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Veröffentlicht am 29.01.2020

Sind Wölfe nur im Märchen böse?

Albwolf
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Vor zwanzig Jahren kehrten die Wölfe nach Deutschland zurück und breiten sich seitdem aus. Derzeit gibt es bundesweit 105 Wolfsrudel, sagt das Bundesamt für Naturschutz, was etwa 275 bis 301 erwachsene ...

Vor zwanzig Jahren kehrten die Wölfe nach Deutschland zurück und breiten sich seitdem aus. Derzeit gibt es bundesweit 105 Wolfsrudel, sagt das Bundesamt für Naturschutz, was etwa 275 bis 301 erwachsene Tiere ausmacht, die durchaus auch Einzelgänger sein können. In der gesamten EU sind die Wölfe streng geschützt und dürfen nur dann geschossen werden, wenn es keine Alternative gibt, jedoch vorbeugend, wenn sie, wie es vermehrt geschieht, Nutztiere bedrohen, wie ein im Dezember des vergangenen Jahres vom Bundestag verabschiedetes Gesetz beschlossen hat. Das Risiko, dass Menschen von einem Wolf angefallen werden, ist äußerst gering, so wird behauptet, zumal seit der Wiederkehr der Wölfe in Deutschland noch kein Zwischenfall dokumentiert wurde, in dem sich eines der Tiere einem Menschen gegenüber aggressiv gezeigt hätte.

Soweit die Fakten, die der Autor Jochen Bender zum Hintergrund seines Schwabenkrimis „Albwolf“ gewählt hat. Dass der Wolf zudem das zur Zeit wohl politischste Tier in der Bundesrepublik ist, um dessentwillen sich Politiker aller Parteien gerne mal streiten, wie man im vergangenen Herbst bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg, den Bundesländern mit der höchsten Wolfspopulation, mit Verwunderung und auch einer Spur Belustigung verfolgen konnte, wurde im vorliegenden Krimi ebenso thematisiert – auch hier zur nicht geringen Verblüffung des Lesers, zu der sich alsbald Abscheu gesellte gegenüber den politischen Ränkespielen, die dem Machterhalt und der möglichst aufsteigenden Karriere so mancher Staatsvertreter dienen, denen man nur von ganzem Herzen wünscht, dass ihre üblen Machenschaften von dem fähigen Ermittlerteam, das freilich immer wieder „von oben“ ausgebremst wurde, aufgedeckt werden mögen.

Aber worum geht es eigentlich in der Geschichte, deren Handlung komplex und – diese Gefahr besteht bei einer solchen immer – mitunter reichlich verwirrend ist, wozu die Tatsache beiträgt, dass besagte Handlung eben nicht linear verläuft, sondern gespeist wird von einigen Nebensträngen, die sich zwar nach und nach mit dem Hauptstrang verbinden, am Ende aber dennoch nicht zu einem homogenen Ganzen verschmelzen sondern, dieses Bild gewinnt man während des Lesens immer wieder, irgendwie ausgefranst im Nichts hängenbleiben?

Ein Exemplar der extrem scheuen Spezies Wolf scheint doch tatsächlich seinen Weg auch ins Ländle, in die Schwäbische Alb, gefunden und dort einem Wanderer den Garaus gemacht zu haben! Alle Spuren deuten darauf hin – und bringen sogleich die Umweltschützer auf den Plan, diejenigen also, die im Wolf, dem sagenumwobenen und seit Urzeiten gefürchteten Raubtier, das idealisierte, das zu verehrende heilige Tier sehen, das keiner Menschenseele etwas zu Leide tun kann und zu Unrecht verteufelt wurde und wird. Hier kochen die Emotionen über – und zwar nicht nur bei den erklärten Wolfsschützern, sondern auch bei denen, für die der Wolf besagter Sündenbock ist und ausgerottet gehört. Sie rücken zu Scharen an und verwüsten den Tatort, was, und das ist sehr bildhaft geschrieben, die Ermittlungen der aus Stuttgart angeforderten Kommissare Jens Hurlebaus und seiner Kollegin Bianca Walter, deren verantwortlicher Staatsanwalt ihnen von Anfang an, zunächst unerklärlicherweise, Steine in den Weg legt, zusätzlich erschwert.

Der eigenwillige und, wie im Verlauf der Geschichte immer klarer wird, sehr aufrechte und gewiss nicht katzbuckelnde Kommissar mit dem ungewöhnlichen Namen, von dem man nicht so recht weiß, auf welcher Silbe er zu betonen ist, lässt sich jedoch nicht abschrecken, obwohl er ahnt, dass von ganz oben die unmissverständliche Anweisung gekommen ist, den Fall möglichst rasch ad acta zu legen und keinesfalls weiterzubohren. Gemeinsam mit seiner Partnerin versucht er, wie das ordentliche Polizeiarbeit verlangt, den Tathergang zu rekonstruieren – und stößt bei seinen Nachforschungen im Umfeld des vermeintlich von Wölfen gerissenen Opfers, einem introvertierten Einzelgänger ohne nennenswerte Sozialkontakte, auf einige Ungereimtheiten, die auf Mord hindeuten. Mord, der durch einen Wolfsangriff kaschiert werden soll? Dient das verehrt-gehasste Tier gar als Instrument, als Mittel zum Zweck? Während der zähen, nicht leicht zu lesenden, mit vielen Dialogen, die man oft ein zweites oder drittes Mal lesen muss, um zu wissen, wer da eigentlich spricht, durchsetzten Recherchen verdichtet sich Hurlebaus zunächst vager Verdacht zur Gewissheit. Er deckt immer wieder Neues auf, marschiert dabei von einer, freilich nicht ihm selbst anzulastenden, Sackgasse in die nächste – und scheint sich doch im Kreise zu drehen, was den Lesefluss weiterhin erschwert, so wie es die undurchsichtigen Geschäfte der abstoßend gierigen und gewiss unmoralischen Reichen und Mächtigen tun, die ihre Pfründe auf ungesetzlichen Wegen zu erhalten und vermehren suchen, die er nur mit sehr unorthodoxen Mitteln, die ihm durchaus den Job kosten können, beweisen und zur Strafverfolgung bringen kann.

Aber werden die nimmersatten und manipulativen, an den Schalthebeln der Macht sitzenden Staatsdiener, die, dieser Verdacht drängt sich geradezu auf, die eigentlichen Wölfe aus dem Märchen sind, schließlich tatsächlich ihrer gerechten Strafe zugeführt? So genau weiß man's nicht, mag es aber mit Fug und Recht bezweifeln, denn irgendwie gewinnt man den Eindruck, dass „die da oben“ immer Mittel und Wege finden, sich auch aus dem größten, selbst produzierten, Dreck herauszulavieren und sträflich ungeschoren davonkommen, was ja auch der Erfahrung entspricht und dem, was man oft genug in den Zeitungen lesen kann!

Fazit: ein nicht alltäglicher, nicht nebenbei lesbarer Regionalkrimi mit brisant-aktuellen Themen, mit denen er allerdings ein wenig überfrachtet ist. Manchmal könnte weniger halt doch mehr sein! Doch die Mankos werden allemal wettgemacht durch die Protagonisten, das unerschrockene Ermittlerpaar, das so gar nicht zueinander zu passen scheint und, trotz gelegentlicher Meinungsverschiedenheiten, die den unterschiedlichen Charakteren geschuldet sind, wunderbar harmoniert und – meistens – an einem Strang zieht. Vor allem der als unbequem verschriene Kommissar Hurlebaus hat Potential, er ist so menschlich wie vielschichtig und interessant, überzeugt durch seine Anständigkeit wie auch durch seine immer wieder zutage tretenden Schwächen – und ist ganz gewiss jemand, der sich dem Leser einprägt und von dem man gerne, sehr gerne, mehr lesen möchte!

Veröffentlicht am 24.01.2020

Ein Mutmachbuch und ein Bollwerk der Freundschaft

Das fliegende Klassenzimmer
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Obwohl Erich Kästner zeit seines 75 Jahre währenden Lebens so vieles geschrieben hat, über Essays, Theaterkritiken, Glossen und Drehbüchern bis hin zu seinen unvergleichlichen und fürwahr zeitlosen Gedichten, ...

Obwohl Erich Kästner zeit seines 75 Jahre währenden Lebens so vieles geschrieben hat, über Essays, Theaterkritiken, Glossen und Drehbüchern bis hin zu seinen unvergleichlichen und fürwahr zeitlosen Gedichten, über Parabeln bis zu Romanen für Erwachsene, so wird er doch von der Nachwelt vor allem als Kinderbuchautor wahrgenommen, als Autor von Büchern also, die die Zeiten überdauert haben, wie „Emil und die Detektive“, „Pünktchen und Anton“, „Das doppelte Lottchen“ und eben sein wohl berühmtestes und des Dichters liebstes Werk, „Das fliegende Klassenzimmer“, zu dem ich im Folgenden einige Gedanken formulieren möchte – mit denen ich diesem Kinderbuchklassiker, dessen bin ich mir bewusst, kaum gerecht werden kann. Doch mehr würde den Rahmen einer Rezension sprengen, derer es, seit dem Erscheinen der Geschichte, gar viele gibt und gegeben hat, von denen die einen voll des überschwänglichen Lobes sind für den Dichter mit der pointierten, freundlich-ironischen, überaus ausgewählten Sprache, andere aber auch voller scharfer Kritik, die vor allem an dem, so wird behauptet, längst nicht mehr zeitgemäßen, ja sogar gefährlichen Bild von Gehorsam, Moral und sogar Freundschaft festgemacht wird.
Dazu bliebe anzumerken, dass „Das fliegende Klassenzimmer“, des Moralisten und lebenslangen Kindes Erich Kästner dritter Roman für junge Leser, kurz vor Weihnachten 1933, einem schicksalsträchtigen Jahr, in dem die Weichen für eine unheilvolle Zukunft längst gestellt waren, veröffentlicht wurde – und dies trotz der Tatsache, dass der Autor, der im Mai desselben Jahres der Bücherverbrennung, auch seiner eigenen Werke, beigewohnt hatte, einer der verbotenen war. Erst 1936 wurden auch seine Kinderbücher endgültig beschlagnahmt, um im Ausland zum Glück weitergelesen und nach dem Krieg auch in Deutschland zu gern gelesenen Dauerbrennern zu werden. Seit dem Erscheinen des von Walter Trier so liebenswert illustrierten Buches haben sich naturgemäß die Sprache ( leider, möchte man fast sagen ), die Erziehung und die Lebensumstände, unter denen Kinder heutzutage groß werden, gewandelt, die Werte und Moralvorstellungen jedoch kaum. Und die in der Geschichte thematisierten Grundprobleme – Verlassenwerden, der Wunsch nach Anerkennung, die Sehnsucht nach Freundschaft wie auch die Einschränkungen durch Armut – sind mit Gewissheit nicht zeitgebunden. Damals wie heute mussten sich die Kinder ihren Problemen stellen.
Als „Bollwerk der Freundschaft“ wurde „Das fliegende Klassenzimmer“ bezeichnet, als Mutmachbuch, das die jungen Leser und ihre Sorgen und Ängste ernst nimmt – wie alle Kästner-Bücher das tun, denn der Dichter hat im Gegensatz zu vielen anderen Erwachsenen die eigene Kindheit mit ihren vielfältigen Härten und Nöten nicht vergessen -, als eine Geschichte über Stärken und Schwächen, über Mut und Herausforderungen. Dem kann ich nur beipflichten! Darüberhinaus ist auch viel vom Unglücklichsein, von Traurigkeit die Rede, einer Traurigkeit, so zeigt der Dichter immer wieder, die freilich durch Mut und Klugheit überwunden werden kann – was keine leeren Worte sind, denn Kästner war der Meinung, dass Kindertränen nicht kleiner seien als die der Erwachsenen und dass es im Grunde gar nicht wichtig ist, worüber man traurig ist. Allein das Gefühl zählt und mit dem muss man sich auseinandersetzen.
Die Roman-Kinder des Philosophen und verhinderten Lehrers, Dr. Erich Kästner, gebürtig aus Dresden, sind mutige und moralische Helden; sie sind unabhängig und selbständig und sie besitzen außerdem – und auch das findet man in allen seinen Kinderbüchern – meist mehr Vernunft und Verstand als die Erwachsenen. In Kenntnis der Kindheit des Autors kann man nicht umhin, hier starke autobiographische Züge zu konstatieren! Doch hat er in vorliegender Geschichte seinen Protagonisten, den fünf etwa 13 bis 14jährigen Jungen, von denen im Übrigen keiner im Mittelpunkt steht, da jeder einzelne von ihnen wichtig ist, zwei starke Erwachsene zur Seite gestellt, beide fair und gerecht und den Jungen zugewandt, von denen der eine der allseits geschätzte, ja geliebte Hauslehrer Dr. Bökh mit dem bezeichnenden Spitznamen „Justus“ ist. Er ist die Idealfigur von einem guten Lehrer, einem, der Kästner selbst gerne gewesen wäre, einem, der nicht nur ein Lehrender sondern eben auch ein Lernender ist, einem der immer Neues aufnimmt anstatt Altes weiterzugeben. So ist er jemand, der den ihm anbefohlenen Schülern auf Augenhöhe begegnen kann und der, betrachtet man es genauer, eher auf deren Seite als auf die der üblichen ignoranten Erwachsenen gehört.
Inzwischen dürfte auch denen, die bisher noch nicht das Glück hatten, „Das fliegende Klassenzimmer“ - ob nun in der zu bevorzugenden Buchform oder als eine der vielen Verfilmungen – kennenzulernen, der Verdacht gekommen sein, dass die Geschichte in einem Internat spielt. Die Helden selber bereiten sich – es ist kurz vor Weihnachten – auf ein Theaterstück vor, das einer der Ihren, der elternlose und introvertierte Johnny Trotz, verfasst hat und für dessen Kulissen der Gerechtigkeitsfanatiker und Sohn armer Eltern, darüberhinaus Klassenprimus Martin Thaler verantwortlich zeichnet. So manches ereignet sich an den wenigen Tagen, die in dem Roman nicht in eine durchgehende Haupthandlung verpackt werden, sondern eher in einzelne Episoden, nämlich einen Kampf zwischen den Gymnasiasten und den Realschülern, bei dem es recht heftig zur Sache geht, den Proben zum bereits erwähnten Theaterstück, dessen Titel identisch ist mit dem des Buches, der Mutprobe des ängstlichen und darüber unglücklichen kleinen Uli, der Zusammenführung des Hauslehrers „Justus“ mit seinem treuen Freund aus eigenen Schultagen, dem von den Jungen „Nichtraucher“ genannten ehemaligen Arzt, der in einem ausrangierten Eisenbahnwaggon lebt, und schließlich den Sorgen Martin Thalers, dessen Eltern kein Geld für eine Fahrkarte haben und der deshalb Weihnachten im Internat verbringen soll und sich immer wieder ermahnt, stark zu sein und auf keinen Fall zu weinen.
Eingerahmt werden diese Handlungsstränge durch einen Prolog und einen Epilog, in denen der Autor höchstselbst auftritt und uns über die Entstehung des Buches berichtet respektive einen Ausblick gibt auf die weitere Entwicklung von Martin, Johnny, dem selbstgefälligen und oft überheblich erscheinenden Sebastian, der sich mit Vorliebe schwierigsten Themen widmet, von Uli und seinem großen Freund Matthias, genannt Matz, der seinem Vorbild, der Box-Legende Max Schmeling nacheifert und sich durch einen unstillbaren Hunger und enorme physische Kraft gepaart mit ebensolcher Gutmütigkeit auszeichnet.
Vor- und Nachworte werden freilich oft überblättert und sind mir genauso oft ein regelrechtes Ärgernis – nicht so jedoch bei Erich Kästner, der berühmt ist für seine sehr persönlichen Prologe und Epiloge. Diese geben nämlich nicht nur Zeugnis von seiner schriftstellerischen Brillianz sondern sind auch wesentliche Bausteine seiner Bücher und haben wichtige Funktionen: sie wecken das Interesse und machen ganz gewiss neugierig auf mehr. Zudem dienen sie moralischen Zwecken, die im „Fliegenden Klassenzimmer“ eine sehr ernst gemeinte, aber im leichten Plauderton vorgetragene Mahnung sind, sich der Kindheit zu erinnern, egal, wie alt man ist, so dass man nie vergisst, wie traurig und unglücklich Kinder zuweilen sein können. Da kann man nur hoffen, dass dieser nachdrückliche Appell Früchte zeitigen möge!

Veröffentlicht am 19.01.2020

Der Tod eines rücksichtslosen Zynikers

Inspektor Takeda und der leise Tod
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Inzwischen hat er sich eingewöhnt in Hamburg, der japanische Kriminalpolizist Kenjiro Takeda, der im Rahmen eines Austauschprogramms für zwei Jahre in die Hansestadt abgeordnet wurde. Gewiss, hier ist ...

Inzwischen hat er sich eingewöhnt in Hamburg, der japanische Kriminalpolizist Kenjiro Takeda, der im Rahmen eines Austauschprogramms für zwei Jahre in die Hansestadt abgeordnet wurde. Gewiss, hier ist alles so ganz anders als in seinem Heimatland, aber der elegante Japaner mit dem Faible für schicke und sündhaft teure Maßanzüge ( bleibt die Frage, wie er sich von seinem Inspektorengehalt diesen Luxus leisten kann...) und für möglichst missklingenden Jazz lernt schnell! Zugute kommen ihm dabei seine Neugierde und seine außerordentliche Offenheit gegenüber allem, was ihm tagtäglich begegnet, was zunächst fremd anmutet, was ihn staunen, sich aber auch erfreuen lässt. Immer wieder vergleicht er sein Land mit der neuen Heimat, zieht genauso oft Parallelen und findet immer mehr Gefallen an einem bunten, multikulturellen, ungeordneten Deutschland, das sich so stark von dem Land unterscheidet, das er von einem Studienaufenthalt Jahre zuvor in Erinnerung hatte und das sein Vater, ein großer Verehrer alles Deutschen, das für ihn ein Synonym für Fleiß, Strebsamkeit, Korrektheit und penible Ordnung ist, ihm stets mit Begeisterung geschildert hatte.
Schnell hat Takeda seine Nischen gefunden in der lebendigen Millionenstadt, die ihm allerdings im Vergleich zu dem ungleich chaotischeren und überfüllten Tokio wie eine ruhige, menschenleere kleine Oase vorkommt – was manchen Hamburger, in seliger Unkenntnis der japanischen Metropole, in allergrößtes Erstaunen versetzen mag!
Natürlich verkehrt Takeda mit Vorliebe in japanischen Restaurants, bekämpft Attacken von Trauer und Kummer nicht nur mit japanischer Seelennahrung, an die man freilich schon als Kleinkind gewöhnt sein muss, um ihr etwas abgewinnen zu können, und mit erlesenstem Whiskey, sondern auch mit dem japanischen Seelentröster schlechthin, dem inbrünstigen Karaokesingen. Aber er sucht auch häufig und gern die einschlägigen Jazzbars auf, spielt dann hingegeben auf seinem Saxophon und verzaubert damit seine Zuhörer, so wie er im Polizeisportclub durch seine bis zur Perfektion beherrschten Kampfsportdemonstrationen verblüfft.
Dass er dazu noch ein glänzender Polizist mit einem enormen Gespür für die ihm und seiner Partnerin Claudia Harms, cholerisch und dauerhaft wutentbrannt wie eh und je, übertragenen Fälle ist, macht ihn geradezu unheimlich und, bei aller Zuneigung zu ihm, nicht ganz glaubhaft! Doch – keiner schaut ihm hinter das Gesicht, dem disziplinierten Japaner, der den Menschen, ob Kollegen oder Verbrechern, stets mit ausgesuchter Höflichkeit begegnet. Niemand sieht, mit gelegentlicher Ausnahme seiner Partnerin Claudia, mit welchen inneren Dämonen er ringt, wie grenzenlos einsam und unglücklich er eigentlich ist – und über deren Hintergründe der Leser nach und nach in Kenntnis gesetzt wird. Ebenso übrigens gibt der Autor seinen Lesern Einblick in die komplizierte Persönlichkeit der weiblichen Protagonistin, Claudia Harms, unstet, aufbrausend, durch ihr Leben hetzend, den schnellen Kick suchend und extrem bindungsscheu. In gewissem Sinne ist sie ein Pendant zu ihrem japanischen Kollegen, wobei es dem Leser erheblich leichter fällt, den verbindlichen Takeda zu mögen als die ruppige Claudia, die allerdings hier, im zweiten Krimi der bisher vierbändigen Serie, um einiges sympathischer erscheint als in der ersten Geschichte. Ein Pluspunkt für den Autor, der seinen Charakteren Entwicklungsmöglichkeiten lässt, der immer neue Facetten sowohl in Takeda als auch seiner deutschen Kollegin aufscheinen lässt.
Die beiden Fälle, mit denen es Ken und Claudia in vorliegendem Buch zu tun haben allerdings machen es weder den Ermittlern selbst, die lange recht unreflektiert und unüberlegt falschen, weil kommoden, Spuren folgen, deren Verbindung zu den respektiven Fällen offensichtlich scheinen, aber im Grunde nur in ihrer Vorstellung existieren, noch dem Leser leicht. Beide Fälle sind nicht nur widerwärtig und lassen eine so erschreckende Kaltblütigkeit erkennen, dass es einen schaudert, sie ziehen sich dazu auch noch, unnötig, wie ich meine, in die Länge, was die Spannung, die ich von einem Krimi erwarte, phasenweise einschlafen und den roten Faden, der für eine so verwinkelte Handlung notwendig ist, abreißen lässt, um ihn dann, leider, mit einem aus dem Nichts aufgetauchten weiteren Faden neu zu verknüpfen. Das ist so anstrengend zu lesen wie die ebenso unnötige und durchaus absurde Affäre, die der japanische Inspektor mit einer der Hauptverdächtigen beginnt. Sie stellt einen Bruch dar, denn sie ist nur mit großer Mühe in Verbindung zu bringen mit dem Menschen, den man doch sehr gründlich kennnengelernt und für den man längst ein Gespür bekommen hat – glaubt man wenigstens bis zu jenem erotischen Einschub... Zudem trägt sie rein gar nichts bei zu der letztendlichen Auflösung des Falles, die ihrerseits konstruiert wirkt. Wie schon beim Lesen des Vorgängerbandes beschleicht einen das Gefühl, dass der Autor einfach zu viel in seinen Krimi hineingepackt hat und dass weniger entschieden mehr gewesen wäre, denn all die Wirrnisse, in die Ermittler und Leser hineingezogen werden, lenken ab von dem wirklich guten, dem überzeugenden und Staunen machenden Kern der Geschichte, der Begegnung nämlich der asiatischen mit den westlichen Welten mit all ihren Implikationen, die sich trotz aller Fremdheit doch stetig aufeinander zu bewegen, mit ihren Protagonisten, die durch ihre Offenheit den jeweils fremden Kulturen gegenüber Barrieren verschwinden lassen, die das Gemeinsame suchen und über die Verschiedenheiten zwar nicht hinwegsehen, sie aber dennoch nicht als Hindernis für gegenseitiges Verständnis und fruchtbare Zusammenarbeit ansehen.
Und so sind die Kriminalromane um Inspektor Ken Takeda aus Tokio so ungewöhnlich wie aufschlussreich, lassen den Leser immer wieder einen tiefen Blick werfen auf die Eigentümlichkeiten nicht nur des Inselstaates im Pazifik, sondern auch, durch die Augen des kultivierten Japaners, auf die des eigenen Landes. Das Selbstverständliche, das Gewohnte, das scheinbar „Normale“ mit einem fremden Blick sehen – das ist ebenso spannend wie es zum Nachdenken und Reflektieren einlädt! Und das daher, trotz der von mir beklagten dramaturgischen Mängel, neugierig macht auf die weiteren Bände der Reihe!

Veröffentlicht am 18.01.2020

Wie Gespenst Gerd der fürchterlichen Klemenzia das Fürchten lehrt

Der kleine Drache Kokosnuss im Spukschloss
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Im neuen Abenteuer um den kleinen Drachen Kokosnuss geht es gar gruselig zu! Als der Feuerdrache nämlich mit seiner Freundin, dem Stachelschwein Matilda, im seltsam ruhigen Klippenwald umherstreift, um ...

Im neuen Abenteuer um den kleinen Drachen Kokosnuss geht es gar gruselig zu! Als der Feuerdrache nämlich mit seiner Freundin, dem Stachelschwein Matilda, im seltsam ruhigen Klippenwald umherstreift, um in Kokosnuss Mutter Mettes Auftrag das würzige Drachenkraut zu suchen, werden die beiden kleinen Helden, die diesmal ohne Oskar, den Fressdrachenjungen auskommen müssen, von einem Unwetter überrascht und müssen sich, freilich mit unguten Vorahnungen, in ein altes, unheimlich aussehendes Schloss flüchten. Und dass es hier spukt, merken die Freunde schon sehr bald! Zur Geisterstunde nämlich, nachdem die große Standuhr zwölfmal geschlagen hat, taucht sie auf, mit schauerlichem Gelächter und Getöse – die allseits gefürchtete Klemenzia Klabuster von Klippenstein, denn das Schloss, in das sich Kokosnuss und Matilda geflüchtet haben, ist das Familieschloss derer von Klippenstein! Und die garstige Nachfahrin lehrt Kokosnuss und Matilda wahrhaftig das Fürchten. Nur mit Mühe können sie entkommen – und sich bei der Familie Dachs retten, die sich zu Gespensterexperten erklärt haben und ihnen allerhand erzählen können über die Klippensteins und vor allem über Klemenzia, die sich in ständig übler Laune befindet, weil sie auf ihrem Schloss niemanden hat, den sie erschrecken kann und die deshalb den Klippenwald des Nachts unsicher macht und seine kleinen und großen Bewohner vergrault. Gesellschaft brauche die gar schreckliche Schlossherrin, meint Vater Dachs Willi, aber das ist nicht so leicht, denn sie wird nur jemanden akzeptieren, dem es gelingt, sie selber einmal so richtig zu erschrecken! Das jedoch ist, so scheint es, eine unlösbare Aufgabe, denn Klemenzia, ein Gespenst der Klasse „1a Megaspuk“, fürchtet sich nur vor Vampirgeistern! Und woher sollte man ein solches nehmen, zumal sie so gut wie ausgestorben sind?
Während sich Kokosnuss, Matilda und die Familie Dachs noch eine Strategie überlegen, mit deren Hilfe Klemenzia beizukommen wäre, kommt ihnen der Zufall in Gestalt des harmlosen Gespenstes Gerd zu Hilfe, der so gerne furchteinflößend wäre, aber trotz aller Bemühungen doch nur ein Gespenst der Spukklasse „3a Babyschreck“ bleibt! Gerd, ebenso vergesslich und zerstreut wie harmlos, ist ein alter Bekannter von Kokosnuss und Matilda, die ihn dereinst im Flaschenland im Schloss des Zauberers Holunder, dem es damals arg an den Kragen gehen sollte von Seiten des bitterbösen großen Zauberers Ziegenbart, kennengelernt hatten.
Kokosnuss, nie um phantasievolle Einfälle verlegen, hat auch diesmal wieder einen seiner Geistesblitze: wie wäre es, wenn man Gerd als Vampirgeist verkleiden würde? Dann wären vielleicht gleich zwei Probleme auf einen Schlag gelöst! Zum einen könnte Gerds Herzenswunsch, endlich einmal jemandem das Fürchten beizubringen, erfüllt werden, zum anderen könnte man Klemenzia in Gerd Gesellschaft zur Seite stellen und sie damit von ihrer Griesgrämigkeit befreien!
Gedacht, getan – und ob ihr Plan Erfolg haben wird, wird man im Folgenden lesen können! Und jede Wette – es geht kunterbunt und witzig zu, denn dafür sorgt Ingo Siegner schon, der Autor, dem die lustigen Ideen, gepaart mit jeder Menge Wortwitz, nie auszugehen scheinen, und der Kinder jeden Alters ( auch wenn sie längst den Kinderschuhen entwachsen sind ) stets aufs Neue zu erfreuen vermag. Das Tüpfelchen auf den „i“ sind dabei, auch wie immer, seine liebevollen Illustrationen, die so amüsant und bunt sind, wie die von ihm ersonnenen Geschichten und mit unfehlbarer Sicherheit für gute Laune sorgen!

Veröffentlicht am 18.01.2020

Wie Gespenst Gerd der fürchterlichen Klemenzia das Fürchten lehrt

Der kleine Drache Kokosnuss im Spukschloss
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Im neuen Abenteuer um den kleinen Drachen Kokosnuss geht es gar gruselig zu! Als der Feuerdrache nämlich mit seiner Freundin, dem Stachelschwein Matilda, im seltsam ruhigen Klippenwald umherstreift, um ...

Im neuen Abenteuer um den kleinen Drachen Kokosnuss geht es gar gruselig zu! Als der Feuerdrache nämlich mit seiner Freundin, dem Stachelschwein Matilda, im seltsam ruhigen Klippenwald umherstreift, um in Kokosnuss Mutter Mettes Auftrag das würzige Drachenkraut zu suchen, werden die beiden kleinen Helden, die diesmal ohne Oskar, den Fressdrachenjungen auskommen müssen, von einem Unwetter überrascht und müssen sich, freilich mit unguten Vorahnungen, in ein altes, unheimlich aussehendes Schloss flüchten. Und dass es hier spukt, merken die Freunde schon sehr bald! Zur Geisterstunde nämlich, nachdem die große Standuhr zwölfmal geschlagen hat, taucht sie auf, mit schauerlichem Gelächter und Getöse – die allseits gefürchtete Klemenzia Klabuster von Klippenstein, denn das Schloss, in das sich Kokosnuss und Matilda geflüchtet haben, ist das Familieschloss derer von Klippenstein! Und die garstige Nachfahrin lehrt Kokosnuss und Matilda wahrhaftig das Fürchten. Nur mit Mühe können sie entkommen – und sich bei der Familie Dachs retten, die sich zu Gespensterexperten erklärt haben und ihnen allerhand erzählen können über die Klippensteins und vor allem über Klemenzia, die sich in ständig übler Laune befindet, weil sie auf ihrem Schloss niemanden hat, den sie erschrecken kann und die deshalb den Klippenwald des Nachts unsicher macht und seine kleinen und großen Bewohner vergrault. Gesellschaft brauche die gar schreckliche Schlossherrin, meint Vater Dachs Willi, aber das ist nicht so leicht, denn sie wird nur jemanden akzeptieren, dem es gelingt, sie selber einmal so richtig zu erschrecken! Das jedoch ist, so scheint es, eine unlösbare Aufgabe, denn Klemenzia, ein Gespenst der Klasse „1a Megaspuk“, fürchtet sich nur vor Vampirgeistern! Und woher sollte man ein solches nehmen, zumal sie so gut wie ausgestorben sind?
Während sich Kokosnuss, Matilda und die Familie Dachs noch eine Strategie überlegen, mit deren Hilfe Klemenzia beizukommen wäre, kommt ihnen der Zufall in Gestalt des harmlosen Gespenstes Gerd zu Hilfe, der so gerne furchteinflößend wäre, aber trotz aller Bemühungen doch nur ein Gespenst der Spukklasse „3a Babyschreck“ bleibt! Gerd, ebenso vergesslich und zerstreut wie harmlos, ist ein alter Bekannter von Kokosnuss und Matilda, die ihn dereinst im Flaschenland im Schloss des Zauberers Holunder, dem es damals arg an den Kragen gehen sollte von Seiten des bitterbösen großen Zauberers Ziegenbart, kennengelernt hatten.
Kokosnuss, nie um phantasievolle Einfälle verlegen, hat auch diesmal wieder einen seiner Geistesblitze: wie wäre es, wenn man Gerd als Vampirgeist verkleiden würde? Dann wären vielleicht gleich zwei Probleme auf einen Schlag gelöst! Zum einen könnte Gerds Herzenswunsch, endlich einmal jemandem das Fürchten beizubringen, erfüllt werden, zum anderen könnte man Klemenzia in Gerd Gesellschaft zur Seite stellen und sie damit von ihrer Griesgrämigkeit befreien!
Gedacht, getan – und ob ihr Plan Erfolg haben wird, wird man im Folgenden lesen können! Und jede Wette – es geht kunterbunt und witzig zu, denn dafür sorgt Ingo Siegner schon, der Autor, dem die lustigen Ideen, gepaart mit jeder Menge Wortwitz, nie auszugehen scheinen, und der Kinder jeden Alters ( auch wenn sie längst den Kinderschuhen entwachsen sind ) stets aufs Neue zu erfreuen vermag. Das Tüpfelchen auf den „i“ sind dabei, auch wie immer, seine liebevollen Illustrationen, die so amüsant und bunt sind, wie die von ihm ersonnenen Geschichten und mit unfehlbarer Sicherheit für gute Laune sorgen!