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Veröffentlicht am 01.07.2019

Niemand ist derjenige, der er zu sein vorgibt.

Totwasser
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Nach privaten Rückschlägen baut Linn Geller sich eine kleine Anwaltskanzlei auf. Gleich ihr erster Fall als Pflichtverteidigerin konfrontiert sie mit einem Mord: Grace Riccardi wird beschuldigt, ihren ...

Nach privaten Rückschlägen baut Linn Geller sich eine kleine Anwaltskanzlei auf. Gleich ihr erster Fall als Pflichtverteidigerin konfrontiert sie mit einem Mord: Grace Riccardi wird beschuldigt, ihren Mann, den Fernsehstar Nico Benten, umgebracht zu haben, und ist auch zu einem Geständnis bereit. Dennoch glaubt Linn an die Unschuld ihrer Mandantin und stößt bei ihren Recherchen auf Ungereimtheiten. Ohne es zu merken, bringt sie sich selbst dabei in tödliche Gefahr.
Dieser Kriminalroman ist im Dezember 2018 bei Bastei Lübbe erschienen, umfasst 320 Seiten und bildet den Auftakt zu einer Reihe rund um die Ermittlungen der Anwältin Linn Geller.
Der Roman beginnt mit einem Prolog, der den Abschluss des aktuellen Falles schildert, um dann durch einen Sprung in die Vergangenheit die Kriminalgeschichte von Anfang an aufzurollen. Dieses weckt bei Leserinnen und Lesern schon Neugier und Spannung. Der Fall selbst entpuppt sich im Laufe der Ermittlungen als komplexer, als es anfangs anmutet: Gibt es am Anfang kaum ein Motiv, obwohl es unglaublich scheint, dass ein Mensch so lupenrein sein kann wie der Ermordete, häufen sich diese im Laufe der Recherchen, was die Lesenden zum Miträtseln sowie Spekulieren einlädt und sie kaum zur Ruhe kommen lässt. Niemand scheint in diesem Roman wirklich der-/diejenige zu sein, der/die er/sie zu sein vorgibt, verschiedene Verdächtige treten auf und werden wieder verworfen. Der Spannungsbogen durchzieht in Wellenbewegungen den gesamten Roman, um dann in einem fulminanten Finale die Lesenden zu einem mehr oder weniger befriedigenden Ende zu führen (mir persönlich hat das Mordmotiv nicht so gut gefallen).
Hofelichs Sprache ist flott und einfach zu lesen, was den Kriminalroman zu einem leichten, angenehmen Lesevergnügen für zwischendurch werden lässt. Der Roman spielt abwechselnd in Stuttgart und Cornwall, wobei mir insbesondere die Schilderungen des letzten Landstrichs sehr gefallen haben.
Die Charaktere werden von der Autorin lebensnah und entwicklungsfähig beschrieben. Ein wenig penetrant erschien mir während des Lesens die Darstellung der Protagonistin selbst: Immer wieder wird ihr Schicksal zum Ausdruck gebracht, stellenweise hat man beim Lesen das Gefühl, als wolle sie sich ihm gar nicht stellen. In der Realität ist das Hadern mit den eigenen Lebensumständen in der Tat verbreitet, zehrt aber hier wie dort dann doch irgendwann an den Nerven der Mitmenschen bzw., beim Lesen, der Leser*innen. Erfreulicherweise scheint sich Linn jedoch am Ende dann doch ein wenig wohler in ihrer Haut zu fühlen.
Sehr gut gefallen hat mir, das während des Lesens der Titel des Roman, „Totwasser“, erklärt wurde. Ich selber konnte mit dem Begriff am Anfang nicht viel anfangen, beim Lesen wird jedoch klar, weshalb dieser Titel gewählt wurde – und er passt, gibt das „Totwasser“ doch einen Anstoß zur Klärung des Falles.
Das Cover ist ansprechend gewählt: Es wird von Grau- und Blautönen beherrscht, zeigt ein Haus auf den Klippen und versprüht eine düstere, bedrückende Atmosphäre, die sich auch stellenweise im Kriminalroman selbst widerspiegelt.
Insgesamt legt Julia Hofelich mit „Totwasser“ einen lesenswerten Auftakt zu einer Krimireihe vor, der durch eine komplexe Handlung und Motivreichtum überzeugt. Von mir gibt es aufgrund der oben angeführten Kritikpunkte dreieinhalb von fünf Lesesternen.

Veröffentlicht am 30.06.2019

„Ich wollte ihr nicht wehtun. Wir haben nur gespielt.“

Dunkelsommer
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Ein düsteres Debüt in skandinavischer Tradition legt Stina Jackson mit „Dunkelsommer“ vor. Dieser Spannungsroman ist im Juli 2019 bei Goldmann erschienen und umfasst 351 Seiten.
Schon drei Jahre ist es ...

Ein düsteres Debüt in skandinavischer Tradition legt Stina Jackson mit „Dunkelsommer“ vor. Dieser Spannungsroman ist im Juli 2019 bei Goldmann erschienen und umfasst 351 Seiten.
Schon drei Jahre ist es her, dass Lelles Tochter Lina entlang dem norrländischen Silberweg spurlos verschwand. Seitdem macht der Vater sich Nacht für Nacht auf die Suche nach ihr.
Auch Meja und ihre Mutter sind auf der Suche – auf der Suche nach einem Leben in Stabilität und Sicherheit – und kommen dabei nach Norrland. Als kurz darauf ein weiteres Mädchen verschwindet, verbinden sich Lelles und Mejas Schicksale auf tragische Art und Weise miteinander.
Der Roman fasziniert weniger durch seine Spannung, als vielmehr durch seine durchweg düstere Grundstimmung, wenngleich ein gewisses Spannungsniveau von Anfang bis Ende latent vorhanden ist.
Gegliedert ist das Werk in zwei Teile: Der erste Teil wird auf zwei Ebenen erzählt. Zum einen begleiten Leserinnen und Leser Lelle bei seiner nächtlichen Suche nach seiner Tochter. Auf einsamen Gehöften trifft er auf den einen oder anderen Verdächtigen, er macht sich selbst und anderen Vorwürfe und vertraut niemandem mehr. Sehr gut dargestellt ist, wie anders er mit dem Verschwinden seiner Tochter umgeht als seine Ex-Frau, Anette, was schließlich zu einem Zerwürfnis zwischen den Eheleuten führte. Unterbrochen wird diese Schilderung immer wieder durch Mejas Schicksal. Aufgewachsen mit einer psychisch kranken Mutter, sehnt sie sich nach einer festen familiären Bindung. Als sich auch rund um ihren neuen Stiefvater Geheimnisse auftun, sucht sich die Sechzehnjährige ihren eigenen Lebensraum.
Nachdem erneut ein Mädchen verschwunden ist, tritt im zweiten Teil des Romans eine dritte Erzählperspektive hinzu, nämlich die der Vermissten in ihrem Gefängnis. In diesem zweiten Romanteil werden dann die drei Erzählstränge zusammengeführt, und in einem dramatischen Finale werden die Schicksale schließlich aufgeklärt.
Sehr schade fand ich beim Lesen, dass mir zu Beginn des zweiten Romanteils klar wurde, wer hinter dem Verschwinden Linas steckt, hat es dem Roman doch sehr die Spannung geraubt. Auch das Ende des Romans ist für meinen Geschmack ein wenig zu „schön“, zu harmonisch. Doch lässt sich über Geschmack bekannterweise nicht streiten.
Sehr gut gelungen ist der Autorin der Einblick in das Seelenleben der Protagonist/innen: Es fällt während des Lesens leicht, mit ihnen mitzufühlen und mitzuleiden. Unterstützt wird dieser Eindruck durch die durchweg plastische Schilderung der norrländischen Landschaft und ihrer Menschen. Hier hat es die Verfasserin meisterhaft geschafft, die düstere Stimmung einzufangen und zu kommunizieren.
Das Cover zeigt aus der Vogelperspektive ein Auto, das nachts in den Wäldern Nordschwedens unterwegs ist, die deutsche Übersetzung des Titels, „Dunkelsommer“, weckt ebenfalls bedrückende Assoziationen, und beides passt somit sehr gut zum Inhalt dieses Spannungsromans.
Insgesamt ist Stina Jackson mit ihrem Debüt ein bedrückender, düsterer Roman gelungen, den sich zu lesen auf jeden Fall lohnt – ein typischer „Schwede“ eben. Aufgrund seiner Vorhersehbarkeit und dem m.E. zu harmonischen Endes vergebe ich dreieinhalb von fünf Lesepunkte.

Veröffentlicht am 22.06.2019

Ein Buch voller Klischees

Johannisfeuer
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Ein Buch, und dann noch einen Krimi, mit dem Titel „Johannisfeuer“ rund um den Johannistag (24. Juni) herum zu lesen, hat mich schon gereizt, ich wurde dann aber leider doch sehr enttäuscht.
Perez, Kleinganove ...

Ein Buch, und dann noch einen Krimi, mit dem Titel „Johannisfeuer“ rund um den Johannistag (24. Juni) herum zu lesen, hat mich schon gereizt, ich wurde dann aber leider doch sehr enttäuscht.
Perez, Kleinganove und Lebemann, pflegt ein Hobby, nämlich das Aufklären von Kriminalfällen. Während einer Bergtour entdeckt er den auf den ersten Blick leblosen Körper einer jungen Frau, die seit Jahren vermisst wird. Als diese kurze Zeit später im Krankenhaus wieder aufwacht, sich aber weigert zu sprechen, nimmt seine Lebensgefährtin, Marianne, sich ihrer an. Etwa zeitgleich wird im Umland von Montpellier eine Mädchenleiche aufgefunden. Perez glaubt nicht an Zufälle, sieht dort bald Zusammenhänge und macht sich auf die Suche nach diesen. Dabei gerät er an eine Sekte, die schon lange für Aufsehen sorgt und nach deren Anführer international gefahndet wird.
Dieser Südfrankreich-Krimi aus der Feder von Yann Sola ist im Mai 2019 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen und umfasst 352 Seiten.
Der Roman punktet auf jeden Fall mit seinem Lokalkolorit: Man reist mit Perez entlang der Côte Vermeille, besteigt den Pic du Canigou in den Pyrenäen, sitzt mit ihm in Cafés und genießt das Leben „wie Gott in Frankreich“. Auch sprachlich ist man gleich in Frankreich angekommen, werden doch immer wieder französische Begriffe eingeflochten. Dass es auch in Frankreich Animositäten zwischen und Vorurteile gegen unterschiedliche(n) Volksgruppen gibt, lässt den Roman ebenfalls sehr authentisch wirken.
Gut gefallen hat mir ebenfalls Perez‘ Hund, Hippy, der sich unter der Anleitung seines Herrchens zu einem richtigen „Gastrohund“ entwickelt hat, genießt doch auch er mehrgängige Menüs (auch wenn sich Hundeliebhaber*innen hier die Haare sträuben werden).
Inhaltlich konnte mich das Buch ganz und gar nicht überzeugen: Mir fehlten einfach der Spannungsbogen und das Gefühl weiterlesen zu müssen, um den Täter/innen und Motiven auf die Spur zu kommen; bei den Ermittlungen hatte ich eher das Gefühl, als tappte Perez im Dunklen und blickte nur durch Zufälle hinter das Geschehen. Auch dass er mit seinen 60/65 Jahren (?) so ganz ahnungslos ist, was die digitale Welt angeht, scheint eher unwahrscheinlich.
Doch auch ansonsten wartet der Roman mit vielen Klischees auf: Da ist die spindeldürre Bulimikerin, Jesus trägt lange Haare und einen Rauschebart und Religion ist gefährlich und nur was für Dumme („Am Ende ist es die Religion, die die Menschen verrückt macht.“). Der Autor bedient sich hier Klischees, die dem Mainstream entsprechen, ohne irgendwie in die Tiefe zu gehen. Es heißt ja, „der Zweck heiligt die Mittel“, aber die heimliche nächtliche Öffnung eines Grabes mit einem Kleinbagger wird wohl auch in Frankreich niemand als Kavaliersdelikt sehen. Ebenfalls der Umstand, dass ein Selbstmordvideo, wenngleich zu einem guten Zweck, ins Internet gestellt wird, erscheint mir an den Haaren herbeigezogen und reichlich deplatziert, um es gelinde auszudrücken.
Das Thema Sekten und Glaubensgemeinschaften in einem Kriminalroman zu behandeln, hat durchaus seinen Reiz, es gibt auch in der (Kriminal- und Thriller-)Literatur viele gute und lesenswerte Beispiele. In diesem Buch jedoch wird nur mit Vorurteilen gespielt und ein tieferes Eindringen in die Materie fehlt völlig – besonders auch, was die psychischen Folgen des Ganzen betrifft. Meinen Geschmack hat Yann Sola mit „Johannisfeuer“ jedenfalls keinesfalls getroffen.

Veröffentlicht am 16.06.2019

„Ann Kathrin ist es egal, wer unter ihr Chef ist.“ (Hauptkommissar Rupert)

Ostfriesenfluch
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Mit „Ostfriesenfluch“ präsentiert Klaus-Peter Wolf Ann Kathrin Klaasens zwölften Fall; dieser Band ist im Februar 2018 als FISCHER Taschenbuch erschienen und umfasst 512 Seiten.
Eingesperrt in einem Erdloch. ...

Mit „Ostfriesenfluch“ präsentiert Klaus-Peter Wolf Ann Kathrin Klaasens zwölften Fall; dieser Band ist im Februar 2018 als FISCHER Taschenbuch erschienen und umfasst 512 Seiten.
Eingesperrt in einem Erdloch. So fristen die Frauen ihr Dasein. Niemand scheint sie zu vermissen – bis eines Tages eine von ihnen nackt und erschossen an einem Rapsfeld gefunden wird. Die Ermittlungen kommen in Gang, und es stellt sich Frage: Was will der Entführer bezwecken? Lösegeld fordert er jedenfalls nicht, stattdessen schickt er Pakete mit ihrer Kleidung an Bekannte. Eine Jagd quer durch Ostfriesland beginnt, und die Zeit scheint den Ermittler/innen davonzulaufen.
Wie immer schafft es Klaus-Peter Wolf, den Spannungslevel von Anfang bis Ende aufrechtzuerhalten. Überraschende Wendungen, da scheint der Täter entlarvt worden zu sein, entpuppt sich aber als der falsche, und Up and Downs während der Ermittlungsarbeiten sowie im Leben der Protagonisten lassen Leserinnen und Leser kaum zur Ruhe kommen. Die Arbeit am Kriminalfall wird immer wieder unterbrochen durch Schilderungen der Gefangenschaft der Opfer, die bei den Lesenden Beklemmung hervorrufen. Durch den Perspektivwechsel zum Täter, über dessen wahre Identität man lange im Unklaren bleibt, wird ein guter Einblick in dessen Psyche geboten. Auch ist dessen Verzweiflung, als ihm alles entgleitet, zum Greifen nah. Sein Motiv ist aus dessen Sicht zwar nachvollziehbar, erschien mir beim Lesen aber leider als etwas abgedroschen.
Auch das Privatleben des Paares Klaasen/Weller kommt wieder einmal nicht zu kurz. Kaum scheint Ann Kathrin sich ein wenig gefangen zu haben, ziehen wieder einmal dunkle Wolken auf dem Horizont auf, dieses Mal in Bezug auf ihre Gesundheit. Ihre Art, auch zusammen mit Weller, Verdächtige zu vernehmen, ist wiederum faszinierend zu lesen und zeigt, warum sie als Vernehmungsexpertin gilt. Ihre Alleingänge beweisen, dass sie jenseits aller Konventionen eine gute Ermittlerin ist. Trotz der Bezüge zu den Vorgängerbänden sind Zusammenhänge auch ohne deren Kenntnis verständlich, flechtet Wolf doch alles Wissenswertes in die aktuellen Ereignisse ein.
Erneut ist auch dieser Band durchzogen von humoristischen Einlagen. Der Humor driftet zwar ab und an ins Slapstickhafte ab, was ansonsten nicht meinem Geschmack entspricht, auch an Rupert, der vor allem durch seine selbstüberschätzenden und derben Bemerkungen für die komischen Elemente sorgt, mögen sich die Geister scheiden, alles in allem musste ich allerdings beim Lesen mehrmals laut auflachen. Hier wird m.E. ersichtlich, dass der Autor eben ein echtes Kind des Ruhrpotts ist.
Sprachlich lässt sich auch dieser Teil flüssig und flott lesen, ohne dass an die Leser/innen besondere Ansprüche gestellt werden.
Das Cover, das Strandkörbe zeigt, versprüht Lokalkolorit, welches ich während des Lesens dieses Mal allerdings ein wenig vermisst habe, und passt daher gut zu der Reihe.
Mein Fazit: Ein weiteres Mal sorgt Klaus-Peter Wolf mit diesem Krimi für spannende, rasante und lustige Unterhaltung, er sollte jedoch aufpassen, dass er, was den Humor betrifft, den Bogen nicht überspannt. Für Fans dieser Ostfriesen-Reihe ein Muss, für alle anderen Krimileser/innen gibt es von mir mit dreieinhalb von fünf Punkten eine klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 15.06.2019

„Victor Hugo ist ermordet worden.“

Cyrus Doyle und der dunkle Tod
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Zum vierten Mal schon ermittelt Cyrus Doyle in „Cyrus Doyle und der dunkle Tod“ auf der britischen Kanalinsel Guernsey. Dieser 352-seitige Band ist im April 2019 im Aufbau Taschenbuch erschienen.
Während ...

Zum vierten Mal schon ermittelt Cyrus Doyle in „Cyrus Doyle und der dunkle Tod“ auf der britischen Kanalinsel Guernsey. Dieser 352-seitige Band ist im April 2019 im Aufbau Taschenbuch erschienen.
Während eines internationalen Victor Hugo-Symposiums wird ein Double dieses Schriftstellers im Rahmen einer Kinovorstellung erschossen. Gleich zu Beginn stellt sich die Frage: Galt das Attentat wirklich dem Opfer? Schließlich wurden vor Beginn des Films die Sitzplätze getauscht. Gemeinsam mit seiner Kollegin Pat macht Cyrus Doyle sich daran, den Fall zu lösen, was die beiden tief in die Vergangenheit Guernseys führt …
Obgleich dieses der erste Band dieser Krimireihe ist, den ich gelesen habe, war ich von Anfang an mitten im Geschehen angekommen. Jan Lucas gelingt es geschickt, alle wichtigen Informationen aus den vorangegangenen Bänden so in den aktuellen Fall einzubauen, dass auch Neueinsteiger/innen in die Reihe dem Geschehen problemlos folgen können.
Der Fall an sich ist interessant konstruiert, durch neu auftauchende Motive sowie Verdächtige und überraschende Wendungen wir die Aufmerksamkeit der Lesenden aufrechterhalten. Das Spannungslevel ist, abgesehen von einer Durststrecke im Mittelteil, eher gleichbleibend, aber permanent vorhanden. Die Auflösung am Ende überrascht, ist jedoch logisch nachvollziehbar.
Die Faszination dieses Buches liegt zum einen in der atemberaubenden Kulisse und zum anderen in der Sympathie, die von den Ermittelnden ausgeht.
Neben Landschaftsbildern bringt Lucas vor allem zwei historische Ereignisse aufs Tapet, die für die Geschichte dieser britischen Insel bis heute von Belang sind: Von 1856 bis 1870 lebte Victor Hugo im Exil auf dieser Insel, und noch heute kann man seine damalige Wohnstätte, Hauteville House, besichtigen. Überbleibsel der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs schließlich prägen noch heute dieses Eiland. Beide Ereignisse spielen in diesem Roman eine Rolle, und Lesende erfahren hier im Nebenbei viel Wissenswertes. In einem Nachwort erläutert Lucas knapp die historischen Hintergründe, und mich selbst haben diese Informationen dazu veranlasst, mich darüber hinaus ein wenig kundig zu machen. Zwei kleine Landkarten zu Beginn des Textes helfen, die Wege, die die Ermittler/innen auf der Insel zurücklegen, mitzuverfolgen.
Cyrus Doyle und seine Kollegin, Pat Holburn, sind ein wirklich sympathisches Ermittlerteam. Private Ereignisse im Leben der beiden lassen sie menschlich und realitätsnah erscheinen. Hier gibt es keine „Superbullen“, sondern Menschen wie du und ich. Ein wenig gestört hat mich allerdings im Laufe des Lesens, dass die gescheiterte Liebesbeziehung zwischen Cyrus und Pat doch teilweise recht großen Raum einnahm, was das Lesen gerade im Mittelteil etwas langatmig erscheinen ließ.
Das Cover, das einen Yachthafen vor der Silhouette der Insel zeigt, ist farblich harmonisch und sehr ansprechend gestaltet, versprüht also sowohl Insel- als auch Urlaubsflair. Es macht auf jeden Fall Lust, das Buch in die Hand zu nehmen.
Alles in allem handelt es sich bei Jan Lucas‘ „Cyrus Doyle und der dunkle Tod“ um einen Kriminalroman, der unblutig daherkommt und seinen Reiz weniger aus der Spannung, als vielmehr aus dem wirklich wunderschönen Ambiente und der Historie schöpft. Für Freund/innen solider Kriminalliteratur eine auf jeden Fall empfehlenswerte Lektüre und für mich ein Anreiz, mir bei Gelegenheit auch die Vorgängerbände zu Gemüte zu führen.