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Veröffentlicht am 12.09.2023

Wie Bücher ein Leben verändern können

Frau Komachi empfiehlt ein Buch
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Fünf Geschichten von fünf Menschen, die unzufrieden mit ihrer aktuellen Lebenssituation sind, aber es irgendwie nicht schaffen, aus diese "Krise" auszubrechen. Erst der Besuch in der kleinen Bibliothek ...

Fünf Geschichten von fünf Menschen, die unzufrieden mit ihrer aktuellen Lebenssituation sind, aber es irgendwie nicht schaffen, aus diese "Krise" auszubrechen. Erst der Besuch in der kleinen Bibliothek im Gemeindehaus bringt sie auf den richtigen Weg, denn hier empfiehlt Frau Komachi genau das passende Buch für jede und jeden.

Das hört sich zunächst einmal nach einem ziemlich schönen Buch an. Nach der zweiten Geschichte fing der Roman jedoch langsam an, mich eher zu langweilen, denn die Probleme, die die Personen mitbringen, drehen sich sämtlich um ihr Arbeitsleben. Oft agieren die Figuren sehr naiv und unselbständig, da musste ich schon mal mit den Augen rollen. Da standen studierte Leute, die nicht in der Lage waren, auf die Beschwerde einer Kundin zu reagieren oder die von anderen erst darauf hingewiesen werden mussten, dass man einen Laden vielleicht doch besser mit der Lebensgefährtin als Unterstützung aufziehen sollte. Frau Komachi selbst steht auch gar nicht so sehr im Mittelpunkt, denn jede Geschichte wird aus der Sicht der Person geschildert, die letztlich in die Bibliothek kommt. Da alle Personen unzufrieden sind, werden wir fünfmal unmittelbar Zeuge ihrer diversen inneren Monologe. Diese Fokussierung auf die Arbeit ist vielleicht ein kulturelles Phänomen, denn sobald diese Hürde genommen war, waren alle zufrieden. Das empfand ich als sehr einseitig. Eine gewisse Gleichförmigkeit im Aufbau der Geschichten lässt sich ebenso wenig vermeiden, wie Wiederholungen einzelner Abläufe, Gespräche und Erkenntnisse, mit der Zeit wirkt das ermüdend. Auch der Schreibstil war nicht ganz mein Ding. Er ist ebenfalls gleichförmig, unkompliziert, plätschert dahin und kommt ohne große emotionale Sprünge aus. Das Buch lässt sich dadurch sehr schnell lesen.

Gut gefallen haben mir einzelne Sätze, die zum Nachdenken über das eigene Leben anregen. Über Dinge, die wir immer wieder aufschieben, auf ein unbestimmtes Irgendwann in der Zukunft, anstatt sie einfach jetzt anzupacken. Über die Zeit, die wir schon gelebt haben und die Zeit, die uns noch bleibt. Auch die zarten Verknüpfungen der einzelnen Geschichten sind gelungen.

Insgesamt hat mich das Buch nach ca. der Hälfte verloren. Diese leichte Lektüre dürfte aber für viele andere einige schöne Lesestunden bereithalten.

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Veröffentlicht am 21.08.2023

Roadtrip mit Alzheimer

Letzter Bus nach Coffeeville
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Nancy, Bob und Gene waren während ihrer Studienzeit 1961 Teilnehmer der Freedom Rides, um auf die Rassendiskriminierung in den USA aufmerksam zu machen, und außerdem beste Freunde. Jetzt sind alle im Rentenalter ...

Nancy, Bob und Gene waren während ihrer Studienzeit 1961 Teilnehmer der Freedom Rides, um auf die Rassendiskriminierung in den USA aufmerksam zu machen, und außerdem beste Freunde. Jetzt sind alle im Rentenalter und Nancy erinnert Gene an ein Versprechen, das er ihr vor über 40 Jahren - schweren Herzens - gegeben hat. In einem Bus mit Vergangenheit, gesteuert von Bob, sind die beiden, Genes Patensohn Jack und Zufallsfund Eric auf dem Weg nach Coffeeville in Mississippi. Ein turbulenter Roadtrip durch die (Geschichte der) USA.

Die Leser lernen die drei Protagonisten und ihre Begleiter kennen, wie eigene Verwandte und das macht einfach Spaß. Die Biografien, die sich Henderson ausgedacht hat, sind großartig. Sie und wir begegnen zudem Che Guevara, Castro, den Waltons, den Enten aus dem Peabody Hotel und diversen anderen Figuren, die den Roman auch zu einer kleinen historischen Reise machen. Die Rassendiskriminierung zieht sich als Thema durch den Roman, ebenso wie die Alzheimer-Erkrankung. Diese Busfahrt ist eine so gute Mischung aus traurigen, erschreckenden und sehr humorvollen Episoden. Die positive Stimmung behält die Oberhand und ich habe das Buch wahnsinnig gerne gelesen. Eine klare Leseempfehlung für alle, die z.B. auch Amor Towles Lincoln Highway geliebt haben.

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Veröffentlicht am 21.08.2023

Hunter in den Backwaters

Totenfang
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David Hunter, forensischer Anthropologe, verschlägt es in seinem 5. Fall in die Backwaters nach Sussex. Eine ziemlich abgelegene Sumpfgegend. Hier wurde eine Leiche gefunden und Hunter soll eigentlich ...

David Hunter, forensischer Anthropologe, verschlägt es in seinem 5. Fall in die Backwaters nach Sussex. Eine ziemlich abgelegene Sumpfgegend. Hier wurde eine Leiche gefunden und Hunter soll eigentlich nur noch bestätigen, dass es sich um den schon länger vermissten Sohn des einflussreichen Sir Stephen Villiers handelt. Doch dann tauchen - im wahrsten Sinne des Wortes - Beweise auf, die eindeutig dagegen sprechen und dann kann sich Hunter vor Arbeit gar nicht retten. Er bleibt vor Ort und zieht in das Bootshaus der Familie Trask ein, die ebenfalls jemanden vermisst.

Gewohnt detailreich erfahren die Leserinnen viel Wissenswertes über die Forensik. Hunter ist wieder mal verliebt und es wimmelt in diesem Band von vermissten und verschwundenen Personen sowie Leichenteilen. Dazu kommt jede Menge Wasser, von oben und von unten. Außerdem ist das Setting wieder gut gewählt, nach Dartmoor im letzten Band jetzt die Sumpflandschaft. Das ist gewohnt spannend, lässt aber auch ein bisschen Schema F erkennen. Die Auflösung als Ganzes ist aber schon ungewöhnlich und der Schluss macht dann doch wieder ziemlich neugierig auf den 6. Band.

Über die Jahre hat die Serie für mich leider ein bisschen an Charme eingebüßt. Dennoch ein solider Krimi.

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Veröffentlicht am 21.08.2023

Das grüne Haus und seine Gespenster

Das achte Leben (Für Brilka)
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Die Autorin spiegelt anhand einer Familiengeschichte über mehrere Generationen die historischen Ereignisse das 20. Jahrhunderts in Georgien wider. Aus der Ich-Perspektive schreibt Niza (aus der vorletzten ...

Die Autorin spiegelt anhand einer Familiengeschichte über mehrere Generationen die historischen Ereignisse das 20. Jahrhunderts in Georgien wider. Aus der Ich-Perspektive schreibt Niza (aus der vorletzten Generation) über ihre georgische Familie und beginnt mit ihrer im Jahre 1900 geborenen Urgroßmutter Stasi bzw. deren Vater, dem Schokoladenfabrikanten. Immer wieder tritt Niza als Autorin hervor und spricht im Text ihre Nichte Brilka an. Am Ende erklärt sie, warum das so ist und es ist eine zu Herzen gehende "Auflösung". Es ist unglaublich, mit welcher Wucht Haratischwili die Familie entstehen und uns an deren Leben teilnehmen lässt. Was für eine Fantasie! Was für Figuren! Wie unglaublich traurig, dramatisch und fatal (fast schon katastrophal) sind die Biografien jedes einzelnen Familienmitgliedes. Großartig ist die Geschichte Georgiens und damit auch die Geschichte Russlands in diesen Roman eingebunden und die Familie Jaschi (und andere) arbeiten sich an dieser Geschichte ab. Immer in der Hoffnung, dass nun alles besser wird, nur um immer wieder enttäuscht zu werden. Auf jeden Erfolg folgt der um so tiefere Fall.

Der Roman nimmt uns mit auf eine unglaublich interessante Zeitreise, mit wahnsinnig spannenden Charakteren. Ich habe das Buch sehr, sehr gerne gelesen, das mit 1.278 Seiten natürlich schon ein stabiles Werk ist. Es war fast wie eine TV-Serie, in die man immer wieder lesend eintauchen konnte. Etwas gelähmt haben mein Lesevergnügen die Wiederholungen in der Familiengeschichte, da musste ich immer mal wieder überlegen, in welcher Generation ich mich jetzt befinde. Sehr hilfreich ist der Stammbaum am Ende des Buches. Eine klare Leseempfehlung für alle, die die Seitenzahl nicht abschreckt.

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Veröffentlicht am 21.08.2023

100 Jahre Geschichte

Sogar Papageien überleben uns
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Olga Martynova hat in 88 kleinen Kapiteln, verteilt auf 199 Seiten, über das 20. Jahrhundert in Russland geschrieben. Es gibt eine grobe Storyline:

Die Ich-Erzählerin, Martina, Uni-Dozentin in Petersburg, ...

Olga Martynova hat in 88 kleinen Kapiteln, verteilt auf 199 Seiten, über das 20. Jahrhundert in Russland geschrieben. Es gibt eine grobe Storyline:

Die Ich-Erzählerin, Martina, Uni-Dozentin in Petersburg, ist in Deutschland auf einem Kongress. Dort will sie einen Vortrag über den avantgardistischen russischen Autor Charms (1905-1942) halten, dessen Texte erst seit Ende der 1980er Jahre in größerem Umfang gedruckt und veröffentlicht werden. Vor 20 Jahren lernte Martina in Petersburg den deutschen Studenten Andreas kennen und verliebte sich in ihn. Sie werden sich wieder begegnen.

In den zahlreichen, teilweise nur wenige Zeilen langen Kapiteln, erinnert sich Martina an Personen, Orte, Begebenheiten - private und gesellschaftliche - und deckt so das gesamte vergangene Jahrhundert ab. Ungewöhnlich, aber eine sehr gute Idee, um die Kapitel zeitlich einzuordnen, sind die drei Zeilen nach jeder Kapitelüberschrift. Es sind Jahreszahlen, die vom 5. Jh. v. Chr. bis in die Gegenwart Martinas, das Jahr 2006, reichen. Die Jahre, die im Kapitel angesprochen werden bzw. eine Rolle spielen, sind fett gedruckt. Ich habe einige Lesemarkierung im Buch gemacht, weil es wirklich sehr schön formulierte, pointierte, interessante und nachdenklich stimmende Sätze und Abschnitte gibt. Insgesamt war das Buch aber nichts für mich. Es war mir zu zusammenhanglos und ich habe auch nicht alle Kapitel wirklich verstanden. (Was will uns die Autorin damit sagen?) Auf dem hinteren Buchdeckel steht: "Man muss diese Buch lieben." Nein, ich liebe es nicht. Es ist ohne Frage eine anspruchsvolle Lektüre, die all die Preise sicherlich verdient hat, aber es ist in meinen Augen nicht unbedingt lesefreundlich.


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