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Veröffentlicht am 23.07.2019

Wer gegen das Unrecht kämpft, wird sich nie langweilen.

Die geheime Mission des Kardinals
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Kommissar Barudi steht kurz vor seiner Pensionierung. Da bekommt er einen neuen Fall auf den Tisch: 2010 erhält die italienische Botschaft in Damaskus eine Olivenöl-Lieferung. Doch in dem Fass befindet ...

Kommissar Barudi steht kurz vor seiner Pensionierung. Da bekommt er einen neuen Fall auf den Tisch: 2010 erhält die italienische Botschaft in Damaskus eine Olivenöl-Lieferung. Doch in dem Fass befindet sich der Leichnam eines Kardinals. Um die Beziehungen zu Italien nicht zu gefährden und die delikaten Ermittlungen voranzutreiben, bekommt Barudi Unterstützung von einem italienischen Kollegen, Commissario Marco Mancini. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach dem Mörder – und unternehmen dabei eine eindrucksvolle Reise durch ein Syrien, das vom Bürgerkrieg noch nicht gebeutelt ist.
Dieser auf dem Fundament eines Kriminalfalls stehende Gesellschaftsroman aus der Feder von Rafik Schami ist im Juli 2019 bei Hanser erschienen und umfasst 432 Seiten.
Zu Recht zählt Rafik Schami zu den großen zeitgenössischen, deutschsprachigen Autoren. In diesem Roman beweist er sein Vermögen, mit bildhafter Sprache, poetischen Elementen und teils salopper Ausdrucksweise umzugehen und darüber hinaus hieraus ein in sich stimmiges, mitreißendes Werk zu konstruieren. Auch Humor kommt in diesem Roman nicht zu kurz, wenn Barudi z.B. Mancini auf die Stirn küsst und sagt: „Gesegnet sie die Milch deiner Mutter. Sie hat ihren Zweck erfüllt.“ Insgesamt legt hier Schami ein abwechslungsreich zu lesendes und gleichzeitig lehrreiches Buch vor.
Gemeinsam mit seinem italienischen Gefährten durchreist der Syrer ein Land, das den meisten Deutschen eher unbekannt sein dürfte. Gerade dieses macht einen großen Teil des Reizes dieses Romans aus. Man lernt große Städte wie Damaskus kennen, die fast schon europäisch wirken, findet sich wenig später in kleinen Dörfern wieder, deren Bevölkerung eher naiv und ungebildet erschient, und ist schließlich mit den Kommissaren zu Gast in einem Islamisten-Lager. Genau so bunt wie das Land sind auch seine Bewohner. Doch gerade Letzteres führt immer wieder zu Problemen. Insbesondere anhand des christlichen-syrischen Polizisten wird ersichtlich, welchen Einfluss religiöse Strömungen auf die syrische Gesellschaft haben.
Doch nicht nur die Religion erschwert die Arbeit der Kommissare. Was nicht verwundert, hier aber klar und deutlich zu Tage tritt: Der Geheimdienst hat seine Augen überall, Beziehungen zählen mehr als Können, politisches Kalkül steht über jeder Gerechtigkeit. So überrascht es nicht, dass am Ende der intelligent konstruierte Kriminalfall zwar aufgelöst wird, sich für Barudi aber als Niederlage erweist.
Der Roman wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Neben dem Erzähler in der dritten Person geben Barudis Tagebucheinträge einen guten Einblick in seine eigene Entwicklung, seine persönliche Sicht auf die Gesellschaft und nicht zuletzt in seine Einsichten in das Kriminalgeschehen. In Dialogen insbesondere mit Mancini, die einen großen Raum in diesem Werk einnehmen, werden Gesellschaft, Land und Verbrechen ebenfalls kommentiert und charakterisiert.
Das Cover mit seiner arabischen Kalligrafie ist ein echter Hingucker und war auch das Erste, was mich dazu veranlasst hat, mir dieses Buch genauer anzuschauen. Die Hardcover-Ausgabe mit Lesebändchen ist hochwertig.
Alles in allem hat Rafik Schami mit seinem Roman ein buntes Kaleidoskop der syrischen Gesellschaft geschaffen – verpackt in einen spannenden Kriminalfall. Ein Buch, das ich allen, die einmal etwas mehr über die syrische Gesellschaft erfahren und dabei mit Niveau unterhalten werden möchten, nur wärmstens empfehlen kann.

Veröffentlicht am 02.07.2019

Mordfälle waren für Leon wie Puzzles, und er war der Spielverderber.

Mörderisches Lavandou (Ein-Leon-Ritter-Krimi 5)
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Zum fünften Mal ermittelt der deutsche Rechtsmediziner Leon Ritter in Remy Eyssens „Mörderisches Lavandou“ in seiner Wahlheimat an der französischen Mittelmeerküste. Dieser 496-seitige Kriminalroman ist ...

Zum fünften Mal ermittelt der deutsche Rechtsmediziner Leon Ritter in Remy Eyssens „Mörderisches Lavandou“ in seiner Wahlheimat an der französischen Mittelmeerküste. Dieser 496-seitige Kriminalroman ist im Mai 2019 bei Ullstein erschienen.
Der Herbst hält Einzug in Le Lavandou – eigentlich eine beschauliche Zeit. Wenn da nicht das Verschwinden der jungen Françoise Bonnet wäre. Kurz darauf wird ihr Fuß, etwas später der Rest ihres Leichnams gefunden. Als dann auch noch eine weitere junge Frau verschwindet, erhärtet sich der Verdacht, es könnte sich um einen Serientäter handeln. Ritter unterstützt die Recherchen der Polizei nach bestem Wissen und Gewissen, verfolgt seine eigenen Spuren und bringt sich und seine Familie damit selber in Gefahr …
Wenngleich es sich hier um den fünften Band einer Krimireihe handelt, war es für mich kein Problem, mit diesem Fall in die Reihe einzusteigen. Dem Autor gelingt es geschickt, die Figur des deutschen Rechtsmediziners so einzuführen, dass man auch als Neueinsteiger/in in die Reihe dem Geschehen problemlos folgen kann, die Charaktere kamen mir von Anfang an vor wie alte Bekannte.
Der Roman ist von Anfang bis Ende spannend zu lesen, wobei der Spannungsbogen durchaus variiert. Bis kurz vor Ende tappte ich beim Lesen vollkommen im Dunkeln, was Motiv und Täter betrifft. Unterstützt wird dieser Effekt dadurch, dass wiederholt neue Verdächtige auftauchen, Zusammenhänge zwischen den Fällen aber über lange Zeit verborgen bleiben. Immer wieder werden die Beschreibungen der Ermittlungen und Szenen aus der Gefangenschaft der Entführten unterbrochen durch Schilderungen aus der Sicht „des Mannes“, der sich später als Täter entpuppt. So hat man als Leser/in reichlich Gelegenheit, sich beim Lesen den Kopf zu zerbrechen.
Sehr gut gefallen hat mir der Gegensatz zwischen den schönen Landschaftsbeschreibungen der provenzalischen Küste sowie dem immer wieder auftretenden „Savoir-vivre“ der Franzosen auf der einen und den doch recht brutalen Verbrechen auf der anderen Seite, wobei der Autor allzu voyeuristisch Darstellungen vermeidet. Auch etwas zarter besaitete Krimiliebhaber/innen sollten den Roman also lesen können. Zudem kommt ein feiner Humor nicht zu kurz, wenn dem Ermittler Didier z.B. die eine oder andere eher unangebrachte Bemerkung aus dem Mund rutscht.
Leon Ritter an sich erschien mir beim Lesen sehr sympathisch und menschlich. Geradlinig, doch nicht ohne Selbstzweifel, verfolgt er seine Spuren, auch wenn es für ihn nicht immer ein leichter Weg ist. Aufschlussreich, ohne belehrend zu wirken, sind auch die Einblicke in seine Arbeit als Rechtsmediziner. Alles in allem hat Eyssen hier einen sehr ansprechenden Protagonisten geschaffen, der unaufdringlich und ruhig auch schwierige Situationen meistert und trotz einiger Irrwege alles tut, um seinen ihm Anvertrauten in der Not zur Seite zu stehen. Doch auch alle anderen Charaktere sind liebevoll gestaltet.
Lediglich die Figur des Priesters Dumont fand ich beim Lesen etwas undurchsichtig, wenngleich auch sein Schicksal am Ende Mitleid erregt. Sehr gut dargestellt ist hier der Zwiespalt zwischen Wahrung des Beichtgeheimnisses und dem Wunsch, der Gerechtigkeit Genüge zu tun.
Insgesamt präsentiert Remy Eyssen mit „Mörderisches Lavandou“ einen Krimi, der spannend unterhält, logisch aufgebaut und von Lokalkolorit durchzogen ist. Bis auf die oben erwähnte Ungereimtheit hat mir das Buch sehr gut gefallen, weshalb ich es mit viereinhalb von fünf Lesesternen gerne anderen Krimiliebhaber/innen zur Lektüre weiterempfehle.

Veröffentlicht am 01.07.2019

Niemand ist derjenige, der er zu sein vorgibt.

Totwasser
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Nach privaten Rückschlägen baut Linn Geller sich eine kleine Anwaltskanzlei auf. Gleich ihr erster Fall als Pflichtverteidigerin konfrontiert sie mit einem Mord: Grace Riccardi wird beschuldigt, ihren ...

Nach privaten Rückschlägen baut Linn Geller sich eine kleine Anwaltskanzlei auf. Gleich ihr erster Fall als Pflichtverteidigerin konfrontiert sie mit einem Mord: Grace Riccardi wird beschuldigt, ihren Mann, den Fernsehstar Nico Benten, umgebracht zu haben, und ist auch zu einem Geständnis bereit. Dennoch glaubt Linn an die Unschuld ihrer Mandantin und stößt bei ihren Recherchen auf Ungereimtheiten. Ohne es zu merken, bringt sie sich selbst dabei in tödliche Gefahr.
Dieser Kriminalroman ist im Dezember 2018 bei Bastei Lübbe erschienen, umfasst 320 Seiten und bildet den Auftakt zu einer Reihe rund um die Ermittlungen der Anwältin Linn Geller.
Der Roman beginnt mit einem Prolog, der den Abschluss des aktuellen Falles schildert, um dann durch einen Sprung in die Vergangenheit die Kriminalgeschichte von Anfang an aufzurollen. Dieses weckt bei Leserinnen und Lesern schon Neugier und Spannung. Der Fall selbst entpuppt sich im Laufe der Ermittlungen als komplexer, als es anfangs anmutet: Gibt es am Anfang kaum ein Motiv, obwohl es unglaublich scheint, dass ein Mensch so lupenrein sein kann wie der Ermordete, häufen sich diese im Laufe der Recherchen, was die Lesenden zum Miträtseln sowie Spekulieren einlädt und sie kaum zur Ruhe kommen lässt. Niemand scheint in diesem Roman wirklich der-/diejenige zu sein, der/die er/sie zu sein vorgibt, verschiedene Verdächtige treten auf und werden wieder verworfen. Der Spannungsbogen durchzieht in Wellenbewegungen den gesamten Roman, um dann in einem fulminanten Finale die Lesenden zu einem mehr oder weniger befriedigenden Ende zu führen (mir persönlich hat das Mordmotiv nicht so gut gefallen).
Hofelichs Sprache ist flott und einfach zu lesen, was den Kriminalroman zu einem leichten, angenehmen Lesevergnügen für zwischendurch werden lässt. Der Roman spielt abwechselnd in Stuttgart und Cornwall, wobei mir insbesondere die Schilderungen des letzten Landstrichs sehr gefallen haben.
Die Charaktere werden von der Autorin lebensnah und entwicklungsfähig beschrieben. Ein wenig penetrant erschien mir während des Lesens die Darstellung der Protagonistin selbst: Immer wieder wird ihr Schicksal zum Ausdruck gebracht, stellenweise hat man beim Lesen das Gefühl, als wolle sie sich ihm gar nicht stellen. In der Realität ist das Hadern mit den eigenen Lebensumständen in der Tat verbreitet, zehrt aber hier wie dort dann doch irgendwann an den Nerven der Mitmenschen bzw., beim Lesen, der Leser*innen. Erfreulicherweise scheint sich Linn jedoch am Ende dann doch ein wenig wohler in ihrer Haut zu fühlen.
Sehr gut gefallen hat mir, das während des Lesens der Titel des Roman, „Totwasser“, erklärt wurde. Ich selber konnte mit dem Begriff am Anfang nicht viel anfangen, beim Lesen wird jedoch klar, weshalb dieser Titel gewählt wurde – und er passt, gibt das „Totwasser“ doch einen Anstoß zur Klärung des Falles.
Das Cover ist ansprechend gewählt: Es wird von Grau- und Blautönen beherrscht, zeigt ein Haus auf den Klippen und versprüht eine düstere, bedrückende Atmosphäre, die sich auch stellenweise im Kriminalroman selbst widerspiegelt.
Insgesamt legt Julia Hofelich mit „Totwasser“ einen lesenswerten Auftakt zu einer Krimireihe vor, der durch eine komplexe Handlung und Motivreichtum überzeugt. Von mir gibt es aufgrund der oben angeführten Kritikpunkte dreieinhalb von fünf Lesesternen.

Veröffentlicht am 30.06.2019

„Ich wollte ihr nicht wehtun. Wir haben nur gespielt.“

Dunkelsommer
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Ein düsteres Debüt in skandinavischer Tradition legt Stina Jackson mit „Dunkelsommer“ vor. Dieser Spannungsroman ist im Juli 2019 bei Goldmann erschienen und umfasst 351 Seiten.
Schon drei Jahre ist es ...

Ein düsteres Debüt in skandinavischer Tradition legt Stina Jackson mit „Dunkelsommer“ vor. Dieser Spannungsroman ist im Juli 2019 bei Goldmann erschienen und umfasst 351 Seiten.
Schon drei Jahre ist es her, dass Lelles Tochter Lina entlang dem norrländischen Silberweg spurlos verschwand. Seitdem macht der Vater sich Nacht für Nacht auf die Suche nach ihr.
Auch Meja und ihre Mutter sind auf der Suche – auf der Suche nach einem Leben in Stabilität und Sicherheit – und kommen dabei nach Norrland. Als kurz darauf ein weiteres Mädchen verschwindet, verbinden sich Lelles und Mejas Schicksale auf tragische Art und Weise miteinander.
Der Roman fasziniert weniger durch seine Spannung, als vielmehr durch seine durchweg düstere Grundstimmung, wenngleich ein gewisses Spannungsniveau von Anfang bis Ende latent vorhanden ist.
Gegliedert ist das Werk in zwei Teile: Der erste Teil wird auf zwei Ebenen erzählt. Zum einen begleiten Leserinnen und Leser Lelle bei seiner nächtlichen Suche nach seiner Tochter. Auf einsamen Gehöften trifft er auf den einen oder anderen Verdächtigen, er macht sich selbst und anderen Vorwürfe und vertraut niemandem mehr. Sehr gut dargestellt ist, wie anders er mit dem Verschwinden seiner Tochter umgeht als seine Ex-Frau, Anette, was schließlich zu einem Zerwürfnis zwischen den Eheleuten führte. Unterbrochen wird diese Schilderung immer wieder durch Mejas Schicksal. Aufgewachsen mit einer psychisch kranken Mutter, sehnt sie sich nach einer festen familiären Bindung. Als sich auch rund um ihren neuen Stiefvater Geheimnisse auftun, sucht sich die Sechzehnjährige ihren eigenen Lebensraum.
Nachdem erneut ein Mädchen verschwunden ist, tritt im zweiten Teil des Romans eine dritte Erzählperspektive hinzu, nämlich die der Vermissten in ihrem Gefängnis. In diesem zweiten Romanteil werden dann die drei Erzählstränge zusammengeführt, und in einem dramatischen Finale werden die Schicksale schließlich aufgeklärt.
Sehr schade fand ich beim Lesen, dass mir zu Beginn des zweiten Romanteils klar wurde, wer hinter dem Verschwinden Linas steckt, hat es dem Roman doch sehr die Spannung geraubt. Auch das Ende des Romans ist für meinen Geschmack ein wenig zu „schön“, zu harmonisch. Doch lässt sich über Geschmack bekannterweise nicht streiten.
Sehr gut gelungen ist der Autorin der Einblick in das Seelenleben der Protagonist/innen: Es fällt während des Lesens leicht, mit ihnen mitzufühlen und mitzuleiden. Unterstützt wird dieser Eindruck durch die durchweg plastische Schilderung der norrländischen Landschaft und ihrer Menschen. Hier hat es die Verfasserin meisterhaft geschafft, die düstere Stimmung einzufangen und zu kommunizieren.
Das Cover zeigt aus der Vogelperspektive ein Auto, das nachts in den Wäldern Nordschwedens unterwegs ist, die deutsche Übersetzung des Titels, „Dunkelsommer“, weckt ebenfalls bedrückende Assoziationen, und beides passt somit sehr gut zum Inhalt dieses Spannungsromans.
Insgesamt ist Stina Jackson mit ihrem Debüt ein bedrückender, düsterer Roman gelungen, den sich zu lesen auf jeden Fall lohnt – ein typischer „Schwede“ eben. Aufgrund seiner Vorhersehbarkeit und dem m.E. zu harmonischen Endes vergebe ich dreieinhalb von fünf Lesepunkte.

Veröffentlicht am 22.06.2019

Ein Buch voller Klischees

Johannisfeuer
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Ein Buch, und dann noch einen Krimi, mit dem Titel „Johannisfeuer“ rund um den Johannistag (24. Juni) herum zu lesen, hat mich schon gereizt, ich wurde dann aber leider doch sehr enttäuscht.
Perez, Kleinganove ...

Ein Buch, und dann noch einen Krimi, mit dem Titel „Johannisfeuer“ rund um den Johannistag (24. Juni) herum zu lesen, hat mich schon gereizt, ich wurde dann aber leider doch sehr enttäuscht.
Perez, Kleinganove und Lebemann, pflegt ein Hobby, nämlich das Aufklären von Kriminalfällen. Während einer Bergtour entdeckt er den auf den ersten Blick leblosen Körper einer jungen Frau, die seit Jahren vermisst wird. Als diese kurze Zeit später im Krankenhaus wieder aufwacht, sich aber weigert zu sprechen, nimmt seine Lebensgefährtin, Marianne, sich ihrer an. Etwa zeitgleich wird im Umland von Montpellier eine Mädchenleiche aufgefunden. Perez glaubt nicht an Zufälle, sieht dort bald Zusammenhänge und macht sich auf die Suche nach diesen. Dabei gerät er an eine Sekte, die schon lange für Aufsehen sorgt und nach deren Anführer international gefahndet wird.
Dieser Südfrankreich-Krimi aus der Feder von Yann Sola ist im Mai 2019 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen und umfasst 352 Seiten.
Der Roman punktet auf jeden Fall mit seinem Lokalkolorit: Man reist mit Perez entlang der Côte Vermeille, besteigt den Pic du Canigou in den Pyrenäen, sitzt mit ihm in Cafés und genießt das Leben „wie Gott in Frankreich“. Auch sprachlich ist man gleich in Frankreich angekommen, werden doch immer wieder französische Begriffe eingeflochten. Dass es auch in Frankreich Animositäten zwischen und Vorurteile gegen unterschiedliche(n) Volksgruppen gibt, lässt den Roman ebenfalls sehr authentisch wirken.
Gut gefallen hat mir ebenfalls Perez‘ Hund, Hippy, der sich unter der Anleitung seines Herrchens zu einem richtigen „Gastrohund“ entwickelt hat, genießt doch auch er mehrgängige Menüs (auch wenn sich Hundeliebhaber*innen hier die Haare sträuben werden).
Inhaltlich konnte mich das Buch ganz und gar nicht überzeugen: Mir fehlten einfach der Spannungsbogen und das Gefühl weiterlesen zu müssen, um den Täter/innen und Motiven auf die Spur zu kommen; bei den Ermittlungen hatte ich eher das Gefühl, als tappte Perez im Dunklen und blickte nur durch Zufälle hinter das Geschehen. Auch dass er mit seinen 60/65 Jahren (?) so ganz ahnungslos ist, was die digitale Welt angeht, scheint eher unwahrscheinlich.
Doch auch ansonsten wartet der Roman mit vielen Klischees auf: Da ist die spindeldürre Bulimikerin, Jesus trägt lange Haare und einen Rauschebart und Religion ist gefährlich und nur was für Dumme („Am Ende ist es die Religion, die die Menschen verrückt macht.“). Der Autor bedient sich hier Klischees, die dem Mainstream entsprechen, ohne irgendwie in die Tiefe zu gehen. Es heißt ja, „der Zweck heiligt die Mittel“, aber die heimliche nächtliche Öffnung eines Grabes mit einem Kleinbagger wird wohl auch in Frankreich niemand als Kavaliersdelikt sehen. Ebenfalls der Umstand, dass ein Selbstmordvideo, wenngleich zu einem guten Zweck, ins Internet gestellt wird, erscheint mir an den Haaren herbeigezogen und reichlich deplatziert, um es gelinde auszudrücken.
Das Thema Sekten und Glaubensgemeinschaften in einem Kriminalroman zu behandeln, hat durchaus seinen Reiz, es gibt auch in der (Kriminal- und Thriller-)Literatur viele gute und lesenswerte Beispiele. In diesem Buch jedoch wird nur mit Vorurteilen gespielt und ein tieferes Eindringen in die Materie fehlt völlig – besonders auch, was die psychischen Folgen des Ganzen betrifft. Meinen Geschmack hat Yann Sola mit „Johannisfeuer“ jedenfalls keinesfalls getroffen.