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Veröffentlicht am 31.05.2019

Der Koran – eine lebendige Offenbarung

Der Koran und die Frauen
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Was für das Christentum heute eine Selbstverständlichkeit ist, unternimmt Benjamin Idriz in seinem Buch „Der Koran und die Frauen. Ein Imam erklärt vergessene Seiten des Islam“: eine historisch-kritische ...

Was für das Christentum heute eine Selbstverständlichkeit ist, unternimmt Benjamin Idriz in seinem Buch „Der Koran und die Frauen. Ein Imam erklärt vergessene Seiten des Islam“: eine historisch-kritische Exegese. Dieses Sachbuch ist im April 2019 im Gütersloher Verlagshaus erschienen und umfasst 192 Seiten.
Unterdrückung der Frau, Polygamie, Zwangsehen, Gewalt – Praktiken gelebten Islams, die in der westlichen Welt, und das zu Recht, auf Ablehnung stoßen. Dass man jedoch unterscheiden muss zwischen dem, was der Koran (und mit ihm der Prophet) sagt, und dem, wie dieses gelebt wird, versucht Idriz in seinem Buch darzustellen.
Dabei geht er zuerst auf die vorislamische Zeit der arabischen Welt ein, beleuchtet das damalige Frauenbild, um dann anhand der Schlagwörter „Gerechtigkeit“ und „Gleichheit“, die der Koran für alle Menschen fordert, die Verbesserungen auch für Frauen darzustellen. Streng unterscheidet er dabei zwischen dem Frauenbild in mohammedanischer und nachmohammedanischer Ära: Die Gesellschaft an sich war (und ist) nach wie vor patriarchalisch geprägt, was sich auch auf den Glauben auswirkte. Anhand diverser Beispiele zeigt er auf, wie Suren des Koran und Empfehlungen Mohammeds sich teils frappierend von dem unterschieden, wie sie heute praktiziert werden. Hierzu zählen unter anderem Gewalt in der Ehe, Scheidungs- und Erbrecht, das Gebot, verhüllt zu gehen, oder das Gebet der Frau in der Moschee.
Seine Argumentation folgt im Großen und Ganzen dem, was man aus der Bibelexegese des Christentums schon seit Jahren kennt: Die Heilige Schrift ist zwar eine Offenbarung Gottes, aber eben in einer bestimmten Zeit und unter bestimmten Voraussetzungen entstanden. Vieles, was heute als konservativ und unmenschlich verschrien ist, muss vor dem historischen Hintergrund betrachtet werden. Dass sich neu etablierende Religionen auch althergebrachte Traditionen übernehmen, ist in der Religionsgeschichte allbekannt. Als Exempel diene hier die Polygamie: In einer Zeit, in der eine Frau allein nicht überleben konnte, in der aber gleichzeitig aufgrund von Kriegen ein Frauenüberschuss herrschte, war diese eine angemessene Möglichkeit, das Überleben der Frau zu sichern und diente somit ihrem Schutz. Was – neben patriarchalisch geprägten Konventionen – hier dem Islam heute noch in weiten Bereichen fehlt, ist eine historisch-kritische Auseinandersetzung mit der Schrift, wie sie sich mit der Aufklärung in der westlichen Gesellschaft nach und nach etabliert hat. Eine vergleichbare Epoche jedoch fehlt dem Islam bis heute.
Sehr dezidiert geht der Imam auch auf die Analyse einzelner Begriffe ein (z.B. „wadribuhunne“, welches oft als Legitimation zum Schlagen verwendet wird, aber auch anders verstanden und übersetzt werden kann), was in der Bibelexegese ebenfalls schon lange üblich ist. Gerade diese Passagen erfordern z.T. einige Konzentration beim Lesen und mögen den Lesefluss ein wenig hemmen, für alle, die sich für Sprachwissenschaften interessieren, sind sie jedoch nachvollziehbar, stößt man doch im Christen- oder Judentum sowie der Literaturwissenschaft auch immer wieder auf ähnliche Vorgehensweisen.
Ein wenig negativ aufgestoßen ist mir, dass ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, an einigen Stellen versuche der Autor den Koran über die jüdisch-christliche und somit auch humanistische Tradition zu stellen. „Manches von dem, was wir im modernen Europa als emanzipatorisch betrachten, wurde im 7. Jahrhundert in Mekka und Medina schon thematisiert.“ (S. 56) Hier vergisst er zu erwähnen, dass auch die Geschichte Europas diesbezüglich eine mit Rück- und Fortschritten ist, mit Wellenbewegungen.
Insgesamt legt Benjamin Idriz hier einen gelungenen Versuch vor, den Koran als dynamische Überlieferung zu betrachten, die in ihrem Kern einen Wunsch hat: Gerechtigkeit und Gleichheit für alle Menschen. Eine starre Lesart und Missbrauch stehen diesem Ansinnen jedoch noch allzu oft im Weg. Hier wären in einem weiteren Schritt Lösungswege zu entwickeln – meiner Meinung nach durch Bildung und Aufklärung. Ein Buch, das ich Interessent*innen an der Islamdebatte wärmstens empfehlen kann.

Veröffentlicht am 18.05.2019

Welche Geheimnisse lauern hinter der Fassade dieser ansonsten so idyllisch wirkenden Inselwelt?

Nachts schweigt das Meer
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Eher ruhig und beschaulich gestalten sich die Ermittlungen Benesek Kittos in Kate Penroses „Nachts schweigt das Meer“. Dieser 464-seitige Kriminalroman bildet den Auftakt zu einer Serie, die auf den Scilly-Inseln ...

Eher ruhig und beschaulich gestalten sich die Ermittlungen Benesek Kittos in Kate Penroses „Nachts schweigt das Meer“. Dieser 464-seitige Kriminalroman bildet den Auftakt zu einer Serie, die auf den Scilly-Inseln vor der Küste Cornwalls spielt, und ist im Mai 2019 bei Fischer erschienen.
Benesek Kitto, Undercover-Ermittler in London, braucht eine Auszeit. Dafür kehrt er in seine Heimat zurück: nach Bryher, der kleinsten der fünf bewohnten Scilly-Inseln. Dort wird die 16-jährige Laura vermisst und kurze Zeit später ihr Leichnam gefunden. Ben macht sich auf die Suche nach ihrem Mörder und muss bald feststellen, dass es mehr Verdächtige gibt, als anfangs angenommen.
Dass gerade in den idyllischsten Ortschaften die dunkelsten Geheimnisse lauern, ist nichts Neues – ein Motiv, das in vielen Spannungsromanen aufgegriffen wird. Dennoch hebt sich dieser Krimi von der Masse ab, indem er vor einer eher ungewöhnlichen Kulisse spielt. Mir jedenfalls waren die Scilly-Inseln vor dieser Lektüre unbekannt, und umso mehr habe ich es genossen, diese anhand dieses Buches kennenzulernen. Karten in der vorderen Buchklappe erleichtern dabei die Orientierung und sorgen dafür, dass man sich auf Bryher bald heimisch fühlt.
Auch wenn der Roman eher ruhig daherkommt, verfügt er von Anfang bis Ende über ein konstantes Spannungsniveau. Dieses resultiert vor allem aus zwei Elementen: zum einen aus dem Gedanken, dass es innerhalb einer Gemeinschaft, bestehend aus 98 Menschen, wo eigentlich jeder jeden zu kennen glaubt, zu einem solchen Verbrechen kommen kann, zum anderen aus dem Umstand, dass sich das Geschehen im Vorfrühling ereignet, wo das Wetter genauso düster ist wie das Geschehen selbst. Gerade der erste Punkt lädt Leserinnen und Leser dazu ein, sich unentwegt Gedanken darüber zu machen, wer letzten Endes der Täter sein mag, eigene Urteile zu überdenken und, vor allem wegen immer neu auftauchender Motive, abzuändern. Nach und nach treten bei den Inselbewohnern neue Geheimnisse zutage, sodass man beim Lesen aus dem Grübeln kaum herauskommt. Der Fall wird am Ende recht überraschend, aber dennoch logisch nachvollziehbar aufgeklärt.
Der Roman selbst besteht aus zwei Handlungssträngen, den Ermittlungen im Fall „Laura“ selbst sowie den kursiv gedruckten Einschüben über Rose, einer Außenseiterin im Dorf, die mit mannigfaltigen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Gerade diese Einschübe richten den Blick darüber hinaus auf Probleme, mit denen dieses ansonsten so malerisch anmutende Eiland zu kämpfen hat: Schmuggel und unlautere Immobiliengeschäfte.
Lebensnah, vielschichtig und detailliert beschreibt Penrose die Charaktere. Von Zeit zu Zeit wechseln die Sympathien, wobei Ben sich trotz seines Schicksals als kluger, ruhiger und überlegter Ermittler entpuppt. Sehr gut gefallen hat mir auch sein Assistent, Eddie, der sich von einem naiven, übermotivierten Anfänger zu einem gewieften, mitdenkenden Polizisten entwickelt.
Der Kriminalroman ist, bis auf die Einschübe, in der ersten Person Präsens verfasst; dieses verhilft den Lesenden zur Identifikation mit dem Geschehen und dem Protagonisten. Die Sprache an sich ist flüssig und schnörkellos zu lesen, ausführliche Beschreibungen der Inselwelt und des Klimas, auch im übertragenen Sinne, lassen Leserinnen und Leser tief in diese Welt eintauchen. Leider lässt der beschreibende Stil den Roman gerade im Mittelteil phasenweise etwas langatmig erscheinen.
Das Cover zeigt ein harmonisches Abbild der Insel, über dem sich schon dunkle Wolken zusammenballen, und passt daher gut zum Roman.
Alles in allem konnte mich Kate Penrose mit diesem ersten Band überzeugen, entführte er mich doch auf angenehm spannende Weise in eine mir bis dato unbekannte Inselwelt – ein Buch, das ich Liebhaberinnen klassischer und eher ruhiger Kriminalromane bedenkenlos empfehlen kann. Ich selber bin schon auf den zweiten Band gespannt.

Veröffentlicht am 26.04.2019

Ein poetisches Buch, das knallhart die Realität widerspiegelt.

Herr der Fliegen
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Bei „Herr der Fliegen“ handelt es sich um den ersten und erfolgreichsten Roman aus der Feder des späteren Literaturnobelpreisträgers William Golding (1911 bis 1993). Der Roman erschien erstmals 1954. Seither ...

Bei „Herr der Fliegen“ handelt es sich um den ersten und erfolgreichsten Roman aus der Feder des späteren Literaturnobelpreisträgers William Golding (1911 bis 1993). Der Roman erschien erstmals 1954. Seither wurde er immer wieder neu übersetzt und aufgelegt und zählt heute zu den Klassikern der Moderne.
Eine Gruppe sechs- bis zwölfjähriger englischer Schuljungen strandet nach einem Flugzeugabsturz auf einer unbewohnten Insel mitten im Pazifik. Was als romantische Robinsonade beginnt, entwickelt bald seine eigene Dynamik. Die Gruppe splittet sich auf. An der Spitze der einen Partei steht Ralph; er versucht, die menschliche Zivilisation aufrechtzuerhalten: Er lässt Hütten bauen, ein Signalfeuer entfachen, organisiert den Alltag und macht sich Gedanken um sein Äußers. Jack indes lässt das Zivilisierte bald hinter sich; er widmet sich allein der Jagd und findet Gefallen daran, sich durch „Kriegsbemalung“ in einen „Wilden“ zu verwandeln. Als die eigentlich dem Überleben dienende Schweinejagd dann ausartet, findet sie ihren Höhepunkt in einem Mord: Die Kinder haben Blut geleckt … und die Katastrophe ist unausweichlich.
Der Roman beginnt durchaus romantisch und ruhig: „Zwischen der Palmenterrasse und dem Uferrand schien sich die sanfte Kurve des Strandes als schmaler Streifen ins Grenzenlose dahinzuziehen …“ Die Kinder gehen daran, sich zu organisieren und so ihr Überleben zu sichern. Doch lässt die Feststellung, dass Intelligenz und Organisationstalent noch lange keine Führungspersönlichkeit machen, Schreckliches ahnen. Und tatsächlich: Die anfangs dahinplätschernde Handlung gewinnt nach und nach immer mehr an Dramatik und gipfelt schließlich in grenzenloser Brutalität: „Stecht das Tier! Macht es rot! Blut fließt rot!“ Dieser Ruf gilt schließlich nicht „nur“ den Tieren, sondern auch Ralph, der als einziger noch ein Stück Zivilisation in sich trägt. Allein der „deus ex machina“ in Form eines Marineoffiziers vermag es schließlich, den endgültigen Untergang der Gruppe abzuwenden.
Mehrere Elemente sorgen für Dramatik und führen Leserinnen und Lesern das ganze Desaster unverblümt vor Augen:
Der Roman spielt vor der Kulisse eines Atomkriegs. Doch kaum sind die Kinder dem Kriegsgeschehen der Erwachsenen entronnen, veranstalten sie ihren eigenen Krieg. Während Kinder im Allgemeinen als Symbol der Unschuld gelten, präsentieren sie sich hier als das Böse in persona. Auf der Insel finden die Kinder einen Garten Eden vor, doch sehr schnell haben sie nichts Besseres zu tun, als diesen möglichst schnell zu zerstören. Goldings Sprache ist durchweg sehr poetisch, was in einem markanten Gegensatz zum Geschehen steht.
Allein der Blick in die Geschichte und in die aktuellen Nachrichten zeigt: Wir alle sind diese Kinder; auch wir neigen immer wieder zur Gewalt, lassen uns von anderen nur allzu gern blenden und werden zu Mitläufern. Im Roman rettet der unverhofft eintreffende Offizier die Kinder vor dem endgültigen Ruin. Doch auf einen Messias werden wir im Hier und Jetzt wohl vergebens warten. Das Einzige, was uns bleibt: das Tier, das Wilde in uns zu zähmen. Und es gar nicht erst zur Katastrophe kommen zu lassen.
Insofern stellt Goldings „Herr der Fliegen“ ein lesenswertes, stets aktuelles Werk dar, das zurecht seinen Platz in der Weltliteratur innehat – und ein Werk, dem man sich nicht nur als Pflichtlektüre in der Schule widmen sollte, sondern das gerade uns im Jahre 2019 als Erwachsene sehr viel zu sagen hat.

Veröffentlicht am 21.04.2019

Familiengeheimnisse lauern im Dunkeln

Nordfinsternis
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Ricarda Oertels Küstenkrimi „Nordfinsternis“ ist im April 2019 bei Emons erschienen und umfasst 256 Seiten.
Miriam führt ein auf den ersten Blick perfektes Leben: Sie hat einen guten Job, ein Häuschen ...

Ricarda Oertels Küstenkrimi „Nordfinsternis“ ist im April 2019 bei Emons erschienen und umfasst 256 Seiten.
Miriam führt ein auf den ersten Blick perfektes Leben: Sie hat einen guten Job, ein Häuschen und dazu einen sie liebenden Ehemann. Doch mit der Geburt ihrer Tochter, Pia, beginnen Albträume und Panikattacke ihr Leben zu bestimmen. Als dann auch noch ihre Tante, Edith, stirbt, steht für sie fest: In ihrer Vergangenheit schlummern dunkle Geheimnisse, denen sie sich stellen muss. Also begibt sie sich auf die Suche …
Auch wenn das Buch vom Verlag als „Küstenkrimi“ deklariert ist, handelt es sich bei diesem eher um einen psychologischen Spannungsroman, was seiner Qualität allerdings keinen Abbruch tut.
Der Roman beginnt mit einer düsteren Reise in die Vergangenheit, die bei Leserinnen und Lesern gleich eine Menge Fragen und finstere Vorahnungen aufwirft: Was mag sich in diesem dunklen Kellerloch abgespielt haben? Wessen Erinnerungen begegnet man hier? Mit einem Sprung in die Gegenwart lernt man die Protagonistin und ihre Familie kennen, mit dem Tod der Tante schließlich wird offenbar, dass in den Tiefen dieser Familie bedrückende Geheimnisse lauern. Hier setzt dann auch der Spannungsbogen ein, der bis zum Schluss nicht abreißen will und die Lesenden immer wieder zum Grübeln bringt. Das Geschehen endet schließlich in einem dramatischen Finale, in dem die Familiengeschichte lückenlos aufgeklärt wird.
Der Roman ist fast durchweg im Präsens geschrieben, was die Leser/innen hautnah am Geschehen teilhaben lässt und somit ein ansprechendes Mittel der Dramaturgie darstellt. Die am Ende der meisten Kapitel sich befindenden kursiv gedruckten Passagen sind ebenfalls als Spannungselement zu nennen, fragt man sich doch immer wieder, wer hinter den dort geschilderten Gedanken steckt und welches Geheimnis es zu verbergen gilt. Gerade diese Elemente sind es, die beim Lesen immer wieder dazu zwingen, schon vorgefertigte Meinungen zu hinterfragen und „am Ball zu bleiben“, weil man dem Geheimnis einfach auf die Spur kommen möchte.
Ricarda Oertel zeichnet ihre Charaktere plastisch und vielschichtig. Beständig schwanken die Sympathien beim Lesen hin und her; letztlich stellen die Leser/innen fest: Man muss den Menschen in seiner Ganzheit, mit seiner Geschichte, betrachten, statt sich vom ersten Eindruck blenden zu lassen.
Sprache und Stil der Autorin sind bildhaft, eingängig und flüssig, an einigen Stellen fast schon poetisch zu lesen; durch die Figur von Christa Blotenberg, der Nachbarin, die in einem gut verständlichen norddeutschen Dialekt spricht, kommen auch regionale Aspekte zum Tragen, die ich im Roman ansonsten allerdings vermisst habe, sind sie mir persönlich bei Regionalkrimis doch wichtig.
Ein den Roman durchziehendes Thema ist Tod und Sterben: Insbesondere durch Bezüge zu Astrid Lindgrens Märchen „Sonnenau“ und das Schicksal von Miriams Vater werden Lesende immer wieder dazu angeregt, sich damit auseinanderzusetzen.
Alles in allem präsentiert Ricarda Oertel mit „Nordfinsternis“ einen wirklich fesselnden psychologischen Spannungsroman, der Leserinnen und Leser in seinen Bann zieht, und den ich allen Freund/innen spannungsgeladener Literatur bedenkenlos empfehlen kann. Nur einen Kriminalroman im klassischen Sinne und viel Küstenflair sollte man eben nicht erwarten.

Veröffentlicht am 10.04.2019

Mörderische Spannung an der Ostsee

Ostseeangst
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Bereits in ihrem 14. Fall ermitteln die Lübecker Kommissarin Pia Korittki und ihr Team in „Ostseeangst“. Dieser Regionalkrimi ist im März 2019 bei Bastei Lübbe erschienen und umfasst 416 Seiten.
Bei einer ...

Bereits in ihrem 14. Fall ermitteln die Lübecker Kommissarin Pia Korittki und ihr Team in „Ostseeangst“. Dieser Regionalkrimi ist im März 2019 bei Bastei Lübbe erschienen und umfasst 416 Seiten.
Bei einer Kajaktour findet eine Gruppe Jugendlicher in der Asche ihres Lagerfeuers eine menschliche Hand. Während die Mordkommission mit ihrer Arbeit beginnt, verschwindet in der darauffolgenden Nacht Becca, die Betreuerin dieser Gruppe, spurlos. Nach und nach tauchen im Laufe der Ermittlungen immer wieder Leichenteile auf. Als sich dann auch noch das LKA einmischt, weil in der Nähe des Fundorts eine Cannabisplantage entdeckt wird, wird der Fall immer vertrackter, und ein Streit um die Zuständigkeiten droht die Untersuchungen zu behindern. Pia stellt sich nur eine Frage: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen diesen Fällen?
Der Roman beginnt sehr spannend mit einem vermeintlichen Kajakunfall und dem Auffinden der Leichenteile. Während der Ermittlungsarbeiten kommen immer neue Handlungsstränge und Hinweise hinzu, was den Spannungsbogen aufrechterhält und Leserinnen und Leser kaum zur Ruhe kommen lässt. Unvorhergesehene Wendungen und das scheibchenweise Hinzufügen von Informationen tragen ihr Übriges dazu bei, die Lesenden in die Ermittlungen einzubeziehen und zum Miträtseln zu animieren, sodass beim Lesen die Seiten einfach so dahinfliegen. Am Ende wird der Fall größtenteils zufriedenstellend und, trotz einiger Überraschungen, logisch aufgeklärt. Lediglich der Umstand, dass der am Anfang erwähnte Unfall und die dahinterliegenden gruppendynamischen Prozesse während des Lesens unter den Tisch fallen, hat mich ein wenig enttäuscht. Für den Kriminalfall an sich spielt dieses allerdings keine Rolle, sodass man hier durchaus geteilter Meinung sein kann.
Auch wenn es sich hier um den 14. Teil einer Krimiserie handelt, fiel es mir als Quereinsteigerin sehr leicht, mich in das Geschehen einzufinden. Sehr geschickt versteht es Eva Almstädt, alle benötigten Informationen aus den vorangegangenen Fällen und dem Privatleben der Protagonisten einzuflechten, weshalb ich von Anfang an das Gefühl hatte, Pia und ihre Team schon lange zu kennen. Positiv sei noch das ausgewogene Verhältnis zwischen Privatem und Beruflichem erwähnt.
Die Charaktere sind plastisch und realitätsnah, größtenteils auch sympathisch gezeichnet. Ihre Mehrschichtigkeit lässt sie menschlich erscheinen und sorgt immer wieder für Überraschungen, was insbesondere der Aufklärung des Falles zugutekommt.
Eva Almstädts Sprache und Stil sind flott, flüssig und sehr kurzweilig zu lesen - und mehr erwarte ich von einem Krimi auch nicht unbedingt. Kurze Kapitel lassen einen beim Lesen rasch voranschreiten und sorgen für ein rasantes Leseerlebnis.
Das Cover zeigt ein altes Haus, wohl die Jugendherberge, vor dem Hintergrund der See. Der dunkle, wolkenbehangene Himmel verleiht der Szenerie ein bedrohliches Ambiente, passt also sehr gut zu Genre und Inhalt des Buches.
Alles in allem durfte ich hier einen wirklich solide konstruierten, spannenden und flüssig zu lesenden Kriminalroman lesen, der mir auch als Neueinsteigerin in die Reihe keinerlei Probleme bereitete, und ganz sicher werden bei mir noch weitere Pia Korittki-Romane folgen. Ein Buch, das ich allen Freund/innen deutscher Regionalkrimis von ganzem Herzen empfehlen kann, beschert es Leserinnen und Lesern doch einige reizvolle Lesestunden, ohne zu überfordern – genau die richtige Freizeitlektüre also.

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