Ich will ihnen etwas Gutes tun.
Sein GelübdeSabine Giesens 400-seitiger Thriller „Sein Gelübde“ ist im Oktober 2018 bei edition oberkassel erschienen.
In diesem Thriller wird das Schicksal zweier Ehepaare nacherzählt, die nicht nur durch Verwandtschaft, ...
Sabine Giesens 400-seitiger Thriller „Sein Gelübde“ ist im Oktober 2018 bei edition oberkassel erschienen.
In diesem Thriller wird das Schicksal zweier Ehepaare nacherzählt, die nicht nur durch Verwandtschaft, sondern auch durch eine Mordserie, die von den Siebzigern an die Eifel erfasst, miteinander verbunden sind: Eine/r von ihnen hat vor Jahren ein Gelübde abgelegt, in dem es darum geht, leidende Menschen von ihren Qualen zu erlösen.
Einen großen Teil dieses Thrillers nehmen Charakterstudien ein, die durchaus bewegend und auch bedrückend zu lesen sind. Intensiviert wird dieser Eindruck dadurch, dass der Roman zum großen Teil aus zwei Perspektiven erzählt wird: Neben der eigentlichen Handlung wird immer wieder zu den Gedanken des Mörders übergeblendet, die kursiv gedruckt sind. Ermittlungsarbeiten werden kaum dargestellt, was aber auch nicht vonnöten ist, da im Zentrum der Täter und seine Motivation stehen.
Insgesamt herrscht in diesem Werk eine düstere Stimmung vor, beginnende mit der trostlosen Jugend der Protagonisten, die sich nur scheinbar aus der Tristesse ihres Lebens befreien können. Zwar schaffen sie es, ihre Lebensträume zu verwirklichen, doch geschieht dieses mit einem bitteren Beigeschmack, denn so wirklich glücklich wird niemand.
Die erste Hälfte des Buches ist eindrucksvoll zu lesen, auch wenn mir schnell klar war, um wen es sich bei dem Mörder handelt. Es ist interessant, den Werdegang desselben zu verfolgen, jedoch driftet in der zweiten Hälfte die Handlung ins Absurde ab: Das eigentliche Mordmotiv wandert einfach zu sehr in den Hintergrund, und ein Zufall löst den anderen ab, was letztlich einfach zu viel des Guten ist und alles unglaubwürdig erscheinen lässt. Das Ende des Thrillers wiederum ist sehr überraschend und gibt Grund zur Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Die Zahl der Charaktere ist überschaubar, alle Figuren sind detailliert geschildert, sodass eine Identifikation mit denselben leichtfällt. Besonders interessant ist, dass man beim Lesen dieselben in chronologischer Reihenfolge durch ihr ganzes Leben hindurch begleitet: von den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts bis in die Gegenwart – eine Reise, die nicht nur das Leben der Charaktere, sondern auch gesellschaftliche Veränderungen widerspielt. Über weite Strecken des Erzählten leidet man beim Lesen mit den Protagonisten mit, mir ging es vor allem bei Susanne so, obgleich mich ihre Naivität ein wenig gestört hat.
Giesens Sprache ist leicht und flüssig zu lesen, die Kapitel sind kurz, sodass man beim Lesen flott vorankommt. Die Romanhandlung ist in der Eifel verortet, allerdings hat es mir beim Lesen an Lokalkolorit gefehlt, worauf ich bei Regionalkrimis und –thrillern großen Wert lege. Im Prinzip wäre der Handlungsort beliebig austauschbar.
Der Klappentext weckt meines Erachtens bei den Leser/innen falsche Erwartungen: Dort ist davon die Rede, dass „eine Mordserie die Menschen in Angst“ versetze, allerdings ist von Angst und Schrecken während des Lesens weit und breit nichts zu spüren, die Morde finden praktisch in einem luftleeren Raum statt, niemand scheint von ihnen wirklich Notiz zu nehmen.
Alles in allem handelt es sich bei „Sein Gelübde“ um einen Thriller, der es an Spannung missen lässt, der aber flüssig und teils sehr interessant zu lesen ist. Der Plot ist außergewöhnlich, jedoch hätte man mehr daraus machen können, vor allem was die Spannung, das Lokalkolorit und die Absurdität in der zweiten Hälfte betrifft.