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Veröffentlicht am 17.11.2016

Sehr anspruchsvoll

Der wahrhaftige Volkskontrolleur
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„Naja weißt du … er lebt!! Karpowitsch flüsterte nun leise.

„Wer?“

„Na er, du weißt schon: Er lebte, er lebt, er wird leben … na Lenin, der Kremlträmer … so nennt man ihn dort unten!“

„Unten?“ Banow ...

„Naja weißt du … er lebt!! Karpowitsch flüsterte nun leise.

„Wer?“

„Na er, du weißt schon: Er lebte, er lebt, er wird leben … na Lenin, der Kremlträmer … so nennt man ihn dort unten!“

„Unten?“ Banow bohrte nachdenklich in seinem Ohr, dann blickte er Karpowitsch fragend an. „Wo unten?“

Karpowitsch seufzte tief. Es war offensichtlich, dass er nicht vorgehabt hatte, mehr preiszugeben, als er bereits getan hatte, aber er beschloss, seinem verständnislosen Kampfgenossen entgegenzukommen, und flüsterte: „Unter dem Kreml …“

Andrej Kurkow beschert uns einen Einblick in die russische Volksseele zu Zeiten des Kommunismus’. Ein unbescholtener Kolchosbauer wird auserwählt zum „Volkskontrolleur“ der gesamten Sowetunion. Von da an verändert sich sein Leben auf wundersame und gleichzeitig tragisch traurige Weise. Von den Mühlen der Bürokratie wird er weitergereicht von einem Büro zum nächsten, Zeuge von kriminellen und zerstörerischen Machenschaften – vorbei am allwissenden Auge der Genossen und muss bald auch um sein eigenes Leben fürchten.

Auch erfahren wir die Geschichte eines „gefallenen“ Engels, wobei dieser Engel sich freiwillig aus dem Paradies nach Russland aufmacht, um zu sehen warum keine Menschen von diesem kühlen Flecken in den Himmel aufsteigen. Auch seine Reise nimmt verschlungene Wendungen und bald findet er sich wieder auf der Suche nach dem „Neuen Gelobten Land“ auf Erden.

Und als dritten dürfen wir dem Schuldirektor Banow über die Schulter schauen und erleben wie er seine Schule auf feinfühlige, sorgsame Art und Weise führt und vielleicht auch sein privates Glück findet.

Zugegeben ein spannendes Buch ist es nicht. Aber dafür ein berührendes. Ein Buch das mich ganz sanft berührt hat und gerade deswegen tief bewegt. Allerdings glaube ich, dass viele Zwischentöne, die der Autor uns spüren lassen wollte, in der Übersetzung verloren gingen.

Insgesamt fand ich das Lesen streckenweise anspruchsvoll, vor allem die russische Namenskultur fand ich ausreichend verwirrend. Trotzdem ein tolles Buch, dass ich sehr gerne gelesen habe.

Veröffentlicht am 17.11.2016

Zarte Romantik

Solange du schläfst
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„Diesmal küsst die Prinzessin den Prinzen wach“, flüsterte ich und legte meine Lippen sanft auf seinen Mund. „Wach auf Jérome…“

Wir begleiten die 16-jährige Anna ein kleines Stück ihres Weges. Gerade ...

„Diesmal küsst die Prinzessin den Prinzen wach“, flüsterte ich und legte meine Lippen sanft auf seinen Mund. „Wach auf Jérome…“

Wir begleiten die 16-jährige Anna ein kleines Stück ihres Weges. Gerade erst ist sie mit ihren Eltern aus Bremen aufs Land gezogen. Herrlich für ein Mädchen wie Anna, sie liebt ihre zwei Pferde und unternimmt ausgedehnte Ausritte in die Umgebung.

Nur mit den Jugendlichen in Dorf kann sie sich nicht so recht anfreunden. Doch da gibt es noch Jérome, ebenfalls einen Außenseiter. Bald verbringen die beiden viel Zeit miteinander und das erste große Kribbeln stellt sich ein, die erste Liebe?

Jérome, Jérome, der so anders ist als die anderen im Dorf. Jérome, der Anna mit in den Wald nimmt, ihr Bücher nahe bringt und ihr zuhört und sie versteht. Aber auch Jérome hat ein Geheimnis…

Solange du schläfst ist ein schnell gelesenes Jugendbuch, das sanft, romantisch und zärtlich beginnt aber an einer Stelle spannend von Aufregern gepeitscht, komplett umschlägt.

Es regt zum Träumen an und erinnert uns selbst an unsere erste Liebe, in meinem Fall hätte ich sie mir mehr wie in diesem Buch gewünscht.

Zarte Romantik und spannend – Sehr empfehlenswert.

Veröffentlicht am 17.11.2016

Lesevergnügen!

Wasser für die Elefanten
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Amerika 1931, die Wirtschaftskrise hat das Land fest im Griff. Da kann der junge Tierarzt Jacob Jankowski von Glück reden, als ihm ein Job beim Zirkus angeboten wird.

Auch wenn es ein sehr bescheidener ...

Amerika 1931, die Wirtschaftskrise hat das Land fest im Griff. Da kann der junge Tierarzt Jacob Jankowski von Glück reden, als ihm ein Job beim Zirkus angeboten wird.

Auch wenn es ein sehr bescheidener Zirkus ist: Nicht einmal einen Elefanten gibt es. Dafür eine wunderschöne Kunstreiterin.

Jacob ist neunzig, oder dreiundneunzig – ab einem gewissen Alter weiß man das nicht mehr so genau. Während sein Verstand und sein Körper unaufhaltsam verfallen, erinnert sich Jacob an die wahrscheinlich aufregendste Zeit seines Lebens. Die Zeit beim Zirkus.

Ein tragisches Ereignis kurz vor Abschluss des Studiums wirft Jacob aus der Bahn. Über Umwege gerät er an den Zirkus und lernt dort Marlena, ihren Mann August und noch einige seltsame Gestalten kennen. Mehr schlecht als recht findet er sich in das Zirkusleben ein, wird aber bald von vielen geschätzt und ein wertvolles Mitglied der Truppe, da er als Beinahe-Veterinär die Tiere gut versorgen kann.

Jacob bewegt sich sowohl in der Welt der Arbeiter als auch unter den Artisten, er gehört zu keiner der beiden Gruppen und vielleicht akzeptieren ihn deshalb sowohl die einen als auch die anderen.

Als seine Beziehung zu Marlena immer enger wird, fällt dies auch ihrem egozentrischem Ehemann August auf und sein Stand im Zirkus beginnt schwierig zu werden.

Eine schöne Geschichte aus dem Amerika der 30er Jahre. Viel mehr als die Zirkusstory hat mich jedoch die Beschreibung Jacobs Leben im Altenheim beeindruckt. Tiefgehend beschreibt die Autorin den langsamen körperlichen wie auch geistigen Verfall, der Jacob völlig bewusst ist und sein schleichendes unfreiwilliges Abschiednehmen vom Leben „da draußen“.

Das Altenheim als letzte Station, abgeschoben, lästig geworden und letztendlich auch nicht mehr ernst genommen oder gar respektiert.

Dabei war er einmal ein stattlicher junger Mann, mitten im Leben, gemocht oder gehasst ein Mann der seinen Weg ging und der ganz großen Liebe begegnete.

Ich war bewegt und nachdenklich nach diesem Buch und habe wieder einmal hinterfragt, „Wofür eigentlich?“ Wofür kämpfen und streiten, wenn die Endstation für uns alle die selbe ist und wenn wir Pech haben unsere letzten Jahre, sabbernd in geistiger Umnachtung in staatlichen oder privaten Pflegeheimen zubringen?

Danke Sara Gruen für dieses Buch.

Veröffentlicht am 17.11.2016

Traurig

Irgendwann werden wir uns alles erzählen
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Maria liebt Johannes, die erste große Liebe. Maria ist sechzehn und die Mauer ist gerade erst gefallen. Für die Menschen im Osten wird vieles anders, aber zunächst bleibt alles stehen.

Eine trügerische ...

Maria liebt Johannes, die erste große Liebe. Maria ist sechzehn und die Mauer ist gerade erst gefallen. Für die Menschen im Osten wird vieles anders, aber zunächst bleibt alles stehen.

Eine trügerische Ruhe legt sich über das Land und die Menschen, doch in dem Dorf in dem Maria aufwuchs war noch nie besonders viel los.

Dinge, die sie vorher nie tun konnte, Plätze an die sie nie hätte fahren können, sind nun plötzlich ganz nah und trotzdem zieht es sie nicht in die Ferne sondern in die Arme eines anderen Mannes den sie schon lange kennt.

Das Buch spielt im ersten Jahr nach dem Mauerfall, genau genommen bis zur Wiedervereinigung.

Maria ist mehr oder weniger mit Johannes auf den Hof seiner Eltern gezogen, geredet haben sie darüber nicht, aber von den Erwachsenen schneidet auch niemand das Thema an. Maria scheint irgendwie verloren. Sie sucht eine Familie und findet scheinbar Anschluss bei Johannes’ Eltern und auf deren Hof.

Auch als Maria aufhört zur Schule zu gehen, fühlt sich niemand verantwortlich, nicht einmal die eigene Mutter, die Maria noch sporadisch besucht. Der Vater hat sich in die Sowjetunion abgesetzt und wird wieder heiraten – ein Mädchen nur 2 Jahre älter als Maria.

Maria lässt sich treiben, sie hilft an manchen Tagen tüchtig am Hof mit, um an anderen Tagen gänzlich in Büchern zu versinken. Aber auch das kümmert niemanden so wirklich, alle Menschen am Hof haben ihre eigenen Probleme und Geheimnisse.

Auf der Suche nach Anschluss und auch nach dem Vater, den sie nie wirklich hatte, gerät sie an Henner. Dieser hat aber mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen. Langsam kommt Maria, Henner näher. Henner der auf dem benachbarten Hof wohnt und mehr als dreißig Jahre älter ist als sie. Sie beginnen eine seltsame Beziehung, heimlich, sündig und trotz allem fühlt es sich richtig an.

Über das ganze Buch hinweg erhält die Autorin eine seltsame Mischung aus einer melancholischen Melodie und dem Duft von Heu. Was als Jugendbuch beginnt, zeigt schon nach wenigen Kapiteln, dass es das mit absoluter Sicherheit nicht ist, ein schneller Jugendroman.

Die Protagonistin ist auf mehreren Ebenen verloren, um ihre Kindheit betrogen, von den Eltern vernachlässigt sucht sich nach Vorbildfiguren und nach Ansprache, wird aber nur mit der Menschlichkeit und der Fehlbarkeit ihrer Umgebung konfrontiert. Ein Mann der um so viele Jahre älter ist als sie, wird ihr gleichsam zum Geliebten und zur Vaterfigur.

Obwohl schnell deutlich wird, dass Henner das Mädchen vor allem in körperlicher Hinsicht bei weitem überfordert, lässt er nicht ab von ihr, aber nicht aus eigenem ordinären triebhaften Verhalten sondern aus lang angesammelter Verzweiflung und Angst vor der Einsamkeit und dem Alleinsein.

Dieses Buch hat so viele Gefühle in mir ausgelöst, da war alles vorhanden, Wärme, Liebe, Angst, Trauer, Abscheu, Missgunst, Neid, Hoffen und Bangen.

Derzeit mein absoluter Jahresfavorit 2011.

Veröffentlicht am 17.11.2016

Charakterzeichnung bleibt flach

Am Tag und in der Nacht
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Claire und Rob sind verheiratet und erwarten ihr erstes Baby – doch das Schicksal schlägt zu und sie verlieren das Kind.

Claire erleidet eine späte Fehlgeburt und in ihren Gedanken und Taten macht sie ...

Claire und Rob sind verheiratet und erwarten ihr erstes Baby – doch das Schicksal schlägt zu und sie verlieren das Kind.

Claire erleidet eine späte Fehlgeburt und in ihren Gedanken und Taten macht sie ihren Mann dafür verantwortlich – sie bestraft ihn. Rob’s Großmutter hinterlässt ihrem Enkel einen Stapel Briefe, die sie von ihrer Cousine Daisy während des 2. Weltkrieges erhalten hatte.

Daisy beschreibt ihrer Cousine ihr immer turbulenter werdendes Leben während der Kriegswirren. Die National Gallery hat zwar wieder begonnen monatlich ein Gemälde auszustellen doch die Stimmung der Menschen im bombengefährdeten London wird immer verzweifelter.

Daisy schildert ihrer Cousine und engsten Freundin Elizabeth jedes monatliche Gemälde eingehend.

70 Jahre später liest Claire diese Briefe, sie beschließt auf Daisy’s Spuren das jeweilig beschrieben Gemälde in der Gallery zu besuchen, einen anfänglichen Versuch von Rob sie zu begleiten wehrt sie kühl ab.

Mit jedem monatlichen Gemälde fühlt sich Claire, der Daisy aus der Vergangenheit näher und tief verbunden und dann lernt sie wieder einen Mann kennen. Vielleicht ein Ausweg aus einer abgekühlten, beinahe gescheiterten Ehe?

Das Buch begann spannend und unkonventionell, die einzelnen Kapitel waren den jeweiligen Bildern aus Daisy’s Briefen zugeordnet. Die genaue und berührende Beschreibung und Interpretation der Gemälde hat mich fasziniert. Schon an dieser Stelle fand ich es ärgerlich, dass die Bilder auf der Innenseite des Buchrückens zwar in Farbe, aber sehr klein abgebildet waren. Am Kapitelanfang befand sich zwar eine größere Abbildung, aber diese war in Graustufen gedruckt, so oder so, konnte ich viele Details nicht genau erkennen und mit der Beschreibung nicht abgleichen.

Leider kann die zu Beginn aufgebaute Spannung nicht aufrechterhalten werden, das Buch beginnt recht bald belanglos vor sich hin zu plätschern. Rob und Claire agieren hölzern und oberflächlich, vor allem was Rob in seinem Inneren bewegt, wird gar nicht herausgearbeitet. Zusätzlich wird die Geschichte sehr bald total vorhersehbar und Geheimnisse banal aufgelöst, beinahe lieblos.

Claire’s Rendevous mit der Vergangenheit fällt langweilig und ohne Pointe aus. Schließlich erstarrt Claire in ihrem Verhalten unfähig und mutlos, ohne Kraft eine Veränderung anzustreben.

Rob und Claire starten an einem Punkt neu, ohne ihre Eheprobleme oder den Verlust ihres Kindes aufzuarbeiten, ihr Handeln wirkt gefühllos und unglaubwürdig – da hilft auch das andauernd betonte Weinen von Claire nichts.

Die Geschichte hat mich nicht wirklich berührt, weil mir alle Charaktere zu wenig nahegebracht wurden, kaum beschrieben wurden und ich somit ihr Handeln nicht nachvollziehen konnte.