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Veröffentlicht am 15.11.2020

Résistancebewegung in der Champagne

Das letzte Licht des Tages
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Ohne Frage hat Kristin Harmel eine dramatische Geschichte über Menschen in der Champagne geschrieben, die sich unter Einsatz ihre Lebens der Résistance angeschlossen haben. Leider konnte mich die Geschichte ...

Ohne Frage hat Kristin Harmel eine dramatische Geschichte über Menschen in der Champagne geschrieben, die sich unter Einsatz ihre Lebens der Résistance angeschlossen haben. Leider konnte mich die Geschichte nur auf der Oberfläche fesseln, da die Charaktere sehr flach bleiben und kaum Substanz zum Mitfiebern liefern.

Auf Maison Chauveau führen Michel und Inès zusammen mit dem Kellermeister Théo und dessen Frau Céline im Frühjahr 1940 ein bescheidenes Leben. Als die Invasion der Deutschen voranschreitet verändert sich das Leben auf dem Weingut in der Champagne dramatisch. Die junge Inès fühlt sich zusehends von ihrem Mann und der tatkräftigen Céline zurückgedrängt. Was geschieht in den Kellern des Weingutes? Inès flüchtet zu ihrer Freundin nach Reims und lernt Kollaborateure und Résistancemitglieder kennen. Geheimnisse auf Maison Chauveau führen zur Misstrauen und Missverständnissen, die schließlich in einer Katastrophe münden.

Fast 80 Jahre später nimmt Edith ihre frisch geschiedenen Enkelin Liv mit nach Frankreich. Sie reisen in die Champange. Die fast Hundertjährige ringt sichtlich mit Erinnerungen an die Vergangenheit und versucht, Liv in das Dunkel der damaligen Zeit einzuweihen. Ein junger Anwalt kommt Liv schnell näher und weiß mehr über die Kriegszeit, als die Amerikanerin zunächst ahnt.

Die Familiengeschichte, die abwechselnd auf zwei Zeitebenen spielt, ist wirklich interessant und auch dramatisch. Die Verstrickung der Winzer und Champangerhäuser mit der Résistancebewegung und die weiteren historischen Elemente sind gut recherchiert und bieten eine hervorragende Grundlage für "The Winemaker's Wife", wie das Buch im Original heißt. Durch die zusätzlich wechselnden Perspektiven, die Kapitel werden sowohl aus der Sicht von Liv, Inès und auch Céline geschildert, gewinnt die Geschichte an Geschwindigkeit.

Leider hat die Entwicklung der Charaktere aber für mich deutliche Mängel. Mit keiner der Figuren konnte ich tatsächlich mitleiden oder mitfühlen. Ihre Gefühle, Ängste und Sorgen bleiben oberflächlich, widersprechen sich teilweise sogar. Daher sind auch viele Aktionen und Reaktionen unverständlich und damit unglaubwürdig. Wie die Personen sich jeweils selbst und gegenseitig beurteilen, ist nicht stimmig bzw. nicht deutlich genug herausgearbeitet. Z.B. wird Inès nicht so deutlich als das sorglose Püppchen dargestellt, das Michel und auch Céline in ihr sehen.

Was mir beim Lesen negativ aufgefallen ist, ist die Übersetzung. Die ist an vielen Stellen nicht besonders elegant gelungen. Die Floskel "Ja, nun ja, ..." wurde fast zehn Mal gemüht, um einen Antwortsatz einzuleiten. Bereits beim ersten Satz klangt das künstlich, da muss man fantasievoller übersetzen oder ggf. auf so eine Floskel verzichten.

Insgesamt war ich daher von "Das letzte Licht des Tages" enttäuscht. Ich hatte mich auf ein mitreißendes Buch gefreut, da ich den historischen Aspekt sehr interessant finde, ebenso die Verknüpfung von zwei Zeitebenen. Die Geschichte an sich hat viel Potential, die aber durch die schwachen Charaktere sehr leidet. Sicherlich wird das Buch Fans finden. Es liest sich schnell, bietet aber wenig Identifikationsmöglichkeiten. Ich vergebe drei Sterne.




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Veröffentlicht am 10.11.2020

Grausig, grausiger ... Todesfrist

Todesfrist
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Der erste Teil der Thriller-Serie um Sabine Nemez und Maarten S. Sneijder ist nichts für zartbesaitete Gemüter. Hier geht es ziemlich blutig zu, aber auch sehr spannend.

Eine Frau wird entführt und wacht ...

Der erste Teil der Thriller-Serie um Sabine Nemez und Maarten S. Sneijder ist nichts für zartbesaitete Gemüter. Hier geht es ziemlich blutig zu, aber auch sehr spannend.

Eine Frau wird entführt und wacht in einem Betonblock wieder auf. Eine zweite Frau wird tot im Münchner Dom gefunden, angekettet an die mächtige Orgel. Es ist die Mutter der Kommissarin Sabine Nemez. Sabines Vater hatte 48 Stunden Zeit, ein Rätsel zu lösen, um das Leben seiner Exfrau zu retten. Er hat es nicht geschafft. Als die Kommissarin eine Suchanfrage in einer internationalen Datenbank vornimmt, wird das BKA Wiesbaden auf den Fall aufmerksam. Maarten S. Sneijder, der Bücher stehlende und von Kopfschmerzen geplagte Profiler, kann etwas zum Fall beitragen. Und das ist nichts Schönes.

Andreas Gruber hat einen fesselnden und wirklich fiesen Thriller geschrieben. Es geht rasant zur Sache, man hat kaum Zeit zum Durchatmen. Die Handlung spielt zeitlich versetzt auf mehreren Ebenen und springt zwischen verschiedenen Handlungsfäden hin und her. Das macht das Buch sehr schnell und spannend. Aber man muss gerade zu Beginn auch sorgfältig lesen, sonst kann man ins Straucheln kommen. Die kurzen Kapitel aus unterschiedlicher Sicht kommen dem Lesetempo ebenfalls zugute.

Der Schreibstil ist flüssig und flott; er ist auf den Inhalt konzentriert und auf wenige wichtige Personen. Rangfiguren werden nur spärlich beleuchtet. Aber gerade der grandiose Unsympath Maarten S. Sneijder ist eine tolle Figur. Seine äußere Erscheinung und seine Ticks sind mal etwas Anderes. (Putzig ist auch die Sache mit der Buchhandelskette, die Sneijder "bevorzugt". Das Anagramm ist schon sehr offensichtlich...) Sabine Nemez wächst vielleicht noch in ihre Rolle hinein, sie hat mir nicht ganz so gut gefallen. Ihre Reaktion auf die Entführung ihrer Mutter (und später deren Tod) war für mich recht verhalten. Etwas enttäuscht war ich letztlich von der Auflösung bzw. dem Antrieb des Täters. Die Idee mit dem Kinderbuch war prima, aber die aufgebaute Spannung ist dann etwas verpufft. Vielleicht war ein bisschen zu viel Psychologie im Spiel.

An einigen ungewöhnlichen Ausdrücken bin ich beim Lesen hängengeblieben (Mezzanin für Zwischengeschoss, Leibschüssel für Bettpfanne), die sind aber wohl der Herkunft des Autors geschuldet, der Österreicher ist.

Cover und Titel sind passgenau auf den Inhalt "zugeschnitten".

Die Story war schon recht blutig und brutal, hat aber gefesselt und einen sehr spannenden Charakter in die Thrillerszene eingeführt. Ich bin gespannt, wie es mit Sneijder und Nemez weitergeht und werde auf jeden Fall an der Serie dranbleiben.

Vier sehr gute Sterne und eine Leseempfehlung für Thrillerfans.






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Veröffentlicht am 07.11.2020

Leckerbissen für Literaturfans

Wonderlands
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Ein wirklich schönes Werk hat Laura Miller hier zusammengestellt. Schon beim Inhaltsverzeichnis läuft den versierten Lesern ein wohliger Schauer über den Rücken. Bücher, die man seit langem liebt und Bücher, ...

Ein wirklich schönes Werk hat Laura Miller hier zusammengestellt. Schon beim Inhaltsverzeichnis läuft den versierten Lesern ein wohliger Schauer über den Rücken. Bücher, die man seit langem liebt und Bücher, die man schon immer lesen wollte stehen hier vereint und haben gemeinsam, dass sich ihre Handlung in imaginären Welten "Wonderlands" abspielt.

Die Einleitung fasst kenntnisreich die Ursprünge und Anfänge der verschiedenen Gattungen zusammen und zeigt die Entwicklung der fantastischen Literatur, unter der hier alle Werke zusammengefasst werden sollen.
Fünf Kapitel gliedern die Bücher in zeitliche Perioden ein:
1. Alte Mythen & Legenden (bis 1700), 2. Wissenschaft & Romantik (1701-1900), 3. Das goldene Zeitalter der Fantasy (1901-1945), 4. Neue Weltordnung (1946-1980), 5. Das Computerzeitalter (1981 - heute). Von den 98 vorgestellten Werken entfallen über die Hälfte auf die beiden letzten Kapitel.
Auf zwei bis sechs Seiten werden die einzelnen Bücher vorgestellt, dabei folgt die Präsentation optisch einem vorgegebenen Schema: Am linken Rand findet sich eine Informationsspalte, oben beginnend mit einer Abbildung des Werkes (Fragment oder Erstausgabe), darunter kurze Informationen zu Werk und Autor und am Ende der Spalte ein Bild des Autors oder der Autorin (entfällt bei anonymen Werken und einmal wird die wichtige Übersetzerin abgebildet). Der Überschrift folgt eine wenige Zeilen lange Charakteristik des vorzustellenden Buches.
Die einzelnen Artikel behandeln verschiedene Aspekte in unterschiedlicher Gewichtung. Informiert wird über die Entstehungsgeschichte des Werkes, die Stellung im Gesamtwerk, den Inhalt, Verflechtungen mit anderen Werken und die Wirkung auf das Genre insgesamt. Es gibt Informationen über die Autoren und Autorinnen, deren andere Werke, Bezüge zur Kunst und Motive, die überraschend in anderen Texten adaptiert werden. (Z.B. besonders reichhaltig bei Stephen Kings "Der dunkle Turm", S. 238f.) Am Ende findet sich ein Autorenverzeichnis, das zeigt, dass hier versierte Fachleute am Werk waren. Das nachfolgende Register verzeichnet die Autoren, Titel und andere erwähnte Werke. Hier ist allerdings nicht stringent gearbeitet worden. Es werden Schauspieler aus Verfilmungen und Buchillustratoren genannt, aber eben nicht alle, die in den Beiträgen vorkommen.

Neben den fast immer interessanten und informativen (kurzen) Texten sind es aber besonders die Abbildungen, die das Buch so besonders machen. Zeichnungen aus den Erstausgaben, besonders gelungene Illustrationen oder Cover, Filmszenen und -plakate, historische Fotos, Manuskriptseiten oder Notizen der Autoren und natürlich Landkarten - die Kernstücke der "Wonderlands".

Laura Miller hat in ihrem Buch Autoren aus aller Welt und deren Werke vereint, die zunächst unterschiedlicher nicht sein könnten: Antike und mittelalterlichen Heldensagen und Weltraumabenteuer, Homer und Stephen King, Mark Twain und Cornelia Funke. Beim Lesen der Artikel wird aber deutlich, wie viele Bezüge es untereinander gibt und wie sich das Genre der "fantastischen Welten" entwickelt hat. Einen Anspruch auf Vollständigkeit kann und will das Buch sicherlich nicht erheben, aber die wichtigsten und einflussreichsten Vertreter sind genannt.

Es macht großen Spaß in diesem Werk zu lesen und Altbekanntes und Neues zu entdecken. Die Autoren haben mit Fachkenntnis und oft mit großer Begeisterung ihre Artikel verfasst.
Ich kann "Wonderlands" nur empfehlen. Die "Appetithappen" machen große Lust darauf, viele der vorgestellten Werke (endlich doch noch) zu lesen.
Fast fünf Sterne!

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Veröffentlicht am 03.11.2020

Demontage einer scheinbar idyllischen Vorzeigefamilie

Kleine Feuer überall
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Wie im Erstlingswerk "Was ich Euch nicht erzählte", beginnt auch Celeste Ngs zweiter Roman mit dem Ende der Geschichte: Das Haus der Familie Richardson im feinen Vorort Shaker Heights steht in Flammen. ...

Wie im Erstlingswerk "Was ich Euch nicht erzählte", beginnt auch Celeste Ngs zweiter Roman mit dem Ende der Geschichte: Das Haus der Familie Richardson im feinen Vorort Shaker Heights steht in Flammen. Hilfslos muss Elena Richardson zusehen, wie ihr Lebenstraum von einer perfekten Familie in einem perfekten Haus in Rauch aufgeht.

Der Autorin ist erneut ein absolut fesselnder Roman gelungen. Mit feiner Beobachtungsgabe zeichnet sie das Bild einer amerikanischen Familie und deren Umfeld und beleuchtet gleichzeitig zahlreiche gesellschaftliche Probleme. Auf nicht einmal 400 Seiten erwachen so viele Charaktere zum Leben, werden so viele Verwicklungen und Verstrickungen entwirrt, das man es gar nicht glauben kann.

Im Zentrum des Romans steht Elena, die mit Anwaltsehemann und ihren vier Kindern ein sorgenfreies Leben führt. Bis die neuen Mieter ihres Zweithauses in die Familie Richardson eingesogen werden. Die Künstlerin Mia und ihre Tochter Pearl sind das komplette Gegenteil der durchorganisierten Richardsons. Sie ziehen ständig um und ihr gesamtes Leben passt in ein Auto. Was zunächst nur wie das Aufeinanderprallen zweier unterschiedlicher Lebensformen aussieht, entpuppt sich als tiefgehende Kollision von zwei Frauen und ihrer Auffassung von Glück, Gerechtigkeit und Mutterliebe.

Die Geschichte liest sich sehr kurzweilig und spannend und man verfolgt atemlos, wie sich die Handlung langsam aber unausweichlich auf das Feuer zubewegt. Die unterschiedlichen Lebenswege der Protagonistinnen werden in Rückblenden erzählt. Dadurch werden im Nachhinein viele Verhaltensweisen (vor allem von Mia) deutlich.

Die Charaktere haben mir sehr gut gefallen. Bei der Fülle an Figuren sind die Männer etwas abgeschlagen, allerdings stehen die Mütter auch im Zentrum der Geschichte. Mutterliebe und Geschwisterdynamik sind die ausschlaggebenden Kräfte für alle Handlungen. Trotz der relativen Kürze des Romans sind die wichtigen Charaktere wunderbar nachvollziehbar gezeichnet.

Der Schreibstil liest sich sehr angenehm. Die Autorin versteht es, Stimmungen wiederzugeben und Kleinigkeiten mit großer Symbolwirkung zu beschreiben, dennoch bleibt sie auf das Wesentliche beschränkt.

Die Geschichte mit ihren vielen Geheimnissen und Verwicklungen hat mir sehr gut gefallen und ich vergebe fünf Sterne.

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Veröffentlicht am 03.11.2020

Berliner Filmszene der 1930er Jahre als Mordschauplatz

Der stumme Tod
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Ein zweites Mal läßt Volker Kutscher seinen rheinischen Jung, Gereon Rath, im turbulenten Berlin der Weimarer Republik ermitteln.

Kriminalrat Gennat weilt wegen eines Serienmörders in Düsseldorf und Rath ...

Ein zweites Mal läßt Volker Kutscher seinen rheinischen Jung, Gereon Rath, im turbulenten Berlin der Weimarer Republik ermitteln.

Kriminalrat Gennat weilt wegen eines Serienmörders in Düsseldorf und Rath muss sich mit Oberkommissar Böhm auseinandersetzen. Als dieser ihn zu einem scheinbaren Unfall zur Terra Film schickt, steckt er bereits bis zum Hals im nächsten Kriminalfall. Schon bald stellt sich heraus, dass der Filmstar Betty Winter nicht das Opfer eines Unfalls geworden ist. Eine weitere Leiche wird gefunden. Hängen die beiden Fälle zusammen? Rath ist davon überzeugt und bringt Böhm einmal mehr gegen sich auf. Mit seinem Drang zum selbständigen Ermitteln bringt er sich beinahe um Job und Leben.

In der spannenden Umbruchszeit zwischen Stumm- und Tonfilm ist der zweite Band der Serie angesiedelt. Der Autor schildert das Milieu zwischen aufsteigenden Filmsternchen, Produzenten und sinkenden Stummfilmstars mit viel Liebe zum Detail und Atmosphäre. Es macht unheimlich Spaß in die Zeit einzutauchen und der Geschichte zu folgen. Die vielen interessanten Figuren und der Berliner Dialekt machen die Handlung ungemein lebendig.

Die ganze Geschichte spielt sich an 15 Tagen ab. Da passiert eine ganze Menge. Nicht immer konnte ich Raths Entscheidungen und Handlungen völlig nachvollziehen, denn er wandelt für einen Kriminalbeamten schon auf gefährlichen Pfaden. Ohne Frage ist er aber ein sympathischer Charakter, der glaubwürdig ist und dem ich sicherlich erneut in das Berlin der 1930er Jahre folgen werde. Ein besonderes Schmankerl ist das Auftauchen des "Indianers" aus Köln.

Für Krimifans hätte es etwas dramatischer sein können. Ich vergebe vier sehr gute Sterne.

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