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Veröffentlicht am 02.03.2024

Angestrengt konstruierter Krimi

Starmord am Wörthersee
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Ich lese gerne Kriminalromane – und das schon lange! Im Laufe der Zeit sind mir viele gute, einige wenige sehr gute, aber noch mehr bestenfalls mittelmäßige und auch richtig schlechte Krimis untergekommen. ...

Ich lese gerne Kriminalromane – und das schon lange! Im Laufe der Zeit sind mir viele gute, einige wenige sehr gute, aber noch mehr bestenfalls mittelmäßige und auch richtig schlechte Krimis untergekommen. Leider weiß man vor Beginn der Lektüre niemals so genau, zu welcher Kategorie das gerade auserwählte Exemplar gehört, zumal Klappentexte, an denen man sich ja in der Regel orientiert, in die Irre führen können und dies oft auch tun.
Als ich die Inhaltsangabe des hier zu besprechenden Werkes von Roland Zingerle, „Die Tote im Rampenlicht“, offensichtlich der Einstiegsband in eine Serie um den österreichischen 'Berufsdetektiv Sablatnig, las, hatte ich durchaus den Eindruck, etwas Lohnenswertes würde darauf warten, mir spannende Lesestunden zu bescheren. Doch, um es vorwegzusagen, dem war nicht so! Bereits nach wenigen Seiten hatte ich das noch vage Gefühl, meine Zeit zu vergeuden – was sich bis zum Ende kontinuierlich verstärkte und schließlich Gewissheit wurde, wiewohl ich zwischendurch an der einen oder anderen Stelle dachte, die Geschichte, die ich nach beendeter Lektüre als arg konstruiert bezeichnen möchte, würde nun interessanter, spannender und vor allem glaubwürdiger. Und so las ich weiter, denn ich wollte wissen, das vor allem, was denn um des lieben Himmels Willen dem schlaffen, saft- und kraftlosen Protagonisten, besagtem Berufsdetektiv (verstanden habe ich bis zum Schluss nicht, was diesen denn von einem Privatdetektiv unterscheidet) mit dem wenig eingängigen Nachnamen Sablatnig, in Kolumbien zugestoßen ist, das er kürzlich besucht hat und von wo er völlig verändert wieder in die heimischen Gefilde zurückkehrte.
Ja, zugegeben, der Autor hielt mit den ständigen Anspielungen auf das Kolumbien-Trauma seines gar nicht heldenhaften Helden, der aber genau zu jenem am Ende mutierte, absprungbereite Leser wie mich vom Abbruch seines Romans ab! Genauso geschah es mit einigen unerwarteten Wendungen in der dahinplätschernden Handlung später, als man schließlich genug hatte von den ewigen Andeutungen auf Kolumbien. Das ist durchaus clever gemacht, gibt dem sogenannten Regionalkrimi, der meines Erachtens überall hätte spielen können und in keiner Weise an die Region, nämlich die Gegend um den Wörthersee, gebunden ist, aber keine zusätzliche Qualität.
Der Kriminalfall selber, der am Anfang gar keiner ist, wie man dem Klappentext entnehmen kann, sondern erst einer wird – siehe ebenfalls Klappentext, den ich hier nicht zu wiederholen gedenke! -, hat mich überhaupt nicht überzeugt, und gefesselt schon gar nicht. Die Auflösung war – nun ja, an den Haaren herbeigezogen und kam mir vor wie ein Verlegenheitseinfall des Autors, als Geistesblitz der aus seiner Lethargie erwachenden Sablatnig getarnt. Überraschend war sie schon deshalb nicht, weil die Anzahl der – nebenbei bemerkt ausnahmslos flachen, nichtssagenden – Handlungsträger sehr überschaubar war und im Grunde nur die Person, die übrig blieb, als Bösewicht in Frage kam. Doch – was es da mit dem schlimmen Kolumbienerlebnis auf sich hatte, wird schließlich aufgeklärt, tränenreich! Es erscheint mir reichlich phantastisch, aber da ich die Verhältnisse in besagtem südamerikanischen Land nicht kenne, maße ich mir da kein besserwisserisches Urteil an. Der Autor wird schon seine Hausaufgaben gemacht haben!
Worüber ich mir aber ganz gewiss ein Urteil anmaße, und kein positives, ist die Sprache, derer sich der Autor bedient, wenn er seine Figuren den Mund aufmachen lässt! Dialektgefärbt soll sie sein, diese Sprache? Nicht doch - denn die sprechen ja alle gleich schlecht und nachlässig, lassen Endbuchstaben weg, ziehen Wörter unnötigerweise zusammen, ihre Diktion ist nichtssagend, beinahe kindlich-einfältig, ganz gleich, ob sie aus Österreich kommen, aus München oder, wie die eigenartige, mir höchst simpel und unterbelichtet vorkommende, vom verliebten Rekonvaleszenten Sablatnig aber in den Himmel gehobene (in den sie keinesfalls gehört!) und unmäßig verklärte Schlagersängerin Saskia, die Empfängerin des Drohbriefes, dessen Urheber der wackere Heinz, wie der Berufsdetektiv mit Vornamen heißt, ursprünglich finden sollte, aus dem hohen Norden Deutschlands.
Tja, so ist das nun einmal, wenn man die ausgeklügeltsten, spannendsten, sprachlich auf hohem Niveau angesiedelten Kriminalromane der Meister ihres Fachs gelesen und genossen hat! Man wird anspruchsvoll! Man weiß dann nämlich, wie ein richtig guter Krimi zu sein hat. Und das gereicht der „Toten im Rampenlicht“, die natürlich auch ihre begeisterten Leser hat, unglücklicherweise sehr zum Nachteil!

Veröffentlicht am 15.03.2023

Ein Leben für die Fliegerei

Über den Wolken
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Wenn die Skiläuferin und Pilotin Dominique Gisin in ihrem Vorwort zu Regula Eichenbergers Autobiographie 'Über den Wolken' schreibt, dass dieses Buch 'weit mehr (ist) als ein Buch für Aviatikbegeisterte', ...

Wenn die Skiläuferin und Pilotin Dominique Gisin in ihrem Vorwort zu Regula Eichenbergers Autobiographie 'Über den Wolken' schreibt, dass dieses Buch 'weit mehr (ist) als ein Buch für Aviatikbegeisterte', dann ist dem nur zuzustimmen! Allerdings – ohne ein gewisses Interesse an der Fliegerei geht es auch nicht, denn obwohl die Autorin wiederholt versichert, dass sie weitgehend Abstand davon nimmt, sich in Fachtermini zu ergehen und ihre Leser auch 'nicht mit allzu viel aviatischem Wissen (…) über fliegerische Abläufe und komplexe Verfahren zu langweilen', drehte sich ihr Leben, über das sie hier so spannend und interessant berichtet, doch schon in früher Kindheit und auch über ihre Verrentung im Jahre 2015 hinaus vor allem um diese ihre größte Leidenschaft, das Fliegen!
Sie hatte den Vorteil – sie würde es vermutlich als Glück bezeichnen -, einen flugversessenen Vater zu haben, der die ganze Familie für sein Lieblingshobby, das bald zum Beruf wurde, zu begeistern vermochte und es als das Selbstverständlichste der Welt erachtete, dass Regula, die jüngere seiner beiden Töchter, das Fliegen ganz und gar zu ihrem Broterwerb machte – dass es auch ihre Berufung war, stellt der Leser während der bemerkenswerten Biographie sehr bald fest. Und dies in einer Zeit – Regula wurde 1955 geboren -, als der Beruf des Piloten, schon gar von Linienmaschinen, eine fast ausschließliche Männerdomäne war.
Bedingungsloser Rückhalt von Seiten der Familie und ihr eigener starker, unternehmungslustiger und optimistischer Charakter, gepaart mit dem sprichwörtlichen Quäntchen Glück waren, wie man der Autobiographie entnehmen kann, die Voraussetzungen, den einmal gewählten Weg zu gehen, allen Widrigkeiten zum Trotz, und sich erfolgreich zu behaupten in der Welt der Cessnas, der Piper bei ihrem Vater, den Turboprops bei ihrer ersten Fluggesellschaft Crossair und schließlich der Boeings und des Airbusses bei weiteren Fluglinien, zu denen sie wechselte, nachdem – und diese Gefahr scheint bei Fluggesellschaften allgegenwärtig zu sein – sie der Reihe nach insolvent wurden.
Als erste Linienpilotin der Schweiz kam Regula Eichenberger 1983 in die Schlagzeilen – eine echte Sensation, wenn man bedenkt, dass erst 1990 alle Kantone im Lande der Eidgenossen den Frauen das Wahlrecht zubilligten und nebenbei auch erfährt, dass die zu jenem Zeitpunkt frischgeschiedene und bereits als Flugkapitänin erfolgreiche Regula in den 80er Jahren Mühe hatte, eine Wohnung vermietet zu bekommen. Dass sie diese letztendlich doch noch bekam, verdankte sie der – widerwilligen! - Erwähnung eben dieses professionellen Titels. Dies erstaunte mich nicht wenig, hatte ich die Schweiz doch immer als liberales und fortschrittliches Land eingeschätzt...
Über die Probleme, die die Autorin in der von Männern beherrschten Welt der Aviatik hatte, berichtet sie freimütig. Imponiert hat mir immer ihre Einstellung dazu, denn obwohl sie nicht unberührt blieb von den Feindseligkeiten und den unangenehmen Szenen, zu denen sie mitunter führten, ging sie doch stets, so wütend sie auch gelegentlich gewesen sein mag, souverän damit um – wie im Übrigen mit all den Anforderungen, die an Piloten nun einmal gestellt werden und von deren Komplexität ich sehr beeindruckt war. Simulationstrainingseinheiten am laufenden Band, ständige Weiterbildungen und Schulungen – der Beruf eines Piloten ist, auch das wird von Regula Eichenberger deutlich vermittelt, ein hochanspruchsvoller und es verwundert nicht, dass die Angehörigen dieses Berufsstandes frühzeitig in Pension gehen dürfen, manchmal auch müssen! Letzteres schien mir bei der energiegeladenen Schweizerin der Fall gewesen zu sein, obschon auch sie mit zunehmendem Alter feststellte, dass ihr Körper die starke Beanspruchung in ihrem Berufsalltag mit den häufigen Jetlegs nicht mehr so leicht wegstecken konnte.
Apropos anstrengender Berufsalltag! Zu den Zeiten, als die Autorin als Flugkapitänin und gleichzeitig auch als Instruktorin tätig war, arbeitete sie nonstop – was heute viel strenger reguliert ist, denn da wird peinlich genau darauf geachtet, dass die Piloten nicht, wie sie selbst es oft tat, bis ans Limit ihrer Belastungsfähigkeit gehen. Bei Regula hingegen musste das Privatleben zwangsläufig auf der Strecke bleiben, wessen sie sich durchaus bewusst war. Und mein Eindruck ist, dass es ihr auch nicht sonderlich fehlte, keine eigene Familie zu haben, in der sie die Rolle der Ehefrau und Mutter hätte spielen müssen. Dennoch, und das spricht für ihre Weitsichtigkeit, sorgte sie dafür, dass Freundschaften erhalten blieben, selbst wenn sie die privaten Kontakte nur unter größter Willensanstrengung, die bei der sie ständig begleitenden Müdigkeit und Erschöpfung notwendig war, unterhielt. Denn, so war ihr bei all ihrer Begeisterung für ihren Beruf immer klar, es gibt auch noch ein Leben nach der frühzeitigen Pensionierung! Das sie dann auch in vollen Zügen genoss, zusammen mit ihrem zweiten Ehemann, ihrer großen Liebe, wie sie betont, der ihr wenige Monate, bevor sie beschloss, ihre Biographie zu schreiben, durch den Tod genommen wurde. Wie auch einige Jahre zuvor ihre ältere Schwester Eva, zu der sie, wie zu den ebenfalls inzwischen verstorbenen Eltern, eine innige Beziehung unterhielt. Nein, von Schicksalsschlägen blieb auch Regula Eichenberger nicht verschont, wobei sie, die ihre Freundschaften pflegte, das Glück hatte, aufgefangen zu werden und sich immer, denn Aufgeben kommt, wie sie selbst sagt – und nach dem Lesen ihrer Autobiographie verwundert das nicht -, nicht in Frage, fürs Weiterleben entschieden hat.
Summa summarum: Ohne dass ich mich mit besonderen Erwartungen an die Lektüre von Regula Eichenbergers Autobiographie gemacht hatte und mir die Berufspilotin bis dato völlig unbekannt war, wurde ich von Seite zu Seite überrascht! Einmal von dem schnörkellosen, mit schweizerdeutschen Ausdrücken angereicherten Stil und der Unverblümtheit, mit der die sympathische Flugkapitänin im Ruhestand an ihren Erinnerungen, einer Aneinanderreihung von unterhaltsamen wie informativen Episoden und Anekdoten, teilhaben lässt, zum anderen von Frau Eichberger selbst, die ihren Träumen gefolgt ist und ein gelungenes und ungemein spannendes Leben geführt hat. Weil sie es konnte und weil sie es wollte. Respekt! Und selbst wenn das vom Schweizer Woerterseh Verlag herausgegebene Buch in hochwertiger Aufmachung mit über 36 Euro einen stolzen Preis hat, lohnt sich die Anschaffung. Für Laien wie auch für Leute vom Fach, von denen ich nicht glaube, dass sie sich langweilen würden – wie die Autorin befürchtet! -, in Leben und Erlebnisse einer so interessanten wie mutigen und für sich einnehmenden Frau eintauchen zu dürfen, die ein kleines Stück Luftfahrtgeschichte mitgeschrieben hat!

Veröffentlicht am 14.03.2023

Science Fiction für Experten

Sieben Kapitulationen
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Um 'Sieben Kapitulationen' (im englischen Original 'Seven Surrenders'), dem zweiten Band der Tetralogie 'Terra Ignota' der Historikerin der University of Chicago, Ada Palmer, überhaupt folgen zu können, ...

Um 'Sieben Kapitulationen' (im englischen Original 'Seven Surrenders'), dem zweiten Band der Tetralogie 'Terra Ignota' der Historikerin der University of Chicago, Ada Palmer, überhaupt folgen zu können, bedarf es unbedingt der Kenntnis des ersten Bandes 'Dem Blitz zu nah' (im englischen Original 'Too Like the Lightning'), denn Band 2 beginnt genau da, wo Band 1 aufgehört hat – ein ungemein komplexer und komplizierter Science Fiction Roman, für dessen Verständnis meines Erachtens weit mehr vorausgesetzt wird, als der Durchschnittsleser, Science Fiction erprobt oder nicht, mitbringt. Und selbst dann hat man Mühe, die vielen und vielfältigen Themen, mit denen sich die Autorin befasst, zu ergründen, geschweige denn sie bis in ihre Tiefen zu verstehen. Um Religion geht es, um Geschlechtergleichheit, überhaupt Genderfragen, um Moral, um Freiheit, Brüderlichkeit etcetera, um all die Ideale aus der Zeit der Aufklärung, die die Gesellschaft im Jahre 2454, der wir in diesem außerordentlich ambitionierten, philosophisch-politischen Science Fiction Roman begegnen, scheinbar lebt. Scheinbar, und möglicherweise lebte man eine Zeitlang ja tatsächlich dieses Ideal, das durch die Aufhebung der Nationalstaaten möglich gemacht wurde, an deren Stelle die 'Hives' traten, in die man nicht hineingeboren wird, sondern denen man als Erwachsener beitreten kann, je nach Neigung, vielleicht auch charakterliche Disposition. Es gibt derer sieben – der Titel ist also nicht von ungefähr gewählt und spricht überdies für sich! -, nämlich die Humanisten, die Cousins, das Maurer-Imperium, die Gordischen, die Europäische Union, die Mitsubishi und die Utopianer, über deren Systeme man in den vorderen und rückwärtigen Versatzblättern des Buches Genaueres erfahren kann. Doch sollte man sich nicht täuschen lassen von den wohlklingenden Beschreibungen! Der Teufel liegt eben auch hier im Detail....
Jedenfalls – nach 300 Jahren des Friedens, sprich der Abwesenheit von offen ausgetragenen Kriegen, zeigt sich aber, dass das so stabil erscheinende Machtgefüge brüchig ist, dass da eine Verschwörung im Gange ist, über die der Leser von dem Ich-Erzähler, einem zwielichtigen, seltsamen Manne, einem Verbrecher gar, der, wie es der Klappentext verrät, 'dazu verurteilt wurde, im Dienste aller Hives um den Globus zu wandern' und der daher besser als jeder andere Bescheid weiß, peu a peu erfährt, wenig Genaues freilich. Überdies nennt er sich selbst einen unzuverlässigen Erzähler. Durch seine Augen hauptsächlich erleben die Leser nun die Ereignisse, die die Utopie bedrohen, zu der die Erde – wieder scheinbar! - geworden ist: eine Welt ohne Krieg, ohne Hunger, in der alle Bedürfnisse erfüllt werden und die dank der – heute noch unvorstellbar, aber eigentlich auch nicht verwunderlich! - enorm fortgeschrittenen Technologie auch nicht mehr durch Klimawandel und die daraus resultierenden, uns heute verheerend erscheinenden Konsequenzen bedroht ist.
Spannend, vielschichtig, zum Nachdenken auffordernd? Gewiss! Doch ob seiner Komplexität nur sehr schwer, sehr mühsam zu lesen, wozu auch die wenig eingängige, geschlechtsneutrale Sprache ihren Teil beiträgt, an die ich mich bereits im ersten, beinahe noch schwerer zu lesenden Band nicht gewöhnen konnte, den ich unmittelbar vor dem zweiten gelesen habe, als ich nach dessen ersten hundert Seiten oder so feststellen musste, dass die Handlung sich auch bei größter Konzentration meinem Zugriff entzog. Im amerikanischen Heimatland der Autorin mag ihre Terra Ignota Tetralogie ja als genial, intelligent, alle gekannten Maßstäbe sprengend etc. gefeiert werden – meinem Lesegeschmack hingegen entspricht sie in keiner Weise. Science Fiction ja, gelegentlich, aber nicht die Art, auf die die intellektuell nicht mit unseren Maßstäben zu messende Ada Palmer sie schreibt. Die ist mir schlicht zu mühsam und zu unverständlich – und tatsächlich habe ich für die Lektüre von 'Dem Blitz zu nah' und 'Sieben Kapitulationen' sage und schreibe vier Monate gebraucht! Da kann dann von Lesevergnügen keine Rede mehr sein, zumal Abbrechen nicht in Frage kam, da ich mich unklugerweise auf eine Leserunde mit dem hier gerade mehr schlecht als recht besprochenen Werk eingelassen habe. Wäre es mir aber auf andere Art und Weise in die Hände gefallen, so hätte ich nach spätestens 100 Seiten, denen nämlich, die ich brauchte, um endgültig einzusehen, dass ich so gut wie nichts verstanden hatte, das Buch mehr oder weniger unauffällig verschwinden lassen, wahrscheinlich aber in die Ecke gefeuert, und damit das Experiment beendet, Zugang zu etwas zu bekommen, das von jemandem geschrieben wurde, die ganz offensichtlich in Sphären schwebt, zu denen ich nur verwundert staunend aufblicken kann! Eine Bewertung erscheint mir also beinahe unangemessen, jedenfalls soweit es mich betrifft. Da Lesbarkeit und Verständlichkeit für mich aber ein ebenso wichtiges Kriterium für die Beurteilung eines Buches sind, gleich welcher Kategorie es angehört, wage ich es, aus der Reihe der Begeisterten auszuscheren und es nur solchen Lesern zu empfehlen, die sich gerne lange und fruchtlos quälen wollen während einer Freizeitlektüre. Oder eben denjenigen, die ähnlich abgehoben ticken wie die Geschichtsprofessorin aus den Vereinigten Staaten!

Veröffentlicht am 14.03.2023

Furchtloser, selbsternannter Gentleman-Gauner rettet die Fantasywelt

Die Tausend Leben des Ardor Benn
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Als 'außergewöhnlicher Gentleman-Gauner' bezeichnet sich der Titelheld des hier zu besprechenden High-Fantasyromans selbst, als 'Meister von List und Tücke', der gar tausend Leben hat. Im englischen Original ...

Als 'außergewöhnlicher Gentleman-Gauner' bezeichnet sich der Titelheld des hier zu besprechenden High-Fantasyromans selbst, als 'Meister von List und Tücke', der gar tausend Leben hat. Im englischen Original hingegen - „The Thousand Deaths of Ardor Benn“ - stirbt er vielmehr tausend Tode, was im Endeffekt wohl auf das Gleiche herauskommt. Dennoch bin ich einmal mehr verwundert über die Angewohnheit deutscher Verlage – wobei gar nichts gegen Paninibooks spricht! -, Originaltitel zu verdrehen oder nichtssagende eigene Kreationen zu ersinnen.
Wie dem auch immer sei, Ardor Benn nimmt den Mund ein wenig zu voll, denn in Wirklichkeit ist er ein zwar wagemutiger, aber dennoch ganz gewöhnlicher Dieb, der seinen Lebensunterhalt damit bestreitet, dass er sich Dinge aneignet, die ihm nicht gehören. Ein Draufgänger und Maulheld ist er, voll von sich selbst, dabei aber zugegebenermaßen recht amüsant und äußerst risikofreudig, denn auch vor den schwierigsten und jedem vernunftbegabten Leser völlig unlösbar erscheinenden Aufgaben schreckt er nicht zurück.
Und eine solche wartet auf ihn in dem umfangreichen Fantasyabenteuer des Amerikaners Tyler Whitesides, der mit dieser seiner ersten Fantasy-Reihe für Erwachsene – in seinem Heimatland bekannt wurde er als Autor von Kinder- und Jugendbüchern – ursprünglich ein Herzensprojekt verwirklichen wollte, für das es keinen Abgabetermin gab. Doch auch Herzensprojekte entwickeln manchmal eine Eigendynamik und, hast du nicht gesehen, der Autor konnte mit dem Fabulieren erst dann aufhören, als eine Trilogie, ein regelrechtes Mammutwerk sogar, entstanden war!
Aber kehren wir zurück zu dem vollmundigen Meisterdieb! Von Ardors ihm weit vorausschallenden Ruf angelockt kommt da nämlich der Priester Eiland Halavend (ja, richtig, der Priester ist eine Insel!) und beauftragt den selbstbewussten Helden mit einer gar schwierigen, umfangreichen, gefährlichen, eigentlich unlösbaren Mission: er soll dem König des Inselreiches, aus dem die Welt, die sich der Autor ausgedacht hat, besteht, zwei Herrscherinsignien entwenden, denn auf dem Spiel stehen, ohne auf Einzelheiten einzugehen, nicht mehr und nicht weniger die Zukunft und das Leben der Inselbewohner!
Für Ardor Benn ist glücklicherweise nichts zu schwer und das Adjektiv 'unmöglich' existiert in seinem Wortschatz nicht. Zudem steht ihm nicht nur Raek, sein Freund aus Kindertagen und für Ardor wie ein Bruder, seines Zeichens mathematisches Genie und Muskelprotz und noch so einiges mehr, wie der interessierte Leser erfahren wird, zur Seite, sondern auch die eigens für die gefährliche Mission angeheuerte Diebin Quarra, eine Romanfigur, der man anfänglich große Sympathie entgegenbringt ob ihrer Unabhängigkeit und Stärke, die als Charakter jedoch leider verliert im Laufe der Handlung, je mehr sie sich zu dem sich für unwiderstehlich haltenden Ardor oder Ard, wie er im Zuge der Namensverkürzungsmanie, in der Geschichte sehr bald schon genannt wird, hingezogen fühlt.
Dass mich der allgegenwärtige Titelheld nicht vom Hocker reißen konnte, da mir grundsätzlich Tausendsassas seiner Art nicht liegen, stellte nur eines der Probleme dar, die ich mit der Lektüre des sage und schreibe 800 Seiten langen, kleingedruckten Werkes hatte, das im Heimatland des Autors mit überwiegend großer Begeisterung aufgenommen wurde. Liest man nämlich Rezensionen von Tyler Whitesides Landsleuten, so ist man ganz geblendet von so viel Überschwänglichkeit, ein Substantiv, das mir schon immer suspekt war!
Ja, jedes Buch, gleich welchen Genres, hat seine Leser – viele mitunter, je nach Güteklasse, oft unverständlich viele. Obschon ich, ohne ein ausgesprochener Fan von Fantasyliteratur zu sein, mich gerne hin und wieder von einem guten Vertreter dieser Gattung begeistern lasse und nach den Vorschusslorbeeren und auch der Inhaltsbeschreibung mit großen Hoffnungen „Die tausend Leben des Ardor Benn“ aufgeschlagen habe, wuchs meine Enttäuschung von Seite zu Seite. Da ich selten ein einmal begonnenes Buch abbreche und dies schon gar nicht innerhalb einer Leserunde tue, habe ich mich weitergekämpft – und dies über mehr als zwei Monate. Ein Lesezeitraum, der keinem Buch wirklich bekömmlich ist! Überfliegen, wie ich das zeitweise versuchte, ging nicht, denn so war es leicht, wichtige Details, die zwar spärlich, aber willkürlich über das gesamte Buch verteilt sind und deren Kenntnis einfach notwendig ist, um der Handlung folgen zu können, zu übersehen. Darüberhinaus ist das Werk so voller Details, dass man die wichtigen manchmal nicht von den unwichtigen und daher vollkommen überflüssigen unterscheiden kann. Streicht man die übrigens weg, bleiben kaum mehr als 300 Seiten übrig...
Desweiteren hatte ich von Anfang an mit der eintönigen, gleichförmigen, langweiligen Sprache Probleme – die im krassen Gegensatz steht zu der so komplexen, ganz und gar fremdartigen Welt, in der der Autor sein Herzensbuch spielen lässt, und die da ein Insel-Archipel ist, deren Hauptschauplatz, die Hauptstadt Beripent, auch Heimatort des Gauners Benn ist. Dazu noch hat der unbestreitbar phantasiebegabte Whitesides ein kompliziertes und gar verwundenes, offensichtlich nur von ihm selbst und den amerikanischen Fans zu verstehendes magisches System ersonnen, das sowohl auf Physik und Chemie, als auch auf Religion basiert, wobei die Magie in direktem Zusammenhang steht mit den auf der Insel Pekal lebenden Drachen, die allerdings vom Aussterben bedroht und in der Handlung wenig mehr als Mittel zum Zweck sind – was ich schade finde, denn wäre ihnen mehr Aufmerksamkeit zuteil geworden, hätte dies die Geschichte aufwerten können. Gezaubert wird, so muss man wissen, nämlich mit einer Substanz namens 'Malm', von dem es unterschiedliche Typen zu unterschiedlichen Zwecken gibt und das nichts anderes ist als pulverisierte Drachenkacke (der beste Malmmischer des Reiches ist, nebenbei gesagt, Ardors Freund Raek!) Dieses Malm wiederum heißt 'Grit' im englischen Original, zu dem ich nach der Hälfte der Lektüre meine Zuflucht genommen hatte, allzumal es ein, in der deutschen Ausgabe fehlendes, Glossar am Ende des Buches gibt, was definitiv eine Hilfe ist. Umso unverständlicher, dass es in der deutschen Version einfach unter den Tisch gefallen ist. Seltsam, dachte ich, wir Deutschen nehmen doch nur allzu willig jedes Modewort und auch noch andere, völlig überflüssige Anglizismen in unsere Sprache auf – warum müssen aber Ausdrücke, die im Grunde Phantasiewörter sind, in weitere Phantasiewörter 'übersetzt' werden? Und es ist ja nicht nur 'Grit', sondern es ist noch unzählig viel anderes aus den 'Tausend Leben' beziehungsweise 'Tausend Tode'!
Eines muss man dem Autor fairerweise zugute halten: seine Ideen sind originell und unterscheiden sich vom Mainstream, so wie ich die fantastische Welt, die er sich ausgedacht hat, interessant, spannend, auch verheißungsvoll finde. Die Umsetzung dieser Ideen wiederum empfinde ich als über weite Strecken nicht gelungen. Leider bleiben auch die handelnden Personen an der Oberfläche, haben keine Tiefe und deshalb auch nicht das Potential, zu berühren. Allerdings – und das ist löblich! - ist der Autor nicht der Versuchung erlegen, den ersten Band seiner Trilogie mit einem Paukenschlag oder, auf gut Deutsch, 'Cliffhanger' enden zu lassen. Das Buch hat einen Abschluss, und das ist gut so! Was immer noch mit und um Ardor Benn geschehen mag mögen die vielen begeisterten Anhänger des Gentleman-Gauners gerne ohne mich herausfinden!

Veröffentlicht am 13.03.2023

Starke Geschichte mit beachtlichem Informationswert

Der Kelch der Wiederkehr
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Wäre mir Matthias Bielings Roman „Der Kelch der Wiederkehr“ nicht im Rahmen einer Leserunde begegnet, hätte er mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nie den Weg zu mir gefunden, die ich mich zugegebenermaßen ...

Wäre mir Matthias Bielings Roman „Der Kelch der Wiederkehr“ nicht im Rahmen einer Leserunde begegnet, hätte er mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nie den Weg zu mir gefunden, die ich mich zugegebenermaßen bei der Auswahl meiner Lektüre oft genug auch durch das Cover inspirieren lasse. Die für den komplex-kompliziert-verwundenen Roman, den ich auch nach beendeter, streckenweise recht mühevoller Lektüre weder dem Genre Krimi noch Thriller eindeutig zuordnen konnte, gewählte Umschlagsgestaltung empfinde ich als verunglückt und was immer darauf zu erkennen sein soll stellte, und stellt mich nach wie vor, vor ein Rätsel, lässt mich jedoch darüber nachsinnen, wie viele wirklich gute Bücher ungelesen bleiben, weil sie in einem so wenig ansprechenden Kleid daherkommen.
Nun, man sollte besser also auch den unansehnlichen Büchern einen zweiten Blick widmen, sie womöglich gerade dann zur Hand nehmen, den Covertext sorgfältig lesen, der im Übrigen den Ausschlag gab, dass ich mich näher mit Matthias Bielings Erstling beschäftigt habe, denn er ist so vollgepackt, dass ich ihn zweimal lesen musste, um eine Ahnung zu bekommen, was da auf mich als Leserin warten würde. Und genau das weckte natürlich meine Neugierde, denn der schwachen und oft irreführenden Covertexte gibt es genug!
Eine intelligente, aber nicht einfach zu lesende Geschichte, wie ich alsbald feststellte, die von mannigfachen Personen, seien es Handlungsträger oder bloße Nebenfiguren, bevölkert wird, die man erst einmal sortieren musste, um sie schließlich, nach und nach freilich, manche davon erst am Ende des Buches, einordnen zu können. Das gilt übrigens auch für die Handlung selbst! Da so viele Schauplätze aufgemacht wurden, war über weite Strecken so klar nicht, worum es eigentlich geht in dem 'Fall' – der ebenso wenig klar umrissen ist -, in den sich der Dortmunder Privatdetektiv Jupp Koslowski verbeißt, der zufällig des Weges kommt, als die Polizei einen, wie bald klar wird, ermordeten Krankenwagenfahrer auffindet, was allerdings nur der Beginn einer ungeheuerlichen Geschichte sein sollte, bei der nicht nur Jupp die Haare zu Berge stehen würden. Aus irgendeinem Grunde, vielleicht aus echtem Interesse, vielleicht wegen der schönen Augen der Witwe des Opfers, vielleicht auch nur deswegen, weil gerade Flaute herrscht in seiner Detektei, verfolgt er Spuren, die so vage sind, dass er sich eher blind vorantastet als ziel- und planvoll zu Werke zu gehen.
Ziel- und Planlosigkeit scheinen dem Detektiv, aus dessen Blickwinkel die gesamte Geschichte erzählt wird, eigen zu sein. Doch kann man dies nur mutmaßen, denn Jupp hält zwar unendlich viele und lange innere Monologe, mit denen er die Leser an seinen vielfältigen Beobachtungen teilhaben lässt, die sich zu großen Teilen auf die Physiognomie derjenigen beschränken, die ihm während seiner eher intuitiven als zielgerichteten und von handfesten Verdachtsmomenten untermauerten Ermittlungen über den Weg laufen und die vollkommen subjektiv sind, aber er selbst, seine Person und Persönlichkeit bleiben im Dunkeln. Nur scheinbar freilich, denn bei genauem Lesen – und ohne dieses würde man sich hoffnungslos verirren in dem vielschichtigen Plot mit hohem Informationswert zu den unterschiedlichsten Themen – kann man sich aus den vielen, nicht auf den ersten Blick ersichtlichen, über die Handlung verstreuten Versatzstücken ein recht schlüssiges Bild des Privatdetektivs machen, das dann aber, wie Jupps eigene Beobachtungen, natürlich subjektiv bleibt. Halten wir ihm also der Einfachheit halber zugute, dass er geschult oder sehr talentiert ist in der spontanen Einschätzung seines Gegenübers, zumal er am Ende des Romans, an dem er endlich einmal Klartext redet und sämtliche Handlungsstränge logisch zusammenführt, tatsächlich in Vielem rechtbehalten soll.
Da jede Rezension die Meinung des Rezensierenden widerspiegelt und nicht darin bestehen sollte, das zu besprechende Werk nachzuerzählen, verweise ich an dieser Stelle auf die so aussagekräftige wie aber auch verwirrende Inhaltsbeschreibung auf dem Cover, die ich wiederum als sehr geglückt betrachte, gaukelt sie dem potentiellen Leser doch, wie – und hier wiederhole ich mich – das leider nur allzu oft zu erleben ist, nichts vor, was er in dem Roman dann vergeblich sucht! Hoffnungen, die sie erweckt, werden erfüllt, freilich auf lange undurchsichtigen und labyrinthartigen Pfaden, was zum einen der Komplexität der Handlung geschuldet ist, aber zum anderen der Art und Weise, auf der der Autor seine Geschichte erzählt und die sich durchaus abhebt von der üblichen Roman- oder Krimi- oder Thrillerkost - und die ich als gewöhnungsbedürftig bezeichnen möchte. Im positiven Sinne, denn der Autor traut seinem Leser etwas zu, fordert ihn zum Mit- und Andersdenken auf, setzt seine Spannungselemente auf seine Art, ist auch, wie man in den äußerst befriedigenden Schlusssequenzen erfahren kann, immer fair dem Leser gegenüber. Keine Blindfährten und - außer Jupps langatmigen Beobachtungs- und Bewertungsmonologen – kein Wort zu viel, was bedeutet, dass auch die beim ersten Lesen unwichtig und zu vernachlässigen erscheinenden Kleinigkeiten am Rande und fast beiläufig gegebene Informationen von Bedeutung sind und sich während des Fortgangs des Geschehens nahtlos einfügen, gar wie zufällig auf den ihnen gebührenden Platz in dem großen Mosaik fallen, das der Autor durchaus genial entworfen hat, und das zu enträtseln ich zunehmend als spannende und anspruchsvolle Herausforderung betrachtet habe. Bleiben wir also neugierig auf Jupp Koslowskis nächsten Einsatz!