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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.02.2019

Ich will ihnen etwas Gutes tun.

Sein Gelübde
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Sabine Giesens 400-seitiger Thriller „Sein Gelübde“ ist im Oktober 2018 bei edition oberkassel erschienen.
In diesem Thriller wird das Schicksal zweier Ehepaare nacherzählt, die nicht nur durch Verwandtschaft, ...

Sabine Giesens 400-seitiger Thriller „Sein Gelübde“ ist im Oktober 2018 bei edition oberkassel erschienen.
In diesem Thriller wird das Schicksal zweier Ehepaare nacherzählt, die nicht nur durch Verwandtschaft, sondern auch durch eine Mordserie, die von den Siebzigern an die Eifel erfasst, miteinander verbunden sind: Eine/r von ihnen hat vor Jahren ein Gelübde abgelegt, in dem es darum geht, leidende Menschen von ihren Qualen zu erlösen.
Einen großen Teil dieses Thrillers nehmen Charakterstudien ein, die durchaus bewegend und auch bedrückend zu lesen sind. Intensiviert wird dieser Eindruck dadurch, dass der Roman zum großen Teil aus zwei Perspektiven erzählt wird: Neben der eigentlichen Handlung wird immer wieder zu den Gedanken des Mörders übergeblendet, die kursiv gedruckt sind. Ermittlungsarbeiten werden kaum dargestellt, was aber auch nicht vonnöten ist, da im Zentrum der Täter und seine Motivation stehen.
Insgesamt herrscht in diesem Werk eine düstere Stimmung vor, beginnende mit der trostlosen Jugend der Protagonisten, die sich nur scheinbar aus der Tristesse ihres Lebens befreien können. Zwar schaffen sie es, ihre Lebensträume zu verwirklichen, doch geschieht dieses mit einem bitteren Beigeschmack, denn so wirklich glücklich wird niemand.
Die erste Hälfte des Buches ist eindrucksvoll zu lesen, auch wenn mir schnell klar war, um wen es sich bei dem Mörder handelt. Es ist interessant, den Werdegang desselben zu verfolgen, jedoch driftet in der zweiten Hälfte die Handlung ins Absurde ab: Das eigentliche Mordmotiv wandert einfach zu sehr in den Hintergrund, und ein Zufall löst den anderen ab, was letztlich einfach zu viel des Guten ist und alles unglaubwürdig erscheinen lässt. Das Ende des Thrillers wiederum ist sehr überraschend und gibt Grund zur Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Die Zahl der Charaktere ist überschaubar, alle Figuren sind detailliert geschildert, sodass eine Identifikation mit denselben leichtfällt. Besonders interessant ist, dass man beim Lesen dieselben in chronologischer Reihenfolge durch ihr ganzes Leben hindurch begleitet: von den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts bis in die Gegenwart – eine Reise, die nicht nur das Leben der Charaktere, sondern auch gesellschaftliche Veränderungen widerspielt. Über weite Strecken des Erzählten leidet man beim Lesen mit den Protagonisten mit, mir ging es vor allem bei Susanne so, obgleich mich ihre Naivität ein wenig gestört hat.
Giesens Sprache ist leicht und flüssig zu lesen, die Kapitel sind kurz, sodass man beim Lesen flott vorankommt. Die Romanhandlung ist in der Eifel verortet, allerdings hat es mir beim Lesen an Lokalkolorit gefehlt, worauf ich bei Regionalkrimis und –thrillern großen Wert lege. Im Prinzip wäre der Handlungsort beliebig austauschbar.
Der Klappentext weckt meines Erachtens bei den Leser/innen falsche Erwartungen: Dort ist davon die Rede, dass „eine Mordserie die Menschen in Angst“ versetze, allerdings ist von Angst und Schrecken während des Lesens weit und breit nichts zu spüren, die Morde finden praktisch in einem luftleeren Raum statt, niemand scheint von ihnen wirklich Notiz zu nehmen.
Alles in allem handelt es sich bei „Sein Gelübde“ um einen Thriller, der es an Spannung missen lässt, der aber flüssig und teils sehr interessant zu lesen ist. Der Plot ist außergewöhnlich, jedoch hätte man mehr daraus machen können, vor allem was die Spannung, das Lokalkolorit und die Absurdität in der zweiten Hälfte betrifft.

Veröffentlicht am 05.02.2019

Hunger nach Normalität – vor dem Hintergrund grausamer Verbrechen

Der Hunger der Lebenden (Friederike Matthée ermittelt 2)
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Bei Beate Sauers historischem Kriminalroman „Der Hunger der Lebenden“ handelt es sich um den zweiten Fall für die junge Polizeibeamtin Friederike Matthée, die in den Nachkriegsjahren in und um Köln herum ...

Bei Beate Sauers historischem Kriminalroman „Der Hunger der Lebenden“ handelt es sich um den zweiten Fall für die junge Polizeibeamtin Friederike Matthée, die in den Nachkriegsjahren in und um Köln herum ermittelt. Das Buch ist im Januar 2019 bei ullstein erschienen und umfasst 432 Seiten.
Der von Hitze und Dürre geprägte Sommer des Jahres 1947 in Köln – Friederike Matthée, Mitglied der Weiblichen Polizei, wird zu einem Leichenfundort im Bergischen Land gerufen. Das Opfer: eine ehemalige Kollegin. Doch viel zu schnell scheint der Fall gelöst, was sie zu eigenen Ermittlungen veranlasst. Zeitgleich werden unweit die Leichname dreier vermisster britischer Soldaten gefunden. Um diesen Fall zu untersuchen, kehrt Richard Davies nach Deutschland zurück. Als die beiden sich bei den Recherchen gegenseitig unterstützen, kristallisiert sich ein Zusammenhang zwischen den Fällen heraus. Doch nicht nur beruflich, auch privat stellt die gemeinsame Arbeit die Polizisten vor große Herausforderungen.
Um es vorweg zu sagen: Obwohl es sich hier um den zweiten Band einer Reihe handelt, kann man dem Geschehen mühelos folgen, ohne den ersten zu kennen. Der Fall ist in sich abgeschlossen, und die Autorin hat alle dem Verständnis dienlichen Informationen in die Erzählung integriert.
Insgesamt besticht dieser Krimi weniger durch seine Spannung als vielmehr durch seine Darstellung der Nachkriegsjahre: Die Menschen sind „ausgehungert“, sie sehnen sich nach Normalität. Entsprechend ist auch der Titel des Buches zu verstehen: Auf der einen Seiten herrscht wegen der knappen Lebensmittelzuteilungen wirklicher physischer Hunger, auf der anderen Seite auch der psychische. Ein Teil dieser Normalität ist bestimmt auch durch die Vergangenheitsbewältigung, die in diesem Buch eine große Rolle spielt, wenn bspw. Friederike nicht weiß, wie sie mit den grausamen Vergehen ihres Bruders umzugehen hat. Gut fügt sich in dieses Zeitpanorama auch die zarte Liebesgeschichte zwischen Friederike und Richard ein, die eine/n tief in diese Zeit eintauchen lässt und zeigt, wie schwierig sich eine (Wieder-)Annäherung zwischen den ehemaligen Gegnern gestaltete.
Obwohl es sich bei diesem Roman um einen Krimi handelt und die Leser/innen auch gleich von Anfang an mit dem Fall konfrontiert werden, kommt wirkliche Spannung beim Lesen erst im letzten Drittel auf, wenn der Fall sich allmählich als immer komplexer erweist, sich Zusammenhänge herausstellen, von denen vorher niemand etwas geahnt hat, und die Ermittler/innen verschiedenen irrigen Annahmen folgen. Gegen Ende jedoch wird der Kriminalfall glaubwürdig und nachvollziehbar gelöst, wobei das Finale mannigfaltigen Stoff zum Nachdenken bietet, wie sehr der Nationalsozialismus mit seinen Folgen doch unser Verhältnis zu anderen geprägt hat und wie man auch heute noch mit vergangener Schuld umgehen könnte.
Sauers Sprache ist angenehm und flüssig zu lesen, besonders in beschreibenden Passagen auch plastisch, was ein Eintauchen in die Welt der Protagonisten erleichtert und das Lesen zu einem Vergnügen werden lässt.
Ebenso realitätsnah sind die recht zahlreichen Charaktere gezeichnet. Besonders Friederikes teilweise Unsicherheit und ihre Zerrissenheit zwischen Loyalität zu ihrem Bruder und dem Wunsch nach Wiedergutmachung kommen authentisch zum Ausdruck. An der Figur Richard Davies kann man leicht nachvollziehen, wie schwer es für die Opfer des Dritten Reiches gewesen sein muss, den ehemaligen Widersachern vorbehaltlos zu begegnen.
Am Ende des Buches befindet sich ein Personenverzeichnis, das die Orientierung beim Lesen erleichtert. Selbiges gilt für die sich in der inneren hinteren Buchklappe befindenden Karte vom Großraum Köln bzw. dem Bergischen Land. Auch das Nachwort ist lesenswert, enthält es doch neben einer Danksagung zahlreiche Informationen über historische Begebenheiten, die Recherche der Autorin sowie Literaturangaben.
Das Cover des Buches ist sehr ansprechend, es zeigt Nachkriegskinder vor den Trümmern einer zerbombten Großstadt, der Himmel ist grau. Gemeinsam mit der schönen, farblich auf das Bild abgestimmten Schrift und dem Inhalt bildet das Layout so ein harmonisches Ganzes.
Insgesamt handelt es sich bei „Der Hunger der Lebenden“ um einen Kriminalroman, der ein eindrucksvolles Panorama der Nachkriegszeit bietet, die Lesenden in die damalige Welt entführt und mannigfaltigen Stoff zum Nachdenken bietet.
Sehr herzlich möchte ich dem Ullstein-Verlag für die Zurverfügungstellung dieses Rezensionsexemplars danken.

Veröffentlicht am 04.02.2019

Die Krähe lässt sich nicht die Flügel stutzen.

Blinde Rache
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„Blinde Rache“ von Leo Born bildet den Auftakt zu einer Thrillerserie rund um die unkonventionelle Frankfurter Ermittlerin Mara Billinsky. Das Taschenbuch ist im Dezember 2018 bei Bastei Lübbe erschienen ...

„Blinde Rache“ von Leo Born bildet den Auftakt zu einer Thrillerserie rund um die unkonventionelle Frankfurter Ermittlerin Mara Billinsky. Das Taschenbuch ist im Dezember 2018 bei Bastei Lübbe erschienen und umfasst 464 Seiten.
Mara Billinsky arbeitet nach längerer Abwesenheit wieder in ihrer Heimatstadt Frankfurt. Durch ihr Auftreten und ihr Verhalten stößt sie bei ihren Kollegen auf Unverständnis: Mit Tattoos, Piercings, schwarzem Outfit und Sarkasmus eckt sie immer wieder an. Schnell hat sie ihren Spitznamen weg: die Krähe. Wen wundert es da, dass ihr eine fast unlösbare Aufgabe gestellt wird? Sie wird mit der Klärung eines schrecklichen Mordfalls im kroatischen Verbrechermilieu beauftragt. Doch bald schon liegt der Verdacht nahe, bei diesem Verbrechen handele es sich um den Auftakt zu einer Mordserie. Als sie bei ihren Ermittlungen auf der Stelle tritt und immer wieder aneckt, wird ihr der Fall schließlich entzogen. Doch das hindert sie nicht daran, auf eigene Faust weiter zu ermitteln.
Der Thriller beginnt gleich spannend mit der Schilderung eines Folter- und Mordverbrechens. Unwillkürlich fragt man sich beim Lesen, wer wohl dahinterstecken und was wohl das Motiv zu diesem grausamen Verbrechen sein mag. Wie von einem Thriller, der im Milieu der Banden- bzw. organisierten Kriminalität spielt, nicht anders zu erwarten, geht es auch im weiteren Verlauf eher brutal zu. Die Foltermethoden haben es wirklich in sich. Dennoch dominiert während des Lesens die Spannung, voyeuristische Elemente werden vom Autor gemieden; beim Lesen zermartert man sich unwillkürlich das Hirn, um auf eine Lösung zu kommen. Das Ende des Romans hat es dann endgültig in sich: Nach einer überraschenden Wendung und einem nervenzerreißenden Showdown werden die Morde zwar aufgeklärt, aber den Leser/innen stellen sich einige moralische Fragen. Auch wenn die Mordopfer sehr unangenehme Zeitgenossen waren, bleibt die Frage nach den Grenzen sowie dem Recht und Unrecht der (Selbst-)Justiz.
Neben der eigentlich zentralen Mordserie spielen noch zwei weitere Verbrechen eine Rolle, die teils aber nicht endgültig geklärt werden. Dieses animiert die Lesenden, sich auf weitere Bände dieser Serie zu freuen. Gleiches gilt für die abschließende Offenlegung von Maras Schicksal.
Immer wieder richtet der Autor den Blick auf die Schattenseiten unserer Gesellschaft, wenn er z.B. Einblicke in Hannos Jugendzentrum und das Schicksal der dortigen Jugendlichen gewährt oder das Thema „(Zwangs-)Prostitution“ thematisiert.
Borns Sprache und Stil sind flott und flüssig zu lesen. Perspektivwechsel und an passenden Stellen eingefügte fragmentarische, kurze Sätze verleihen dem Lesen Tempo; Gleiches gilt für die eher kurzen Kapitel, die oft mit einem Cliffhanger enden. So mag man beim Lesen das Buch kaum zur Seite legen. Besonders gut ist es dem Autor gelungen, die dunkle Seite der Bankenmetropole Frankfurt darzustellen. Auch dieses sorgt für eine Aufrechterhaltung des Spannungsbogens und zugleich für eine bedrückende Atmosphäre.
Mara Billinsky ist bestimmt ein streitbarer Charakter, jedoch erfährt man beim Lesen immer wieder häppchenweise Details aus ihrer Vergangenheit, die es nachvollziehbar machen, wieso sie so ist, wie sie ist, nämlich eine Einzelgängerin, die wenig Wert darauf zu legen scheint, wie sie bei anderen ankommt. Sie ist aber dennoch, wie auch die anderen Charaktere, vielschichtig gezeichnet, was mir persönlich sehr gut gefällt. Einblicke in die Psyche der Handlungsträger erleichtern eine Identifikation mit denselben, Selbstreflexionen derselben lassen sie wandelbar und entwicklungsfähig erscheinen. Dieses gilt vor allem auch für Maras Partner Jan Rosen.
Insgesamt legt Leon Born mit „Blinde Rache“ einen äußerst spannenden, teils bedrückend und stets rasant zu lesenden ersten Teil einer Thrillerreihe vor, den ich selbst am liebsten in einem Rutsch durchgelesen hätte. Auf jeden Fall hat mich das Buch neugierig auf die Nachfolgebände gemacht, denen ich mich bei Gelegenheit ebenfalls widmen werde. Ich kann diesen Thriller allen Freund/innen der deutschen Thrillerliteratur nur wärmstens empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Spannung
  • Geschichte
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 03.02.2019

Psychologische Spannung - detailliert und faszinierend erzählt

Der dunkle Garten
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Der grandiose Schreibstil und der raffinierte Plot entschädigen für die über weite Strecken dominierende Langatmigkeit. Auf jeden Fall lesenswert.

Tana Frenchs Spannungs- und Familienroman „Der dunkle ...

Der grandiose Schreibstil und der raffinierte Plot entschädigen für die über weite Strecken dominierende Langatmigkeit. Auf jeden Fall lesenswert.

Tana Frenchs Spannungs- und Familienroman „Der dunkle Garten“ ist im Dezember 2018 bei FISCHER Scherz erschienen und umfasst 656 Seiten.
Toby Hennessy versteht sich selbst als Glückskind, jedoch wird sein Glück auf eine harte Probe gestellt, als er eines Abends in seiner Wohnung überfallen und brutal zusammengeschlagen wird. Psychisch und physisch gezeichnet, übernimmt er einige Zeit später die Pflege seines totkranken Onkels Hugo und siedelt nach Ivy House über. Während er sich ein wenig erholt, wird durch Gespräche mit der Verwandtschaft immer deutlicher, dass er unter immensen Erinnerungslücken leidet. Die Situation spitzt sich zu, als sein Neffe Zach eines Tages im Garten des Hauses einen menschlichen Schädel findet. Welches Geheimnis schlummert in dieser auf den ersten Blick harmonischen Familienidylle?
Es fiel mir anfangs schwer, mich in das Buch und das Geschehen hineinzufinden, was in erster Linie an der sehr ausschweifenden Schreibart der Autorin lag. Je weiter ich im Lesen jedoch fortschritt, desto mehr faszinierte mich ihr Stil. Die Autorin legt großen Wert auf Beschreibungen, sowohl Dinge als auch Charaktere sind sehr detailliert geschildert, die Sprache dabei literarisch, fast schon poetisch, immer wieder gespickt auch von einem feinen Humor, wenn Toby z.B. den Einbrechern dankt, seine Kondome mitgenommen zu haben, um sich nicht weiter fortpflanzen zu können. Andererseits gibt es Abschnitte mit einer leichteren, fast schon als ans Schnoddrige grenzenden Schreibweise. Dies hilft beim Lesen, sich das Beschriebene vors Auge zu führen und sich in die Charaktere hinzuversetzen, sorgt aber andererseits für sehr langatmige Passagen. Die mit ca. 50 Seiten doch recht langen Kapitel, die einem logischen Aufbau folgen, unterstützen beim Lesen das Gefühl, nicht voranzukommen. Erst mit dem Auffinden des Schädels und vor allem später, im letzten Drittel des Romans, nimmt die Handlung an Rasanz und Brisanz zu, sodass man das Buch kaum noch aus der Hand legen mag. Durch den letzten Teil bin ich regelrecht hindurchgeflogen. Das Ende des Romans konnte mich dennoch nicht restlos überzeugen, da zum einen nicht alle Ereignisse zufriedenstellend aufgelöst werden, zum anderen die ein oder andere Wendung gegen Ende doch sehr konstruiert, teils sogar überflüssig wirkt.
Der gesamte Roman ist aus der Ich-Perspektive, genauer aus der Sicht des 28-jährigen Toby, geschrieben. Da man dadurch einen guten Einblick in sein Seelenleben erhält, fällt es leicht, mit ihm mitzufühlen und – vor allem – mitzuleiden. Aber auch die anderen Charaktere, vor allem sein Cousin, seine Cousine und sein Onkel, sind vielschichtig gezeichnet und machen große Wandlungen im Geschehen durch, sodass man vor Überraschungen und neuen Einsichten nicht gefeit ist. Somit legt French hier die Charakterstudie einer Familie vor, die ihresgleichen sucht. Ein besonderes Vergnügen war es für mich, den Ermittlungen des Polizeibeamten Rafferty zu folgen, der seine Vernehmungen so clever führt, wie ich es kaum jemals gelesen habe.
Neben der Familiengeschichte der Hennessys thematisiert French auch allgemeinere Themen wie Umgang mit Tod und Sterben und dem Internet, Mobbing und soziale Ungerechtigkeit. Manchmal hat man das Gefühl, im Mikrokosmos der Familie dem Makrokosmos der Welt gegenüberzustehen.
Das Cover des Buches zeigt ein altes Herrenhaus, umgeben von einem verwilderten Garten. Liest man das Buch, scheint dieses Bild direkt in Ivy House aufgenommen worden zu sein: An allen Ecken und Enden begegnet man ihm beim Lesen.
Trotz meiner Kritikpunkte hat mich das Lesen des Buches insgesamt sehr fasziniert, was vor allem an der Sprache der Autorin und dem Einblick in die Psyche der Familienmitglieder liegt. Hier ist French eine wirklich großartige Studie gelungen, die mich durchweg gefesselt hat, sodass dieser bestimmt nicht der letzte von Frenchs Romanen ist, den ich gelesen habe. Allen, die ein Faible für intelligente psychologische Spannung und detaillierte Beschreibungen haben, kann ich diese Lektüre nur wärmstens empfehlen.

Veröffentlicht am 13.01.2019

Nach einem starken Beginn zu viel überdrehter Humor und zu wenig Spannung.

Schwarzwaldstrand
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„Auf dem Campingplatz ist die Realität so voller Klischees, dass du denken wirst, du seist in einer Fernsehserie gelandet.“ (Riesle zu Hummel)

Schon zum zehnten Mal ermittelt das skurrile Duo Hubertus ...

„Auf dem Campingplatz ist die Realität so voller Klischees, dass du denken wirst, du seist in einer Fernsehserie gelandet.“ (Riesle zu Hummel)

Schon zum zehnten Mal ermittelt das skurrile Duo Hubertus Hummel und Klaus Riesle in „Schwarzwaldstrand“ von Alexander Rieckhoff und Stefan Ummenhofer. Dieser Schwarzwaldkrimi ist in vierter Auflage im Dezember 2015 bei Piper erschienen und umfasst 288 Seiten.
Hubertus Hummel wurde von seiner Frau gedungen, Campingurlaub in der Nähe von Venedig zu machen. Dort trifft er nicht nur halb Deutschland, sondern auch viele Schwarzwälder/innen, unter ihnen auch den Villinger Hauptkommissar Winterhalter. Als Hummel dann noch eine Frauenleiche am Strand entdeckt, geht es los mit den Ermittlungen: Der Villinger Lehrer ermittelt gemeinsam mit dem Kommissar in Italien, Riesle recherchiert währenddessen in Villingen. Schließlich macht sich auch Riesle auf den Weg gen Italien, wo die Untersuchungen zusammenlaufen.
Der Krimi beginnt gekonnt humorvoll, indem auf der einen Seite deutsche Urlauber in Italien karikiert werden, auf der anderen Seite aber auch die Italiener. Mit dem Auffinden der Leiche kommt so etwas wie Spannung in den Roman, doch leider schaffen es die beiden Autoren nicht, den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten. Den gesamten Roman hindurch dominiert einfach der Humor, sodass Krimifans weniger auf ihre Kosten kommen werden; zumindest ging es mir beim Lesen zu. Der Humor ist zum Teil wirklich köstlich, besonders wenn Schwarzwald auf Ruhrpott trifft oder liebestolle Italiener verhohnepiepelt werden, doch driftet er gegen Ende einfach in eine Slapstickkomödie ab, wenn Riesle die Ermittlungen in Italien aufmischt. Für mich war es an dieser Stelle einfach des Guten zu viel. Auch zahlreiche Nebenschauplätz, z.B. die Liebesspielchen von Hummels Tochter, mögen zwar lustig sein, nehmen aber die Spannung.
Der Mordfall wird am Ende durchaus logisch aufgeklärt, doch geht es, nachdem die Ermittlungen während des Mittelteils eher stagnieren, einfach zu abrupt, was der Spannung ebenfalls abträglich ist.
In diesem Roman begegnet man wieder vielen bekannten Gesichtern, die jedoch so vorgestellt werden, dass auch Neueinsteiger/innen in die Reihe gut zurechtkommen sollten. Alle Charaktere haben ihre Marotten, gut gelungen ist den Autoren die Darstellung von regionalen Besonderheiten.
Der Roman ist schnell und einfach zu lesen, auch der Dialekt kommt selbstverständlich nicht zu kurz; dennoch ist alles gut verständlich. Wie es sich für einen Regionalkrimi gehört, erhalten die Lesenden immer wieder Einblicke in Schwarzwälder Traditionen, wenngleich die Handlung zum größten Teil in Italien verortet ist: Denn auch dort werden Heimatabende veranstaltet.
Rieckhoff und Ummenhofer präsentieren mit „Schwarzwaldstrand“ einen Roman, der über weite Strecken sehr lustig ist, zum Teil auch tiefgründigen Humor beinhaltet, dem es aber meiner Meinung nach einfach an Spannung fehlt. In Verbindung mit den teils doch derbkomischen Einlagen ist es ein Buch, das mir selbst ganz und gar nicht zusagt. Steht man auf diese Art Humor, mag das Buch gut sein, als Krimi kann ich es aber nicht empfehlen.