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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.02.2019

Psychologische Spannung - detailliert und faszinierend erzählt

Der dunkle Garten
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Der grandiose Schreibstil und der raffinierte Plot entschädigen für die über weite Strecken dominierende Langatmigkeit. Auf jeden Fall lesenswert.

Tana Frenchs Spannungs- und Familienroman „Der dunkle ...

Der grandiose Schreibstil und der raffinierte Plot entschädigen für die über weite Strecken dominierende Langatmigkeit. Auf jeden Fall lesenswert.

Tana Frenchs Spannungs- und Familienroman „Der dunkle Garten“ ist im Dezember 2018 bei FISCHER Scherz erschienen und umfasst 656 Seiten.
Toby Hennessy versteht sich selbst als Glückskind, jedoch wird sein Glück auf eine harte Probe gestellt, als er eines Abends in seiner Wohnung überfallen und brutal zusammengeschlagen wird. Psychisch und physisch gezeichnet, übernimmt er einige Zeit später die Pflege seines totkranken Onkels Hugo und siedelt nach Ivy House über. Während er sich ein wenig erholt, wird durch Gespräche mit der Verwandtschaft immer deutlicher, dass er unter immensen Erinnerungslücken leidet. Die Situation spitzt sich zu, als sein Neffe Zach eines Tages im Garten des Hauses einen menschlichen Schädel findet. Welches Geheimnis schlummert in dieser auf den ersten Blick harmonischen Familienidylle?
Es fiel mir anfangs schwer, mich in das Buch und das Geschehen hineinzufinden, was in erster Linie an der sehr ausschweifenden Schreibart der Autorin lag. Je weiter ich im Lesen jedoch fortschritt, desto mehr faszinierte mich ihr Stil. Die Autorin legt großen Wert auf Beschreibungen, sowohl Dinge als auch Charaktere sind sehr detailliert geschildert, die Sprache dabei literarisch, fast schon poetisch, immer wieder gespickt auch von einem feinen Humor, wenn Toby z.B. den Einbrechern dankt, seine Kondome mitgenommen zu haben, um sich nicht weiter fortpflanzen zu können. Andererseits gibt es Abschnitte mit einer leichteren, fast schon als ans Schnoddrige grenzenden Schreibweise. Dies hilft beim Lesen, sich das Beschriebene vors Auge zu führen und sich in die Charaktere hinzuversetzen, sorgt aber andererseits für sehr langatmige Passagen. Die mit ca. 50 Seiten doch recht langen Kapitel, die einem logischen Aufbau folgen, unterstützen beim Lesen das Gefühl, nicht voranzukommen. Erst mit dem Auffinden des Schädels und vor allem später, im letzten Drittel des Romans, nimmt die Handlung an Rasanz und Brisanz zu, sodass man das Buch kaum noch aus der Hand legen mag. Durch den letzten Teil bin ich regelrecht hindurchgeflogen. Das Ende des Romans konnte mich dennoch nicht restlos überzeugen, da zum einen nicht alle Ereignisse zufriedenstellend aufgelöst werden, zum anderen die ein oder andere Wendung gegen Ende doch sehr konstruiert, teils sogar überflüssig wirkt.
Der gesamte Roman ist aus der Ich-Perspektive, genauer aus der Sicht des 28-jährigen Toby, geschrieben. Da man dadurch einen guten Einblick in sein Seelenleben erhält, fällt es leicht, mit ihm mitzufühlen und – vor allem – mitzuleiden. Aber auch die anderen Charaktere, vor allem sein Cousin, seine Cousine und sein Onkel, sind vielschichtig gezeichnet und machen große Wandlungen im Geschehen durch, sodass man vor Überraschungen und neuen Einsichten nicht gefeit ist. Somit legt French hier die Charakterstudie einer Familie vor, die ihresgleichen sucht. Ein besonderes Vergnügen war es für mich, den Ermittlungen des Polizeibeamten Rafferty zu folgen, der seine Vernehmungen so clever führt, wie ich es kaum jemals gelesen habe.
Neben der Familiengeschichte der Hennessys thematisiert French auch allgemeinere Themen wie Umgang mit Tod und Sterben und dem Internet, Mobbing und soziale Ungerechtigkeit. Manchmal hat man das Gefühl, im Mikrokosmos der Familie dem Makrokosmos der Welt gegenüberzustehen.
Das Cover des Buches zeigt ein altes Herrenhaus, umgeben von einem verwilderten Garten. Liest man das Buch, scheint dieses Bild direkt in Ivy House aufgenommen worden zu sein: An allen Ecken und Enden begegnet man ihm beim Lesen.
Trotz meiner Kritikpunkte hat mich das Lesen des Buches insgesamt sehr fasziniert, was vor allem an der Sprache der Autorin und dem Einblick in die Psyche der Familienmitglieder liegt. Hier ist French eine wirklich großartige Studie gelungen, die mich durchweg gefesselt hat, sodass dieser bestimmt nicht der letzte von Frenchs Romanen ist, den ich gelesen habe. Allen, die ein Faible für intelligente psychologische Spannung und detaillierte Beschreibungen haben, kann ich diese Lektüre nur wärmstens empfehlen.

Veröffentlicht am 13.01.2019

Nach einem starken Beginn zu viel überdrehter Humor und zu wenig Spannung.

Schwarzwaldstrand
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„Auf dem Campingplatz ist die Realität so voller Klischees, dass du denken wirst, du seist in einer Fernsehserie gelandet.“ (Riesle zu Hummel)

Schon zum zehnten Mal ermittelt das skurrile Duo Hubertus ...

„Auf dem Campingplatz ist die Realität so voller Klischees, dass du denken wirst, du seist in einer Fernsehserie gelandet.“ (Riesle zu Hummel)

Schon zum zehnten Mal ermittelt das skurrile Duo Hubertus Hummel und Klaus Riesle in „Schwarzwaldstrand“ von Alexander Rieckhoff und Stefan Ummenhofer. Dieser Schwarzwaldkrimi ist in vierter Auflage im Dezember 2015 bei Piper erschienen und umfasst 288 Seiten.
Hubertus Hummel wurde von seiner Frau gedungen, Campingurlaub in der Nähe von Venedig zu machen. Dort trifft er nicht nur halb Deutschland, sondern auch viele Schwarzwälder/innen, unter ihnen auch den Villinger Hauptkommissar Winterhalter. Als Hummel dann noch eine Frauenleiche am Strand entdeckt, geht es los mit den Ermittlungen: Der Villinger Lehrer ermittelt gemeinsam mit dem Kommissar in Italien, Riesle recherchiert währenddessen in Villingen. Schließlich macht sich auch Riesle auf den Weg gen Italien, wo die Untersuchungen zusammenlaufen.
Der Krimi beginnt gekonnt humorvoll, indem auf der einen Seite deutsche Urlauber in Italien karikiert werden, auf der anderen Seite aber auch die Italiener. Mit dem Auffinden der Leiche kommt so etwas wie Spannung in den Roman, doch leider schaffen es die beiden Autoren nicht, den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten. Den gesamten Roman hindurch dominiert einfach der Humor, sodass Krimifans weniger auf ihre Kosten kommen werden; zumindest ging es mir beim Lesen zu. Der Humor ist zum Teil wirklich köstlich, besonders wenn Schwarzwald auf Ruhrpott trifft oder liebestolle Italiener verhohnepiepelt werden, doch driftet er gegen Ende einfach in eine Slapstickkomödie ab, wenn Riesle die Ermittlungen in Italien aufmischt. Für mich war es an dieser Stelle einfach des Guten zu viel. Auch zahlreiche Nebenschauplätz, z.B. die Liebesspielchen von Hummels Tochter, mögen zwar lustig sein, nehmen aber die Spannung.
Der Mordfall wird am Ende durchaus logisch aufgeklärt, doch geht es, nachdem die Ermittlungen während des Mittelteils eher stagnieren, einfach zu abrupt, was der Spannung ebenfalls abträglich ist.
In diesem Roman begegnet man wieder vielen bekannten Gesichtern, die jedoch so vorgestellt werden, dass auch Neueinsteiger/innen in die Reihe gut zurechtkommen sollten. Alle Charaktere haben ihre Marotten, gut gelungen ist den Autoren die Darstellung von regionalen Besonderheiten.
Der Roman ist schnell und einfach zu lesen, auch der Dialekt kommt selbstverständlich nicht zu kurz; dennoch ist alles gut verständlich. Wie es sich für einen Regionalkrimi gehört, erhalten die Lesenden immer wieder Einblicke in Schwarzwälder Traditionen, wenngleich die Handlung zum größten Teil in Italien verortet ist: Denn auch dort werden Heimatabende veranstaltet.
Rieckhoff und Ummenhofer präsentieren mit „Schwarzwaldstrand“ einen Roman, der über weite Strecken sehr lustig ist, zum Teil auch tiefgründigen Humor beinhaltet, dem es aber meiner Meinung nach einfach an Spannung fehlt. In Verbindung mit den teils doch derbkomischen Einlagen ist es ein Buch, das mir selbst ganz und gar nicht zusagt. Steht man auf diese Art Humor, mag das Buch gut sein, als Krimi kann ich es aber nicht empfehlen.

Veröffentlicht am 06.01.2019

Im Korsett der Angst

AMNESIA - Ich muss mich erinnern
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Jutta Maria Herrmanns 304-seitiger Thriller „Amnesia. Ich muss mich erinnern“ ist im Juni 2017 bei Knaur erschienen
Die Berlinerin Helen ist unheilbar an Lungenkrebs erkrankt. Als sich zu allem Überfluss ...

Jutta Maria Herrmanns 304-seitiger Thriller „Amnesia. Ich muss mich erinnern“ ist im Juni 2017 bei Knaur erschienen
Die Berlinerin Helen ist unheilbar an Lungenkrebs erkrankt. Als sich zu allem Überfluss auch noch ihr Lebensgefährte, Sven, von ihr trennt, macht sie sich auf den Weg in ihre Heimat, um sich mit ihrer restlichen Familie, Mutter und Schwester, auszusöhnen. Dort muss sie feststellen, dass ihre schwangere Schwester, Kristin, von ihrem Mann misshandelt wird. Als sie noch überlegt, wie sie der jungen Frau helfen kann, wird der zukünftige Familienvater ermordet aufgefunden. Und das Unheimliche: Vieles weist auf Helen als Täterin hin, doch diese kann sich an nichts erinnern.
Geschildert werden in diesem Roman sechs Tage im Leben der Protagonistin, eingerahmt von einem Prolog und einem Epilog. Sehr eindrücklich werden Helens psychische Verfassung und ihre Medikamentenabhängigkeit geschildert, doch dauert es bis zur zweiten Hälfte des Romans, bis die Spannung zunimmt – dann allerdings rasant. Dabei gibt es immer wieder Rückblenden in ihre Kindheit und Jugend, die die Identifikation erleichtern. Allerdings hat das offene Ende mich dann doch nicht völlig überzeugen können, was aus einer sich mir nicht vollends erschließenden Logik resultiert. Ich nehme Helens Mutter am Ende den Wandel einfach nicht ab, auch wenn es heißt, sie sei wie eine „verschlossene Auster“, die man nur „zu öffnen“ bräuchte.
Die Handlung wird aus der Ich-Perspektive erzählt, was einen guten Einblick in die Psyche eines Menschen gibt, der dem Tod geweiht ist. Hier hat Jutta Maria Herrmann wirklich sehr gute Recherchearbeit geleistet. Kurze Sätze an den passenden Stellen lassen Helens Verzweiflung überzeugend zur Geltung kommen und verleihen dem Lesen Tempo. Dass die Autorin sprachliches Knowhow besitzt, zeigen die wirklich detailreichen Beschreibungen, eine dichte, atmosphärische Sprache und eindringliche, pointierte Formulierungen wie „ein Korsett aus Panik“.
Neben dem Einblick in die Psyche einer Sterbenden und der Medikamentenabhängigkeit sind zerrüttete Familienverhältnisse und häusliche Gewalt weitere Themen des Romans. All diese sind ebenfalls realistisch und nachvollziehbar dargestellt.
Der Roman kommt mit einer überschaubaren Zahl an Charakteren aus. Alle sind detailliert, lebensnah und – vor allem – wandlungsfähig dargestellt. Insbesondere Helens Schwester präsentiert sich während des Geschehens sehr vielschichtig und ließ mich nach dem Lesen mit einem Gefühl des Zweifels zurück. Ähnliches gilt für ihre Mutter.
Das Cover ist dunkel gehalten, mit einem zerkratzten Hintergrund versehen, und vor allem das in Großbuchstaben geschriebene Wort „Amnesia“ sticht ins Auge. Gemeinsam mit seiner „rauen“ Struktur passt es sehr gut zum beklemmenden Inhalt des Romans.
Ich muss gestehen, der Thriller lässt mich doch etwas zwiegespalten zurück, denn im Grunde hat er alles, was ein guter, ja sogar brillanter Thriller braucht: einen spannenden Plot, ausgefeilte Charaktere, tiefgründige Psychologie und eine überzeugende Sprache. Dennoch konnte mich das Buch nicht restlos überzeugen, was vor allem auf den stellenweise fehlenden Nervenkitzel zurückzuführen ist. Doch kann ich das Buch nichtsdestotrotz als lesenswert einstufen.

Veröffentlicht am 06.01.2019

ReMIT macht Jagd auf den Wedding Killer

Rachgier
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Zum zehnten Mal ermitteln Carol Jordan und Tony Hill in einem neuen Team gemeinsam mit vielen altbekannten Gesichtern in „Rachgier“ von Val McDermid. Der Thriller kam im September 2018 bei Knaur heraus ...

Zum zehnten Mal ermitteln Carol Jordan und Tony Hill in einem neuen Team gemeinsam mit vielen altbekannten Gesichtern in „Rachgier“ von Val McDermid. Der Thriller kam im September 2018 bei Knaur heraus und umfasst 480 Seiten.
Der Wedding Killer ist unterwegs. Er sucht sich seine Opfer unter einsamen Frauen auf Hochzeiten und verbrennt sie, nachdem er ihr Vertrauen erschlichen hat, samt Auto bis zu Unkenntlichkeit. Dieser komplizierte Fall wird natürlich Carol Jordan, Tony Hill und ihrem Team übertragen, das allerdings an mehreren Fronten zu kämpfen hat, denn nicht alle gönnen dem neu gegründeten ReMIT einen Erfolg.
Um es vorweg zu sagen: Der Thriller gleicht eher einem Krimi, stehen doch die Mordermittlungen im Mittelpunkt. Dieses tut der Spannung jedoch keinen Abbruch, und die Grenzen zwischen diesen beiden Genres sind bekanntermaßen fließend.
Das Buch ist von der ersten Seite an spannend geschrieben, und der Spannungsbogen steigt bis zum Ende stetig an. Auch wenn mich gegen Ende Carols Gedankengänge sehr irritierten und sie fast von mangelnder Professionalität seitens der Ermittlerin zeugen, fand ich den Schluss an sich überraschend und sowohl brillant als auch tragisch. Hier hat McDermid erneut bewiesen, dass sie ihr Handwerk wirklich versteht und die Lesenden überraschen kann.
Der Roman selbst umfasst mehrere Erzählstränge. Neben dem eigentlichen Mordfall haben Carol und Tony sowohl auf beruflicher als auch auf privater Ebene ihre Kämpfe auszutragen, und auch unter ihren Teammitgliedern gibt es einige, die nebenbei mit der Lösung eigener Probleme beschäftigt sind. Dieses hat zur Folge, dass die Erzählung immer wieder vom eigentlichen Kriminalfall abweicht, was aber dem Spannungsaufbau nicht schadet. Genau im Gegenteil: Dadurch bekommt der eigentlich der Unterhaltung dienende Roman neue thematische Impulse, hier z.B. die Kritik am Umgang mit dem Internet, insbes. den Social Media, die Denkanreize bieten. Auch das mehrmalige Rückgreifen auf ältere Fälle behindert das Verstehen nicht.
Die unterschiedlichen Perspektiven, aus denen der Thriller erzählt wird, sind ebenfalls sehr reizvoll. Neben den einzelnen Ermittlungsbeschreibungen erfolgt immer wieder ein Wechsel zur Perspektive des Mörders. Hier erfährt man nach und nach, welche Motive der Täter hat, sodass man sich beim Lesen in dessen Psyche hineinversetzen kann und dem Ermittlungsteam in weiten Phasen an Wissen voraus ist. Sehr interessant und überzeugend fand ich die immer wieder eingeblendeten Gedanken von Tony Hill, es also nachzuvollziehen, wie er an den Fall herangeht.
Die Charaktere sind detailliert und realitätsnah beschrieben, weshalb es leichtfällt, sich mit ihnen zu identifizieren. Selbstzweifel, von denen einige Ermittler/innen immer wieder heimgesucht werden, lassen die fiktiven Figuren menschlich erscheinen. Lediglich die Intrigantin Penny Burgess war mir von Anfang an unsympathisch, was mir die Identifikation erschwerte.
McDermids Sprache ist schnörkellos und flott zu lesen, es fehlt auch nicht an humoristischen Elementen. Dass die Autorin gewandt mit Sprache umgehen kann und gut recherchiert hat, kann man Begriffen wie „kathartische Tat“ und ähnlichem entnehmen.
Insgesamt handelt es sich bei „Rachgier“ um einen spannend und hervorragend geschriebenen Roman, der Leserinnen und Leser von der ersten bis zu letzten Seite in seinen Bann zieht, durch gut Recherche und sprachliches Knowhow glänzt. Ein Buch, das ich allen Thriller- und Krimileser/innen einfach nur ans Herz legen kann.

Veröffentlicht am 02.01.2019

Das wenig appetitliche Geschäft mit dem Kakao – spannend und gekonnt in Szene gesetzt. Für mich ein klares Lesemuss.

Bittere Schokolade
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Wir wollen alles – und das sofort, billig und aus aller Herren Länder. Nur ab und zu meldet sich unser schlechtes Gewissen. Den Konsequenzen dieser Konsumentenmentalität kommt Tom Hillenbrand auf spannende ...

Wir wollen alles – und das sofort, billig und aus aller Herren Länder. Nur ab und zu meldet sich unser schlechtes Gewissen. Den Konsequenzen dieser Konsumentenmentalität kommt Tom Hillenbrand auf spannende und informative Weise auf die Spur.
In „Bittere Schokolade“ ermittelt Xavier Kieffer nun schon zum sechsten Mal im kulinarischen Milieu. Der Kriminalroman ist im November 2018 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen und umfasst 480 Seiten.
Als der luxemburgische Koch Xavier Kieffer nach vielen Jahren seine ehemalige Freundin wiedertrifft, engagiert diese sich inzwischen als Pattiseurin für sozial verträglichen Kakao- bzw. Schokoladenanbau und –handel. Doch kurze Zeit darauf wird sie vor seinen Augen niedergeschossen; für Kieffer natürlich ein Grund, auf eigene Faust zu ermitteln. Dabei führen seine Ermittlungen tief in den Dschungel des alles andere als koscheren Kakao- und Schokoladengeschäfts.
Hillenbrands Roman überzeugt nicht in erster Linie durch seine durchgängige kriminalistische Spannung im herkömmlichen Sinne, sondern vielmehr durch seine nicht weniger dramatische Thematik. Zwar stößt man beim Lesen immer wieder auf äußerst spannungsgeladene Passagen, wenn Kieffer z.B. in einer Hauruckaktion seine eigenen Nachforschungen auf der afrikanischen Kakaoplantage von Varanga anstellt oder in einem fulminanten Showdown Verbrechern gegenübersteht, doch ist das eigentlich Ungeheuerliche der Einblick in das spekulative Geschäft mit dem Kakaoanbau, der sich bestimmt auf beliebig viele Branchen übertragen lässt und zum Nachdenken anregen sollte – ein Thema, das mich persönlich schon lange beschäftigt. Dabei ist die Handlung von Anfang bis Ende logisch aufgebaut, lässt es aber dennoch nicht an Überraschungsmomenten missen.
Weitere gesellschaftskritische Themen, die in diesem Roman angesprochen werden, sind das Hofieren des Essens, wenn Kieffer auf seine Hausmannskost setzt, die Dominanz der digitalen Medien, wenn z.B. Valéries Verlag am Rande des Ruins steht, und eine immer wieder einfließende Kritik an der Europapolitik, hier personifiziert in Kieffers Freund Pekka Vatanen. Nicht zuletzt erhalten Leser/innen einen liebevollen Einblick in luxemburgische Besonderheiten.
Sehr gut gefallen haben mir Hillenbrands Sprache und Stil. Die Sprache ist eine angenehme Mischung aus Anspruch, wenn z.B. Begriffe wie „quichottenhaft“ verwendet werden, und Flapsigkeit. Auch das Luxemburgische kommt nicht zu kurz, und typische Gerichte werden am Ende in einem Glossar erklärt - alles in allem abwechslungsreich, gut und flüssig zu lesen. Ist das Thema des Buches an sich auch ernst zu nehmen, fehlt es dennoch nicht an einer klug eingestreuten Prise Humor: „Kieffer wollte nicht selten abstürzen, sondern überhaupt nicht.“
Dieses ist der erste der kulinarischen Krimis, die ich gelesen habe. Und ich muss festhalten: Mit Xavier Kieffer hat Tom Hillenbrand einen mir wirklich sympathischen Protagonisten geschaffen – nicht mehr der Jüngste, Kettenraucher und in mancherlei Hinsicht herrlich unbedarft spontan (Wer reist schon so völlig unvorbereitet in den Kongo?), kommt er auf unorthodoxe Weise doch ans Ziel. Auch alle anderen Charaktere sind wandelbar, detailliert und sorgfältig gezeichnet.
Der Titel ist Programm, das Cover für alle Schokoladenfans eine Augenweide: Wer träumt nicht von diesem cremigen Genuss? Mir jedenfalls läuft – trotz des weniger schönen Hintergrunds – bei dessen Anblick das Wasser im Mund zusammen.
Insgesamt hat mir dieser Krimi in vielerlei Hinsicht große Lesefreude bereitet und Denkanstöße geboten, und es wird bestimmt nicht der letzte Roman um diesen außergewöhnlichen Amateur-Ermittler gewesen sein, den ich gelesen habe. Für mich jedenfalls das erste Highlight des Jahres und eine uneingeschränkte Leseempfehlung.