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Veröffentlicht am 11.09.2019

Die etwas andere Art, Familie und Beruf in Einklang zu bringen.

Achtsam morden
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Achtsamkeit und Mord – auf den ersten Blick scheinen diese Elemente nicht zusammenzupassen. Dennoch gelingt es Karsten Dusse in seinem 416-seitigen Roman „Achtsam morden“, der im Juni 2019 bei Heyne erschienen ...

Achtsamkeit und Mord – auf den ersten Blick scheinen diese Elemente nicht zusammenzupassen. Dennoch gelingt es Karsten Dusse in seinem 416-seitigen Roman „Achtsam morden“, der im Juni 2019 bei Heyne erschienen ist, diese auf unterhaltsame Weise miteinander in Einklang zu bringen.
Der Untertitel des Romans lautet „Ein entschleunigter Kriminalroman“. Ein klassischer Kriminalroman ist er jedoch nicht, denn es fehlen einfach Ermittlungsarbeiten mit den ihnen immanenten Fragezeichen. Auch „entschleunigt“ passt nur bedingt, geht es an einigen Stellen sogar rasant zu. Eher haben wir hier eine Satire, eine humorvolle Betrachtung des Themas „Achtsamkeit“ vor uns, welche die Achtsamkeit sozusagen ad absurdum führt. So sieht sich der Autor in seinem „Dank“ dann auch verpflichtet zu betonen, dass ihm „Achtsamkeit – bei allem Humor – wichtig ist.“ (S. 414)
Björn Diemel ist ein eher mäßig erfolgreicher Anwalt. Sein einziger Mandant ist Dragan, der Kopf eines örtlichen Verbrechersyndikats. Da Dragan immer wieder für Schwierigkeiten sorgt, ist sein Verteidiger mit Arbeit mehr als ausgelastet. Seine Frau, Katharina, stellt ihm schließlich ein Ultimatum: Um seine Familie zu retten, muss er seine Work-Life-Balance in den Griff kriegen und wird zu einem Achtsamkeitsseminar verdonnert. Dieses fruchtet dann auch recht bald, und nachdem Björn das Thema „Dragan“ auf seine neue, achtsame Art und Weise gelöst hat, wird er selbst zum Kopf des Syndikats. Dabei helfen die Regeln der Achtsamkeit ihm, auch diesen Job zu meistern – und sich dennoch um seine Familie kümmern zu können.
Geschrieben ist der Roman aus der Perspektive eines Ich-Erzählers, des Anwalts Björn Diemel. Das Buch gehört also zu den eher seltenen Vertretern, in denen der Täter selbst seine Geschichte erzählt.
Die Idee an sich, Achtsamkeit dazu zu nutzen, um auf etwas brutalere Art das Leben in den Griff zu kriegen, ist witzig. Sehr gut hat der Autor dieses in der ersten Hälfte des Romans umgesetzt: Mit viel schwarzem Humor und Wortwitz schildert er, wie Björn sich von der Last der Arbeit befreit. Auch Stellen, die ans Herz gehen, fehlen hier nicht, wenn der Anwalt und Vater sich z.B. rührend um seine Tochter kümmert … und dabei achtsam andere aus dem Weg räumt. Leider nutzt sich in der zweiten Hälfte der Humor allmählich ab, streckenweise hatte ich das Gefühl, als bestehe der Witz nur noch darin, andere zu foltern oder zu schlagen. Brutal sind diese Schilderungen nicht, erinnern aber irgendwie an alte Filmkomödien: Gib ihm noch eins drauf, dann lachen alle.
Jedes Kapitel wird von einer Achtsamkeitsregel eingeleitet; anschließend wird diese Regel anhand des Geschehens erklärt bzw. in die Praxis umgesetzt. Dabei birgt es eine Menge Ironie in sich, dass ebendiese Grundsätze benutzt werden, um zu morden. Darüber hinaus bieten die Achtsamkeitssätze den Leserinnen und Lesern natürlich auch eine Menge Stoff zum Sinnieren, sodass man sich unwillkürlich mit diesen auseinandersetzt, sein eigenes Verhalten reflektiert und bestimmt auch Neues lernt.
Der Autor schreckt auch nicht davor zurück, Kritik an verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen und Begebenheiten zu üben, wenn z.B. die Schwierigkeiten beim Ergattern eines Kindergartenplatzes aufs Tapet gebracht werden.
Sprachlich ist dieses Werk flott und flüssig zu lesen, der Autor wählt, passend zur Erzählperspektive, einen „Plauderton“, was beim Lesen das Gefühl gibt, alles aus erster Hand erzählt zu bekommen.
Die Charaktere sind anschaulich und wandelbar gestaltet. Eher unsympathisch war mir Björns Ehefrau, da sie dem Klischee einer Frau entspricht, die versorgt sein will, aber selber wenig bereit ist zu handeln.
Insgesamt hat mich dieser Roman gut unterhalten und zum Nachdenken animiert. Allerdings verliert der Humor in der zweiten Romanhälfte sehr an Reiz und das Ende kommt recht abrupt, sodass ich dem Buch alles in allem dreieinhalb von fünf Lesersternen verleihe. Trotz allem ist es aber eine lesenswerte Lektüre.

Veröffentlicht am 05.09.2019

Das Geheimnis des Kastanienmanns

Der Kastanienmann
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Als Drehbuchautor schon bekannt, legt Søren Sveistrup mit „Der Kastanienmann“ nun auch sein Thrillerdebüt vor. In Deutschland ist dieser in Dänemark als Bestseller gefeierte, 608-seitige Roman im August ...

Als Drehbuchautor schon bekannt, legt Søren Sveistrup mit „Der Kastanienmann“ nun auch sein Thrillerdebüt vor. In Deutschland ist dieser in Dänemark als Bestseller gefeierte, 608-seitige Roman im August 2019 bei Goldmann erschienen.
Ich habe dieses Jahr schon mehrere Krimis oder Thriller aus dem Norden mit dem Prädikat „Bestseller“ gelesen – und war doch eher enttäuscht. Nicht so jedoch bei diesem Buch.
Naia Thulin und ihr neuer Kollege Mark Hess, der gerade von Europol „freigestellt“ wurde, werden an einem unwirtlichen Herbstabend in Kopenhagen zu einem verstörenden Tatort gerufen. Das Opfer ist eine junge Frau, die auf brutale Art ermordet wurde; über ihr hängt ein kleines Kastanienmännlein. Zurück lässt sie Kind und Lebensgefährten. Die Ermittler/innen tappen im Dunkeln, scheint es sich hier doch um eine fast perfekte Familie gehandelt zu haben. Dann aber finden sie auf einer Kastanie den Fingerabdruck von der vor einem Jahr entführten und vermeintlich ermordeten Kristine, Tochter der dänischen Sozialministerin. Als auch noch weitere Morde geschehen nach demselben Muster, werden langsam Zusammenhänge klar, die zurück in die Vergangenheit führen.
Der Thriller beginnt spannend und sehr düster mit einer Reise in die Vergangenheit. Auf einem abgelegenen Gehöft kommt es zu einem Familiendrama, bei der fast alle Mitglieder und sogar ein Polizist ums Leben kommen. Dieser Abschnitt ist atmosphärisch dicht, bedrückend und sehr plastisch beschrieben, sodass man von dem Drama gleich gefangen ist. Hier werden schon das erste Mal die Kastaniemännchen erwähnt, die Leserinnen und Lesern dann auch in der Gegenwart begegnen und sie den ganzen Thriller hindurch begleiten. Der Titel des Buches ist eben Programm.
Auch die Leichenfunde und die Ermittlungsarbeiten im weiteren Verlauf sind sehr packend und eindrücklich zu lesen, warten mit verschiedenen Motiven und Verdächtigen, überraschenden Wendungen und einer unerwarteten Auflösung des Falls auf, die aber dennoch absolut logisch und verständlich erscheint. Am Ende wird auch die Geschichte der Täter/innen erzählt, sodass man ihr Motiv gut nachvollziehen kann.
In diesem Hauptteil des Romans zeigt Sveistrup, dass er sein Handwerk versteht. Natürlich ist der Thriller mit 600 Seiten recht lang, recht ausführlich wird auch auf Hess‘ Geschichte eingegangen, was streckenweise vom eigentlich Geschehen ablenkt und für eine gewisse Langatmigkeit sorgt, aber insgesamt dominieren eindeutig das Rätselhafte und Dunkle. So lässt einen die Geschichte während des Lesens nicht mehr los. Auch wenn mir von Anfang an klar war, das es einen Bezug zum einleitenden Kapitel gibt, habe ich doch sehr lange gerätselt, wer denn nun der Mörder ist und was es mit den Figuren auf sich hat – und war am Ende wirklich überrascht.
Doch nicht nur die Brutalität und das Finstere sind typisch nordisch, sondern auch die Figuren selbst, die detailliert dargestellt sind. Dieses gilt insbesondere für Kommissar Mark Hess, denn ebenfalls in ihm schlummert ein Geheimnis, das sein Leben beeinflusst und ihn zu einem unsteten Charakter macht.
Faszinierend finde ich an skandinavischen Thrillern und Krimis (im weitesten Sinne) immer wieder das Gesellschaftsbild, welches diese transportieren. Gilt insbesondere bei uns in Deutschland diese europäische Region als die gerechteste und lebenswerteste, vermittelt die dortige Literatur doch oft ein anderes Bild. So werden auch in diesem Buch – eingebettet in das Romangeschehen selbstverständlich – eine Gesellschaft und eine Politik präsentiert, in denen keinesfalls alles Gold ist, was glänzt.
Alles in allem hat Søren Sveistrup mit „Der Kastanienmann“ einen Thriller geschrieben, der zwar einige Längen hat, der jedoch trotzdem dramatisch von Anfang bis Ende ist und Leserinnen und Leser in seinen Bann zieht. Ich persönlich würde mich freuen, noch mehr von ihm zu lesen.

Veröffentlicht am 04.09.2019

Der Kalte Krieg war Geschichte, aber seine Granatsplitter waren noch überall.

Dead Lions
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Mit seinen „Slow Horses“ hat Mick Herron die wohl derzeit ungewöhnlichste Agententruppe in der Spionageliteratur geschaffen. Zum zweiten Mal ermitteln sie in „Dead Lions. Ein Fall für Jackson Lamb“; dieser ...

Mit seinen „Slow Horses“ hat Mick Herron die wohl derzeit ungewöhnlichste Agententruppe in der Spionageliteratur geschaffen. Zum zweiten Mal ermitteln sie in „Dead Lions. Ein Fall für Jackson Lamb“; dieser 480-seitige Spionagethriller ist im August 2019 bei Diogenes erschienen.
Vom MI5 aufs Abstellgleis gestellt, warten die Agenten der „Slow Horses“ auf ihren großen Coup – in der Hoffnung, daraufhin wieder am Regent’s Park residieren zu dürfen. Und zum wiederholten Mal ergibt sich für sie die Chance, sich zu profilieren: Zwei von ihnen erhalten den Auftrag, einen russischen Oligarchen zu schützen. Dass dieses keine leichte Aufgabe, ja sogar lebensgefährlich ist, wird schnell klar. Etwa zeitgleich geht ihr Chef, Jackson Lamb, dem plötzlichen Tod eines ehemaligen Kollegen aus Berliner Zeiten nach und stößt dabei auf die Dead Lions, die russischen Schläfer aus den Zeiten des Kalten Krieges. Nach und nach ergeben sich Zusammenhänge zwischen den beiden Fällen, und mit vereinten Kräften arbeitet die Truppe daran, eine drohende Katastrophe zu verhindern.
Es gibt Themen, die immer gut für einen Spionagethriller sind und international zu den Klassikern zählen – so auch der Kalte Krieg, zu dem es in der Literatur unzählige Werke gibt. Mick Herron geht dieses Thema auf die eher witzige Art und Weise an – was nicht heißen soll, dass es an Spannung und Rasanz fehlt – und stellt es in einen Zusammenhang mit heutigen Begebenheiten.
Der Einstieg in die Lektüre fiel mir nicht eben leicht, da ich Probleme hatte, die Figurenkonstellationen und Zusammenhänge zu durchschauen. Bei Ersterem erwies sich die Personenliste zu Beginn des Buches, auf die ich gerne zurückgriff, als sehr hilfreich. Außerdem – und das sei sehr positiv angemerkt – führt Leserinnen und Leser zu Beginn der Handlung eine fiktive Katze durch das „Slough House“, in dem die Slow Horses ihren Sitz haben, und macht sich so ihre Gedanken über die dort Arbeitenden. Zudem ist die am Ende auftauchende, ebenfalls fiktive Maus erfrischend, welche die Lage der Agenten am Ende des Falls eruiert – Spionage als Katz- und Mausspiel im wahrsten Sinne des Wortes. Die Zusammenhänge zu erkennen, benötigt einfach Konzentration, denn eines ist dieses Buch bestimmt nicht: eine einfache Lektüre. Man sollte beim Lesen auf Details achten und bei der Stange bleiben. Ein wenig fehlte es mir zu Beginn auch an Spannung, ab dem zweiten Viertel nimmt der Spannungsbogen indes gewaltig zu, es werden Fährten aufgenommen und wieder ad acta gelegt; in der zweiten Hälfte überschlagen sich die überraschenden und dramatischen Ereignisse dann, sodass man das Buch kaum zur Seite legen mag. Gerade das Ende ist überaus fulminant und verblüffend, aber nichtsdestotrotz nachvollziehbar.
Alle Charaktere in diesem Roman haben ihre Schrullen, ihre Ecken und Kanten, sind aber dennoch durchweg liebevoll gezeichnet. Jackson Lamb scheint auf den ersten Blick ein ungehobelter, heruntergekommener Kerl zu sein, der seine Untergebenen schikaniert, wo er nur kann. Später entpuppt er sich als gewiefter Agent, der Zusammenhänge entdeckt, wo niemand sie vermutet, und seine Mitarbeiter verteidigt wie eine Löwenmutter ihre Jungen. Im Laufe der Lektüre gewinnt er zusehends an Sympathie. Aber auch alle anderen Agent/innen präsentieren sich im Verlauf der Recherche als aufgeweckter als anfangs angenommen – man muss sie nur wachkitzeln. Besonders gefallen haben mir persönlich der IT-Spezialist Roderick Ho, der das an anderen kritisiert, was er selbst praktiziert, nämlich den Aufbau einer Scheinpersönlichkeit im Netz, sowie River Cartwright, der sich die Ratschläge seines Großvaters und Ex-Agenten, O.B., sehr zu Herzen nimmt. Man sieht: Hier sind Vergangenheit und Gegenwart vereint.
Der Roman ist gespickt von scharfsinnigem Humor und Wortwitz. Gerade in Bezug auf Lamb selbst ist der Humor sehr britisch, teils ist er auch eher deftig, jedoch dient er immer wieder dazu, vergangene und aktuelle Ereignisse und Gegebenheiten zu hinterfragen.
Insgesamt handelt es sich bei „Dead Lions“ um einen nervenaufreibenden, witzigen und geistreichen Thriller, der mehr zu bieten hat als andere Vertreter dieses Genres. Man kann einfach nur hoffen, dass auch die weitern Bände dieser Reihe ins Deutsche übersetzt werden.

Veröffentlicht am 04.09.2019

Mara und Jan wachsen über sich hinaus.

Brennende Narben
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Zum dritten Mal ermittelt Mara Billinsky von der Frankfurter Mordkommission in Leo Borns Thriller „Brennende Narben“; dieser Roman umfasst 448 Seiten und ist im August 2019 als Taschenbuch bei Bastei Lübbe ...

Zum dritten Mal ermittelt Mara Billinsky von der Frankfurter Mordkommission in Leo Borns Thriller „Brennende Narben“; dieser Roman umfasst 448 Seiten und ist im August 2019 als Taschenbuch bei Bastei Lübbe erschienen.
Ein grausamer Mord an einer Edelprostituierten mit vorangegangener Folterung, eine Explosion auf der Autobahn, bei der mehrere Menschen ums Leben kommen, ominöse Anrufe vom „Wolf“ – dieses sind die Fälle, die die Frankfurter Kripo, insbesondere Mara Billinsky, dieses Mal nicht zur Ruhe kommen lassen. Als sich nach und nach Zusammenhänge ergeben, erkennt Mara fast zu spät, dass sie zum Spielball in einem perfiden Plan werden soll. Und dann ist da noch die Vergangenheit, die die Kommissarin einholt, als sich neue Hinweise auf den Mord an ihrer Mutter ergeben.
Mit Mara Billinsky, der „Krähe“, hat Leo Born die zurzeit wohl ungewöhnlichste Ermittlerin der deutschen Thrillerlandschaft geschaffen: Sie ist hartnäckig, schwarz gekleidet, provoziert mit Tattoos und Piercings und hat ihren eigenen Kopf. Dass man sich vom äußeren Schein jedoch nicht täuschen lassen sollte, zeigen ihre Ermittlungserfolge. Und so schafft sie es auch hier wieder, nicht nur einen, sondern sogar zwei Fälle zu lösen, obwohl beide sich von Anfang an als sehr kompliziert erweisen. Dabei greift der Autor auf Vorkommnisse aus dem ersten Band zurück. Doch keine Angst: Auch ohne dieses Hintergrundwissen ist dieser dritte Band gut verständlich. Dennoch lohnt es sich m.E., die ersten beiden Bände zu kennen, da man nur so wirklich nachvollziehen kann, welche Entwicklungen „die Krähe“, aber auch ihr Kollege Jan Rosen, genannt „der Spatz“, durchmachen. Insbesondere Letzterer hat mir in diesem Buch überaus gut gefallen, wächst er doch über sich selbst hinaus.
Auch dieser Teil beginnt wieder außerordentlich spannend mit einem grausamen Mord, wobei der Autor von allzu brutaler und voyeuristischer Gewaltdarstellung absieht. Dennoch ist es faszinierend zu lesen, aus was für Ideen Verbrecher kommen, um ihre Opfer zu quälen – und dabei entspringen die Praktiken durchaus der Realität. Nachdem die Ermittler/innen anfangs mit scheinbar zusammenhangslosen Fällen konfrontiert werden, verwebt Leo Born diese nach und nach zu einem Ganzen, sodass sich am Ende, nach einem aufregenden Showdown, ein Gesamtbild ergibt und offene Fragen geklärt werden. Dabei greift der Autor auch dieses Mal wieder auf rasche Szenen- und Perspektivwechsel zurück, die Leserinnen und Leser kaum zur Ruhe kommen lassen – ein echter Pageturner also.
Die Themen dieses Thrillers sind gewohnt aktuell und brisant: Zwangsprostitution, organisierte Kriminalität und, verkörpert in Mara Billinsky und ihrem Vater, schwierige Eltern-Kind-Verhältnisse. Die glänzende Banken- und Finanzmetropole Frankfurt am Main wird hier erneut von ihrer dunklen Seite gezeigt. Besonders beeindruckt haben mich wieder einmal die Darstellung des eher finsteren Bahnhofsbezirks und, im Gegensatz dazu, der Viertel der Schönen und Reichen.
Leo Borns Sprache ist flott und eingängig zu lesen, aber dennoch über weite Strecken sehr plastisch, sodass man beim Lesen in die Geschichte hineingezogen wird und alles, Geschehen, Ort und Menschen, wie ein Film vor dem inneren Auge abläuft.
Das Cover mit seinen Grau- und Rottönen ist farblich harmonisch gehalten, das Bild einer großen, schwarzen Krähe hat Wiedererkennungswert und gliedert sich gut in die Vorgängerbände ein.
Auch mit diesem dritten Teil konnte Leo Born mich wieder voll und ganz überzeugen: Seine Thriller sind rasant, spannend, aktuell, sodass man sie beim Lesen kaum aus der Hand legen mag. Im Januar 2020 soll der vierte Mara Billinsky-Thriller erscheinen, auf den ich schon ungeduldig warte, und ich hoffe, dass Born dieses hohe Niveau halten kann.

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Veröffentlicht am 27.08.2019

Wie das Leben so spielt.

Alles richtig gemacht
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Mit „Alles richtig gemacht“ legt Gregor Sander einen spritzigen Roman vor, der Leserinnen und Leser in die jüngere deutsche Geschichte entführt und zudem auf sehr muntere Art und Weise unterhält. Das Buch ...

Mit „Alles richtig gemacht“ legt Gregor Sander einen spritzigen Roman vor, der Leserinnen und Leser in die jüngere deutsche Geschichte entführt und zudem auf sehr muntere Art und Weise unterhält. Das Buch ist im August 2019 bei Penguin erschienen und umfasst 240 Seiten.
Thomas und Daniel sind Freunde seit Kindertagen. In den Achtzigern in Rostock aufgewachsen, erleben sie die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung in Berlin … und kosten dies natürlich aus. Bis Daniel eines Tages Deutschland verlassen muss – mit Thomas‘ Reisepass. Zehn Jahre später platzt Daniel plötzlich wieder in das Leben seines Freundes, der nun Anwalt und Familienvater ist – und bringt damit Thomas‘ Leben durcheinander, das momentan sowieso schon ein einziges Tohuwabohu ist, denn kürzlich haben Frau und Kinder ihn scheinbar grundlos verlassen … und Thomas steht vor einem Rätsel.
Schon das Cover macht Lust auf den Roman: goldene Schrift, die an die Funken einer Wunderkerze erinnert, auf schwarzem Grund. Und als genauso erfrischend, wie das Cover daherkommt, entpuppt sich auch der Roman.
Die Protagonisten stammen aus häuslichen Verhältnissen, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Thomas aus eher gut bürgerlichen Verhältnissen, sein Vater geht davon aus, dass er auch in der DDR den familieneigenen Drogerieladen weiterführen wird, Daniel indes wächst in Rostocks „Nachtjackenviertel“ als uneheliches Kind eines Chefarztes und einer Schwesternschülerin auf – mehr Klischee geht wohl kaum. Und doch, es geht: Sander arbeitet in seinem Roman viel mit Klischees, sei es das Bild, das Thomas als Anwalt abgibt, sei es das Bild, das man von seinen Klienten hat, um nur einige Beispiele zu nennen. Damit gelingt es dem Autor immer wieder, ältere wie aktuelle Debatten aufs Tapet zu bringen – aber stets mit einem Augenzwinkern, was Leserinnen und Leser des Öfteren zum Staunen und Lachen bringt.
Doch auch Dramatisches hat der Roman zu bieten: Während die Freunde ihre Jugendzeit genießen, bekommen Thomas‘ Eltern die Härte des Kapitalismus, einst herbeigesehnt und gefeiert, voll zu spüren. Überhaupt gelingt es Sander sehr geschickt, historische Ereignisse und fiktive Handlung miteinander zu verknüpfen. So nutzen die Freunde die gewonnene Reisefreiheit aus, gewinnen auch trotz allem dem Kapitalismus auf nicht ganz legale Weise etwas ab, begegnen am Rande von Lichtenhagen Neonazis und werden mit der Gewalt während des G8-Gipfels in Heiligendamm konfrontiert.
Die von dem Ich-Erzähler, Thomas, geschilderte Handlung wird auf zwei Zeitebenen erzählt: Das aktuelle Geschehen, in dem es um Thomas familiäre und berufliche Situation sowie Daniels plötzliches Auftauchen geht, wird immer wieder unterbrochen von Rückblenden in die Vergangenheit, die dabei chronologisch nach Jahrzehnten gegliedert sind und von den Achtzigerjahren bis in das erste Jahrzehnt unseres Jahrhunderts reichen.
Sanders Schreibstil ist locker-flockig und flüssig zu lesen, man hat das Gefühl, der Erzähler unterhalte sich mit den Leser/innen. Gespickt ist alles mit einem trockenen Humor, der einen beim Lesen ab und an stutzen und darüber nachdenken lässt, wie das Geschriebene denn nun gemeint ist.
Lediglich das Ende des Romans, das an sich offen ist, konnte mich nicht 100%-ig überzeugen, da es doch sehr abrupt kommt und mit einer Flut an Informationen aufwartet, die an sich noch einer weiteren Erläuterung wert wären.
Für Leser/innen wie mich, die dem Alter der Protagonisten in etwa entsprechen, ist dieser Roman eine wunderschöne und kurzweilige Reise zurück in die Jugend und das junge Erwachsenenalter. Für jüngere bietet er zeitgeschichtliche Einsichten, die unterhaltsam zu lesen sind und Einblicke in einen Zeitgeist bieten. Von mir gibt es für dieses Buch überzeugende vier Lesesterne und eine wärmste Leseempfehlung.