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Veröffentlicht am 03.10.2019

Historische Zeitreise mit Frauenpower

Die Charité: Aufbruch und Entscheidung
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1903 Berlin. Nach ihrer medizinischen Ausbildung in Zürich tritt die Jüdin Dr. Rahel Hirsch als erste Ärztin an der Berliner Charité ihren Dienst an. Sie lebt für ihre Berufung und auch für die medizinische ...

1903 Berlin. Nach ihrer medizinischen Ausbildung in Zürich tritt die Jüdin Dr. Rahel Hirsch als erste Ärztin an der Berliner Charité ihren Dienst an. Sie lebt für ihre Berufung und auch für die medizinische Forschung, was ihr die Unterstützung ihres Chefs sichert, aber ihr keinerlei Lohn einbringt. Allerdings sehen die männlichen Kollegen dies nicht gern, sie lassen Rahel oft genug spüren, dass sie „nur“ eine Frau in einer bisher männlichen Domäne ist und eigentlich nicht dorthin gehört. Aber auch ihr jüdischer Glaube steht ihr im Weg und schürt Vorurteile sowie abweisendes Verhalten. Währenddessen arbeitet die Arbeiterin Barbara Schubert in der Wäscherei des Krankenhauses, um den Lebensunterhalt für sich, ihre Tante Marlene und deren Sohn Franz zu sichern, denn sie leben in ärmlichen Verhältnissen. Als Marlene vergewaltigt wird, ist das Maß für Barbara voll und sie wird ein Mitglied der Frauenbewegung, um für bessere Bedingungen zu kämpfen. Dabei lernt sie eines Tages zufällig Rahel Hirsch kennen und schon bald entsteht eine enge Freundschaft, die für beide Frauen schicksalshaft ist…
Ulrike Schweikert hat mit "Die Charité - Aufbruch und Entscheidung" den zweiten Teil ihrer Charité-Reihe vorgelegt, die dem ersten Band an Spannung, gut recherchiertem historischen Hintergrund und einer dichten Handlung sowie der Verflechtung von Wahrheit und Fiktion in nichts nachsteht. Die Autorin hat einen flüssigen, bildhaften, gefühlvollen und fesselnden Schreibstil, der den Leser sofort in ein vergangenes Zeitalter katapultiert und die Geschichte lebhaft miterleben lässt. An der Seite von Rahel aber auch von Barbara erfährt der Leser die respektlose und herabwürdigende Umgangsform von Männern, die arrogante und selbstherrliche Art, Frauen als minderwertige Sklaven zu behandeln, die den Männern gefälligst zu Diensten zu sein haben. Wie gut, dass es Frauen gab, die diese Zustände nicht mehr hinnehmen wollten und für Wahlrecht, Freiheit und Selbstbestimmung auf die Straße gingen. Die Autorin hat akribische Recherche betrieben und versorgt ihre Leser in dieser Geschichte nicht nur mit belegten historischen und politischen Fakten sowie gesellschaftlichen Veränderungen, die mit der Handlung sehr gut verwoben sind, sondern auch mit medizinischem Wissen. Die Stimmung am Krankenhaus wird ebenso gut eingefangen wie das sehr unterschiedliche Leben der beiden Protagonistinnen. Wechselnde Erzählperspektiven steigern die Spannung zusätzlich und lassen die Geschichte sehr lebendig und kurzweilig erscheinen.
Die eindrucksvollen Charaktere wurden mit menschlichen Stärken und Schwächen liebevoll erschaffen und mit Leben versehen. Sie wirken durchweg sehr glaubwürdig und realitätsnah, so dass sich der Leser gut an ihre Fersen heften und sich mit ihnen identifizieren kann. Dr. Rahel Hirsch ist Jüdin und dieser „Makel“ klebt an ihr. Aber sie ist ebenso eine Frau in einer männlich-beherrschten Ärztewelt, die von ihr einiges an Stärke und Mut verlangt, um sich durchzusetzen, aber auch zu widersetzen. Sie ist eine sympathische Frau, die sich ganz ihrer Berufung verschrieben hat, aber auch eine sanfte Seite besitzt. Barbara ist eine Kämpfernatur, denn sie lebt mit ihrer Familie in Armut, deshalb kann sie gar nicht anders, als die Ärmel hochkrempeln und für ein besseres Leben auf die Straße zu gehen. Aber auch Dr. Theodor Brugsch, Michael Frankl, der Stummfilmstar Asta Nielsen sowie Melli Beese oder auch Karl Liebknecht haben ihre berechtigten Auftritte innerhalb der vielseitigen und tiefgründigen Handlung.
"Die Charité - Aufbruch und Entscheidung" überzeugt mit einer gefühlvollen und spannenden Geschichte, einem akribisch recherchierten historischen und politischen Hintergrund sowie einer außerordentlichen Verflechtung von Fiktion und Wahrheit. Ein Roman, der das Kopfkino anspringen lässt und der Leser eine Zeitreise antreten darf. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 03.10.2019

"Familie bedeutet für den Rest deines Lebens nie wieder allein zu sein."

Wo sich die Sterne spiegeln
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Nachdem Jerry gestorben ist, enthüllt sich nicht nur seinem Vater Alberto Alfresco die unverblümte Wahrheit über seinen Sohn. Jerry hinterlässt drei Kinder von drei Müttern, die er allesamt sitzengelassen ...

Nachdem Jerry gestorben ist, enthüllt sich nicht nur seinem Vater Alberto Alfresco die unverblümte Wahrheit über seinen Sohn. Jerry hinterlässt drei Kinder von drei Müttern, die er allesamt sitzengelassen und sich nie um seine Kinder gekümmert hat. Malcolm, der Älteste kam schon im Alter von 12 Jahren mit seiner Mutter in Albertos Haus in Seattle und leitet nun das Familienunternehmen „Alberto’s Alfresco“, aber sowohl die 12-jährige Keira als auch die 28-jährige Callie werden erst durch Nachforschungen gefunden und leben nun mit Malcolm, seinem Großvater und der Haushälterin Carmen in einer Riesenvilla am See und müssen sich erst an die neuen Umstände gewöhnen. Da sind Missverständnisse vorprogrammiert, zumal jeder der drei sein eigenes Päckchen zu tragen hat und Geschwisterliebe erst einmal erlernt werden muss, damit aus ihnen allen eine glückliche Familie werden kann…
Susan Mallery hat mit „Wo sich die Sterne spiegeln“ wieder einem absoluten Pageturner vorgelegt, der den Leser von Beginn an verzaubert und bis zum Ende der Geschichte nicht mehr loslässt. Der Erzählstil ist flüssig und gefühlvoll, schon ab der ersten Seite wird der Leser mitten ins Geschehen gebeamt und darf sich in dem Familiensitz der Alfrescos im wunderschönen Seattle niederlassen, wo er nach und nach die einzelnen Mitglieder kennen und lieben lernt. Die Autorin hat eine ganze Reihe von Themen in ihrer Handlung einfühlsam und glaubwürdig verwebt, so geht es nicht nur um einen Mann, der keinerlei Interesse an seinen Kindern hatte und dessen Auswirkungen, sondern es geht auch um die Hürden, die man für einen Neuanfang nach einer Gefängnisstrafe nehmen muss sowie den Willen, Vertrauen zu schenken und sich auf neue Situationen einzulassen, wenn das Leben sie anbietet. Auch die zwischenmenschlichen Beziehungen kommen nicht zu kurz, denn Malcolm, Keira und Callie müssen sich erst einmal aneinander gewöhnen und sich kennenlernen. Die erlebten Schicksalsschläge der einzelnen Geschwister treffen mitten ins Leserherz und schaffen Nähe. Natürlich darf auch die Liebe nicht fehlen, die sich in zwei Liebesgeschichten, aber auch in der wachsenden Vertrautheit zwischen den Geschwistern wiederfindet.
Die Charaktere sind sehr detailliert und liebevoll skizziert, aufgrund ihrer glaubhaften Ecken und Kanten wirken sie durchweg sehr realistisch und lebensecht. Der Leser kann mit ihnen fühlen und ihre Gedanken und Stimmungen nachvollziehen. Malcolm ist ein intelligenter und zurückhaltender Mann, der oftmals nüchtern und einschüchternd wirkt. Er kann seine Gefühle nur schwer zeigen und mehr als einmal drückt er sich auch unverständlich aus. Aber er ist lernfähig und bemüht, immer das Richtige zu tun. Seine Unsicherheit in Bezug auf seine Schwestern ist wunderbar beschrieben ebenso wie seine wachsende Liebe zu ihnen. Keira ist für ihre 12 Jahre schon sehr erwachsen, aber ihr blieb nach dem Tod der Mutter und einem Leben in einer Pflegefamilie auch nichts anderes übrig. Ihre ständige unterschwellige Angst, erneut ihr Zuhause zu verlieren, schnürt dem Leser den Hals zu. Ihr Interesse für Mode und die Liebe zu ihrer Katze offenbaren eine zarte Seele mit einem guten Blick für ihre Mitmenschen. Callie ist eine Frau, die durch eine falsche Entscheidung einige Jahre ihres Lebens eingebüßt hat. Sie ist zäh, kann sich durchbeißen, hat eine rebellische Ader, aber sie ist auch eine mutige und starke Person, die die beschützt, die sie liebt. Sie muss erst lernen, dass auch sie etwas Glück verdient hat. Aber auch Delaney, Santiago, Carmen, Alfredo oder Helen haben durchaus spannende Auftritte und machen die Handlung rundum abwechslungsreich und spannend.
„Wo sich die Sterne spiegeln“ ist eine wunderbare Geschichte über Familie, Schicksalsschläge, neue Verbindungen, neue Chancen und natürlich über die Liebe. Absolute Leseempfehlung für einen Pageturner mit Tiefgang, der mitten ins Herz geht! Einfach wunderbar!

Veröffentlicht am 03.10.2019

Himmelsbegegnungen

Wer im Himmel auf dich wartet
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Als sie sich nach langer Zeit wiedertreffen, verlieben sich die 31-jährige Krankenpflegerin Annie und ihr alter Schulfreund Paulo ineinander und gehen die Ehe ein. Bereits zu Beginn ihrer Flitterwochen ...

Als sie sich nach langer Zeit wiedertreffen, verlieben sich die 31-jährige Krankenpflegerin Annie und ihr alter Schulfreund Paulo ineinander und gehen die Ehe ein. Bereits zu Beginn ihrer Flitterwochen kommen sie einem Ballonfahrer zur Hilfe, der eine Reifenpanne hat. Dieser gibt ihnen zum Abschied seine Visitenkarte und lässt daraufhin bei Annie und Paulo den Wunsch entstehen, eine Ballonfahrt zu unternehmen. Doch der Ausflug endet mit einem Absturz und der Tragödie, dass Annie stirbt und im Himmel landet, während Paulo noch auf der Erde weilt. Doch der Himmel hält einige Überraschungen bereit, denn Annie trifft dort auf fünf Menschen, die in ihrem Leben eine einschneidende Rolle gespielt haben…
Mitch Albom hat mit „Wer im Himmel auf dich wartet“ einen unterhaltsamen und gefühlvollen Roman vorgelegt, der zum Nachdenken anregen soll und gleichzeitig sehr an seinen ersten Roman „Fünf Menschen, die dir im Himmel begegnen“ erinnert, der allerdings um einiges intensiver zu lesen war. Während es im ersten Buch um Eddie ging, so fokussiert sich das Hauptaugenmerk in dieser Geschichte auf Annie. Der Erzählstil ist einfühlsam, flüssig und oftmals auch poetisch zu nennen. Der Autor stellt der Handlung einige Was-wäre-wenn-Fragen gegenüber, um anhand ihrer die Situation von allen Seiten zu beleuchten, aber auch die Wichtigkeit und den Einfluss zu untermauern, die jede der Personen in ihrem Leben inne hatte, auf die Annie im Himmel trifft. Gleichzeitig lenkt er Annies Blick auch auf ihre falschen Entscheidungen oder Handlungen, aber auch auf Momente in ihrem Leben, die schmerzhaft waren. Die Darstellung, wie alles miteinander zusammenhängt und sich das Leben in eine gewisse Richtung entwickelt, ist dem Autor gut gelungen. Ebenso interessant ist wieder der flüssige Wechsel der verschiedenen Blickwinkel, denn der Leser erfährt gleichzeitig auch, was „unten auf der Erde“ weiterhin vor sich geht.
Die Charaktere sind liebevoll gezeichnet und lassen sich innerhalb der Handlung vom Leser gut verfolgen. Allerdings besteht zwischen dem Leser und der Hauptprotagonistin Annie immer ein gewisser Abstand, der wohl aufgrund ihrer Selbstgeißelung und ihres Selbstmitleids zurückzuführen ist. Dem Autor ist es allerdings gelungen, die Emotionen sehr gut zu beschreiben, so dass sie sich teilweise auf den Leser übertragen.
„Wer im Himmel auf dich wartet“ ist ein Buch mit spiritueller Botschaft, dass alles im Leben aus einem bestimmten Grund geschieht und Folgen nicht nur auf das eigene Leben, sondern auch auf das der anderen hat. Ganz unterhaltsam, aber nicht so gut, wie das erste Buch des Autors.

Veröffentlicht am 29.09.2019

"Ein ganz klein wenig Süßes kann viel Bitteres verschwinden machen." (Francesco Petrarca)

Der Geschmack unseres Lebens
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Die alleinerziehende Ella Donati hat schon seit ihrem 5. Lebensjahr schwer an dem geheimnisvollen Tod ihrer Mutter zu knabbern, trotzdem kümmert sie sich liebevoll um ihren schwerkranken Vater, während ...

Die alleinerziehende Ella Donati hat schon seit ihrem 5. Lebensjahr schwer an dem geheimnisvollen Tod ihrer Mutter zu knabbern, trotzdem kümmert sie sich liebevoll um ihren schwerkranken Vater, während sie ihr eigenes Leben hinten anstellt. Als die seit Jahrzehnten in Familienhand geführte Haselnussplantage nach dem Tod des Vaters zwangsversteigert werden muss und sie dadurch ihr Zuhause verliert, bricht Ellas Herz endgültig entzwei. Doch für ihre Kinder will sie stark sein und eröffnet eine kleine Chocolaterie, wo sie mit Hilfe der alten Rezepte ihrer Mutter und vielen eigenen Ideen für wundervolle Köstlichkeiten ihren Kunden deren Sinne und Gaumen verführt. Ihrer Mutter zu Ehren hat sie jedes Jahr eine neue Praline entwickelt, so finden sich mittlerweile 32 Geschmacksrichtungen im Sortiment. Als Fremde sowohl die Haselnussplantage als auch ihr altes Elternhaus erwerben und sich dort einrichten, aber auch ihr Bruder Danilo vom Militär zurückkehrt, kommt die Vergangenheit wieder an die Oberfläche und in Ellas Leben so einige Aufregung…
Julia Fischer bietet dem Leser mit ihrem neuen Roman „Der Geschmack unseres Lebens“ nicht nur eine zauberhafte Reise ins piemontesische Alba an und verwöhnt ihn mit dem Duft der italienischen Landschaft sowie mit sinnlichen Gaumenfreuden, sondern teilt mit ihm auch eine tiefgründige Geschichte, die von vielen persönlichen und emotionalen Momenten aus dem Leben der Autorin durchsetzt ist. Der Schreibstil ist flüssig, gefühlvoll, farbenfroh und vor allem in vieler Hinsicht poetisch, der Leser wird von den Worten regelrecht hypnotisiert, findet sich gedanklich im zauberhaften Italien wieder und begegnet mit Ella einer Frau, die allein mit ihrem Wesen das Herz sofort erobert. Unterschiedliche Perspektiven, alte Briefe und eingeschobene Rückblenden über die Vergangenheit entblättern nach und nach die unterschiedlichsten Geheimnisse. Gleich einem wunderbaren Kinofilm laufen vor dem inneren Auge bei den Landschaftsbeschreibungen sowie beim Eselrennen oder beim Baden der Neun Szenen ab, die sich in die Netzhaut brennen und sich dort noch nachhaltig spiegeln, wenn das Buch bereits beendet ist. Die Autorin schildert das Leben in all seinen Facetten, denn es besteht nicht nur aus Schokolade und süffigem Rotwein, sondern zeigt auch seine hässliche Fratze in Form von Verlust, Krankheit, Tod oder Neid.
Die Charaktere werden liebevoll mit individuellen Ecken und Kanten detailreich präsentiert, so dass sie wie aus dem Leben gegriffen wirken, Glaubwürdigkeit und Authentizität besitzen und sich so schnell im Herz des Lesers einnisten. Ella ist eine Frau, die in ihrem Leben so manch bittere Pille und schweren Schicksalsschlag durchmachen musste. Sie ist eine starke und impulsive Frau, die anpacken kann und sich nicht unterkriegen lässt. Sie hat ein großes Herz, vergisst dabei aber oftmals sich selbst. Aber sie hat auch eine verletzliche Seite, die sie vor anderen verborgen hält. Danilo ist durch seine Militäreinsätze traumatisiert. Zudem hat er jahrelang Dinge vor Ella verborgen, um sie zu schützen. Michele ist ein herzlicher, zuversichtlicher und in sich ruhender Mann, der sich seinen Traum erfüllt hat und sein Leben genießt. Mahesh ist Ella ein enger Freund und sorgt mit seinem Liebesleben für einige Aufregung. Pippa ist eine Karrierefrau, die zu spät erkennt, wie sehr sie sich von ihrem Ehemann entfernt hat. Salvatore ist Ellas väterlicher Freund, der mit seiner Lebenserfahrung und seiner positiven Art das Herz des Lesers im Sturm erobert. Aber auch Sophia, Andrea und die Neun sind zauberhaft gezeichnet und ihre Auftritte in dieser gefühlvollen Geschichte bleiben unvergessen.
„Der Geschmack unseres Lebens“ enthält eine Geschichte, die der Leser so schnell nicht vergisst. Sie spricht nicht nur das Herz an, sondern lässt den Leser auch indirekt am persönlichen Leben der Autorin teilhaben, während man eine gedankliche Reise ins herrliche Italien unternimmt, um sich dort von undenkbaren Köstlichkeiten die Sinne vernebeln zu lassen. Achtung: nicht schlingen, sondern jede Sekunde genießen! Absolute Leseempfehlung!!!

Veröffentlicht am 29.09.2019

Jetzt schlägt Silvies Stunde der Wahrheit

Die Schwestern vom Ku'damm: Wunderbare Zeiten
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1952 Berlin. Deutschlands Wirtschaftswunder beschert dem Kaufhaus der Familie Thalheim steigende Geschäftszahlen. Es wird von der Bevölkerung gut besucht, das Sortiment wird ständig erweitert. Grund genug ...

1952 Berlin. Deutschlands Wirtschaftswunder beschert dem Kaufhaus der Familie Thalheim steigende Geschäftszahlen. Es wird von der Bevölkerung gut besucht, das Sortiment wird ständig erweitert. Grund genug für Rike, ihre Prioritäten neu zu setzen und sich etwas mehr auf ihre eigene Familie zu konzentrieren. Schwester Silvie liebt ihre Stelle als Rundfunkredakteurin beim RIAS und hat mit einem eigenen Sendungskonzept Erfolg. Das Familienkaufhaus spielt bei ihr keine große Rolle. Als ihr Zwillingsbruder Oskar nach 7 Jahren aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause zurückkehrt, soll er dem Wunsch des Vaters Friedrich entsprechend, in die Leitung des Kaufhauses einzusteigen, obwohl Rike all ihre Kraft und auch ihr Geld in den Wiederaufbau gesteckt hat. Oskar hat mit der Arbeit nicht viel am Hut, eher ist er den nächtlichen Vergnügungen und dem Geldrauswerfen zugetan, hat er doch Nachholbedarf nach den zehrenden Kriegsentbehrungen und mit all seinen Dämonen im Kopf. Eigentlich sollte Silvie Rike beistehen, doch Oskar ist sie durch die Geburt mehr verbunden, so dass sie sich nicht einmischen möchte. Als das Kaufhaus durch Oskars Eskapaden in eine Schieflage gerät, ist es ausgerechnet Silvie, die sich der Herausforderung stellt und sich für die Familie und das Kaufhaus einsetzt…
Brigitte Riebe hat mit „Wunderbare Zeiten“ die Fortsetzung ihrer Ku’damm-Trilogie um die 3 Thalheim-Schwestern vorgelegt und wieder einmal einen Pageturner zum Niederknien hingelegt. Der Schreibstil ist flüssig-leicht, atmosphärisch-dicht, bildhaft und gefühlvoll, der Leser wird direkt in die Handlung hineingeworfen, darf sich erneut als unsichtbarer Gast unter die Familie Thalheim mischen, um deren Geschicke hautnah mitzuerleben und sich von den unterschiedlichsten Alltagsdramen fesseln lassen. Die Autorin hat wieder einmal exzellent recherchiert und den historischen Hintergrund mit ihrer Geschichte verwoben, so dass der Leser sich bei der Lektüre zeitversetzt wähnt in die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders, der politischen Lage, der Teilung Deutschlands und die Wiederaufbauphase von Berlin, während in seinem Kopf regelrecht ein Film abläuft und man die alten Songs von Elvis, Bill Ramsey und Peter Kraus im Kopf hat. Die Hauptrolle des Romans steht diesmal der mittleren Schwester Silvie zu, die keinerlei Ambitionen hat in Bezug auf das Kaufhaus. Riebe lässt die zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Familie wunderbar lebendig werden und zeigt den Zusammenhalt dieses Konstrukts auf, wenn es hart auf hart kommt. Auch der Rolle der Frau zum damaligen Zeitpunkt lässt sie eine Entwicklung zukommen, Silvie verkörpert hier den Typ der selbstbewussten und modernen Frau mit eigenem Beruf und selbständigen Entscheidungen.
Die Charaktere wurden nicht nur individuell ausgestaltet, sondern auch mit viel Leben versehen. Sie wirken durchweg glaubwürdig und realitätsnah, wodurch sie sich in das Herz des Lesers stehlen, ihn in ihre Mitte nehmen und ihn an ihrem Leben teilhaben lassen, wobei er auch die gesamte emotionale Bandbreite miterlebt, durch die Protagonisten mitmachen. Silvie ist eine selbstbewusste und starke Frau, die auch mal schwach wird, sich aber immer wieder auf die Beine kämpft und für die Dinge einsteht, die ihr wichtig sind. Sie ist ein Freigeist, versprüht eine Lebenslust und einen Optimismus, der den Leser einfach für sie einnehmen muss. Oskar hat die Kriegsgefangenschaft überlebt und will nun nicht nur alles nachholen, was er verpasst hat, sondern kämpft auch gegen die hässlichen Bilder in seinem Kopf an, die ihm vom Krieg und den Erlebnissen geblieben sind. Rike ist eine Kämpferin und eine gute Geschäftsfrau, doch ihre Prioritäten verschieben sich aufgrund ihrer Ehe. Miriam ist Jüdin und eine enge Freundin der Thalheim-Schwestern. Sie ist ein kreativer Kopf und zaubert die schönsten Kleider. Florentine ist die jüngste Thalheim, die so langsam erwachsen wird und ihre Grenzen austestet. Aber auch Wanja oder Vater Friedrich spielen in diesem Buch eine Rolle, die nicht zu unterschätzen ist.
„Wunderbare Zeiten“ ist wieder einmal ein Highlight im Kreise der Familie Thalheim. Brigitte Riebe bringt ihre Leser/Innen wieder nächtelang um den Schlaf, weil man sich nicht von den ans Herz gewachsenen Protagonisten trennen möchte. Mit viel Liebe zum Detail bekommt man nicht nur eine wunderbare und gefühlvolle Handlung präsentiert, sondern darf auch eine Zeitreise in die Berliner Nachkriegszeit und den Wiederaufbau antreten. Wieder einmal gilt – nicht nur gekonnt, sondern geradezu grandios erzählt. Ein absoluter Lesegenuss - Chapeau!