben der beiden jungen Leute gerät komplett aus den Fugen, denn alles, was sie für die Wahrheit gehalten haben, entpuppt sich als Lüge…

Ricarda Martin hat mit ihrem Buch „Winterrosenzeit“ einen wunderschönen Gesellschaftsroman voller Geheimnisse vorgelegt, die sich erst nach und nach wie Rosenblätter entfalten und die Wahrheit preisgeben. Der Schreibstil ist flüssig und fesselt von der ersten Seite an. Immer im Wechsel wird die Geschichte zwischen Ginny und Hans-Peter erzählt und fügt sich erst am Ende wie ein Puzzle zusammen. Die Landschaftsbeschreibungen, aber auch das Beatles-Konzert sind so lebendig beschrieben, als wäre der Leser live vor Ort und könnte alles mit eigenen Augen sehen und miterleben. Der Spannungsbogen wird gemächlich aufgebaut, steigert sich aber im Verlauf der Handlung immer mehr, hat zum Teil fast sogar kriminalistische Elemente, die Geschichte bleibt bis zum Schluss sehr aufregend. Auch der Hintergrund der Romanhandlung ist sehr interessant gehalten, spiegelt er doch den Zeitgeschmack, die politischen Ansichten und die Entwicklung nach dem Krieg wider. Jeder, der in den 60er Jahren aufgewachsen ist, findet das ein oder andere aus seiner Kindheit und Jugend wieder.

Die Charaktere sind sehr verschieden und vielschichtig angelegt, dadurch wirken sie sehr authentisch und lebendig, der Leser kann sich gut in die einzelnen Protagonisten einfühlen und leidet mit ihnen oder wünscht ihnen die Pest an den Leib. Hans-Peter ist ein sympathischer, ehrlicher junger Mann, der vielseitig interessiert ist und sich voll und ganz seinem Jurastudium widmet. Die Musik der Beatles hat es ihm angetan und tut alles für seinen Traum, diese einmal im Konzert zu erleben. Zu seinem Stiefvater hat er ein schwieriges Verhältnis, denn der hat andere Vorstellungen vom Leben, doch Hans-Peter will seine eigenen Träume verwirklichen. Ginny ist eine liebe junge Frau, die behütet aufwuchs und die Arbeit mit Rosen liebt. Sie hat ein enges Verhältnis zu ihrem Vater, ist beliebt und aufgeweckt, allem Neuen gegenüber offen ohne Vorurteile. Hildegard ist eine unterwürfige Frau, die es jedem recht machen will, sie hat kein Durchsetzungsvermögen und ist auch ihrem Sohn keine große Hilfe bei den Streitigkeiten mit dem Stiefvater. Susanne ist eine enge Freundin von Hans-Peter, sie kennen sich seit der Kindheit, aber sie ist auch rettungslos in ihn verliebt, wovon Hans-Peter gar nichts weiß. Gregory, Ginnys Vater ist ein netter Mann, der ein Geheimnis in sich trägt und sich nur um die Rosen und seine Familie kümmern möchte. Auch die Nebenprotagonisten untermalen nicht unwesentlich mit ihren kleinen Episoden und Geschichten die Handlung, machen sie dadurch auch spannender.

„Winterrosenzeit“ ist ein fesselnder Gesellschafts- und Liebesroman der jüngsten deutschen Nachkriegsgeschichte und unterhält mit einer Vielzahl von Themen, die alle zusammen eine sehr spannende Handlung ergeben. Alle, die Familiengeheimnisse und gut gestrickte Liebesgeschichten lieben, in denen man sich regelrecht fallen lassen kann, werden mit diesem Roman viel Freude und gute Unterhaltung haben. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 19.11.2016

Will Trents persönlichster Fall

Blutige Fesseln
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Die Leiche eines ehemaligen Polizisten wird in einem alten Lagerhaus gefunden, das einem prominenten Basketballspieler gehört. Der Tatort sieht so schlimm aus, als würde es mehr als einen Toten geben. ...

Die Leiche eines ehemaligen Polizisten wird in einem alten Lagerhaus gefunden, das einem prominenten Basketballspieler gehört. Der Tatort sieht so schlimm aus, als würde es mehr als einen Toten geben. Als Ermittlungsteam erscheinen Will Trent und seine Partnerin am Tatort, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. Die Spurensicherung findet bei der Untersuchung eine Waffe, bei der sich herausstellt, dass sie auf Wills Noch-Ehefrau Angie zugelassen ist, ebenso findet sich Angies Blutgruppe am Tatort. Will ist seit einiger Zeit mit der Gerichtsmedizinerin Sara Linton verbandelt, doch die Verbindung seiner Noch-Ehefrau zu diesem Fall lässt ihn nicht kalt und lässt diesen für ihn sehr persönlich werden. Welche Rolle spielt Angie bei diesem Mordfall, lebt sie überhaupt noch? Will und sein Team setzen alle Hebel in Bewegung, um sie zu finden. Wird es ihnen gelingen?

Karin Slaughter hat mit ihrem Buch „Blutige Fesseln“ den 7. Band ihrer Georgia-Reihe vorgelegt, der wieder einiges an Spannung und Nervenkitzel verspricht. Der Schreibstil ist flüssig, dabei schonungslos und sehr fesselnd. Schon der Prolog katapultiert den Leser direkt in die Handlung und beschert die erste Gänsehaut. Der Spannungsbogen wird mit den ersten Seiten gleich hoch angelegt, steigert sich aber während des Handlungsverlaufs immer weiter, um in einem überraschenden und furiosen Finale zu enden. Slaughter versteht es wie kaum eine andere Krimiautorin, den Leser durch falsche Spuren, neue Wendungen und Geheimnisse zu verwirren und ihn immer wieder zu animieren, die Handlung von allen Seiten zu beleuchten und auch auf die kleinen Zwischentöne und vielleicht unbedeutenden Details zu achten. Auch der Zeitverlauf im Roman ist interessant gewählt, hier ist etwas Konzentration gefragt, macht die Geschichte aber umso spannender.

Die Charaktere sind sehr authentisch und lebendig gestaltet, alle Kenner der Slaughter-Bücher haben es mit Altbekannten zu tun. Besonders gelungen ist die Weiterentwicklung der einzelnen Protagonisten, an deren Privat- und Gefühlsleben der Leser seit dem ersten Band beteiligt ist. Will Trent ist ein sehr sympathischer Mann, gradlinig, eher zurückhaltend, dabei ehrgeizig und unbarmherzig, wenn es um Verbrechen geht. Er hat eine ausgezeichnete Spürnase und die Kombinationsgabe, die einen guten Ermittler ausmachen. Doch dieser Fall bringt ihn aus dem Tritt und zerrt an seinen Nerven, denn er bringt Dinge zum Vorschein, die er lieber abhaken würde. Will ist inzwischen mit Sara Linton zusammen, die beiden ergänzen sich hervorragend, jedoch bleibt Sara in diesem Band eher im Hintergrund. Dafür spielt Wills Noch-Ehefrau Angie eine Hauptrolle. Angie ist eine neidische, hasserfüllte und undurchsichtige Frau, die von Anfang an unsympathisch wirkt und ist. Sie ist manipulativ und muss die Fäden in der Hand halten. Sie hat immer für Schwierigkeiten gesorgt. Auch Wills Partnerin Faith ist wieder mit von der Partie und hält Will den Rücken frei bzw. unterstützt ihn, so gut sie kann.

„Blutige Fesseln“ ist wieder ein absolutes MUSS für jeden Slaughter-Fan. Man trifft auf „alte Bekannte“, wobei die Geschichte wunderbar ausgeklüngelt ist. Hier ist wieder Spannung garantiert, ein echter Pageturner, wie man ihn sich erhofft. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 18.11.2016

Von der Liebe zu einem Mann und zum geschriebenen Wort

Worte in meiner Hand
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Amsterdam 1630. Die junge Helena Jans van der Storm kommt aus ärmlichen Verhältnissen, der Vater vermisst auf See, der Bruder heuert auf einem Schiff an. So bleibt sie zurück mit ihrer Mutter und muss ...

Amsterdam 1630. Die junge Helena Jans van der Storm kommt aus ärmlichen Verhältnissen, der Vater vermisst auf See, der Bruder heuert auf einem Schiff an. So bleibt sie zurück mit ihrer Mutter und muss für das gemeinsame Auskommen sorgen. Da sie immer schon wissbegierig war und auch etwas lesen und schreiben kann, bekommt sie eine Anstellung bei dem reichen Buchhändler Sergeant als Magd und in aller Heimlichkeit liest sie Bücher. Als eines Tages der bekannte Philosoph René Descartes als Gast im Hause Sergeant einzieht, verändert sich das Leben von Helena. Sie fühlt sich zu René hingezogen, aber auch Descartes erkennt in der jungen Frau Eigenschaften, die ihn erstaunen und faszinieren und ihn veranlassen, Helena zu fördern. Dabei verlieben sich die beiden und bald darauf wird Helena schwanger. Damit es kein Gerede gibt, verlässt Helena Amsterdam und bringt ihre Tochter Francine in Utrecht zur Welt, René sorgt aus der Ferne für die beiden, doch Helena fühlt sich einsam und verlassen, sie sehnt sich nach dem Mann ihres Herzens. Und dann stirbt Francine…

Guinevere Glasfurd hat mit ihrem Buch „Worte in meiner Hand“ ihr Debüt vorgestellt, einen wunderschönen, poetischen historischen Roman über die halbbiografische Beziehung zwischen Descartes und Helena Jans van der Storm. Der Schreibstil ist wunderschön zu lesen, der Leser wird regelrecht in das Buch hineingesogen, begleitet staunend das Leben von Helena und ist emotional gefangen von der Aussichtslosigkeit dieser Beziehungsgeschichte. Die Autorin hat sowohl den historischen Hintergrund akribisch recherchiert als auch das Leben der beiden Hauptcharaktere genau studiert und verpackt dies auf wundervolle Art und Weise in diesem Roman zu einer sehr anrührenden und gefühlvollen fiktiven Geschichte basierend auf wahren Begebenheiten.

Die Charaktere sind so wunderbar gezeichnet, dass man gar nicht anders kann als mit zu fiebern und zu leiden. Sie wirken so lebendig und authentisch. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Beziehung zwischen einer Magd und einem angesehenen Wissenschaftler gesellschaftlich unmöglich war, kann man als Leser gar nicht anders, als dieser Amour fou zu folgen und sich zu wünschen, es würde enden wie im Märchen. Helena ist zwar in ärmlichen Verhältnissen geboren, doch die junge Frau ist voller Tatendrang und Wissensdurst, sie hört nie auf, sich neues Wissen anzueignen und bewegt sich in Gesprächen gewandt und mutig. Sie verlässt ausgetretene Pfade, denn sie sieht die Welt mit offenen Augen, auch wenn das Schicksal es von Geburt an anders mit ihr meint. René ist zwar in einen anderen Stand geboren, allerdings ist er von Helena gleich fasziniert und erkennt in ihr seine Muse, sein passendes Gegenstück, seine Inspiration. Auch wenn er sich nicht öffentlich zu ihr bekennt, kann er doch nicht von ihr lassen.

Mit „Worte in meiner Hand“ ist Guinevere Glasfurd ein poetisches Meisterwerk gelungen, sie hat den Figuren eine Lebendigkeit verliehen, wie man sie selten in Büchern findet. Durch ihre berührende Erzählweise schleicht sie sich in das Herz des Lesers, der die bittersüße Liebe zwischen Helena und René miterlebt und noch lange in sich trägt. Ein wundervoller historischer Roman, der seinesgleichen sucht. Absolute Leseempfehlung – Chapeau!!!

Veröffentlicht am 18.11.2016

"Schmetterlinge sind wie gute Gedanken..."

Nora und die Novemberrosen
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Die 34-jährige Gärtnerin Nora Dittbrenner ist alleinerziehende Mutter der 7-jährigen Fanny. Gemeinsam mit den drei Ü70-Senioren Udo Kienast, Margarete Segge und Ellie Wagenknecht leben sie unter einem ...

Die 34-jährige Gärtnerin Nora Dittbrenner ist alleinerziehende Mutter der 7-jährigen Fanny. Gemeinsam mit den drei Ü70-Senioren Udo Kienast, Margarete Segge und Ellie Wagenknecht leben sie unter einem Dach in einem Berliner Stadthaus und pflegen eine familiäre Nachbarschaft. Während Nora ihrem Beruf in einem Baumarkt nachgeht, wird Fanny von den drei älteren Herrschaften betreut. Doch dann verliert Nora ihren Job und es trudelt ein Brief vom Vermieter ein, der sämtliche Bewohner in Alarmbereitschaft ruft, denn es sieht fast so aus, als würden sie ihr Dach über dem Kopf verlieren. Um den Kopf frei zu kriegen, machen alle zusammen einen Ausflug aufs Land. Dabei entdecken sie eine lange verlassene Gärtnerei mit einem alten Herrenhaus. Jeder ist von dem Grundstück begeistert und träumt bereits davon, hier leben zu können und das Areal wieder herzurichten. Nachforschungen, wem das Fleckchen Erde wohl gehören mag, bringen keine Ergebnisse, so wird das Grundstück erst einmal annektiert und alle machen sich daran, die Beete und Gewächshäuser wieder instand zu setzen. Durch ihre behördlichen Nachfragen haben sie allerdings Staub aufgewirbelt, der ihnen nun Scherereien einbringt. Kurzerhand entschließen sie sich zu protestieren und ihr Anliegen öffentlich zu machen. Damit treten sie eine Lawine los, welche das Leben aller verändert…

Tania Krätschmar hat mit ihrem Buch "Nora und die Novemberrosen" einen wunderschönen und unterhaltsamen Roman vorgelegt, der sowohl humorvoll als auch sehr feinfühlig erzählt und dem Leser die Gefühle und Emotionen der Protagonisten auf wunderbare Art nahe bringt. Der Schreibstil ist flüssig ebenso wie fesselnd, schon der Prolog holt den Leser ab und lässt ihn während der Handlung immer wieder rätseln, wie das alles aufgeklärt wird. Die Beschreibung der ländlichen Umgebung sowie der alten Gärtnerei ist so lebhaft, dass vor dem inneren Auge ein Bild entsteht mit Blumen und Pflanzen in sämtlichen Schattierungen, Farben und Formen, an dem man sich gar nicht sattsehen kann. Auch die angeschnittenen Themen wie alleinerziehende Mutterschaft, 60er Jahre, Naziverfolgung oder Immobilienhaie finden einen angemessenen und gut verpackten Raum in dieser Geschichte. Dank des wundervollen Erzählstils ist der Leser mittendrin und hautnah dabei.

Bei der Entstehung und Entwicklung der Charaktere beweist die Autorin ein glückliches Händchen, denn die Protagonisten sind fast durchweg sehr sympathisch, dabei so verschieden in ihren Eigenarten und ihren Träumen, das es eine Freude ist, jeden einzelnen kennenzulernen und lieb zu gewinnen. Nora ist eine sympathische Frau, die einen Job hat, der sie nicht befriedigt, dafür aber Geld einbringt, um sich und ihre Tochter über Wasser zu halten. Sie träumt von einem Leben als richtige Gärtnerin, doch die Jobaussichten sind leider sehr schlecht. Tochter Fanny ist ein aufgewecktes Mädchen, die selbst viel Interesse an Blumen und Pflanzen zeigt, aber auch gern Dinge sucht und sammelt. Udo trauert noch immer um seine verstorbene Frau, doch er hat auf einmal ein Geheimnis. Ellie ist eine hervorragende Köchin, die ihre Mitbewohner kulinarisch verwöhnt, dabei mit ihrer kleinen Rente jeden Cent einzeln umdrehen muss und sehr einsam ist, denn sie vermisst ihren Sohn. Margarete ist die Resolute in der WG, sie packt an und scheut keinen Konflikt. Liam, ein englischer Gärtner, ist sehr liebenswert, gibt aber Rätsel auf. Und Frau Tschirch – ja die ist der Teufel in Person.

"Nora und die Novemberrosen" verzaubert durch eine wunderschön erzählte Handlung und lässt den Leser von einem verwunschenen Garten und Erinnerungen an die eigene Kindheit träumen. Ein Roman für alle, die Geschichten aus dem wahren Leben lieben. Absolute Leseempfehlung!!!