Liebe zwischen Sozialismus und Solidarność
Im Wasser sind wir schwerelosWährend eines Ernteeinsatzes lernen sie sich kennen, Ludwik und Janusz, gerade fertig mit der Uni und nun auf dem Feld, um Rote Beete auszugraben. Ihr obligatorischer Beitrag zum Sozialismus in Polen 1980. ...
Während eines Ernteeinsatzes lernen sie sich kennen, Ludwik und Janusz, gerade fertig mit der Uni und nun auf dem Feld, um Rote Beete auszugraben. Ihr obligatorischer Beitrag zum Sozialismus in Polen 1980. Ludwik hat das marode Regime satt und auch in seinem Umfeld äußern sich immer wieder Kritiker*innen. Aber durch Janusz treten diese Empfindungen zunächst in den Hintergrund. Ludwik, der sich schon als Neunjähriger zu einem anderen Jungen hingezogen fühlte und als Jugendlicher einen einschlägigen Park aufgesucht hat, verliebt sich fast augenblicklich. Im Anschluss an den Arbeitsdienst zelten die beiden einige Zeit an einem See, fern von allen Zwängen. Zurück in Moskau werden sie durch den Druck von Regime und Gesellschaft und der um sich greifenden Hoffnungslosigkeit auf eine gemeinsame und selbstbestimmte Zukunft eingeengt. Ludwik möchte in den Westen gehen, Janusz hingegen hat durch Beziehungen die Möglichkeit, ein besseres Leben als die meisten zu führen. Er möchte das Land nicht verlassen.
Die Handlung wird in Rückblicken aus der Sicht Ludwiks erzählt, der sich in Amerika befindet und sich an die Ereignisse im zurückliegenden Jahr erinnert. Wunderbar ruhig schildert Jedrowski die Liebe zwischen den beiden jungen Männern, die durch die gemeinsame Lektüre von "Giovannis Zimmer" von James Baldwin vertieft wird. Es gibt Parallelen in den Geschichten, aber Jedrowskis Protagonisten sind sympathisch, lebendig und bewegen sich in einer Aufbruchsstimmung. Anders als Baldwin zeigt Jedrowski einfühlsame und zarte Seiten an seinen Figuren. Allerdings spielt auch hier das Thema Scham eine ganz große Rolle. "Ich trug mein Anderssein und meine Scham im Inneren verborgen." (S. 104)
Man hofft so sehr auf einen guten Ausgang der Handlung. Die Situation im Land ist eindrücklich und griffig wiedergegeben, das Schlangestehen, die Nahrungsmittelknappheit, die schlechte ärztliche Versorgung und dann wieder der Überfluss auf der Seite der Privilegierten. Die Handlung ist durchweg interessant, es passiert ständig etwas und man fiebert mit. Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen und die Geschichte hatte ich schnell gelesen. Am Ende bleibt zumindest Hoffnung.
Eine klare Leseempfehlung für dieses schmale Büchlein von 220 Seiten.