"Man soll vor allem Mensch sein und dann erst Arzt." (Voltaire)
Tage in WeißSchon die Ausbildung zum Arzt ist nicht nur abwechslungsreich, sondern auch nur etwas für starke Nerven und Menschen mit Durchhaltevermögen gepaart mit Idealismus. Das Sezieren von Toten zum Studium der ...
Schon die Ausbildung zum Arzt ist nicht nur abwechslungsreich, sondern auch nur etwas für starke Nerven und Menschen mit Durchhaltevermögen gepaart mit Idealismus. Das Sezieren von Toten zum Studium der Anatomie und der Bestimmung von Krankheiten ist nichts für schwache Nerven, aber auch die Assistenzzeit und die Arbeit auf der Intensivstation sowie der Notaufnahme bedeutet viele lange Dienstzeiten mit schlaflosen Nächten, immer in Bereitschaft, dem nächsten Notfall gerecht zu werden und helfen zu können. Dabei sieht man so viele verschiedene Schicksale und muss auch noch die Kraft haben, den Kranken Mut zuzusprechen oder den Angehörigen eine Todesnachricht zu überbringen, wobei man das gesamte Gefühlsbarometer miterlebt und doch genügend Abstand haben muss, um dies nicht an sich herankommen zu lassen.
Rainer Jund hat mit „Tage in Weiß“ einen interessanten Roman vorgelegt, der eigentlich eher eine Ansammlung von Erfahrungen aus dem Alltag eines HNO-Arztes wiedergibt und die Erlebnisse des Autors wiederspiegelt. Der Erzählstil ist eher pragmatisch und sachlich zu nennen, kurze und prägnante Sätze leiten den Leser durch die unterschiedlichsten Patientenbegegnungen, die meist zu Herzen gehen, aber auch manchmal Kopfschütteln hinterlassen angesichts der Tatsache, dass mancher Kranke schon im Vorfeld mit eigener Diagnose oder eigenen Vorstellungen einer Behandlung beim Arzt erscheint, unbelehrbar ist und dem Arzt nicht zuhören will. Einzelne Schicksale gehen dem Leser dagegen regelrecht ans Herz, wobei auch der Autor bei seiner Schilderung einen Anflug von Gefühlen erkennen lässt. Die immer wieder auftauchende norwegische Ärztin, die das Herz des Autors zum Vibrieren bringt und nach vielen Jahren in einer glücklichen Familie endet, bildet den Gegenpart zum Klinik- und Behandlungsalltag. Die Beschreibungen mancher Behandlungs- und Operationsmethoden ist nicht unbedingt etwas für schwache Nerven, wenn man im Hinterkopf hat, dass es sich dabei um Menschen wie Du und ich handelt und uns allen so etwas zu Teil werden könnte.
„Tage in Weiß“ ist ein Buch, das nicht nur die Gefühle und das Verhalten von Patienten und Ärzten aufzeigt, sondern auch einen guten Einblick in den Klinikalltag gibt und beim Leser mehr Verständnis weckt für diesen harten Beruf, der dem Ausübenden einiges abverlangt und uns allen im besten Wissen und Gewissen oftmals das Leben rettet. Sehr empfehlenswert!