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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.03.2019

Er für mich, ich für ihn, ein Leben lang – la vie en rose.

Madame Piaf und das Lied der Liebe
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„La vie en rose“, „Milord“, „Non, je ne regrette rien“ – um nur die Bekanntesten zu nennen: Wer kennt sie nicht, die „Hits“ dieser kleinen, großen französischen Chansonnette?
In ihrer 448-seitigen Romanbiographie ...

„La vie en rose“, „Milord“, „Non, je ne regrette rien“ – um nur die Bekanntesten zu nennen: Wer kennt sie nicht, die „Hits“ dieser kleinen, großen französischen Chansonnette?
In ihrer 448-seitigen Romanbiographie „Madame Piaf und das Lied der Liebe“, im März 2019 als Aufbau-Taschenbuch erschienen, nimmt Michelle Marly das Leben dieses französischen Weltstars unter die Lupe. Im Zentrum des Romans stehen die Jahre 1944 bis 1947.
Nachdem Paris von der deutschen Besatzung befreit wurde, beginnen die „Aufräumarbeiten“. Und auch Édith Piaf gerät im Zuge dessen unter den Verdacht der Kollaboration mit den deutschen Besatzern. Während das Damoklesschwert eines Auftrittsverbots über ihr hängt, lernt sie den jungen Yves Montand kennen und lieben. In den ersten Nachkriegsjahren nimmt sie ihn unter ihre Fittiche und protegiert ihn. Zeitgleich reift in ihr die Idee zu einem Chanson, das bis heute ganz Frankreich fasziniert: La vie en rose.
Der Roman ist aufgeteilt in einen Prolog, der das Jahr 1937 schildert, gefolgt von drei Teilen, in denen Édiths Zeit mit Yves Montand im Zentrum steht – bis es einem Auseinanderleben kommt. Der erzählende Teil des Romans schließt endlich mit dem Beginn des Siegeszuges von „La vie en rose“. In einem Nachwort erfahren interessierte Leser/innen Wissenswertes über das Leben von Édith Piaf und Yves Montand sowie die Arbeit der Autorin.
Authentisch und keineswegs beschönigend schildert Marly sowohl das von Versorgungsengpässen gebeutelte Frankreich des letztens Kriegsjahres und der beginnenden Nachkriegszeit als auch das Leben des französischen Künstlerkreises in dieser Zeit, der versucht, sich jenseits der allgemeinen Armut ein neues Leben aufzubauen. Ein wenig schlecht kommt meines Erachtens hier Édith Piaf weg, die eher versucht, den Unwegsamkeiten des Lebens aus dem Wege zu gehen, statt sich ihnen zu stellen: Ihr Leben bildet sozusagen einen Mikrokosmos im großes Weltgeschehen. Immer wiederkehrende, kursiv gedruckte Rückblenden bieten einen Einblick in Piafs Leben jenseits des hier erzählten Zeitraums.
Auch die anderen Charaktere sind zwar genau beschrieben, bleiben jedoch etwas farblos, was ich ein wenig schade finde. Édith Piaf dominiert eindeutig das Geschehen, von Yves Montand indes hätte ich mir mehr „Präsenz“ erhofft, spielt er doch eher eine passive Rolle.
Marlys Sprache ist leicht und schnörkellos, sodass sich das Buch flott lesen lässt. Stellenweise werde Orte und Personen recht ausführlich geschildert, dennoch ist es der Autorin leider nicht gelungen, mich vollends in den Bann zu ziehen und in die vergangene Zeit eintauchen zu lassen: Mir persönlich fehlt es einfach zu sehr an „Tiefe“. Zudem wäre es mir lieb gewesen, ein bisschen mehr über das Verhältnis von Fiktion zur Realität zu erfahren. Hier bleibt alles zu schwammig. Für Leserinnen und Leser, die einfach nur eine schöne Liebesgeschichte lesen wollen, dürfte dieses allerdings kein Defizit darstellen.
Cover und Layout des Buches reihen sich sehr gut ein in die Buchserie „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“, innerhalb der auch dieser Roman erschienen ist. Das Cover lässt die Vierzigerjahre wieder aufleben, Zitate der Piaf im Inneren und eine großzügige Aufteilung lassen das Buch zu einem harmonischen Ganzen werden.
Ich selber habe „Madame Piaf und das Lied der Liebe“ in einem Zug durchgelesen und auch einiges Wissenswerte über die Piaf und Yves Montand, mit denen ich mich vorher noch nie detaillierter beschäftigt habe, erfahren, jedoch ist es Michelle Marly, wie oben schon erwähnt, leider nicht gelungen, mich vollkommen in die Welt der beiden zu entführen. Aufgrund der soliden schriftstellerischen Arbeit und guten Lesbarkeit des Buches gibt es von mir dreieinhalb von fünf Sternen.

Veröffentlicht am 23.03.2019

… dass ich nicht ruhen werde, bis ich ihn gefunden habe.

Schatten der Toten
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Mit „Schatten der Toten“ schließt Elisabeth Herrmann ihre dreibändige Romanreihe rund um die Tatortreinigerin Judith Kepler ab. Dieser Spionagethriller ist im März 2019 bei Goldmann erschienen und umfasst ...

Mit „Schatten der Toten“ schließt Elisabeth Herrmann ihre dreibändige Romanreihe rund um die Tatortreinigerin Judith Kepler ab. Dieser Spionagethriller ist im März 2019 bei Goldmann erschienen und umfasst 672 Seiten.
Nachdem ihr Chef einen Herzinfarkt erlitten hat, steht Judith Keplers Leben an einem Wendepunkt. In etwa zeitgleich stirbt die ehemalige Stasi-Spionin Eva Kellermann, die ihrer Tochter, Isa, an ihrem Sterbebett ein lang gehütetes Geheimnis offenbart. Wer oder was steckte wirklich hinter der Operation Sassnitz, die in den Achtzigern der kleinen Judith die Familie nahm? Die Spur führt nach Odessa, wo Bastide Larcan, Judiths Vater und früherer Stasi-Agent, inzwischen als einer der größten Verbrecher sein Dasein fristet. Und nicht nur einer wünscht diesem Mann dem Tod …
Ich muss gestehen, dass ich mich anfangs mit der Lektüre ein wenig schwertat. Die Handlung ist recht komplex, und die beiden Vorgängerbände waren mir nicht mehr 100%-ig präsent. Jedoch gelingt es Herrmann, mit geschickt eingestreuten Informationen in ihrer Leserschaft wieder Judiths Geschichte wachzurufen, sodass man sich doch nach und nach in die Story einfinden kann. Ein gewisses Maß an Konzentration erfordern bis zum Ende die vielen verschiedenen Abkürzungen für Geheimdienste und –organisationen, die man allerdings nach einer Zeit auch gut zuordnen kann.
Ist man beim Lesen einmal in den Lesefluss gekommen, präsentiert sich Herrmanns Thriller als interessante Reise durch die beiden Großstädte Berlin und Odessa sowie die deutsch-deutsche Geschichte. Insbesondere die Beschreibungen des heutigen Odessas und seiner Menschen haben mich beim Lesen sehr beeindruckt und zeugen von einer tiefgreifenden Recherche. Zudem stellt die Autorin mit Judith Kepler einen Menschen und sein Schicksal ins Zentrum des Geschehens, die des Erinnerns an diese deutsche Epoche würdig sind.
Mag der Mittelteil des Thrillers, in dem viele Vorbereitungen diverser Geheim- und Nachrichtendienste geschildert werden, zuweilen zu langatmig erscheinen, macht dieses der wirklich fulminante und von Überraschungen geprägte letzte Teil dieses Buches fast wieder wett. Im Gegensatz zu den Charakteren des Buches verfügen Leserinnen und Leser über alle wichtigen Informationen, sodass für sie die gesamte Kepler-Reihe zu einem befriedigenden und logischen Ende kommt.
Herrmanns Sprache ist vielfältig: So gibt es einige sprachlich wirklich gelungene und feine Passagen, während an anderen Stellen, passend zu Hintergrund und Charakter der Figuren, die Sprache sehr derbe ist. Alles in allem ist das Buch flüssig zu lesen und bereitet in dieser Hinsicht keine größeren Schwierigkeiten. Ein wenig gewöhnungsbedürftig dürften für einige die eher uns fremd erscheinenden ukrainischen Namen sein.
In diesem Roman trifft man beim Lesen auf viele aus den Vorgängerbänden schon bekannte Gesichter, was für Neueinsteiger/innen eventuell eine Herausforderung darstellen könnte. Dennoch sind alle Charaktere sehr vielschichtig und – vor allem – wandelbar dargestellt, die Sympathien für die einzelnen Figuren kommen und gehen von Zeit zu Zeit – lediglich Judith Kepler scheint hier eine Konstante zu sein.
Das Cover ist düster gestaltet, allein die helle Schrift mit Titel und Namen der Autorin sticht hervor. Die Treppe, die ins Tiefe führt, hat durchaus symbolischen Charakter: ein Abstieg in die Abgründe des Menschen und der Geschichte. Aber auch zum offensichtlichen Inhalt des Buches gibt es Bezüge, spielt der Keller doch mehr als einmal eine Rolle.
Alles in allem präsentiert Elisabeth Herrmann mit „Schatten der Toten“ trotz ausgesprochener Längen einen lesenswerten und würdigen Abschluss ihrer Kepler-Trilogie. Der spannende Showdown lässt das Buch zu einem Muss für alle Kepler-Fans werden. Von mir gibt es daher mit dreieinhalb von fünf Sternen eine klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 14.03.2019

Ein mörderisches Business

Murder Swing
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Zum ersten Mal ermittelt der Vinyldetektiv, dessen Name im Roman kein einziges Mal erwähnt wird, in dem Thriller „Murder Swing“ von Andrew Cartmel. Der Roman ist im März 2019 bei Suhrkamp erschienen und ...

Zum ersten Mal ermittelt der Vinyldetektiv, dessen Name im Roman kein einziges Mal erwähnt wird, in dem Thriller „Murder Swing“ von Andrew Cartmel. Der Roman ist im März 2019 bei Suhrkamp erschienen und umfasst 528 Seiten.
Der Vinyldetektiv ist ein Sammler, ein Spezialist für außergewöhnliche Schallplatten eben, sein Leben ist die Musik – genauer der Jazz. Eines Tages erhält er den Auftrag, zusammen mit Nevada eine seltene Platte eines kleinen amerikanischen Labels aufzustöbern. Was anfangs einfach nur ein kniffeliges Rätsel zu sein scheint, entpuppt sich bald als tödlicher Auftrag: Denn immer mehr Leichen pflastern den Weg der Suchenden. Die Lage spitzt sich zu, als dann auch noch die „arischen Zwillinge“ Heidi und Heinz den Weg des Vinyldetektivs kreuzen.
Auch wenn es an Todesfällen in diesem Thriller nicht mangelt, brilliert er nicht nur durch seine Spannung, sondern vor allem durch seinen Humor: Von Slapstickhaftem bis Tiefgründigem ist hier alles vertreten. Diese Kombination macht das Buch zu einem Lesespaß, den man einfach nicht aus der Hand legen mag.
Der Roman ist, wie auch die gute, alte Schallplatte, in eine A- und eine B-Seite unterteilt. Auf der A-Seite machen sich Leserinnen und Leser zusammen mit dem doch eher ungleichen Pärchen Nevada und Vinyldetektiv auf die Suche nach der Platte, auf der B-Seite erfährt man dann, welche Geschichte hinter diesem Tonträger steckt, weshalb die Suche so brisant war.
Während die A-Seite eher rasant geschrieben ist und die Leser/innen kreuz und quer durch London führt, geht es auf der B-Seite zwar geruhsamer zu – jedoch keineswegs weniger witzig und spannend. So bilden beide Teile zusammen eine spannende Reise durch die Welt der Jazzmusik und der Plattenindustrie.
Leserinnen und Leser, die sich noch an die Zeit der Langspielplatten erinnern, werden in diesem Roman auf einige(s) Bekannte(s) treffen, Jüngere werden vielleicht ein wenig nachvollziehen können, welche Faszination von diesen schwarzen Scheiben einst ausging – und allen ist gemeinsam, dass man viel Wissenswertes über dieses Medium erfährt.
Sprachlich lässt sich dieser Thriller locker-flockig lesen, an vielen Stellen muss man gar laut auflachen. Insbesondere die Dialoge sind einfach nur lustig und zum großen Teil mit trockenem Humor gespickt. Die Ich-Perspektive und die inneren Monologe lassen die Lesenden tief in das Geschehen eintauchen und mit den Protagonisten mitleiden und –lachen.
Die Zahl der Charaktere ist übersichtlich, alle sind liebevoll gezeichnet und haben ihre Marotten, was ebenfalls für reichlich Humor sorgt. Besonders gut hat mir der Vinyldetektiv selbst gefallen, der auf den ersten Blick eher wie ein etwas verlotterter Verlierer wirkt, sich aber im Laufe des Lesens als gewitzt und pfiffig erweist – und einfach nur einen „Schlag bei den Frauen“ hat, was man beim Lesen durchaus nachvollziehen kann. Ein besonderes Highlight waren für mich zudem seine Katzen, die dem Roman etwas Liebreizendes geben – und die Art, wie Nevada mit ihnen redet, ist einfach nur göttlich.
Das Cover ist ein echter Hingucker. Es erinnert ein wenig an James Bond, hat mit seinem knalligen Blau und Rot aber auch etwas Comichaftes. Die große Schallplatte im Zentrum stimmt ansprechend auf das Thema ein.
Insgesamt ist Cartmel mit diesem Roman ein Thriller der etwas anderen Art gelungen, eher Krimödie als Thriller, mit wenig Brutalität, aber dafür mit einer ordentlichen Portion Humor und Coolness, der in einem Zug gelesen werden will und mir einige sehr amüsante Lesestunde bereitet hat. Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 10.03.2019

Meine Aufgabe ist es, böse Menschen zu bestrafen, die bisher davongekommen sind.

Wolfsspiel
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Im ansonsten ach so beschaulichen Lipperland treibt ein Serienmörder sein Unwesen. Dieses ruft in Christian Jaschinskis „Wolfsspiel“ Kriminalhauptkommissar Florian Dreier und sein Team auf den Plan. Der ...

Im ansonsten ach so beschaulichen Lipperland treibt ein Serienmörder sein Unwesen. Dieses ruft in Christian Jaschinskis „Wolfsspiel“ Kriminalhauptkommissar Florian Dreier und sein Team auf den Plan. Der Regionalkrimi ist im Februar 2019 bei Gmeiner erschienen und umfasst 314 Seiten.
Leichenfund im Bad Salzufler Kurpark, in Nase und Ohren stecken gelbe Halmafiguren – wer ist zu einem solch perfiden Mord fähig? Während Dreier und sein Team noch im Trüben fischen, kommt es zu einem zweiten Mord, der demselben Schema folgt. Und bald steht fest: Hier hat das Ermittlerteam es mit einem Serientäter zu tun. Doch welchen Plan verfolgt er? Was steckt dahinter? Parallel dazu recherchiert auch die Richterin Tara Wolf mit ihren Freunden in diesem Fall - und nicht nur in diesem, sie macht zudem noch Jagd auf den mysteriösen Rocker, der hinter dem Mord an ihrem Mann steckt. Als sie dem Serienkiller auf die Spur kommt, gerät auch sie selbst in tödliche Gefahr …
Ich muss gestehen, dass es mir anfangs einige Mühe bereitete, in den Kriminalroman hineinzufinden, werden Leserinnen und Leser doch gleich zu Beginn mit recht vielen Handlungssträngen und Charakteren - teils sympathischen, teils eher unsympathischen, auf jeden Fall aber zutiefst menschlichen - konfrontiert. Hat man diese Anfangshürde jedoch einmal überwunden, liest sich das Buch – nicht auch zuletzt aufgrund seiner flüssigen, klaren Sprache - zügig und spannend. Die recht kurzen Kapitel lassen beim Lesen schnell voranschreiten. Leider standen für mich schon zur Hälfte des Romans Täter und Motiv fest (und ich lag mit meiner Annahme nicht falsch), was, obgleich es auch ansonsten interessant und kurzweilig war, die Ermittlungsarbeiten weiter zu verfolgen, dem Geschehen doch ein wenig die Spannung nahm. Am Ende klärt sich die Mordserie logisch nachvollziehbar und solide auf, bedauerlicherweise bleiben allerdings einige Aspekte außen vor, so ist mir auch am Ende nicht ganz klar, was es mit den Halmafiguren auf sich hat.
Positiv hervorzuheben sei hier dennoch der Perspektivwechsel: Immer wieder stößt man beim Lesen auf die aus der Ich-Perspektive erzählten und kursiv gedruckten Gedanken des Mörders, was einerseits beim Lesen für ein rasches Durchschauen sorgt, auf der anderen Seite aber eben auch ein gewisses Verständnis für die Taten weckt und Einsichten in die Psyche des Mörders eröffnet, sodass man am Ende die Motivation für die Morde gut nachvollziehen kann. Dieses lenkt den Blick auf einen ernsten Gedanken, der hinter diesem Roman steckt: die Selbstjustiz. Selbst wenn man, wie ich, nicht viel davon hält, bringt er Leserinnen und Leser doch ins Grübeln.
Der gesamte Roman ist durchzogen von einem feinen, zum Teil auf hintergründigen Humor, wie z.B. das Auffinden der zweiten Leiche zeigt, bei dem es nach einer schönen Landschaftsbeschreibung heißt: „Das alles interessierte Sergej Kusainov nicht mehr. Er war tot und lag auf dem Rücken im Matsch.“ (S. 137)
Wie es sich für einen Regionalkrimi gehört, enthält auch dieses Werk viel Lokalkolorit, was Lust darauf macht, selbst einmal das Lipperland zu besuchen – und dann hoffentlich, ohne auf einen Serienkiller zu treffen.
Alles in allem präsentiert Christian Jaschinski mit „Wolfsspiel“ einen lesenswerten Regionalkrimi und ein sympathisches Ermittlungsteam, die förmlich nach einer Fortsetzung der Reihe rufen und Leserinnen und Lesern einige vergnügliche, interessante Lesestunden bescheren. Trotz der oben erwähnten Kritikpunkte gibt es von mir mit 3,5 von fünf Sternen eine eindeutige Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 08.03.2019

„Zu viele Verdächtige, kein Opfer und nichts ergibt einen Sinn.“ (Sandro Bandini)

Blind
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Zum ersten und hoffentlich nicht letzten Mal ermittelt die Fernsehreporterin Milla Nova in „Blind“ in einem komplexen und spannenden Kriminalfall. Dieser Kriminalroman aus der Feder von Christine Brand ...

Zum ersten und hoffentlich nicht letzten Mal ermittelt die Fernsehreporterin Milla Nova in „Blind“ in einem komplexen und spannenden Kriminalfall. Dieser Kriminalroman aus der Feder von Christine Brand ist im März 2019 bei blanvalet erschienen und umfasst 448 Seiten.
Der blinde Nathaniel wird via der App „Be my eyes“ Zeuge eines Verbrechens. Da niemand ihm Glauben schenkt, wendet er sich an die Journalistin Milla, die ihrerseits gerade in einem Aids-Skandal recherchiert. Mit ihr gemeinsam macht er sich auf die Suche nach der Wahrheit, und beide stoßen auf ungeahnte Zusammenhänge, die schließlich Nathaniel selbst in Gefahr bringen.
Der Roman liest sich von der ersten bis zur letzten Seite ausgesprochen spannend, sodass man das Buch beim Lesen kaum aus der Hand legen mag. Nach und nach stoßen Ermittler/innen und Leser/innen auf neue Zusammenhänge, werden mit möglichen Täter/innen und Motiven konfrontiert, weshalb man sich beim Lesen immer wieder den Kopf darüber zerbricht, was wohl hinter dem vermeintlichen Verbrechen stecken mag – und ob nicht auch Nathaniel selbst etwas zu verbergen hat. Unterstützt wird diese Spannung durch den Perspektivwechsel, der die Leser/innen immer wieder in die Gedankenwelt des Entführungsopfers lenkt, und die Cliffhanger, mit denen die in der Regel recht kurzen Kapitel oftmals enden.
Über weite Strecken des Kriminalromans sind Leserinnen und Leser den Ermittelnden an Wissen um mögliche Zusammenhänge voraus, was aber der Spannung keinen Abbruch tut – genau im Gegenteil, ist es doch interessant nachzuvollziehen, wie diese die Puzzleteilchen nach und nach zusammensetzen. Außerdem wird das Verbrechen als Ganzes an sich erst nach einem dramatischen Finale aufgeklärt, man darf also bis zum Ende mit den Charakteren mitgrübeln und –bangen. Ein wenig unbefriedigt hat das Ende mich dann doch zurückgelassen, da nicht alle Handlungsstränge zur Gänze aufgelöst werden.
Brands Sprache ist flüssig und schnörkellos zu lesen, was Lesende schnell voranschreiten lässt und kurzeilige Lesestunden beschert.
Die Charaktere sind realitätsnah und meist sympathisch gezeichnet, gerade die Perspektivwechsel laden zu einer Identifikation mit denselben ein, sodass man sowohl mit Täter als auch mit Opfer mitfühlen kann. Ganz im Nebenbei erfährt man als Leser/in durch die Begegnung mit Nathaniel auch Wissenswertes aus der Welt der Blinden, der Umgang der anderen Charaktere mit ihm hat mich immer wieder auf Aspekte gestoßen, an die ich im Alltag so nicht denke.
Das düstere Cover, auf dem hell das Wort „Blind“ hervorsticht und ein einsamer junger Mann im Begriff ist, durch die aus dem großen L gebildete Tür hindurchzugehen, stimmt eindrücklich auf die Lektüre ein. Ein besonderes Highlight sind die angerauten Ecken des Covers, die das Buch auch zu einem haptischen Erlebnis werden lassen.
Alles in allem präsentiert Christine Brand mit „Blind“ einen sehr lesenswerten und komplexen Kriminalroman, der Leserinnen und Leser von der ersten Seite an fesselt und so eben ein echter Pageturner ist. Lediglich das aus meiner Sicht nicht völlig befriedigende Ende hindert mich daran, dem Roman die volle Punktzahl zu geben. Nichtsdestotrotz handelt es sich hier aber um einen Krimi, der auch allen anderen Liebhaber/innen dieses Genres ein paar kurzweilige, spannende und „rätselhafte“ Lesestunden bereiten dürfte und den ich deshalb gerne als Lektüre weiterempfehle.
Sehr herzlich möchte ich mich beim Verlag für das Zurverfügungstellen dieses Rezensionsexemplar bedankten.