Eine Insel im Umbruch und familiäre Konflikte
Die Frauen vom InselsalonMit dem ersten Band ihrer neuen Reihe hat Sylvia Lott mich auch diesmal nicht enttäuscht. Nur wenige Autoren und Autorinnen schaffen es das Feeling und Setting an der Nordsee so plastisch und eigen-tümlich ...
Mit dem ersten Band ihrer neuen Reihe hat Sylvia Lott mich auch diesmal nicht enttäuscht. Nur wenige Autoren und Autorinnen schaffen es das Feeling und Setting an der Nordsee so plastisch und eigen-tümlich zu transportieren.
Der Klappentext verrät leider wieder viel zu viel. Der Ausbruch des Krieges wird dabei erst auf den letzten 10 % des Buches thematisiert. Das Cover ist gut gestaltet, es ist eine Mischung aus einer alten schwarz/weiß Fotografie, welche anschließend coloriert wurde. Zu sehen sind zwei junge Frauen am Strand, welche auf einem Vorsprung sitzen. Der rote Schal und der rote Rock passen meiner Meinung nach nicht ganz, sollen aber wohl eine Verbindung zum Titel herstellen, der in gleicher Farbe gedruckt ist.
Im Mittelpunkt des Romans stehen Frieda und Grete. Die beiden jungen Frauen könnten nicht unterschiedlicher sein. Frieda, die Tochter eines Fischers und ehemaligen Alkoholikers, kommt aus einfachsten Verhältnissen. Grete, die Tochter eines wohlhabenden Berliner Unternehmers, wächst dagegen privilegiert und vornehm auf. Doch die beiden jungen Frauen freunden sich trotz der Standesunterschiede auf Norderney an, als Grete mit ihrer Familie zum Kuren auf der Insel ist.
Sylvia Lott schafft es sehr gut die Klassenunterschiede darzustellen, ohne zu sehr in das Klischeehafte abzudriften. Auch die Lebensweisen sind in Norderney und Berlin gänzlich anders.
Die Freundschaft der beiden Frauen ist neben der Insel Norderney der Rote Faden in der Erzählung. Grete verhilft ihrer Freundin zu einer Anstellung im Inselsalon. Frieda hingegen unterstützt ihre Freundin darin, dass diese ihren eigenen Weg geht und sie sich immer weiter von der Familie lossagt.
Neben den Familien von Frieda und Grete spielt vor allen Dingen die Familie Fisser, eine bedeutende Rolle. Fritz und Jakomina leiten den Inselsalon, bei Ihnen geben sich alle gesellschaftlichen Klassen im wahrsten Sinne die Klinke in die Hand. Im Inselsalon sind sie alle gleich.
Das Buch ist zum Teil auch sehr politisch und geschichtlich. So kommt Bernhard von Bülow (Reichskanzler des Kaiserreiches (1900-1909) genauso vor wie Kaiser Wilhelm II. Im Inselsalon wird viel über die Politik geredet, die neusten Informationen ausgetauscht, meist noch bevor sie in der Zeitung erscheinen. Die vielen guten Erklärungen und Hintergrundinformationen sorgen dafür, dass die Leser jeder Zeit in der Lage sind, der Autorin zu folgen.
Der Roman wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, einmal aus der Sicht von Frieda und einmal aus der Sicht von Grete, hinzu kommt noch die Perspektive des Inselsalons. Insgesamt wird der Roman chronologisch erzählt, teilweise finden Zeitsprünge statt.
Der Schreibstil der Autorin ist wie gewohnt flüssig und gut zu lesen. Beschreibende Passagen und Dialoge wechseln sich ab. Die Sprache der Figuren ist authentisch und der Zeit angepasst. Besonders gut sind die Dialektpassagen gelungen.
Der Roman wird durch eine Landkarte, ein Personenverzeichnis, ein Nachwort, ein Rezept und eine Leseprobe bereichert.
Ein Roman für alle, die die Nordsee lieben und gerne in vergangene Zeiten eintauchen. Aber auch für solche, die gerne ein gesellschaftliches Portrait über die Zeit vor dem ersten Weltkrieg lesen möchten.
Für mich ein überaus gelungener Auftakt der neuen Saga von Sylvia Lott. Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung, welche im Juli erscheint. Ich bin gespannt wie es Grete und Frieda im Krieg ohne ihre Männer ergehen wird.