Mehr Klischee geht eigentlich nicht mehr.
Blood Orange - Was sie nicht wissenMit „Blood Orange. Was sie nicht wissen“ legt Harriet Tyce ihr gelobtes Debüt als Thrillerautorin vor. Der Diana-Verlag brachte diesen 384-seitigen Roman im Oktober 2019 in deutscher Übersetzung heraus.
Alison ...
Mit „Blood Orange. Was sie nicht wissen“ legt Harriet Tyce ihr gelobtes Debüt als Thrillerautorin vor. Der Diana-Verlag brachte diesen 384-seitigen Roman im Oktober 2019 in deutscher Übersetzung heraus.
Alison ist eine erfolgreiche Londoner Anwältin. Als ihr das Mandat in einem Mordfall übertragen wird, bedeutet dieses einen weiteren Schritt auf der Karriereleiter: Madeleine soll ihren Mann umgebracht haben, doch Alison ist von ihrer Schuld nicht überzeugt. Ihre Recherchen fördern immer mehr Parallelen zwischen dem Leben dieser beiden Frauen zutage. Zeitgleich kämpft Alison aber auch mit privaten Problemen: Der Spagat zwischen ihrer beruflichen Karriere und ihrer Rolle als Mutter fällt ihr schwer, sie verliert sich in Alkoholexzessen und einer Affäre mit ihrem Kollegen. Als sie dann noch anonyme Nachrichten erhält, die ihr mit Enthüllung drohen, spitzt sich die Lage für die Anwältin zu.
Um es vorweg zu schreiben: Überzeugen konnte Harriet Tyce mich mit ihrem Thriller, der eher einem Spannungsroman gleicht, leider nicht, und die durchaus positiven Resonanzen sind für mich ganz und gar nicht nachvollziehbar.
Positiv sei angemerkt, dass sich dieses Buch flüssig lesen lässt, insgesamt ein Rundes, Ganzes ergibt, und juristische Fragen, die den Roman durchziehen, von guter Recherche zeugen; Letzteres ist allerdings auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Autorin einige Jahre als Prozessanwältin praktizierte. Diese Punkte sind dann auch der Grund, weshalb ich diesem Buch zwei von fünf Lesesternen „verleihe“.
Inhaltlich konnte ich dem Buch indes nichts abgewinnen: Die Autorin spielt zu sehr mit Klischees, die sich am Ende bestätigen: Die Frauen in diesem Roman begehen zwar alle mehr oder weniger kleine Fehler, zumindest erscheinen diese im Lichte der Verfehlungen der Männer so, stehen aber am Ende des Romans als Opfer ihrer dominanten, gewalttätigen Männer da. Hier werden eindeutig althergebrachte Rollenklischees, die durchaus eine wahre Basis haben, transportiert. Verstärkt wird dieser Eindruck auch durch die Charaktereigenschaften, die den Figuren zugordnet werden: Die Frauen sind naiv, voller Selbstzweifel und lassen alles mit sich machen, ohne auch nur, bis kurz vor Schluss, sich zur Wehr zu setzen. Und auch die „Flucht“ aus ihrer Opferrolle hinterlässt einen mehr als bitteren Beigeschmack, denn Mord oder unterlassene Hilfeleistung können und dürfen keine Option sein, dieser Rolle zu entfliehen. Somit entlässt der Thriller auch in dieser Hinsicht Leserinnen und Leser mit moralisch zweifelhaften Lösungen.
Über weite Strecken habe ich mich gefragt, wie Alison und ihre Kolleg/innen es schaffen, ihren Berufsalltag erfolgreich zu meistern, scheinen doch Alkohol und Affären fast einen größeren Raum einzunehmen als saubere juristische Arbeit.
Die Verbrechen an sich werden am Ende zufriedenstellend aufgeklärt, jedoch entbehren die Ermittlungsarbeiten, die zugegebenermaßen nicht im Zentrum des Thrillers stehen, jeglicher Professionalität. Am Ende stand ich vor der Frage, ob Untersuchungen überhaupt stattgefunden hatten.
Schließlich stellt sich die Frage, für wen dieser Thriller eigentlich geschrieben wurde: meiner Meinung nach für Frauen, die sich selbst in der Opferrolle sehen und vermeintlich einfach, eindimensionale Lösungen suchen. Einblicke in das Sexualleben der Protagonistin befriedigen zudem voyeuristische Gelüste.
Auf mich wirkt das Buch insgesamt eher „billig“, sodass ich es zur Lektüre nicht weiterempfehlen kann – zumindest nicht dann, wenn man von einem Roman mehr als Sex, Crime und Klischeedenken erwartet.