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Veröffentlicht am 03.02.2021

Eine chaotische Großfamilie

Lil April - Mein Leben und andere Missgeschicke
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Inhalt:

Als eines von fünf Kindern einer Großfamilie wünscht sich Lil nichts mehr, als Einzelkind zu sein. Jeden Tag erlebt sie Dramen, Chaos, Probleme, aber auch Spaß, alles, was der Alltag in einer ...

Inhalt:

Als eines von fünf Kindern einer Großfamilie wünscht sich Lil nichts mehr, als Einzelkind zu sein. Jeden Tag erlebt sie Dramen, Chaos, Probleme, aber auch Spaß, alles, was der Alltag in einer Großfamilie mit sich bringt. Die vielbeschäftigten Eltern neigen dazu, die unzähligen Aufgaben gefühlt fast immer nur an Lil zu delegieren. Verzweifelt versucht sie Aufgaben und Privatleben auf die Reihe zu bekommen.

All das, was an Zeit bleibt, nutzt Lil, um mit Helli, ihrer besten Freundin, abzuhängen. Und dann gibt es da noch diesen Jungen mit dem Skateboard, der ganz frisch in die Gegend gezogen ist. Dennis hat immer einen lockeren Spruch auf der Zunge, er fährt mit seinem Board sogar ins Klassenzimmer, bis direkt an seinen Platz.

Lil kann es nicht verleugnen. Irgendwie hat Dennis ihr Interesse geweckt. Doch statt sie zu beachten, hängt er lieber mit ihrer kleineren Schwester Arti rum. Die, die immer so schlagfertig ist und auf Dennis Ansagen jedes Mal total cool kontert. Lil hingegen passiert ständig irgendein Missgeschick. Die Salami fällt ihr in Gegenwart von Dennis vom Brot direkt auf den Schoß oder ihr Vater spricht sie auf den BH an, den sie auf dem Terrassentisch hat liegen lassen. Peinlicher geht’s ja wohl gar nicht, oder?



Meinung:

Stephanie Gessner zeichnet in Lil April das Bild einer absolut verrückten und chaotischen Großfamilie, bestehend aus fünf Kindern, einem Hund, einem Au-Pair-Mädchen und zwei Eltern, die zwischen Beruf und Haushalt pendeln.

Die Geschichte wird aus der Sicht von Lil erzählt, einem Mädchen, dass am liebsten aus dem ganzen Chaos ausbrechen würde. Denn irgendwie steht sie der ganzen Familie als "Delegationsopfer"zur Verfügung. Lil kann gut Zeichnen und ist deswegen natürlich prädestiniert, ihrem Bruder Pego dabei zu helfen, die Straßenachse für den Kunstunterricht zu zeichnen. Die Hecke muss geschnitten werden? - Hat Lil nicht kürzlich Papas Pflanzenatlas studiert? Prima, dann kann sie das ja machen. Dabei hat Lil doch soviel vor. Beispielsweise mit dem coolen Jungen, der neu in die Nachbarschaft gezogen ist, ins Gespräch zu kommen.

Und während ihre Probleme nicht gründlich gewürdigt werden, scheinen am Horizont die nächsten Familienkrisen auf. So scheinen Papa und Mama irgendwie ein Geheimnis zu haben. Ständig ist Papa auf Geschäftsreise und muss auch am Abend des öfteren noch mal weg. Bei einem Telefonat wird Mama sogar richtig ernst. Was ist da los? Als wäre das nicht schon Problem genug, wird dann plötzlich der Familienhund Pan inkontinent, und Mama plädiert lautstark am Esstisch ihn abzugeben. Die Kinder sind außer sich. Da müssen aber ganz schnell gute Lösungen her, finden Lil und ihre Geschwister.

Während des Lesens musste ich des öfteren Schmunzeln. Denn in diesem Buch für jüngere Leser/innen sind die Kinder die Stimme der Vernunft.

Lils Eltern hingegen lösen den höchst strapaziösen Spagat zwischen Erwerbs- und Familienarbeit, indem sie sich letzterer entziehen. Besonders Lils Vater ist speziell. So sticht seine Liebe für Griechenland ganz besonders hervor. Die Kinder der Familie wurden allesamt nach griechischen Göttern benannt (Lil ist eine Abkürzung für Lilaia), ihre Anfangsbuchstaben ergeben in geordneter Reihenfolge den Namen eines griechischen Philosophen (Platon) und wenn einer eindeutig zu weit gegangen ist, dann erschallt Papas Ruf, „zum ZEUS“, einmal quer durchs Haus. Mama hingegen nennt das Familienoberhaupt liebevoll Zeusel.

Überhaupt ist mit Papa nicht immer leicht zu diskutieren. Ständig gibt er den intellektuellen Eigenbrötler aus dem Elfenbeinturm, wenn es um die Lösung konkreter Probleme geht.

Lil hat es nicht einfach, das spürt der Leser und dennoch meistert sie jede Situation mit Bravour.



Fazit:

Eine Großfamilie und ihre Probleme.

„Lil April – Mein Leben und andere Missgeschicke“ ist der Auftaktband einer Reihe rund um eine chaotische Großfamilie.

Stephanie Gessners Buch überzeugt durch seinen authentischen Ton und glänzt durch seine schrulligen Figuren, die nie flach oder eindimensional daherkommen.

„Lil April“ liest sich überaus kurzweilig. Die Geschichte ist zum Schmunzeln, zum Kopfschütteln, aber nie zum Achselzucken.

Ein Roman, dem man viele junge Leser wünscht.

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Veröffentlicht am 25.01.2021

Außergewöhnlich

Sara auf der Suche nach Normal
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Inhalt:

Sara weiß, dass sie von dem, was andere als „normal“ bezeichnen, weit entfernt ist. Die Diagnose ihres Arztes lautete auf Bipolare Störung, generalisierte Angststörung, leichte Schizophrenie und ...

Inhalt:

Sara weiß, dass sie von dem, was andere als „normal“ bezeichnen, weit entfernt ist. Die Diagnose ihres Arztes lautete auf Bipolare Störung, generalisierte Angststörung, leichte Schizophrenie und Depressionen. In der Schule wird sie nicht selten von den Mitschülern als Psycho-Sara diffamiert. Dabei möchte sie doch nichts lieber, als so zu sein, wie all die anderen um sie herum.

In der Schule bekommt Sara eine Sonderbetreuung. Dieser Unterricht, findet in der „Beklopptenbox“ statt, wie Sara den Raum nennt, in dem sie für einige Stunden separat von anderen Mitschülern unterrichtet wird. Zuhause erwarten sie keine Freunde, dafür aber ihre Eltern, die alles tun, um das Kind zu fördern, mit der Situation aber offensichtlich auch stark überfordert sind.

Sara wünscht sich nichts mehr, als Freunde zu haben und für sich eine Form der Alltagsbewältigung zu finden. Um diesem Ziel näher zu kommen, soll sie eine Gruppentherapie besuchen. Sara ist skeptisch. Wie soll es ihr gelingen, aus dem Kreis der Ausgestoßenen auszubrechen, wenn sie noch mehr Zeit mit anderen verbringen soll, die ähnliche Schwierigkeiten haben wie sie.

Saras Skepsis scheint nicht unbegründet. So trifft sie in der Gruppentherapie auf Gleichaltrige, die vor ähnlichen Problemen und Herausforderungen stehen. Doch an diesem Nachmittag findet Sara auch eine neue Freundin. Denn Erin, das Mädchen, das ständig ohne Punkt und Komma redet, das kaum noch Augenbrauen und Wimpern hat, lässt sich nicht so einfach abschrecken. Sie möchte Saras Freundin sein und hat sogar einen eigenen Begriff für die Menschen, die anders – ja besonders – sind: Sternenkinder. Und wenn Sara möchte, so darf sie sich auch so nennen. Und für Sternenkinder herrschen eigene Regeln. Eine davon ist, dass sie zusammenhalten und immer füreinander da sind.



Meinung:


Sara ist ein Mädchen, dessen Alltag stets zur wahnwitzigen Tour de Force abzudriften droht. Depressionen, Panikattacken und allerhand Ängste begleiten sie. Nach dem Unterricht, in dem sie von den anderen Schülern gemobbt wird, kommt sie nach Hause und sucht Schutz bei den Eltern. Diese bemühen sich nach besten Kräften der Tochter zu helfen, doch die Situation ist keine einfache und für die Ehe der Eltern eine schwere Belastung.

Nicht selten muss sich Sara von ihren Mitschülern den Begriff Psycho-Sara gefallen lassen. Oft fällt dieses Wort, wenn eines der „Spiele“ wieder losgeht. Das Risikospiel, das ist Saras Ausdruck für die schizophrenen Episoden. Oder Fehlalarm, Saras Ausdruck für die Panikattacken. Die Angst davor, dass etwas gewaltig aus dem Ruder läuft, dass jemand am Ende vielleicht sogar stirbt. Oder die Bleikugel, so nennt Sara die Momente, in denen sie sich schwer fühlt und einfach nur versucht, den Tag irgendwie hinter sich zu bringen.

Um mit den Herausforderungen des Alltags besser klarkommen zu können, führt Sara ein Spiralbuch mit über 130 Regeln darin. „Die Regeln zum Normalsein“, wie Sara sie nennt, werden von ihr ständig ergänzt. Mit ihrer Hilfe versucht sie sich an die Gesellschaft anzupassen. Das gelingt mehr schlecht als recht. Denn immer, wenn Sara eine Regel als erfüllt durchstreichen kann, so kommt ziemlich bald eine neue dazu.

Bei einem Spaziergang durch den Park trifft Sara auf einen Jungen. James spricht sie an und bezeichnet sie sogar als normal. Etwas verbindet die beiden miteinander. Vielleicht ist es die Tatsache, dass James so traurig blickt und ebenfalls Probleme zu haben scheint. Doch Sara weiß, dass sie besonders ist und dennoch schenkt ihr dieser Junge Mut, weiter dafür zu kämpfen, sich kompatibel zur Gesellschaft verhalten zu können.

Und dann gibt es da noch Erin, das Mädchen aus der Therapiegruppe, die so ganz anders ist als Sara. Erin redet ständig. Für sie ist es normal, wenn Sara, um durchzuatmen, für einige Zeit in einen anderen Raum verschwindet.

Im Nachwort erfährt der Leser, dass Wesley King selbst mit Zwangsstörungen, generalisierten Angststörung, Panikanfällen und Depressionen zu kämpfen hatte. Mit „Sara auf der Suche nach Normal“ wollte er nach „Daniel is different“ eine Geschichte schreiben, die sich mit dem Thema psychische Störungen auseinandersetzt.

Der Autor möchte mit seinem Buch den Leser auffordern, das zu verstehen und zu akzeptieren, was uns schräg und wundervoll macht. Das ist dem Autor meiner Meinung nach gelungen. Ich möchte Wesley Kings Appell an den Leser an dieser Stelle noch einmal weitergeben: Bleibt so wie ihr seid: Einzigartig, wundervoll, mit Ecken und Kanten, mutig und tapfer. Verbiegt euch nicht, nur weil andere es von euch verlangen.



Fazit:


Wesley King vereint in „Sara auf der Suche nach Normal“ eine unglaublich liebenswürdige Protagonistin mit frischen Ideen und unglaublich witzigen Einfällen.

Es ist die Geschichte eines Mädchens, dass Tag für Tag versucht, sich kompatibel zur Gesellschaft zu verhalten.

Glaubhaft und nachvollziehbar schildert der Autor das Leben von Sara, die nichts lieber möchte, als so zu sein wie all die anderen Menschen.

Menschen stylen sich, machen Diäten, werden sogar operiert – all dies, um sich zu verwandeln in die, die sie sein wollen sollen oder besser glauben, sein zu müssen. Anlass hierfür ist wohl, dass wir alle uns abmühen unsere Verortung im sozialen Raum für andere sichtbar zu verkörpern.

Als Leser hofft man schnell, dass Sara eben dies nicht so gelingt, wie sie sich das vorstellt. Denn Sara ist eine unglaublich wundervolle Figur, sie ist mutig und unglaublich stark. Sie ist ein fantastisches Mädchen mit einem großen Herzen. Für den Leser ist das Buch daher ein Reiseführer der ganz eigenen Art, bei dem er viel über sich selbst lernen kann.

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Veröffentlicht am 13.01.2021

Eine digitale Dystopie

Der Zwillingscode
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Inhalt:


Vincent lebt in einer Gesellschaft, die einem Soziallabor gleicht. Durch Einführung eines Social-Credit-Systems gelang es, alle Bürger wechselseitig transparent zu machen. Es stellt ein Mittel ...

Inhalt:


Vincent lebt in einer Gesellschaft, die einem Soziallabor gleicht. Durch Einführung eines Social-Credit-Systems gelang es, alle Bürger wechselseitig transparent zu machen. Es stellt ein Mittel der totalen Kontrolle der Bevölkerung durch die Vergabe von „Punkten“ für wünschenswertes Verhalten, bzw. deren Entzug für negatives Verhalten, dar.

Aufgrund seines niedrigen Sozialpunktestandes muss sich Vincent etwas einfallen lassen. Für das Recht zum Schulbesuch reichen die Punkte nicht aus, überdies ist der Junge notorisch klamm. In seiner Wohnung bietet Vincent daher einen illegalen Reparaturdienst für mechanische Haustiere an.

Als eines Tages eine alte Frau vor seiner Tür steht und ihm ihre Katze entgegenhält, denkt sich Vincent also nicht viel dabei. Doch bald stellt sich heraus, dass das Tier nicht wie erwartet vom Monopolisten Copypet, sondern in einem kleinen Laden in der Sophienstraße verkauft wurde. Alles wird noch verworrener, als die Auftraggeberin ihm einen ungewöhnlich hohen Lohn verspricht, was aber auch ihrem Anliegen geschuldet ist. Vincent soll der Katze die Krallen ziehen, die sie eigentlich gar nicht haben dürfte. Eigentlich sollten die mechanischen Haustiere friedliche Begleiter der Menschen sein.

Kaum ist die alte Dame aus dem Haus, macht sich Vincent an die Recherche. Als erstes besucht er den kleinen Laden in der Sophienstraße. Nach und nach kommt er einem Geheimnis auf die Spur, das eng mit seiner eigenen Vergangenheit und dem Verschwinden seiner Mutter verbunden ist.



Meinung:


Margit Ruile zeigt in ihrem Buch „Der Zwillingscode“ auf, wie künstliche Intelligenz unser Leben verändern kann. Das Social Credit System ist eine Art übergreifendes, perverses Schufa-Programm für alle Bürger, das zu einem digitalen Kastensystem geführt hat.

Der Protagonist Vincent hat es mit Doppel D in der Gesellschaft nicht leicht. Bei einem Verkehrsunfall beispielsweise ist die Chance, dass er in einen Unfall verwickelt wird, gar nicht so gering. Ein selbständig fahrendes Auto würde im Extremfall eher einem Menschen mit Status A ausweichen und als Kollisionsziel z.B. eine Person mit Status D wählen.

Auch werden Menschen mit einem schlechteren Sozialkonto ghettoisiert. So beschäftigt Vincent neben der Sorge um einen vernünftigen Schulabschluss auch die Sorge, ob er seine Wohnung behalten kann.

Mit dem Auftritt einer ungewöhnlichen Auftraggeberin verändert sich Vincents Leben von einem Tag auf den anderen. Er kommt einem Geheimnis auf die Spur, dass ihn dazu bringt, die Welt, wie er sie bisher kannte, zu hinterfragen. Immer wieder stößt er auf Situationen, die ihn verwirren. So zeigt ihm die alte Dame z.B. den Nachbau eines Sonnensystems und fordert ihn auf, sich die Konstellation zu merken. Der Verkäufer in der Sophienstraße kommt Vincent irgendwie sehr bekannt vor und immer wieder stößt Vincent auf Hinweise, die mit seiner verstorbenen Mutter in Verbindung stehen.

Im weiteren Verlauf der Geschichte findet Vincent Zugang zu einer gefährlichen Parallelwelt. Hier entwickelt sich eine thrillerhafte Spannung, die das ganze Buch über andauert. All dies ist aber lediglich der Zündstoff der eigentlichen Erzählung über eine dystopische Gesellschaft und ihre Strukturen.



Fazit:


Fallen die Begriffe künstliche Intelligenz und datenbasierte Systeme, dann kommt sehr schnell "Dystopie“ als dritter dazu. Und hier ist „Der Zwillingscode“ auch angesiedelt.
Margit Ruile zeigt vielen Genre-Vertretern, wie man eine Dystopie packend und mitreißend erzählen kann.

Gemeinsam mit Vincent erkundet der Leser eine Welt, in der künstlichen Intelligenz den Ton angibt.

Nach der Einführung eines Social Credit Systems hängt der Zugang zu Schulen, Jobs und vielen weiteren Lebenschancen von der Big-Data-Bewertung ab. Das Buch ist damit die ultimative digitale Dystopie.

Das Werk berichtet mit großer Konsequenz und einer bemerkenswerten Wucht, über die uns die Konsequenzen dieser bedauerlicherweise nicht mehr allzu fiktiven Welt präsentiert werden. Schließlich will auch Chinas Regierung die eigenen Bürger künftig mit einem Social-Credit-System bewerten.

Eine Leseempfehlung aber auch für jeden, der sich dem Sog geschickt aufgebauter Spannung hingeben will.

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Veröffentlicht am 15.12.2020

Mal was Neues

Multipla
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Inhalt:

Kriege, Terror und Naturkatastrophen haben dafür gesorgt, dass sich die Menschen gegen eine lebensfeindliche Umwelt stemmen müssen. Das Wasser ist verseucht, die Luft verschmutzt. Wissenschaft ...

Inhalt:

Kriege, Terror und Naturkatastrophen haben dafür gesorgt, dass sich die Menschen gegen eine lebensfeindliche Umwelt stemmen müssen. Das Wasser ist verseucht, die Luft verschmutzt. Wissenschaft und Technik helfen den Menschen, die Mittel in die Hand zu bekommen, die ihnen ein Leben ermöglichen, zumindest für den Augenblick. Mit der Hilfe von Masken kann man vor die Tür gehen, mit Hilfe von Luftfilterungsanlagen in der Wohnung frei atmen.

Die meisten Lebewesen kommen mit Mutationen auf die Welt. Alle drei Monate gibt es eine spezielle Impfung durch die Regierung, die gegen die durch die Haut aufgenommen Giftstoffe weitestgehend helfen soll.

Die Protagonistin des Buches, die junge Bastlerin Delyla, lebt in Multipla, der Hauptstadt Devidiens. Sie hat sich mit den Gegebenheiten weitestgehend arrangiert. In ihrer kleinen Wohnung bastelt sie an neuen Erfindungen. Ihr treuer Begleiter ist eine kleine Katze namens Molly, die Delyla einst von der Straße gerettet und liebevoll aufgepeppelt hat.

Doch als eines Tages Detektiv Scarlar MacKunning vor Delylas Tür steht, gerät die Welt der jungen Frau ins Wanken. Denn der Detektiv bittet sie nicht nur darum, ein seltsames Buch zu öffnen, und die Schrift darin zu entschlüsseln. Das, was vielleicht auf den ersten Blick noch wie ein Zufall wirken mag, ist in Wahrheit mehr. Delyla wird schon bald Teil einer großen Operation. Denn das DWZ möchte die fähige Bastlerin in seinem Team im Kampf gegen eine Organisation, die sich gegen das bestehende System aufgelehnt hat.



Meinung:

Arya Black schreibt mit Multipla eine außergewöhnliche, „biotechnologische“ Geschichte. Es handelt sich um die Dystopie, die ein düsteres Gemälde der Zukunft entwirft.

Die Protagonstin Delyla lebt im Bastlerviertel der Hauptstadt von Multipla. Wie viele andere auch muss sie hart um ihr tägliches Überleben kämpfen. Doch ihr Geschäft läuft so gut, dass sie sich selbst und ihre Katze Molly über die Runden bringen kann. Gelegentlich geht sie auf den Markt, scannt dort die Lebensmittel, die sie benötigt und lässt sich die Lieferung dann per Metalladler nach Hause bringen.

Einzige Vertraute von Delyla ist ihre kleine Katze, die sie einst von der Straße aufgelesen und aufgepeppelt hat. So lebt Molly mittlerweile mit einem Metallohr, in das eine eigens für sie entworfene Maske integriert ist, die, sobald sich Molly vor die Tür begibt, herausfährt. Auch ein zweites Skelett hat Delyla für ihr Haustier entworfen, ohne das die Katze nicht in der Lage wäre, sich fortzubewegen.

Arya Black erzählt in ihrem Roman nicht nur eine spannende Geschichte, die den Alltag geprüfter Menschen in einer lebensfeindlichen Umwelt mit seinen unterschiedlichen Facetten und vielschichtigen gesellschaftlichen Hintergründen in den Blick rückt, sondern sie hat auch eine Vorliebe für Geschichten mit ambivalenten Personal. Von Außenseitern, die zu Helden werden.

Delyla wird unfreiwillig zu einem Kämpfer des Systems. Die DWZ weiß ihre Fähigkeiten sehr zu schätzen. Seite an Seite mit dem Detektiv gerät Deylyla in einen Konflikt mit einer Rebellenorganisation. Was erst noch wie ein normaler Auftrag ausgesehen hat, wird nach und nach zu einer endlosen Tour de force.

Durch die Zusammenarbeit mit dem Detektiv entwickelt Delyla, die bislang hauptsächlich mit ihrer Katze Zeit verbracht hat, Gefühle für einen Menschen. Diese Emotionen einzuordnen fällt gar nicht so einfach. Leser, die befürchten, hier mit einer klebrigen Liebesgeschichte konfrontiert zu werden, kann ich an dieser Stelle beruhigen. Arya Black beschreibt die Zusammenarbeit und die daraus resultierende Entwicklung der Zuneigung ihrer Figuren gemächlich und glaubhaft. Die zwischenmenschliche Komponente bleibt dezent im Hintergrund und überlagert die Haupthandlung nicht.



Fazit:

Wenn es vor zwanzig Jahren ein Genre gab, das Zukunft vor sich zu haben schien, dann war es die Utopie. In den letzten Jahren bekommt man es in der Regel mit einer Zukunftsvision zu tun, die ein negatives und düsteres Bild der Zukunft zeichnet. Sehr oft wird die pessimistische Zukunftsprognose mit Themen wie Technisierung oder permanente Überwachung, in Zusammenhang gebracht.

Arya Black schreibt mit Multipla eine Geschichte, die dieses Genre um bisher ungelesenes bereichert, und die sich vermutlich am ehesten in das Genre Biopunk einordnen lässt.

Ihre Figuren nicht vornehmlich Sprachrohr von Weltanschauungen, sondern lebendige Subjekte, mit einer eigenen Biografie, die Emotionen und Gedankenwelten spiegeln. Menschen, die wirken, als seien sie mitten aus dem Leben gegriffen.

Passend zur Geschichte verfolgt der Verlag ein besonderes Konzept. Die Bücher von Matabooks werden weitestgehend in Handarbeit hergestellt. Sie bestehen überwiegend aus Gras, Reis und Zuckerrohr. Das Buch ist vollständig recycel- und ökologisch abbaubar.

Ich empfehle Multipla Lesern, die etwas Neues, etwas Originelles in Buchform suchen.



Buchzitate:

„Die Menschen sehen nur, was sie sehen wollen und hassen alles, das anders ist und nicht der Norm entspricht. Heutzutage ist Toleranz etwas, das nur noch die Wenigsten besitzen.

Wenn es etwas nicht gibt, dann erschaffe es!

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Veröffentlicht am 09.12.2020

Ein verrücktes Abenteuer

Das Eismonster
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Inhalt:

Haus Wurmig, das Heim für unerwünschte Kinder, trägt diesen Namen mit Recht. Hier leben sechsundzwanzig Kinder, zusammengepfercht in einem Raum. Sie bekommen kaum zu Essen, werden geschlagen und ...

Inhalt:

Haus Wurmig, das Heim für unerwünschte Kinder, trägt diesen Namen mit Recht. Hier leben sechsundzwanzig Kinder, zusammengepfercht in einem Raum. Sie bekommen kaum zu Essen, werden geschlagen und müssen Tag und Nacht arbeiten, wobei sie Taschenuhren zusammensetzen.

Die Heimleiterin, Mrs. Graus, ist besonders gemein. Sie lässt die Kinder Küchenschaben essen und steckt ihnen, wenn sie zur Schlafenszeit noch sprechen, dreckige Socken in den Mund.

Vor genau diesem Heim wird eines Nachts ein Baby ausgesetzt. Elsie, so ihr Name, wächst in der Traurig- und Bitterkeit dieses Hauses auf. Jenseits der Wirklichkeit, diesseits des Eskapismus, schöpft sie Geschichten über eine erfundene Mutter und schafft für die anderen Kinder eine Heldin, die es vielleicht nie gegeben hat.

Irgendwann merkt Elsie, dass das Leben im Waisenhaus so nicht weitergehen kann. Die Schickanen von Mrs. Graus werden so gemein, dass Elsie um ihr Leben fürchtet. Sie beschließt zu fliehen. Es folgt ein Leben als Straßenkind.

Eines Tages lauscht das Mädchen dem Vortrag der Zeitungsjungen. Im Eis wurde ein Monster gefunden! Und dieses Monster soll mitsamt des Eisklotzes, in dem es eingefroren wurde, ins Naturhistorische Museum gebracht werden. Elsie erkennt schnell in dem Monster eine Waise wie sie selbst eine ist. Sie muss das Monster sehen. Koste es, was es wolle.

Schon bei der ersten Begegnung weiß Elsie, dass dieses Ungeheuer nicht das ist, was andere in ihm sehen. Elsie verleiht dem Wesen einen Namen: Wolli. Sie weiß sofort, dass beide bald Freunde sein werden. Und Freunde müssen sich gegenseitig retten, ist es nicht so?


Meinung:

Bereits beim Aufklappen des Buchdeckels von „Das Eismonster“ offenbaren sich dem Leser niedliche, humorvolle schwarz-weiß Zeichnungen. Hier werden die Helden, Randfiguren und Antagonisten des Buches jeweils anhand einer Illustration und einer lustigen Kurzbeschreibung vorgestellt.

Die Zeichnungen selbst sind kleine künstlerischen Meisterwerke, auch beeindrucken sie durch ihre Kreativität und Originalität. Aber auch beim Lesen des Textes legt der Autor Wert auf optische Reize. So wird z.B. der Ausruf des Mammuts „TRÖÖ“ stets groß geschrieben und das Wort Nordpol „bibbert vor Kälte“, während das Wort Königin schön verziert aufs Papier gebracht wurde.

In der Geschichte geht es um das toughe und mutige Mädchen Elsie, die bereits früh lernen musste, mit schwierigen Situationen umzugehen. Elsie setzt es sich in den Kopf, das Mammut aus dem Museum zu befreien. Während dieser Rettungsaktion lernt sie einige interessante Figuren kennen. So trifft sie zum Beispiel auf die bauernschlaue Putzfrau Uschi, die in Notsituationen gerne zum Wischmop greift, die pensionierten Soldaten aus dem Royal Hospital, den Sandwichmann, der davon überzeugt ist, das das Ende immer naht und sogar auf die Königin Victoria, die auf den ersten Blick sehr respekteinflößend wirkt.

Das Abenteuer, das Elsie und Wolli erwartet, wird von David Walliams schwungvoll erzählt. Kaum eine Seite in diesem Buch vergeht, auf der die Freunde nicht von einem desaströsen Ereignis ins nächste stürzen. Aller inherenten Komik und tollen Dialogen zum Trotz, wirkt die Geschichte manchmal auch völlig überdreht.

So werden die Kinder im Waisenheim schon mal zum Trocknen an den Ohren an der Wäscheleine aufgehängt oder Elsie klettert auf den Zylinder eines Mannes und springt von da aus auf einen Baum.

Aber gerade dieser überdrehte, verrückte und sehr rasante Erzählstil macht diese Geschichte zu einem unvergesslichen Abenteuer, durch das man quasi nur so hindurchfliegt. Zurück bleibt das Gefühl eine Geschichte erlebt zu haben, die man so schnell nicht vergessen wird. Soviel sei an dieser Stelle versprochen.

Der Autor schließt sein Buch mit einigen wissenswerten Fakten zum Viktorianischen Zeitalter. Hier lernt man, was es mit dem Royal Hospital Chelsea auf sich hat, was genau die HMS Argonaut ist und dass die Königin tatsächlich, wie im Buch auch, einen indischen Helfer an ihrer Seite hatte, der sich um ihr Wohl kümmerte.


Fazit:

So abgedreht „Das Eismonster“ auf den ersten Blick auch wirkt, so bodenständig ist es tief im Inneren eigentlich. Hier werden Freundschaft und Zusammenhalt gefeiert.
Das in einer ausgefallenen Geschichte, die voll sprachlicher, inhaltlicher und visueller Überraschungen steckt.

Der Autor und der Zeichner, Tony Ross, verleihen der Geschichte Leichtigkeit, vor allem aber ordentlich Humor.

Eine literarische Nonsens-Achterbahnfahrt, die einfach nur Spaß macht.

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